17.04.2011

Von Tragödien und Meilensteinen - Teil 3


"Kings Of Metal" bedeutete nach dem kommerziellen Erfolg von "Fighting The World" dann den endgültigen Durchbruch - zumindest in Europa, denn im Heimathafen USA gibt es für Manowar bis heute nichts zu holen. Das sechste Album ist auch zugleich das letzte wirklich herausragende Manowar-Werk: das Quartett stellte hiermit die ultimativen Weichen für die nächsten Jahre, und auch wenn der Fokus auf Klischees und Image noch nicht so ausgeprägt war, wie auf späteren Veröffentlichungen: spätestens hier ging's richtig los. Vor allem dürften einige Herren gemerkt haben, dass man ein paar mehr Platten verkaufen kann, wenn man sein ganzes Sein auf Kriege, Schlachten und Drachen ausrichtet und außerdem die direkte Fan-Ansprache sucht. Auf "Fighting The World" war "Carry On" der Hit, der plötzlich nicht nur wegen der Musik Metaller und Rocker gleichermaßen ansprach, sondern der mit einer an sich widerlichen Märtyrer- und Opfer-Ästhetik, die seit Jahr und Tag mit der Underdog- und Außenseiter-Theorie legitimiert und aufgehübscht wird, direkt an niederste Instinkte einerseits und einen diffusen Zusammenhaltsgedanken andererseits appellierte. Auf "Kings Of Metal" hießen die Stücke "Heart Of Steel", das man den deutschen Fans zuliebe sogar in einer deutschen Version aufnahm und als Single veröffentlichte, und "Kings Of Metal", das Titelstück also, in dem "true metal people" besungen und gefeiert wurden. Eine Platte später war es "Metal Warriors", in dem "whimps and posers" aufgefordert wurden, die "hall" zu "leaven". Sowas kommt eben an.

Ein Geschmäckle hat "Kings Of Metal" also schon. Aber es hat auch nochmal sensationelle Songs, denen man zwar im Vergleich mit früheren Alben durchaus eine kleine Richtungsänderung anhört, unter dem Strich aber schlicht viel zu gut sind. Vor allem beeindruckend: die komplette B-Seite mit Legenden wie "Kingdom Come", "Hail And Kill" und "Blood Of The Kings", sowie das erneut fantastisch gesungene "The Crown And The Ring", das in Sachen Bombast und Pathos selbst für Manowar-Verhältnisse alles in den Schatten stellt. Für die übermächtigen Chöre der Nummer nahm man in der St. Paul’s Church in Birmingham auf und rekrutierte den ortsansässigen Canoldir-Männerchor. Man lebte auf großem Fuß, und was De Maio heute "Bombast" nennt, kommt ganz offensichtlich aus einer Bontempi-Kinderorgel aus der Rumpelkammer von James Last.

Aber es gab auch ernsthaftere Kritik, die man insbesondere heute nicht mehr so leicht übergehen kann, wenngleich es in der heutigen kapitalistischen End-Postmoderne weitaus Ekelerregenderes gibt. Aber man sollte das nicht relativieren, Scheiße bleibt auch 23 Jahre später schließlich immer noch Scheiße. Da ist zum einen das Stück "Pleasure Slaves", das mit seinem peinlichen Text eindeutig sexistisch und frauenverachtend ist und außerdem dafür verantwortlich war, dass der ehemalige Gitarrist Ross The Boss aus der Band ausstieg, weil er damit nichts zu tun haben wollte. Gottseidank ist der Schmutz nicht auf meiner Vinylversion zu finden (wohl aber auf der CD-Version). Zum anderen gab es Stimmen, die der Band aufgrund des Textes von "Blood Of The Kings" - und hier besonders wegen der letzten Zeile - rechtsextreme Tendenzen unterstellten:

Our armies in England, Ireland, Scotland, and Wales
Our brothers in Belgium, Holland and France will not fail
Denmark, Sweden, Norway, Finland, Italy
Switzerland, Austria
Back to the glory of Germany

- ein Vorwurf, der meiner Ansicht nach Kappes ist, und ich habe dafür durchaus ein überfeines Gespür. Manowar sind - und das wurde in den letzten Jahren ja auch an der ein oder andereren Stelle offensichtlich - patriotische Spinner und Rednecks, aber Nationalisten sind sie ganz sicher nicht. Und gerade in solchen Bereichen stellt sich mir ganz persönlich immer die Frage, was davon ernsthaft von der jeweiligen Person stammt, und was marketingstrategisches Kalkül ist. Ich bin mittlerweile bei Manowar soweit, schlichtweg alles als Marketing zu bewerten, zumal man von den Musikern und ihrem alltäglichen Leben recht wenig weiß. Vielleicht ist die gespielte Rolle als gefeierter Rockstar-Held im Lendenschurz, der in Europa auf Festivals gerne mal vor 30000 Leuten spielt, am Ende größer als das triste Leben als Klempner in einem grauen Provinzkaff in amerikanischen Osten. Das ist vermutlich die größte Tragödie dieser Band, die den Druck im Kessel mit aller Macht erhöhen wollte, und dann nicht mehr merkte, dass das Ding schon vor Jahren explodiert ist und sie nur noch von falschen Freunden, falschen Einflüsterern und Schulterklopfern umgeben sind.

Manowar waren in ihrer Blüte eine andere Band in einer anderen Zeit. Und es ist nichts Schlechtes daran zu finden, wenn man sich ab und zu daran erinnert.


P.S.: Wer wundert sich auch, dass hier fast kein Wort über "The Triumph Of Steel" aus dem Jahr 1992 steht? Okay, sei's drum: bis auf "Spirit Horse Of The Cherokee" komplett zu vergessen. Und De Maio hätte sich mal besser die Bedienungsanleitung des Drumcomputers durchlesen sollen.

E.N.D.E.

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