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28.07.2024

Sonst noch was, 2023?! - Gesammelte Werke




"Nobody's mad at you
Nobody's mad at you
You're having a private experience
Nobody's mad at you
Nobody's mad at you
Nobody really gives a fuck"
(Neal Brennan)


Ich schwör': ein allerletztes Mal gibt's den Blick zurück ins Jahr 2023. 

Danach...ohjehmine und spoiler alert: geht er sogar noch ein paar Jahre weiter zurück. 


Machen wir also jetzt final den Deckel auf 2023, is' ja auch schon bald August. Grundgütiger.


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EARTH HOUSE HOLD - HOW DEEP IS YOUR DEVOTION


Eigentlich war diese Werkschau von Brock van Wey's Earth House Hold-Projekt für lange Zeit meine Nummer 1 des Jahres 2023, bis ich mich schlussendlich dagegen entschied, eine Compilation in die Bestenliste zu wuchten, noch dazu auf die Spitzenposition. Dann ist es allerdings heute umso wichtiger, über "How Deep Is Your Devotion" zu sprechen. Während ich diese Zeilen schreibe, ist es 10 Uhr an einem Sonntag im Juli 2024. Es ist sonnig, aber glücklicherweise nicht zu warm. Das Fenster ist sperrangelweit offen und in Sossenheim herrscht eine Ruhe, wie ich sie als Kind von den sommerlichen Besuchen bei meinen Großeltern im pfälzischen Nirgendwo kenne. Man spürt das Nichts mehr, als dass man es hört. Es duftet nach schwarzem Kaffee mit einem Hauch Bergamotte. "How Deep Is Your Devotion" läuft, und ich wünsche mir, dass die Zeit stehenbleibt. Die Entwicklung zu verfolgen, die Brock über die vier EHH-Alben auf die muskalische Leinwand gezaubert hat, das Abdriften eines so oder so schon sehr speziellen Deep House-Ansatzes in eine immer weiter gedehnte, dekonstruierte, eigentlich sich in Auflösung befindliche Version mit solch skurriler Schönheit und mehr versteckten, vergrabenen, vernebelten Zwischentönen, als ich jemals hören könnte, ist das Eine. Das andere ist, dass man sich wünscht, diese Musik würde nie enden. Dieser Moment würde nie enden. 


 



Erschienen auf A Strangely Isolated Place, 2023.



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FILM SCHOOL - FIELD


Shoegazing in LA. Das kalifornische Sextett um Bandgründer und Chef im Ring Greg Bertens fiel mir erstmals mit ihrem zweiten Album "Film School" im Jahr 2006 positiv auf, und ich bin hocherfreut, dass die Truppe über die ganzen Jahre durchgehalten hat - das gilt umso mehr, wenn noch so starke Platten wie "Field" in ihren Herzen und Köpfen schlummern. Wer vom aktuellen Slowdive-Album auch so enttäuscht wurde, darf schon mal entspannt das nächste Tütchen drehen: "Field" ist ultrakompakt komponiert, hat einen guten Drive und trotzdem soviel Tiefe, dass einem Songs wie "Up Spacecraft" oder "Don't You Ever" (mit einem 1995er Monster Magnet-Gedächtnisriff) sofort unter die Haut kriechen.


 



Erschienen auf Felte, 2023.



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RAY ALDER - II


Soloalben sind immer so eine Sache. Eigentlich stehen sie schon ab dem Moment der Ankündigung ein paar Stufen unter dem Output der Hauptband. Das Solodebut von Fates Warning-Wundersänger Ray Alder "What The Water Wants" aus dem Jahr 2019 war im Rückblick und abgesehen von Alders gewohnt brillantem Gesang eine Enttäuschung. Zu zahm, zu oberflächlich, und irgendwie auch zu egal. Folglich waren meine an "II" geknüpften Erwartungen von leichter Unterkühlung geprägt, aber siehe da - "II" ist um Welten besser als das Debut, ist zu gleichen Teilen emotionaler als auch heavier. Insgesamt inszeniert Alder seine Musik natürlich gradliniger als im Kontext von Fates Warning, und sein immer noch vollkommen intaktes Gespür für einnehmende Gesangsmelodien im Zusammenspiel mit bisweilen satt tiefergelegtem Unterwasser-Riffing, erzeugen ein ums andere Mal echte Überraschungsmomente. Das gilt mittlerweile nicht mehr für Alders Gesangsleistung: man erwartet Übermenschliches - und das bekommt man dann auch. Weiß Gott keine Selbstverständlichkeit, aber das hat er nun davon, so fucking gut zu sein. SO FUCKING GUT!


 



Erschienen auf Inside Out, 2023. 



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DANNY PAUL GRODY - ARC OF DAY


Und nochmal Kalifornien, dieses Mal San Francisco. Sein Album "In Search Of Light" aus dem Jahr 2011 hatte ich seinerzeit als "Sorgenbrecher" bezeichnet, und seine Musik ist auch 13 Jahre später noch immer genau das. Ich hatte es leider versäumt, über sein 2021er Werk "Furniture Music II" zu berichten, das mir in der Pandemie Hoffnung und Licht ins Sossenheimer Outback brachte, aber das passiert mir nicht nochmal. Die Ruhe und die Kontemplation, die vom inneren Kern von "Arc Of Day" ausstrahlt, macht mein Leben besser. Ich schmecke die Luft an der US-amerikanischen Nordwestküste, spüre den Sand zwischen den Zehen, die Sonne auf der Haut. Eigentlich ist das Psychotherapie, nur ohne Reden. Zuhören sollte man aber. 





Erschienen auf Three Lobed Recordings, 2023.



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AYAAVAAKI & PURL - ANCIENT SKIES


Purl sagte kürzlich über "Ancient Skies", es sei eine der einzigartigsten Platten, die er je aufgenommen hat - und wer sich darüber im Klaren ist, wie viele Alben dieser Kosmopolit schon veröffentlichte und wie bescheiden er für gewöhnlich auftritt, mag erahnen, wie wichtig ihm ausgerechnet dieses Werk ist. Gleichzeitig kann der Eindruck entstehen, "Ancient Skies" sei ein wenig vom Radar der Ambientfans gerutscht und damit also unterschätzt und/oder übersehen - und das muss ich für meine Wenigkeit leider bestätigen. Es gibt einfach viel zu viel Musik und das Leben raubt mir viel zu viel Zeit - und dann legt Purl eben noch immer ein atemberaubendes Veröffentlichungstempo vor. Hinzu kommt: "Ancient Skies" ist in der (digitalen) Orginalfassung fast zweieinhalb Stunden lang, und einfach zu hören ist das nicht unbedingt. "Ancient Skies" ist einerseits dramatisch und opulent, andererseits spielt sich so viel unter den hörbaren Schwingungen dieser Musik ab, ist subtil, manchmal mystisch. Wenn der halbe westliche Planet damit beschäftigt zu sein scheint, das durchs Social Media-Dauerfeuer schön herangezüchtete ADHS zu füttern, erscheint es lohnenswerter denn je, sich einfach mal für zwei Stunden auszuklinken. 

Hinweis: die Doppel-LP hat lediglich acht (statt vierzehn) Songs in zum Vergleich zur digitalen Version editierten Fassungen.


