BOB MOULD - BLUE HEARTS
Goodbye my friends
Goodbye to the money
Adieu to the fuckers that think that it's funny
I just want to turn the lights on
In these volatile times
(IAMX)
Ich darf vorstellen, Bob Mould, Weltkulturerbe. Seit 40 Jahren schreibt niemand sonst solche Songs. Keine andere Gitarre, keine andere Stimme klingt wie seine. Wer würde es angesichts dieser Karriere wagen, nicht alle Hüte zu ziehen?
Ich war zu jung, um Hüsker Dü mitzuerleben, aber ich kam gerade richtig für Sugars "Copper Blue": diese seltsame Mischung aus Melodie und Monotonie, Pop und Punk wurde für mich zu einem der einflussreichsten Alben der 1990er Jahre. Ich lernte viel von dieser Platte. Vielleicht war es für einen, der sich lange im Heavy Metal herumtrieb und seit ein paar Monaten im völlig besinnungslosen Grunge-Fieber war, auch eine der ersten Platten, die sich "Indie" anfühlte. Ich verlor danach Mould für sehr lange Zeit aus den Augen. Erst 2016 mit dem Album "Patch The Sky" stieg ich wieder ein und es gehört zu den eher unverzeihlichen Fehlern dieses Blogs, bislang noch kein Wort darüber verloren zu haben, denn "Patch The Sky" war Türöffner und Auferstehung zugleich: nicht nur verpasse ich seitdem kein neues Album mehr, ich habe auch die Sammlung mit früheren Werken aufgefüllt. Ab dem 2012 erschienenen und sowohl von Fans als auch Kritik gleichermaßen gefeierten "Silver Age" nagelt mir der Mann im Prinzip ausschließlich Hochklassiges auf den Plattenspieler. Für meine Begriffe liegt das nicht zuletzt an seiner Band: Jason Narducy am Bass und Monstertrommler John Wurster am Schlagzeug haben genügend Drive und Punch, um auch manchmal Schaumgebremstes mit Wucht und Spielfreude über die Ziellinie zu kicken, wenn es notwendig ist.
"Blue Hearts" ist Moulds 13.Soloalbum und es ist eines seiner Zornigsten. Trump, Umweltverschmutzung, Rassismus, Republikaner, Scheinheiligkeit, Fanatismus - Mould hat die Schnauze voll, er schreit, er bebt, er tobt. Mit zitternder Stimme singt er in der Einleitung "I wear my heart on my sleeve, don't know who to believe any more". Alles muss raus. Und es geht wortwörtlich Schlag auf Schlag: die Band macht zwischen den Songs praktisch keine Pause. Ein brillanter Pop-Indie-Alternative-Punk-Smash-Hit nach dem anderen batscht mir auf die heruntergeklappte Kinnlade, dazu gibt's die so heiß geliebten Momente der Tiefe wie in "Forecast Of Rain" oder "Password To My Soul", die in dieser Form wirklich nur Bob Mould und seine Band spielen können. Alleine in einem Gitarrenanschlag stecken mindestens dreikommaviernull Millionen Universen an Farben, Tönen, Perspektiven und Emotionen.
Wenn mir der Trump'sche Irre aus dem Weißen Haus oder die Nazis der AFD und ihre lobotomierten Sackgesichter auf Social Media zu nahe auf die Pelle rücken und mir das Hirn verklebten: "Blue Hearts" war ein hervorragend funktionierendes Antidot.
Erschienen auf Merge Records, 2020.