DREDG - Chuckles And Mr.Squeezy
Die (ehemaligen) Indie-Lieblinge Dredg bekommen derzeit kübelweise Schimpf und Schande übergekippt. Anlass ist das neue Album "Chuckles And Mr.Squeezy", das in den Ohren vieler, gefühlt gar aller alten und so furchtbar loyalen Dredg-Fans eine glatte Unverschämtheit sei. Schon einige Wochen vor der Veröffentlichung geisterten Gerüchte durch das Internet, die Scheibe beinhalte an keiner einzigen Stelle eine Gitarre, die Ausrichtung sei komplett auf die beiden Fixpunkte Elektro und Pop eingestellt. Wer all das nur ansatzweise ernstnahm, musste an das nicht mehr für möglich gehaltene Comeback des Justin Timberlake denken. Was natürlich Kappes ist, wie so manches, was dieser Tage zusammengeschrieben wird.
Dass ich der Band, soviel sei vorweggenommen, nun zur Seite springe, um sie gegen allzu unberechtigte Kritik zu verteidigen, konnte man nicht unbedingt erwarten. Wir erinnern uns: das kalifornische Quartett war bis vor wenigen Jahren ein ritzerotes Tuch für mich und auch heute sind die ersten drei Alben "Leitmotif", "El Cielo" und "Catch Without Arms" für mich nah an der Grenze der Unhörbarkeit. Die Herzallerliebste jedoch verliebte sich zunächst in mich und Jahre später tatsächlich in "Catch Without Arms", womit ich wenigstens von Zeit zu Zeit dazu gezwungen war, diesen pathetischen Mist über mich ergehen zu lassen. Ich bin ja prinzipiell total tolerant - nur noch nicht in diesem Leben.
Wie dem auch sei: der Nachfolger "The Pariah, The Parrot, The Delusion", und ich brauchte einige Zeit, das zuzugeben, gefiel mir plötzlich. Der Ansatz war plötzlich viel ungehemmter und luftiger, und was ich auf den Vorgängern bis heute als prätentiösen und aufgeblasenen Indie-Pomp wahrnehme, der zudem auf "Catch Without Arms" auch noch wie unangenehmes Blendwerk erschien, war hier wie weggeblasen. Ich habe seitdem den Eindruck, dass das die "wahren" Dredg sind. Erwartungshaltung und Kalkül wurden in die Tonne getreten und plötzlich war da Leichtigkeit und Licht. Im übertragenen Sinne, denn nur wer die Lauschlappen schon metertief im Honig vergraben hatte, konnte die unterschwellige Melancholie nicht wahrnehmen.
Ich war in Sachen Dredg also neu justiert und die neue Platte führt den Weg des Vorgängers gnadenlos fort. Ergo: Dredg geben offensichtlich noch weniger auf die Erwartungshaltung der Fans und haben sich den schicken Ausgehanzug übergestreift, der die Band noch nonchalanter, souveräner und zügelloser erscheinen lässt. "Chuckles And Mr.Squeezy" zeigt eine nochmals gewachsene Band, die sich darüber hinaus sympatischerweise klar positioniert: keine Wiederholungen. Das gesamte Klangbild unterscheidet sich deutlich von früheren Werken, tatsächlich wirkt es staubiger und diffuser - von der fast kristallinen Struktur und Ordnung von "Catch Without Arms" oder "The Parriah..."ist wahrlich nicht mehr viel zu hören, viel mehr fühle ich mich von Zeit zu Zeit an analoge Aufnahmen aus den siebziger Jahren erinnert. Außerdem fällt schon beim ersten Durchgang auf, dass "Chuckles And Mr.Squeezy" überraschend dunkel und melancholisch ausgefallen ist, manchmal verspüre ich gar leise Anflüge von Verzweiflung und Resignation in diesen Songs, eine fast schon unheimliche unterirdische Strömung (vgl. "The Tent").
Ich habe keine Ahnung, was man sich einwerfen muss, um angesichts dieser Platte von "strahlendem Pop", "stupider Eingängigkeit" oder "oberflächlicher Popmusik" zu faseln. Dredg-Fans sollten doch mittlerweile aus der Pubertät rausgewachsen sein und sich auf neue, im Grunde viel variablere und vielschichtigere Musik einlassen können, ohne gleich die Kommerzialisierungskeule zu schwingen. Es zeugt in diesem Zusammenhang sowieso nicht von allzu prächtigem Hirnlicht, hinter solcher Musik millionenfach verkaufte Alben zu wittern. Distinktion my ass.Erschienen auf Universal, 2011.