  



Erschienen auf LILA लीला, 2023 




23.06.2024

Sonst noch was, 2023?! - Pablo Bolivar & Nacho Sanchez - Distances




PABLO BOLIVAR & NACHO SANCHEZ - DISTANCES


"Don't let the voices in your head stop you from feeling free." (Rick Rubin)


Achtung, Achtung! Unkontrollierte, unreflektierte Lobhudelei incoming - und ich schäme mich nicht mal. Einfach nur ganz viel Liebe für ein umwerfendes Album. Es gibt im Prinzip auch nichts anderes zu berichten.

Aber so manches geht eben übers Prinzip hinaus und wenn ich jedes Mal nach dreieinhalb holzig formulierten Sätzen den Reviewladen wieder verrammeln würde, hätten wir zwar alle gemeinsam mehr Gehirnzellen übrig, aber ich kann darauf keine Rücksicht nehmen, man mag's mir bittschön nachsehen. Ich bin außerdem der Auffassung, dass "Distances" viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält und erhielt und das muss sich ändern. Musikrezensionen sind nun wirklich nicht mehr en vogue, und in Zeiten, in denen die meisten Mailorder schlicht den mitgelieferten Promotext copy/pasten und es irgendwie als redaktionellen Inhalt aussehen lassen, ist es ja auch viel zu anstrengend, die eigenen Gedanken mal Gassi gehen und sie an die nächste Straßenlaterne strullen zu lassen. Und wer soll's denn in Gottes Namen auch lesen, "jetzt bleiben se mal ernst!" (Pispers)

Wo es doch vor allem gehört werden muss. 

Mir ist das alles egal, es muss einfach raus. Dabei wäre mir "Distances" beinahe wieder durch die Lappen gegangen. Pablo und sein großartiges "Seven Villas" Label waren schon einige Male zu Gast in meinem literarisch gefluteten Kellerverlies der ästhetischen Absonderlichkeiten, unvergessen beispielsweise "Details Am Rande" mit seinem Buddy Sensual Physics aka Jörg Schuster - aber obwohl ich in Fällen, in welchen ich aufgrund vorangegangener Verdienste bereits den prunkvollen Loyalitätstempel gebaut und sogar mal feucht durchgewischt habe und also ganz besonders aufmerksam bin, erfuhr ich von "Distances" gar so spät, dass die auf nur 300 Stück limitierte Vinylausgabe in den einschlägigen Mailordern entweder bereits ausverkauft oder aber so unfassbar fucking teuer war. Nun habe ich grundlegend nur eine schwach ausgeprägte Impulskontrolle hinsichtlich neuer Schallplatten - Geld muss weg und das letzte Hemd hat keine Taschen, es stimmt, stop your internal dialogue - aber bei 50 Euro pro Exemplar bekomme ich einen Schlaganfall (Jochbeinbruch,  Nasenbluten). Erst vor wenigen Wochen bekam ich endlich die Gelegenheit, "Distances" mit seinem wunderbaren Coverartwork und dem violett-weiß-marmorierten Doppelvinyl für einen Preis zu ergattern, bei dem ich mich nicht selbst vollkotzen muss. Und damit wir uns richtig verstehen: für die volle Experience braucht's einfach die Schallplatte. 

Verliebt hatte ich mich in diese so introspektive und doch so leb- und bildhafte Musik jedoch schon sehr früh nach dem Erstkontakt über die Nullen und Einsen der digitalen Welt. Der Verbindungsaufbau in den Emo-Maschinenraum erfolgt unmittelbar, weil da so viel Vertrauen aus dieser Musik entspringt. Zumindest dieser Teil funktioniert also auch ohne den ganzen prätentiösen "Vinyl hier, Vinyl da"-Scheißdreck. Kann man mal sehen! 

In Spannungsdreieck von Deep House, Ambient und Dubtechno setzt "Distances" ein ganzes Rudel bekiffter Ausrufezeichen, und es hätten viel, viel mehr Menschen mitbekommen sollen. Die beiden Produzenten Pablo Bolivar und Nacho Sanchez zollen auf ihrer ersten gemeinsam gestalteten LP den beiden großen Fixpunkten Detroit und Berlin Respekt und haben einen expansiven Ballungsraum für die entsprechenden Spielarten erschaffen, der zu gleichen Teilen den bereits erlebten wie auch den kommenden Zeiten Beachtung und Anerkennung schenkt. Ein sich ständig neu konfiguriendes Kaleidoskop aus Klang, Bedeutung, Farben und Emotionen. 

"Distances" liefert mystische Science Fiction-Vibes, zaubert Vernebelung im Deep Space, schleudert Kältedruckwellen und purpur-glühende Lichtfäden in den freien Raum, die sich unter Langzeitbelichtung in der Atmosphäre einbrennen und dort Wegweiser und Monument sind. Ein majestätisch und bedächtig durch die Zeit treibendes Generationenschiff mit Bewusstheit und -sein für den Kontext der frühen Meisterinnen und Meister, und verstandenem Auftrag für das Übermorgen. 

Immer daran erinnern: Akustische Levitation ist möglich.


 


Erschienen auf Seven Villas, 2023. 

12.05.2024

Best of 2023 ° Platz 2: bvdub - Fumika Fades




bvdub - FUMIKA FADES


"Shoulder deep within the borderline" (Maynard James Kennan)


Ich bin immer wieder froh, kein echter Musikjournalist zu sein. Eigentlich bin ich ja nicht mal ein unechter. Bitte nicht als Koketterie missverstehen; was ich damit sagen will: ich bin Fan. Und das ist praktisch alles, was ich bin. Ich verbringe viel Zeit mit der Recherche, springe wie ein vom ADS-Affen gebissenes und bis unters Dach mit Crack vollgepumptes Eichhörnchen von einer Stimulanz zur nächsten, kaufe meine Schallplatten, höre, höre, höre, recherchiere weiter - wer hat mit mit wem gespielt und gesprochen, wo wurde das aufgenommen, wer hat die Kabel aufgerollt und das Essen gebracht, wer produzierte, wer hat das Coverdesign gestaltet - und wenn alles gut läuft, schreibe ich irgendwann mal darüber. Nun bin ich in manchen Fällen ein bisschen mehr als nur ein Fan. Es wird mitunter ein bisschen ernster. 

Wenn beispielsweise Brock van Wey, Ludvig Cimbrelius oder Agus Mena neue Musik veröffentlichen oder wenn ein neues Album auf A Strangely Isolated Place ansteht, dann weiß ich um die Wichtigkeit, diese Musik in mein Leben zu lassen. Weil ich weiß, dass sie wie ein Kompass für ein besseres Leben funktioniert. Es ist Reinigung, Re-Kalibrierung, Erinnerung. Und ich versuche, von diesen Erfahrungen, die sich in der Auseinandersetzung mit dieser Musik entwickeln, so viel wie möglich in meinen Alltag zu integrieren. Hochgefühle erleben. Weniger, weil ich unentwegt im Endorphinrausch existieren will, sondern weil ich die Reminiszenz an jene Wahrnehmungen benötige, die mein Leben bereichern, anstatt vom stumpfen Getöse des Alltags geflutet zu werden. Es ist echtes Lebenselixier.

