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10.01.2021

Die besten Second Hand-Funde 2020 (5): Skyclad - Irrational Anthems


SKYCLAD - IRRATIONAL ANTHEMS


Von Hippie-Eso-Rock der 90er Jahre über Broken Beat, Future Jazz, Noise-Goth zu Folk Metal - und Sie fragen mich ernsthaft, warum hier niemand mitliest?! 

"Irrational Anthems" war das letzte fehlende Vinyl-Mitglied der Skyclad-Sammlung (was nicht ganz richtig ist, weil ich die Picture Disc vor genau 20 Jahren in einem Plattenladen in Lübeck entdeckte - aber...). Ich habe den Fund der Originalausgabe Freund Jens zu verdanken, der seine Augen und Ohren in den Social Media'schen Verkaufs- und Tauschgruppen für mich immer weit geöffnet hat. 

Wie ich zu dieser ehemals so fantastischen Band aus Newcastle stehe, lässt sich für Interessierte HIER nochmal ausführlich nachlesen - wenn's ein bisschen mehr sein darf, klickt man am unteren Bildrand auf "Neuerer Post" und kommt darüber zu den Einzelreviews - und wo wir gerade hier sind, verlangt es der Anstand, auch auf meinen damaligen Text über "Irrational Anthems" hinzuweisen, in dem ich abschließend befand, das Album sei zwar im Prinzip absolut fehlerfrei, als möglicherweise einziges Skyclad-Werk indes nicht so irre gut gealtert. Und es stimmt: einige Songs dieser Platte habe ich in meiner Jugend auch schlicht bis zum Ohnmachtsanfall abgenudelt; der Eindruck also, Hits wie "Penny Dreadful", "No Deposit, No Return" oder "Inequality Street" seien in einer Zeitkapsel eines bestimmten Lebensabschnitts eingeschlossen und könnten nie wieder unabhängig von den Erfahrungen und Erlebnissen jener Zeit gehört werden, ist sicherlich nachvollziehbar. 

Das nimmt allerdings nichts von Glanz und Wichtigkeit von "Irrational Anthems", was mir bei der neuerlichen Auseinandersetzung, ganz besonders mit den Songs der vermeintlich zweiten Reihe, bewusst wurde: "Snake Charming", "The Sinful Ensemble"(!), "My Mother In Darkness"(!!), "I Dubious"(!!!) und "Science Never Sleeps" sind einfach unsterbliche Klassiker. 

Und ich erneuere hiermit meine frühere Einschätzung: Diese Band hat in den 1990er Jahren keinen auch nur mittelmäßigen Ton aufgenommen. Alles aus Gold.


   



Erschienen auf Massacre Records, 1996. 

09.01.2021

Die besten Second Hand-Funde 2020 (4): Oddzoo - Future Flesh

 


ODDZOO - FUTURE FLESH


Die Herzallerliebste und ich beschlossen vor etwa drei Jahren, uns nach einer langen Zeit der Tanz-Abstinenz wieder öfter ins Nachtleben Frankfurts und der angeschlossenen Funkhäuser zu schmeißen. Nach einigen Tests mit ganz, äh, unterschiedlichen Erfahrungen und Ergebnissen, sollten vier Etablissements in der engeren Auswahl für die wochenendliche Abendplanung verbleiben. Eine Nacht, die künftig als feststehender Termin gebucht war, war der Fürstentanz im Gambrinus in Bad Homburg, eine Gothicparty, die für uns weniger wegen der Affinität zu solchen Sounds, als viel mehr durch die immer angenehmen Gäste interessant wurde. Keine Besoffenen, kein aggressives Verhalten, keine Idioten - keine offensichtlichen immerhin - what's not to like? 

Oddzoos "Future Flesh" haben wir auf dem Mainfloor noch nicht gehört, aber es wäre weder Stilbruch noch Überraschung: das französische Trio pendelt zwischen einer teils durchaus ruppigen und überdimensioniert arrangierten Noise-Ästhetik und pompösen, elegischen Melodiebögen und entwickelt in diesen Momenten nicht zuletzt wegen der glockenklaren Gesangsstimme ein bizarr wirkendes Pop-Verständnis, das für mindestens zwei Tanzflächenmonster in Deiner Gothic-Datsche gut sein dürfte. 

Besonders herausragend: die mit großen Refrains zugeballerten "Little Death", "Lunesta" und das abschließende "Singularity". Wenn Martin Gore, Danny Cavanagh und Chris Corner ein Nebenprojekt gründen würden.


