BAD RELIGION - AGE OF UNREASON
Meine früheren Bewertungen für jene Bad Religion-Alben, die nach "No Substance" erschienen, waren erstens nicht immer schmeichelhaft und zweitens - das weiß ich jetzt - vielleicht auch nicht immer akkurat. Oder fair. Ich bin Emotionshörer, ein recht volatiler noch dazu, und manchmal grätscht mir irgendwas Herbeihalluziniertes die "Gude Laune!" (Väth) weg, ich rede/denke mich in Rage, alles ist verdammt, wir warten apathisch auf den Untergang, Fleischsalat aus der Dose, Mutti ist in Rente, schlimm, schlimm, schlimm. Mal bleiben solch vernichtenden Urteile Jahre und gar Jahrzehnte unangetastet und wie der zusammengerollte Hunni im Kokshäufchen stehen, manchmal sieht man mich aber auch hektisch zurückrudern. In Sack und Asche, weil ich ein Kanisterkopp bin, pardon, sorry, kommt nicht wieder vor.
Es gibt einige Platten, über die hier noch zu schreiben sein wird, bei denen ich heute weiß, dass ich zu streng und/oder zu doof war. Muss ich anerkennen. An dieser Stelle darf die große Einlaufwelle nun endlich den Badestrand erreichen: "Age Of Unreason" ist keine solche Platte, und solange das Wachkoma mich nicht schnappt, wird sich daran auch mit sehr großer Sicherheit nichts mehr ändern. Aus mir völlig unerklärlichen Gründen finden selbst langjährige Fans, "Age Of Unreason" sei endlich der "langersehnte Befreiungsschlag", eine Rückkehr zu "alter Größe" - und das alleine macht die Platte fast noch ein bisschen ärgerlicher. Nicht, dass es hierfür noch zusätzliche Unterstützung bräuchte, denn die Sammlung von wirklich kaum zu ertragenden Schunkelrocksongs mit einem manchmal erschütternd tattrigen Greg Graffin und einer höchst diskussionswürdigen, weil mumpfigen Produktion ohne jeden Biss sind schon schlimm genug.
Aber dass diese windelweiche und karobehemdete Gaslightanthemisierung des Punk Rock mittlerweile die Köpfe derart verklebt zu haben scheint, durch und durch entsetzliche Offenbarungseide wie "Candidate" oder "Downfall", zu denen sich Dieter Thomas Heck die obligatorischen sechs Aquavit noch vor seiner Moderation der ZDF-Hitparade über die eigene Dauerwelle gekotzt hätte, fröhlich nickend durchzuwinken, macht mich auch an den Tagen zwischen den Tagen einigermaßen fassungslos.
Immerhin, und das soll nicht verschwiegen werden: vier Songs ("Chaos From Within", "The Approach", "Old Regime" und der Titelsong) werden sich künftig auf der Florian'schen "Best Of Bad Religion"-Playlist wiederfinden. Ich bin möglicherweise manchmal ein Blödmann, aber ja auch kein Unmensch.
Erschienen auf Epitaph, 2019.