Nun sind Künstler wie Brock, Ludvig und Agus, als auch Labelmanager wie Ryan Griffin ausgesprochen umtriebig. Sie veröffentlichen mehrmals im Jahr neue Musik und ich versuche, immer auf dem Laufenden zu bleiben und den Überblick zu behalten - angesichts der Menge ihres Outputs gibt es indes leichter zu meisternde Herausforderungen. Und selbst wenn mir das gelänge, muss das dann nicht auch immer alles für die Bestenliste herangezogen werden? Und ich meine...wirklich alles?! Dabei sag ich's doch die ganze Zeit: wenn doch alles so toll, wichtig, überwältigend, inspirierend ist, dann ist es nicht nur naheliegend, sondern gar zwingend erforderlich, die Top 20 mit ihren Platten zuzuballern. Oder ist es am End' doch etwas komplizierter?

Freilich ist es das. Ich könnte von den neun (!) Alben, die Brock unter seinem bekanntesten Projekt bvdub im vergangenen Jahr veröffentlicht hat, alle in DIE_LISTE aufnehmen, aber was passiert dann mit den anderen 60 Platten, die mir 2023 zu neuen Mitbewohnern wurden? Und wenn ich gerade eh schon dabei bin, das Thema unnötig zu verkomplizieren: wie zum fickenden Fick wähle ich aus den neun Platten denn die "richtige" aus, ohne es komplett beliebig werden zu lassen? 

In meinem Buch gab es im Jahr 2023 zwei herausragende bvdub-Alben. Das eine ist "Days Of Gold", erschienen auf dem englischen Label Quiet Details und ist in der Ansprache so deutlich anders als so ziemlich alles, was Brock bislang zusammenstellte, dass alleine jener Umstand wenigstens eine Erwähnung an dieser Stelle notwendig macht. "Days Of Gold" ist euphorisch, ausgekleidet mit goldenem Funkenregen, hell, expansiv, einnehmend. Ich bin stets aufs Neue verblüfft, wie sehr es die Atmosphäre im Raum manipuliert, ins Humaninterieur hineinkriecht und dort herumwirbelt.  

Das andere unbedingt erwähnenswerte und also zu lobende Werk ist "Fumika Fades", als Vinyledition auf EC Underground erschienen und ähnlich wie "Days Of Gold" geprägt von einigen Merkmalen, die nicht alle Tage auf Alben von bvdub zu finden sind. Die vier langen, rund um die 20 Minuten-Marke endenden Tracks sind nicht nur überraschend abwechslungsreich und zeigen trotz des nach wie vor sehr ambienthaften Charakters etwas deutlicher ihre Wurzeln in der elektronischen Tanzmusik, sie sind auch mit Bedacht kuratiert und offenbaren aus 2000 Fuß betrachtet einen Spannungsbogen, der viel zur Dynamik und Intensität des Albums beiträgt. Anders als die stets subtil inszenierten House-Flashbacks, die sich auf nicht wenigen Songs von Brock finden lassen und vielleicht am stärksten auf seinen Arbeiten als Earth House Hold heraustreten, sind die zusätzlichen Jungle und Breakbeatelemente auf "Fumika Fades" der Gamechanger. Der Einstieg mit "Fade To Flow" gerät noch ziemlich traditionell und verläuft im Rahmen dessen, was man mittlerweile von einem bvdub Album erwarten darf, bekommt aber im letzten Viertel bereits die ersten, hier noch diesig verhuschten, Breakbeats ins Soundbild tapeziert. Die folgenden "Fade To Find" und "Fade To Feel" nehmen die Spur auf und drehen sowohl die pastoralen Momente seiner Musik, die sich so oft als Offenbarung im Sinne einer schier endlos verlaufenden Erlösung zeigen, als auch den Fokus auf den Rhythmus und das Flackern ein paar Grad nach oben. Das abschließende "Fade To Fall" äschert dann sämtliche im Vorfeld eh schon wackligen Grenzen und Hüllen ein: das betörende Vocalsample, die mäandernden Pianotupfer und der immer präsenter werdende Beat verfolgen allesamt nur ein Ziel: Eindringlichkeit. 

Für die Bewusstheit über die höchsten Höhen - und die tiefsten Tiefen. Für alles mittendrin. Für alles Äußere. Für alles Innere. Für die Erinnerung an den eigenen Herzschlag. Für die Unendlichkeit.


             



Erschienen auf EC Underground, 2023. 

22.04.2024

Best of 2023 ° Platz 5: Alex Albrecht - Coles Ridge




ALEX ALBRECHT - COLES RIDGE


"You know, if you take everything I've accomplished in my entire life and condense it down into one day, it looks decent." (George Costanza)


Erinnert sich noch jemand an Seaworthys "Map In Hand"-Meisterwerk aus dem Jahr 2006? Vieles, was ich damals (und heute eigentlich immer noch) über dieses so leise und subtile aber mit großer emotionaler Wucht inszenierte Album schrieb, gilt auch für das zweite Album des ebenfalls aus Australien stammenden Produzenten Alex Albrecht - obwohl "Coles Ridge" zumindest vordergründig nicht immer leise und subtil ist. Stattdessen wird es bisweilen sogar überraschend lebhaft, wie im sechsminütigen Ambient House-Schwoofer "Behind The Break", wie gemacht für die berüchtigten Panflöten-Ketamin-Bärlauch-Smoothies bei der After-Work-Party im Frankfurter Bankenviertel Bahnhofsviertel. Dennoch geht es hier nicht um sowas banales wie Tempo. It's the vibe, dude! Was "Map In Hand" und "Coles Ridge" eint, ist die Fähigkeit, diese ganz spezifisch aus der Natur entnommenen Atmosphären einzufangen und sie so präzise zu vertonen. Das erscheint mir beinahe einmalig zu sein. 

Eine Idee zur Auflösung: Die Romantik infiltriert die Ratio, der Wille zur Exaktheit diffundiert das Pathos. Nichts davon ist statisch, besonders Albrechts Musik ist eine einzige Elastizitätsübung: vom perlenden Piano-Sepia zu komplexen rythmischen Figuren, vom jazzig gehackten Downbeatkraut aus Richard Dorfmeisters Stash hin zu auf die Tanzfläche drängenden House-Akzenten spannt "Coles Ridge" aus musikalischer Sicht einen weiten Bogen. Das ist das eine. 

Das andere ist, wie die Perspektive von Erlebnissen und Situationen sich innerhalb dieses inneren Klanguniversums ändert and anpasst, ohne dabei die Erzählung zu verfälschen; dem Bild also plötzlich eine andere Tönung, ein anderes Licht zu geben, aber die emotionale Spannung zu fixieren. So entstehen zwei unterschiedliche Ebenen der Ansprache, deren Unabhängigkeit voneinander nur in der engsten Verbindung und gleichzeitig der größtmöglichen Freiheit existieren. 

Die Inspiration zu "Coles Ridge" entnahm Alex seinen Reisen durch die Dandenong Ranges, einer etwa 35 Kilometer östlich von Melbourne liegenden Bergkette. Selbst wenn ich noch nie in Australien war, und ich bezweifle, diesen Status jemals ändern zu können oder auch nur zu wollen, kann ich beinahe die feuchte Luft auf dem Gipfel des Mount Dandenong schmecken. 

Was für ein Trip!





Erschienen auf Analogue Attic Recordings, 2023.