 



Erschienen auf Blood Music, 2018.


08.01.2021

Die besten Second Hand-Funde 2020 (3): The Cinematic Orchestra - Motion




THE CINEMATIC ORCHESTRA - MOTION


Talking about "zeitloser Klassiker" und "Wiederentdeckung": "Motion" des Cinematic Orchestras passt wie Jazzanovas "In Between" in beide Kategorien. Die Vinylfassung des 1999 erschienenen Debuts dieses Kollektivs stand bereits seit vielen Jahren auf meinem Wunschzettel, aber es sollte erst im Herbst des Jahre 2020 endlich soweit sein. 

Mein erstes Zusammentreffen mit "Motion" muss wie bei "In Between" etwa zur Mitte der nuller Jahre stattgefunden haben; einer sehr turbulenten Zeit, in der sich mein Leben praktisch alle zwei Wochen neu erfand - und neu erfinden musste. Ich entdeckte elektronische Musik, ich entdeckte Jazz und irgendwie entdeckte ich mich dabei selbst mehr und besser als in den vorangegangenen 28 Jahren. Die innere Befreiung, dass es mehr zu sehen, denken und fühlen gab, öffnete mich im Außen für Inspiration und Neugier. Es brauchte in diesem Zustand keine besondere Anstrengung, mich in einem Album wie "Motion" gleichermaßen zu spiegeln und zu verlieren. Die Atmosphäre aus verdichtetem cut-and-paste Jazz und grobkörniger Electronica entwickelt eine unnachahmliche Dringlichkeit und wirkt spätestens beim Höhepunkt "Night Of the Iguana" wie ein Film Noir-Soundtrack from outer space: fremdartige Bewegungen aus der Tiefe der Nacht, des Raums und der Zeit. 

Fanfaren, Drama, Kontemplation und Exzess.


   



Erschienen auf Ninja Tune, 1999.


04.01.2021

Die besten Second Hand-Funde 2020 (1): Three Fish - The Quiet Table



THREE FISH - THE QUIET TABLE

Harald Schmidt sagte mal, dass maximal zwanzig Bücher ausreichten, um das Leben angemessen ausgestattet zu bestreiten, verbunden mit dem Hinweis auf die Tagebücher von Julien Green, in denen es heißt, dass am Ende seines Lebens nicht mal mehr Thomas Mann der groben Entflechtung des Literaturbestands standhielt. Immer öfter stehe ich selbst vor der Schallplattenwand und ertappe mich bei ähnlichen Gedanken. 50 Alben - mehr braucht's eigentlich nicht. Gib mir meinen Coltrane, meinen Scott-Heron, den Soundtrack meiner 90er Jahre Adoleszenz und fünf, sechs Metal-Hackepeter aus der Ursuppe der 1980er Jahre und ich bin okay. 

Die beiden Platten der Low-Key-Supergroup Three Fish würden diesen Auswahlprozess mühelos überstehen, sie fielen in den Eimer mit den dreckigen, nach Benson & Hedges und Zino müffelnden Karohemden meiner Neunziger. Tribe After Tribe Sänger/Gitarrist Robbi Robb, Pearl Jam-Bassist Jeff Ament und Wundertrommler Richard Stuverud veröffentlichten vor über 20 Jahren zwei herausragende, größtenteils ruhige, spirituelle Werke, geschmückt mit Einflüssen und Instrumenten des mittleren bis fernen Ostens, meistens aus lockeren Jamsessions entwickelt und in Aments Homestudio in den Bergen von Montana aufgenommen. Während das selbstbetitelte Debut noch hier und da auffindbar ist, ist das Vinyl von Album Nummer Zwo - "The Quiet Table" - mittlerweile leider sehr selten geworden. Es wurde über die letzten Jahre zu einer meiner meistgesuchten Schallplatten.  

Seit dem Quarantänen-Sommer 2020, einer Gelegenheit sowie einem großen Schuck aus der "I Just Don't Give A Fuck Anymore"-Pulle, liegt die Platte nun also regelmäßig auf meinem Teller, und ich freue mich sehr über diese zeitlose, klischeefreie, psychedelische und leider vergessene Perle der neunziger Jahre. 

Die perfekte musikalische Begleitung für den nächsten gemütlichen Abend im Opiumrausch. Der Quarantäne-Winter 2021 kann kommen. 


   


Erschienen auf Epic Records, 1999.