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27.02.2022

A Walk in My Atomic Garden - Platz 3: Bad Religion - No Control




BAD RELIGION - NO CONTROL

Ich kaufte die CD von "No Control" im Spätsommer 1993 in einem kleinen Plattenladen in Weil am Rhein, zwischen einem Rollkunstlaufwettbewerb, just einsetzender Pubertät und in Davidoff "Zino" getauchten Karohemden, zusammen mit der CD-Single von Nirvanas "Heart-Shaped Box" (mit dem fantastischen "Marigold" auf der B-Seite und außerdem einen großen "In Utero"-Aufkleber; Trivia von mir für Dich, bitte, danke.). Es war damit auch die letzte Platte der fünf bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Alben zwischen "Suffer" und "Recipe For Hate", die ich mir nach ihrem Re-Start im Jahr 1988 als Tonträger kaufte. "No Control" war also ein Spätzünder im Hause Dreikommaviernull - aber das lag an meinem sehr, sehr kleinen Schüler-Portemonnaie und nicht etwa daran, dass mir mein von meinem Bruder aufgenommenes und mittlerweile recht ausgemergeltes Tape von einer Auseinandersetzung mit dem Album abriet. Tatsächlich besuchte ich ein paar Monate vorher mein erstes Bad Religion-Konzert in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg und das geriet wie an anderer Stelle bereits erwähnt derart eindrücklich, dass ich in den kommenden Jahren den Autopiloten einschalten sollte und also alles kaufte, was ich in die Finger bekam. Sogar völlig beschissen klingende Bootleg-CDs waren nicht mehr vor mir sicher. Ich stand förmlich in Flammen. 

"No Control" konnte den Brand nicht löschen. Auch wenn ich anerkenne, dass sowohl die stilistischen als auch qualitativen Unterschiede zwischen "Suffer", "Against The Grain" und "No Control" verschwindend gering ausfallen, trifft das 1989 erschienene Album den so oft zitierten Sweet Spot.

"Suffer" lebte vielleicht nicht in erster Linie, aber zu einem guten Stück von der Sensation des Neuen und hatte bei aller juveniler Energie noch ein paar Bremsklötzer zwischen die Songs gelegt, "Against The Grain" zeichnete dagegen erste zaghafte Linien in Richtung Souveränität und - zugegeben: Redundanz. "No Control" platziert sich exakt dazwischen: ihr berüchtigter Drive zeigt sich hier in voller, wilder Blüte, das Songwriting ist flüssiger und sicherer als noch auf "Suffer", die ganze Band schien selbstbewusster und konnte so das Tempo und zugleich die melodischen Elemente nochmals nach oben schrauben; ganz besonders offensichtlich wird das in den mehrstimmigen Gesangsarrangements. Im Ergebnis präsentiert sich "No Control" mit großer Lockerheit und mühelosem Swing und wirkt dabei gleichzeitig schärfer und eindringlicher als der Vorgänger und Nachfolger. 

Wer alleine nach dem furiosen Einstiegstrio mit "Change Of Ideas", "Big Bang" und dem Titelsong noch ohne Blutdrucksenker auskommt, lässt sich auch bei OBI die Haare schneiden.


   


Erschienen auf Epitaph, 1989.