28.01.2023

Best Of 2022 ° Platz 24: Mundos Sutis - Quintessence




MUNDOS SUTIS - QUINTESSENCE


Das an der Nordküste Spaniens, genauer gesagt in Kantabrien, beheimatete Label Seven Villas Music mausert sich immer mehr zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für die Bandcamp-Subscription. Labelbetreiber und Produzent Pablo Bolivar veröffentlicht mindestens zwei EPs/Alben im Monat und für schlappe 6 Euro bekommt man sie über das Abo leicht und locker in die Download-Queue gespült. 

Für "Quintessence" des mexikanischen Produzenten-Duos von Mundos Sutis war kein Abo notwendig. Gute acht Monate nach dem digitalen Release war endlich die Vinylfassung fertig gebacken und das war ein echter No-Brainer, wie man heute eben so sagt, wenn der Schlaganfall nicht fern ist. Schon ihr Seven Villas-Debut mit der EP "Aquamarine" aus dem Jahr 2021 sorgte für aurale Kuschelorgien, was sollte also auf Albumdistanz schiefgehen?

Natürlich gar nichts. Quod erat demonstrandum. Und das liegt nicht nur daran, dass sich drei Tracks der exzellenten EP nochmal auf "Quintessence" finden lassen. 

Julia Arguello und Matias Delpiano haben im Prinzip ein nächtliches Dampfbad am Strand von Balandra vertont, nachdem man im Hotelzimmer von der als Potpourri getarnten Pilzmischung genascht hat; ein kleiner Gruß aus der Küche. Es ist feucht und heiß da draußen, das Kleinhirn so mellow durchgedampft, dass man's mit einem Strohhalm aus den Ohren rausschlürfen könnte. Die Palmen atmen in der Meeresbrise. Das Wasser weiß wie Schnee. Notbeleuchtung. Durch die Luft schweben Moleküle von buntem Gras, Endorphinen und getragenen Unterhosen. "Quintessence" läuft in Endlosschleife. 

Man möchte eintauchen und nie wieder zurück an die Oberfläche kommen. 


Vinyl: Die Doppel-LP (kein Gatefold) ist in der farblichen Gestaltung des Vinyls mit gold und blau etwas gewagt, die Pressung ist hingegen absolut fehlerlos, der Klang warm und füllig. Das Coversleeve wirkt ein bisschen labberig. Ein Bandcamp-Downloadcode ist beigelegt. Man muss froh sein, dass sich das Label sowas traut. Zeugt von Vertrauen. (++++)


 



Erschienen auf Seven Villas, 2022.

17.07.2021

Sonst noch was, 2020?! (13) - Sam McQueen - Dreams In Sepia



SAM McQUEEN - DREAMS IN SEPIA

Technisch ist "Dreams In Sepia" kein Kandidat für eine Bestenliste des Jahres 2020, eher einer für die "Beste Reissues"-Aufstellung: das japanische Label Blue Arts Music veröffentlichte das Solo-Albumdebut des Produzenten aus Chicago bereits im Jahr 2019 auf CD und in digitalen Formaten, bevor Ende 2020 das Mojiba-Tochterlabel a.r.tless  aus Berlin mit einer Vinylversion nachzog. Ich schlief leider im übertragenen Sinn auf der colorierten Variante, die mit ihrer farblichen Abstimmung zum sowieso fantastischen Coverartwork von Kilian Eng so herzzerreißend wundervoll ausschaut und vermutlich aus genau jenem Grund schneller ausverkauft war als ich "Piep" piepsen konnte, und musste mich also mit der schwarzen Standardpressung begnügen. Aber alleine das Cover...also...DIESES COVER!

Sam McQueen ist ein Veteran der Technoszene Chicagos; u.a. war er im Duo mit John Beltran und als Co-Produzent an dem Klassiker "Indio" des gleichnamigen Projekts aus dem Jahr 1999 beteiligt, das übrigens im vergangenen Jahr vom spanischen Subwax Excursions Label ebenfalls erstmals auf Vinyl veröffentlicht wurde. Auf "Dreams In Sepia"...ich würde jetzt gerne weiter schlau daherreden, von den Anfängen des UK-Techno zu Beginn der 1990er Jahre, vom Berlin-Sound der Mittneunziger, Detroit Techno und früher Ambient-Produktionen, aber ich sag's jetzt einfach wie's ist: ich habe keine Ahnung, was hier passiert. Es ist kein Techno, es ist kein House, es ist kein IDM, kein Broken Beat, kein Ambient. Es ist all of the above. 

"Dreams In Sepia" ist so beruhigend wie aufgeputscht, so pastell wie neon, so träumerisch und melancholisch wie dynamisch und funkelnd. Dazu höllisch komplex - wenn ich noch einmal höre, elektronische Musik sei monoton und flach, bekomme ich einen Schreikrampf: die mehrschichtigen Beat-Verdichtungen, die entgegen aller Vernunft wie blindlings eingeworfenen Basslines, die flächigen Sci-Fi-Ambientstreicher, die sich mit den scheinbar unendlich weit aufgezogenen Melodiewolken einen neuen Fluchtunkt nach dem anderen bauen. So entstehen Momente voller "Sonnenaufgang am Sandstrand"-Euphorie wie in "Fathoms", vom Leben berauschtes After Hour-Geflimmer in "Wicker Park Sunrise", das verspielt-verdaddelte Freigeist-Gezippel in "Then And Now" und das im Orionnebel herumschwebende "Awaken From A Dream". Und darüber hinaus Momente, die manchmal so unwirklich, so surreal, so weit in der Zukunft zu liegen scheinen, dass der Science Fiction-Film, der als Untermalung für diese Musik dienen soll, erst noch erdacht werden muss. 

"Dreams In Sepia" ist beeindruckend - weniger im Sinne eines technischen Gefuchtels, als viel mehr in der Idee der Vereinigung, des kollektiven Bewusstseins in und durch Raum und Zeit. 

Ich glaube, man wird über dieses Album noch viel nachzudenken haben.


   


Erschienen auf Blue Arts Music, 2019/a.r.t.less, 2020. 


02.04.2021

Best of 2020 ° Platz 3 ° Soela - Genuine Silk


SOELA - GENUINE SILK

One more cosmic watergate
Psychic war, deletion zone
Future destiny unknown
(Voivod)

"Genuine Silk" hat mich noch kurz vor Jahresende blutig abgegrätscht, weil mein Bauchgefühl bereits bei Erstkontakt im Spätsommer des vergangenen Jahres sämtliche 10000 Watt Glühwürmchen in die "für die Jahreszeit zu warme" (Jens "Granate" Riewa) Winternacht Sossenheims schicken sollte. Der Ausgangspunkt, weil same procedure as last month, dear Girokonto: einfach mal ein Wochenende lang auf den bevorzugten Webstores rumhängen und mit geradezu ungesunden Mengen an Kaffee und Proteinriegeln in neue Musik reinhören, recherchieren, vergleichen und am frühen Montagmorgen um halb drei mit nervösen Ausfallerscheinungen und 57 Platten in 6 Warenkörben versuchen, Schiffe Versenken für behämmerte Giganerds zu spielen, um das Supermarkt-Budget am Monatsende nicht auf "rohe Kartoffeln, rohe Zwiebeln, frische Knorpel"-Niveau runterfahren zu müssen. Im Falle des Albumdebuts der in Berlin lebenden Produzentin Elina Shorokhova war die Sache eigentlich nach wenigen Augenblicken klar. Das markant-unwirkliche und anziehend wirkende Cover-Artwork, das Label (Dial) und eine Minute des Quasi-Openers "Shadows On The Wall" reichen aus, *klick*, gekauft, Hurra!

Eines meiner liebsten Labels, das in Los Angeles operierende A Strangely Isolated Place, bedruckte vor Jahren mal einige Merchandise-Shirts mit dem Motto "Ambient In The Sheets - Techno In The Streets" und wenn man mich früge (sic!), kam bislang kein anderes Album der Vereinigung der beiden vermeintlichen Gegensätze so nah wie "Genuine Silk". Für jemanden, dessen Leben sich zumindest mental ohne Weiteres zu 97% im Bett abspielen könnte, die restlichen drei Prozent gehen für den (fast) unvermeidlichen Toilettengang und Plattenpakete vom Briefträger an der Haustür abholen drauf, ist diese Platte ein Paradies: wachsweiche Synthieschwaden fließen sirupartig von der Decke herab, ein melancholischer Blick aus dem Fenster zeigt einen diesigen Horizont avec Nieselregen, die Nebelmaschine zischt mit der Kaffeemaschine um die Wette, das elegant getupfte Piano lässt zusammen mit dem verhuschten Stimmengefetze Erinnerungen an die verstörend leeren Schlafzimmerblicke der ersten Tri Angle-Veröffentlichungen wach werden - und in der zweiten Hälfte houst es sich mit hellerem, klarerem Beat in Richtung Kuschelsex und der Zigarette danach. Es. Ist. So. Fucking. Smooth. 

Ich habe mit "Genuine Silk" weite Teile des Lockdown-Winters verbracht. Das hat wegen der idyllischen Melancholie seiner Songs schon gut funktioniert. Ich kann es andererseits auch kaum erwarten, das Album in der Frühlingssonne und an lauen Sommerabenden auf der Terrasse in meinem Frankfurter Kiez zu hören. Denn diesen Spagat bekommt Soela hin: lebensfrohe und sommerliche Urbanität mit schwermütigem Grauschleier zu verbinden ist ein Klacks für dieses Wunderwerk. 

Wir treffen uns bitte in der Mitte, auf ewig.


 


Erschienen auf Dial, 2020.



01.04.2021

Best of 2020 ° Platz 4 ° Aril Brikha - Dance Of A Trillion Stars




ARIL BRIKHA - DANCE OF A TRILLION STARS

Broken, bruised, forgotten, sore
Too fucked up to care anymore
(Nine Inch Nails)


Über die ersten sechs Monate des Jahres saß "Dance Of A Trillion Stars" auf dem Thron der Jahresbestenliste und wurde erst in der zweiten Jahreshälfte ein ganz kleines bisschen verdrängt. Eine Platte, die ich in einer Zeit, in der vieles auseinanderzufallen drohte, als gesundes Regulativ wahrnahm, als Normal Null. "Dance Of A Trillion Stars" ist bei aller Introvertiertheit und Ruhe keine elegische Operette der Besinnung, es bietet keinen Pfad in die Untiefen des eigenen Geistes, es zeigt keinen übertriebenen Gestus der Dramatik. Es ist eher ein Glas frisches, kaltes Wasser: Ein Lebensspender, wenn die eigene Realität vor der geistigen Dürre kapituliert. 

Sein erstes Album seit 13 Jahren zeigt den schwedischen Produzenten in den Zwischenwelten der Schwerelosigkeit, des Fantastischen, der Bewegung und man fragt sich: waren das einmal Skizzen seiner sonst üblichen Techno und House-Tracks, bevor damit anfing, diese Kompositionen auseinanderzubauen und zu belüften? Einen Beat hat man den pulsierenden Grooves nämlich fast durchgängig entzogen; sie entstehen im Grunde lediglich aus ihrer Dynamik, die sich aus den übereinandergelegten, im Tempo immer wieder variierenden Schichten und dem Spiel unterschiedlicher Perspektiven und Fluchtpunkte einstellt. Das macht "Dance Of A Trillion Stars" einerseits abstrakt, weil die Verschiebungen so subtil inszeniert sind, dass man sich ihnen zunächst nur über das Flackern ihrer Aura nähern kann - andererseits entwickelt sich aus ihnen bisweilen eine fast expressive Klarheit. Wenn Brikha hingegen wie im Stück "Everything Was Here First" einen sehr rudimentären und nur für wenige Minuten sehr sparsam eingesetzten Beat zulässt, vergrößert sich diese Klarheit noch zusätzlich, sie wird lebhafter und direkter. Etwas diesig wird es eigentlich nur im Abschlusstrack "She's My Everything", der sich am weitesten ins Grenzgebiet zwischen Ambient und Techno vorwagt und die perlenden Synthieblitze mit einem gedämpft pochenden Unterwasserbeat und rollendem Basslauf begleitet. Und selbst hier ist es eher kaltweißes Licht, das die Dämmerung bricht als der vorgewärmte Sepiafilter im Wohlfühlpulli.

"Dance Of A Trillion Stars" ist Raumfahrer-Techno für den Spaziergang im unendlich weiten, kalten Kosmos. Eine Streckübung des Science Fiction Ambients, gebaut für den so benötigten Perspektiv- und Paradigmenwechsel: aus 3,40 Millionen Lichtjahren Entfernung ist auch der größte Scheißhaufen eben nur ein Maulwurfhügel. Ein Trost, immerhin.


 



Erschienen auf Mule Musiq, 2020.



07.02.2021

Best of 2020 ° Platz 17 ° nthng - Hypnotherapy




NTHNG - HYPNOTHERAPY

So I'ma build a bunker now
In the underground, surviving with that other sound
(Oddisee)


Techno hat's unter Corona vielleicht so hart getroffen wie kein anderes Genre, denn das, was unter normalen Umständen in den Clubs dieser Welt gespielt wird, ist auch genau für diesen Ort produziert worden. Elektronische Tanzmusik ist zum, Achtung, festhalten: Tanzen gemacht, im besten Fall in einer Gemeinschaft, in einem dunklen, heißen, feuchten Raum; die Hände zum Himmel, Koks von der Klobrille, Herpes vom Mojito, geiles Leben, Feierei. Aber was macht man eigentlich mit Techno, wenn niemand mehr tanzt? 

Na logo: man verwächst zu Hause mit der Couch, baut sich ein Rohrpost-System zum Kühlschrank und legt das ungeliebte Techno-Album auf. Autoren-Techno. Prätentiöser Kackmist, wer will sowas denn hören? Elfmeter ohne Tormann: sicherlich sehr viel mehr, wenn es denn nur mehr richtig gute Platten gäbe. 

nthng kann es jedenfalls. Hat er 2015 mit dem Debut "It Never Ends" auf Lobster Theremin bewiesen, einem konzeptionell überraschend stringent arrangierten, motivischen Album. Seitdem gab es vom niederländischen DJ und Produzenten eine Handvoll 12-Inches (u.a. auf Mörk und Delsin) und nun im Corona-Scheißjahr 2020 mit einem extrem miesen Timing die zweite Sammlung "Hypnotherapy". Eine Tour zum Album kann man sich schön in die Haare schmieren, hinzu kam ein Leak bereits Wochen vor dem offiziellen Release. Wie's so geht? NA, EXZELLENT!

"Hypnotherapy" lebt weniger vom Konzept, ich mag darüber hinaus bezweifeln, dass es überhaupt eines gab, als von erstens: einer unglaublichen stilistischen Bandbreite, zweitens: sehr, sehr starken Einzelsongs und drittens einer über dieser Platte schwebenden Leichtigkeit und Freiheit. Und wenn drittens das Konzept ist: bon, approuvé!

Vom luftigen, von skurrilen "Many Men (Wish Death)"-Sprachsamples durchzogenen und damit die Atmosphäre brechenden Ambient-Einstieg "50 Flower" über Trance-Strahlemänner wie den absoluten Höhepunkt "Heifft" mit seinem halsbrecherischem Tempo, straighten Hits wie "I Just Am" (mit Whitney Houston-Sample) und dem funkelnden "Spirit Of Ecstasy" oder den New Age streifenden Titeltrack mit flächig-bebendem Finale bis hin zum Ambient in "Beautiful Love" und dem weich und entrückt wegdämmernden Abschluss "With You" hat das Album durchgängig Stil, Eleganz und Klasse. Jeder Track ein Hit - und alles funktioniert bestens in den eigenen vier Wänden. 

Liegend - oder zappelnd.

--

Pressung: Vielleicht die ärgerlichste Pressung des Jahres 2020. Die beiden großartigen, subtilen Ambienttracks "Beautiful Love" und ganz besonders "With You" sind ohne Tobsuchtsanfall praktisch nicht zu hören. Ich weiß nicht, wie es mit der schwarzen Vinylversion ausschaut, aber es würde mich schwer wundern, wenn die problemfrei liefe. Abhorrent. (+)

Ausstattung: Die reine Optik der colorierten Version ist zum Dahinschmelzen. Keine gefütterten Innenhüllen, kein Downloadcode. Bei Bandcamp kostet der digitale Download nochmal satte 10 Pfund. (++)


   


Erschienen auf Lobster Theremin, 2020. 


09.05.2020

2010 - 2019: Das Beste Des Jahrzehnts: George Fitzgerald - Fading Love




GEORGE FITZGERALD - FADING LOVE


Der Sommer 2015 mit dieser Platte im Reisegepäck wird unvergessen bleiben. Wir verbrachten einige Tage bei der Familie in Lübeck und fuhren jeden Tag mit dem Auto an einen Hundestrand an der Ostsee (Fabbi liebt den Strand!), und was schon auf der sechsstündigen Anreise offensichtlich war, dass wir also unsere Sommerplatte des Jahres gefunden hatten, wurde auf den täglichen Fahrten nur noch bestätigt: es verging keine Sekunde ohne "Fading Love". 

Bittersüße Melodien, Melancholie im Nicki-Strampler mit einem trockenen Martini in der Hand, Sonnenuntergänge im Sepiafilter. Herausragender Moment ist sicher die Single "Full Circle", die mühelos das gesamte Album tragen kann und bis heute Emotionen und Bilder hervorruft, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Im Grunde will man die Welt umarmen und dabei Rotz und Wasser heulen. Und weil das gleichzeitig eine sehr akkurate Beschreibung des eigenen Gemütszustandes am Rande des Wahnsinns ist, finde ich, das trifft's auch im Frühjahr 2020 noch ganz anständig. 





Erschienen auf Double Six, 2015.

26.04.2020

2010 - 2019 - Das Beste Des Jahrzehnts: Electric Wire Hustle - Love Can Prevail




ELECTRIC WIRE HUSTLE - LOVE CAN PREVAIL


Möglicherweise ist der Sound dieses Produzenten-Duos aus Neuseeland zu speziell und zu anspruchsvoll für den Mainstream - ich habe ansonsten keine Erklärung dafür, warum ganz besonders dieses Album so dermaßen unter jedem Radar blieb. 

Seit ihrem im Untergrund gefeierten Debut aus dem Jahr 2010 mit prominenten Fürsprechern wie beispielsweise Gilles Peterson, warte ich eigentlich auf den ganz großen Durchbruch für Electric Wire Hustle - stattdessen ist es nach ihrem letzten Album "The 13th Sky" beunruhigend leise geworden. "Love Can Prevail" ist ein Geniestreich: die Mischung aus Soul, Broken Beats, Jazz und Electronica ist völlig einzigartig, Songs wie "Loveless", "Light Goes A Long Way" oder mein Favorit auf Lebenszeit "Blackwater" oszillieren zwischen visionärem Sounddesign und Pop-Appeal, und das Video zur Single "By & Bye" ist in der künstlerischen Eleganz in Verbindung mit einem rastlosem, nie so recht ankommen wollenden Arrangement das Beste, was in den letzten zehn Jahren zu Klang gedreht wurde. 

Thinking Man's Urban Soul Party.





Erschienen auf Somethink Sounds, Okayplayer Records, 2014.


28.03.2020

2010 - 2019: Das Beste Des Jahrzehnts: Brock Van Wey - Home





BROCK VAN WEY - HOME


Hier hätte zunächst das Album stehen sollen, das meinen Einstieg in die Welt Brock van Weys markierte und die Stimmung des vergangenen Jahrzehnts im Erleben meiner Realität, der musikalischen zumal, so stark prägen sollte, wie sonst nichts anderes. "The Art Of Dying Alone", unter seinem hauptsächlich verwendeten Alias bvdub erschienen, verdrehte mir Herz und Kopf gleichermaßen und war dafür verantwortlich, in den kommenden knapp neun Jahren nicht weniger als 30 (!) Titel des Kaliforniers käuflich zu erwerben. 

Die Wahl auf das 2011 erschienene Album wäre also eine leichte gewesen. Weil leicht aber auch ziemlich langweilig ist, entschied ich mich für das unter seinem bürgerlichen Namen erschienene Mammutwerk "Home" und zitiere den Mann, der die Ehre hatte, diesen über 150 Minuten andauernden, mich förmlich gegen die Wand drückenden Emotionsorkan zu mastern. 

Liebe Freunde, Stephen Hitchell (Echospace): 

"The best work I've ever heard from Brock. This was the hardest mastering job I've ever done, it took months and months, I had tears in my eyes through the entire process, the emotion felt here is unlike anything I've heard before. If this doesn't capture the heart and souls of people, well, I don't know what will." 

Und was Hitchell hier angestellt hat, ist in der Bewertung von Home nicht zu vernachlässigen; "Home" als ausufernd zu bezeichnen, wäre eine oder hundert Nummern zu klein, und das liegt nicht nur an der Epik und Dramatik, die einem Brock van Wey sowieso schon aus jeder Pore kommen. Hitchell hat vor allem in den monumental inszenierten und manchmal über 15 Minuten durch Seele und Geist stürmenden Höhepunkten der Tracks wirklich alles aufgedreht, was es aufzudrehen gab. 

Mehr Weite und Drang war nie. 

Mehr Katharsis, Reinigung, Bewusstheit und Heilung war nie. 




Erschienen auf Echospace, 2014.

29.12.2019

Best Of 2019 ° Platz 20 ° Melchior Sultana - Deeper Than It Sounds




MELCHIOR SULTANA - DEEPER THAN IT SOUNDS


Ein Teilnehmer der diesjährigen Folge "Es ist Frühling und ich möchte tanzen!": Melchior Sultana aus Malta mit einem Albumtitel, der das naheliegend schlechteste aus jedem Musikjournalisten herauskitzeln könnte. Meine Lust nach positiv aufgeladenen, euphorisierend-elektronischen Sounds, wenn die ersten Sonnenstrahlen das eben noch erstarrte Winterleben wachküssen, wurde mittlerweile zur lieb gewonnenen Tradition im Hause Dreikommaviernull. Anders als die Konkurrenz hielt sich "Deeper Than It Sounds" indes bis in den Dezember hinein in der Playlist, und das muss mit einem Platz in den Top 20 belohnt werden. Sultana liefert ein melancholisch-schaukelndes Deep House Album ab, auf dem sich mediterran getupfte Klangwärmekörper auf einem Bett aus dunstigen Grooves ausbreiten und entlang räkeln können. Kommt am besten zum ersten Kaffee im Bett an einem bekifft-launigen Sonntag Mitte Mai zur prachtvollen Morgenerektion.

Keine Termine und leicht einen sitzen (und stehen)(vielleicht).




Erschienen auf deepArtSounds, 2019.


20.04.2019

Hedonilacholie




ROOSEVELT - YOUNG ROMANCE


Jetzt, da wir dem sich wieder ewig und vier Monate hinziehenden Jahresbestenlistenwahnsinn entronnen sind, ist es an der Zeit, die alten Kleider abzustreifen, sich neu aufzustellen und fokussiert nach vorne zu blicken - Haha, Quatsch mit Soße: noch ein bisschen Resteverwertung aus 2018 zu betreiben. 

Es gehört zu den tragischeren Momenten der Symbiose einer über den eigenen Kopf wachsenden Lohnarbeit mit einer Beinahe-Verstummung oder wenigstens signifikanten Reduzierung von Texten auf diesem Blog, dass ich bislang noch nichts über Roosevelt geschrieben habe. Das Schicksal teilt der junge Mann aus Köln zwar mit einer Legion an Musikern, Bands und Platten, die alle ebenfalls noch in der viel zu langen Warteschlange für einen Beitrag stehen, und geteiltes Leid ist ja halbes Leid - aber besser wird es damit ja auch nicht.

Das selbstbetitelte Debut aus dem Jahr 2016 hat sich mittlerweile im Hause Dreikommaviernull, und das schließt explizit die Herzallerliebste nebst Vierbeiner-Entourage mit ein, nach einer Phase des indifferenten Beschnupperns zu Beginn der Auseinandersetzung zu einer Art Lieblingsplatte gemausert. Vor allem für die sonnigeren Tage ist die Mischung aus 80er Synthiegewürmel, elektronischem Indiepop und dem Musikprogramm des ZDF-Fernsehgartens so erfrischend und euphorisierend wie ein eiskalter und in guter Gesellschaft eingenommener Gin Tonic (natürlich ohne Gurke, Ihr verwirrten, verwirrten Menschen!). 




Im letzten Herbst erschien nun also der Nachfolger "Young Romance" und ich stellte mich auf einen ähnlichen Effekt wie beim Debut ein: Zunächst erscheinen Andrea Kiewel und die untote Ilona Christen vor dem geistigen Auge, Busladungen beige-tragender Silberzwiebeln überfallen fist-raisend Autobahnraststätten und sehnen sich nach einer Nacht mit Florian Silberschwengel oder wenigstens einer Gewürzgurke, und wo zur Hölle ist mein Notfall-Insulin abgeblieben? Nach erfolgreichem Überstehen dieser Phase kann es eigentlich nur in Richtung Tanzfläche, Hawaiihemd und Limettenbaum gehen. Und dann sollte es auch endlich mit der Jahresbestenliste 2018 klappen.

Wir wissen nun: es klappte nicht. 

"Young Romance" erschien Ende September und erwischte mich trotz (oder wegen - you decide!) der immer noch anhaltenden Dauerhitze des vergangenen Jahres auf dem falschen Fuß. Ich hatte einfach genug vom Sommer, war zudem Dank andauernden 50+ Stundenwochen energetisch völlig ausgelaugt und ging zum Weinen in den Keller, wo es dann auch immerhin mal vier Grad kühler war. Lässig auf der Terrasse mit Leinenhemd an der eigenen prachtvollen Erektion lehnen und dazu melancholisch-beschwingte Popmusik hören war indes undenkbar. Ich wollte Winter, ich wollte eiskalten, Haut verätzenden Wind, Hagel, Graupel, Regen - oh fucking hell, ich wollte alles mit sich reißenden Regen. Und Roosevelt nahm darauf natürlich keine Rücksicht; der Mann liegt ganzjährig am Strand und hat 24/7 einen Sex on the Beach in der Hand, wenigstens mental. 

Im Frühjahr 2019 zeichnet sich aber mittlerweile das ursprünglich zu erwartende Bild ab: ich bin bereit für Roosevelt. Ich bin bereit für "Young Romance". Ich bin bereit für den Frühling. Ich bin bereit für die Sonne. Ich bin bereit für synthetisch schmeckendes Eis am Stiel aus den Laboren der Lebensmittelmafia. Für kurze Hosen und Byredos Sunday Cologne bis Oktober. Für eine auf einem Schimmel sitzende Prinzessin im Modern Talking Shirt, die in den Sonnenuntergang reitet und dabei die Bohlen-Faust zeigt. Für vollgesoffene Idioten mit Biermixgetränken in durchtanzten Clubnächten. Für vegane Blowjobs unter Autobahnbrücken. Für Hornissen so groß wie der Reichstag. Für Bio-Limetten und für Rapsölmotoren. Leben, here I come.

Roosevelts Musik ist eine süchtig machende Mixtur aus Melancholie und Euphorie, sie ist zu gleichen Teilen mitreißend wie träumerisch, romantisch wie hedonistisch. Wer immer noch dem pubertären Missverständnis aufsitzt, nur auf dem Nährboden aus Trauer, Dunkelheit, Verzweiflung und (Selbst)Mitleid erwachse relevantes kreatives Schaffen: get help, srsly!




Erschienen auf City Slang, 2018.


01.04.2019

Best Of 2018 ° Platz 4 ° Earth House Hold - Never Forget Us




EARTH HOUSE HOLD - NEVER FORGET US


"Memories. Because that's what we are, really. Memories." (Penelope Wilton)

Vielleicht liegt's an meiner katholischen Erziehung und der endgültigen Demütigung, gar in der Funktion als Messdiener Gottesdiensten beigewohnt und erwachsenen Menschen beim Ausleben ihrer zerebralen (und immerhin nicht erektilen) Dysfunktion erlebt zu haben, vielleicht ist es der Wunsch nach Vertrautem und am Ende des Tages: nach Sicherheit, Rituale so anziehend zu finden, dass ihre erfolgreiche oder -lose Integration in den Alltag über meine Gemütslage entscheiden können. Und vielleicht kommt es auch mit dem fortgeschrittenen Alter, denn noch vor fünf Jahren wäre das mit der Herzallerliebsten gemeinsame Einnehmen des ersten Kaffees am Morgen wegen unterschiedlicher Prioritäten und daraus resultierendem Zeitmangel unvorstellbar gewesen - heute ist es im besten Fall eine ganze Stunde quality time, die wir für die restliche Zeit des Tages nur selten im Überfluss kredenzt bekommen. Zumal in einem morgendlichen Setting, das einerseits noch so viel Verheißung und Hoffnung auf das, was da heute noch kommen mag verspricht (verbunden mit der nachhallenden Freude darüber, dass es dem "lieben Gott" (Rudi Assauer) offensichtlich noch nicht einfiel, unserer Existenz über Nacht ein jähes Ende zu bereiten), und andererseits noch ohne den nach Feierabend auf Seele und Herz verspritzen Klärschlamm der Lohnarbeit auskommt, der zur Ausführung halbwegs strukturierter menschlicher Interaktion und kognitiver Prozesse bisweilen etwas hinderlich sein kann. 

"Warum erzähle ich ihnen das, Hundskrüppel?" (Polt, o.s.ä.) 

"Never Forget Us", beziehungsweise die Auseinandersetzung mit "Never Forget Us" ist in meinem Emotionszentrum eng mit dem beschriebenen Ritual und den darin gemalten Bildern verknüpft. Das liest sich banal, und ich muss sie enttäuschen: vermutlich werden Sie, werter Leser, das schale Gefühl ebenjenes Banalen auch mit den nächsten Sätzen weder von der Netzhaut noch von ihrem Lebenszeitkonto kratzen beziehungsweise streichen können. Es muss sein, halten Sie sich fest: ein leichter Nieselregen an einem trüben, aber dennoch atmosphärischen topgelaunten und üerraschenderweise hellen Frühlingstag (jetzt besonders stark sein: ich teile diese helle Toplaune nur ganz selten!), eine leichte Brise Petrichor durchs gekippte Fenster, die sich mit dem Duft einer frisch gebrühtem Tasse Kaffee verbindet. Dazu - jetzt wird's final so richtig Punkrock: ein Spritzer Acqua di Parma aufs frischgebügelte und mittlerweile drei Nummern zu große hellblaue Hemd und "Never Forget Us" von Earth Hose Hold auf dem Plattenteller - das Vinyl selbstverständlich in enger farblicher Abstimmung mit der Oberbekleidung, nämlich auch in blau, wenn auch etwas deutlicher ins türkise/petrolige marschierend. Earth House Hold ist ein Alias von Brock van Wey - auf diesem Blog hauptsächlich Stammgast unter seinem Moniker bvdub - und nach langen Jahren des Planens und Wartens endlich auf A Strangely Isolated Place vertreten. 

Ich kann nicht mal sagen, ob sich das eben beschriebene Szenario wirklich eines Tages mal so abspielte; ich meine, wann bitte hat letzten Frühling mal geregnet, "LOL"(Till Schweiger), aber die emotionale Bindung zu dem Moment, der für mich grob unter "pures Glück" abgespeichert ist, ist stark - so stark, dass selbst der dunkle und nasskalte November in die Flucht geschlagen würde. Jedes neuerliche Hören von "Never Forget Us" bringt mich an einen guten Ort. Einen Ort der Ruhe und Kontemplation. Meditation. 

Wie klingt es? Vielleicht tatsächlich wie etwas, was bisher noch nicht zu hören war. In meinem letztjährigen Instagram Beitrag zu "Never Forget Us" schrub ich von atemberaubenden "next level sounds", weil ich die Kombination aus Brocks opulenter Ambientbühne, seinen klassischem Deephouse-Erinnerungen und den typisch souligen Vocalsamples einerseits, und der daraus erwachsenden Atmosphäre aus schwebender Melancholie und funkelnder Euphorie andererseits in dieser Form vorher noch nie gehört hatte. Möglicherweise gibt es aus diesem Grund auch einen Anteil in dieser Musik, der fremdartig erscheint, wie nicht von dieser Welt. Und ebenfalls möglicherweise ist es kein Zufall, eine weitere, eine zweite Platte in dieser einen entdecken zu können. Spielt man "Never Forget Us" nicht wie vorgesehen auf 33rpm, sondern auf 45rpm ab, morpht die Aura des Albums deutlich in Richtung House und entwickelt eine ganz eigene Dynamik, ohne dabei aber auch nur einen Beat der eigenen Identität zu verlieren. Auf links umgekrempelt, aber immer noch derselbe Stoff, aus dem die Träume sind. 





Eine auf mehreren Ebenen außergewöhnliche Platte, die angesichts Brock's bisherigem Schaffen mit der deutlichen Fixierung auf House unter diesem Projektnamen besonders stilistisch überrascht. A Strangely Isolated Place Labelboss Ryan Griffin berichtet, dass er und Brock schon lange über eine Zusammenarbeit nachdachten und nur auf den richtigen Moment warteten, bis Brocks Musik endlich (und erstmals) auf ASIP erscheinen sollte. "Never Forget Us" teilt die Leidenschaft und den Respekt der beiden Männer an den frühen klassischen House-Sound, der sowohl Inspiration als auch Basis für Brocks Musik ist und ist damit die perfekte Ergänzung zum Labelportfolio: Für mich ist "Never Forget Us" ein Gamechanger - ein Album, das in seiner Ausrichtung, seiner Ausstrahlung neues, bisher unberührtes Terrain betritt - im Außen und im Innern. Die Einführung in Brocks Musik mit dem Album "The Art Of Dying Alone" hat mein Leben verändert, und es hat auch neun Jahre später nicht aufgehört. Wie so viele seiner Veröffentlichungen hat auch "Never Forget Us" an meinem Lebensrad gedreht und wenn ich ich die Kamera von hier auf das große Bild aufziehe, dann hat es sich vermutlich schon lange nicht mehr so schnell gedreht. 


Pressung: ++++ (Bisweilen leise Pops, die aber das Gesamtbild nicht stören)
Ausstattung: +++++ (Klappcover, dicke, aber ungefütterte Papp-Innenhüllen, türkisblaues Vinyl. Fantastisches Art-Design)





Erschienen auf A Strangely Isolated Place, 2018.

18.01.2019

Best Of 2018 ° Platz 18 ° Rhi - Reverie




RHI - REVERIE


"Reverie" ist das Debutalbum der mittlerweile in England lebenden Kanadierin Rhi und erschien streng genommen bereits Ende des Jahres 2017 - allerdings entschlossen sich die Macher des Tru Thoughts Labels, das Album zum letztjährigen Record Store Day erstmals auf Vinyl zu pressen. Tru Thoughts ist nicht nur Heimat solch teils bahnbrechender und sowieso fantastischer Musik von Bonobo, Quantic, Moonchild, The Seshen oder Nostalgia 77, sondern auch ein sicherer Hafen für Qualität im Bereich Hip Hop, Electronica, Downtempo, Funk und Soul. 

"Reverie" lässt keine Ausnahme dieser Regel zu: deep, hypnotisch, verhuscht, sexy, mystisch. Tiefgekühlte Hip Hop-Beats, über die mehrere Ebenen narkotisierter Melodien gespannt sind, tief pumpende Basslines und eine entrückte Stimme, die über den heißen Kessel Buntes erotisch hinweghaucht. In aller Kürze: shut up and take my money! Mit einem ganz kleinen bisschen Phantasie könnten feine Parallelen zu Jessy Lanza's Debut "Pull My Hair Back" gezogen werden, allerdings ist "Reverie" weniger experimentell und ätherisch, sondern tatsächlich song- und poporientiert. 

Sehr empfohlen für nächtliche Autobahnfahrten, Sommernächte unter freiem Himmel und Sex. Bestenfalls ließe sich all das ja auch kombinieren.    


Pressung: +++++ 
Ausstattung: +++ (keine Linernotes oder Fotos - dafür wunderbar ausschauendes Purple Vinyl)




Erschienen auf Tru Thoughts, 2018.