Das Septett des Submotion Orchestras fliegt schon eine ganze Weile auf meinem Radar umher, aber außer einem Track-Download aus ihrem Album "Color Theory" aus dem Jahr 2016 fand bislang nichts aus ihrem Oevre den Weg in die Sammlung. Dabei ist ihre Musik im Prinzip wie gemacht für mich: großartige Stimmen, die sich auf einem Bett aus organischer Elektronik, Jazz, Trip Hop und Downtempo entfalten können wie die Rose von Jericho beim Wasserkontakt, Tiefgang, Emotionalität - what's not to like? Das gilt freilich in erster Linie für lauschiges Klönen auf der Sommerterrasse oder für den einsamen Winterabend unter dem Kopfhörer, will sagen: für die Einkehr, die Introspektion, die Melancholie, die Theatralik. Clubabende bei Biermixgetränk und dem Willen zur größten Party der Welt dürften mit "Kites" nicht so supergut laufen. Andererseits: aus dem Alter bin ich ja eh raus, manch einer wird sagen, ich war nie drin. Ich bin eher der Typ, der sich um halb elf am Abend mit einem starken Kaffee auf die Terrasse setzt und die Gedanken an der langen Leine ins Gebüsch pinkeln lässt.
Ein Wort der Warnung für Anhänger von Vinyl: die LP-Version ist zwar für heutige Verhältnisse relativ günstig in der Anschaffung, aber dann wegen einer nicht optimalen Pressung (Schleifgeräusche und Pops), die auch nach einer eindringlichen und mit allerlei verbalen Schmähungen durchgeführten Plattenwäsche mit einer Okki Nokki nicht signifikant besser wird und einer Nullaufmachung (dünne Pappe, schäbiges Standardinlay, keine Credits, keine Texte, keine Fotos) leider doch sehr enttäuschend.
ANGOPHORA - SCENES
Kann sich noch jemand an das großartige Debutalbum von Tornado Wallace aus dem letzten Jahr erinnern? Ich schrieb zu "Lonely Planet" zu Jahresbeginn:"Knappe 40 Minuten pure Schönheit, Eleganz und Lushness: "Lonely Planet" ist ein mystisch-vernebelter Soundtrack für die Entdeckungsreise auf einer unbewohnten und halb versunkenen Insel im Indischen Ozean". Der Ansatz vom ebenfalls aus Australien stammenden Produzentenduo Angophora ist sehr ähnlich, aber weniger opulent als jener von Lewis Day, der für sein Debut das volle Stil- und Ästhetikregister der 1980er Jahre zieht und es sogar schaffte, Erinnerungen an die immer noch unerträglichen Dire Straits zu wecken. Angophora sind etwas weniger verspielt und stattdessen kühler unterwegs, lassen mich aber immer noch um die volle Breitseite Schulterpolster und rosa Neonröhrenlicht betteln. Und die bekomme ich auch. "Scenes" ist naturverbunden, schwül, deep. Der Soundtrack zum Ficken im Urwald.
Sehr gute Pressung, sehr guter Sound, schönes Artwork - Abzüge gibt es aufgrund der sehr dürren Ausstattung (weißes Standardinlay, sonst nichts) nur in der B-Note. On the bright side: "Scenes" ist schön günstig.
WARRIOR SOUL - BACK ON THE LASH (AMERICAN IDOL)
Ich habe auf diesem Blog ungefähr 8 Millionen Mal über eine meiner erklärten Lieblingsbands sowie einen meiner erklärten Lieblingssänger und -texter, Warrior Soul und Kory Clarke, geschrieben - und ich habe es mir angesichts der im letzten Winter veröffentlichten neuen Platte "Back On The Lash" verkneifen können, den vorangegangenen acht Millionen Artikeln einen weiteren folgen zu lassen. Mit Verrissen habe ich es nach wie vor nicht so richtig dicke, und das schreibe ich in voller Anerkennung des Verrisses zum Album "Stiff Middle Finger" aus dem Jahr 2012, aber manchmal geht es einfach nicht anders. Für "Back on The Lash" war eigentlich nichts dergleichen vorgesehen, schließlich kann bereits ein zweiminütiges Testhören eine genügende Auskunft darüber geben, ob Kory nochmal die Kurve bekommen hat. Und weil er es ganz offensichtlich nicht geschafft hat, blieb es also bei ebenjenen zwei Minuten. Das war eigentlich alles, was über diese Platte geschrieben werden muss.
Nun hat mir Livewire/Cargo allerdings eine Karotte in Form einer Vinylversion vor die Nase gehängt und die auch noch mit allerlei bells & whistles aufgehübscht: ein alternatives Coverartwork mit dem neuen US-amerikanischen Superhelden "Orange Sphincter", ein neuer Titel, goldenes Vinyl, limitierte Auflage von 500 Stück. Und so wurden aus den 2 Minuten Testhören gleich zwei Komplettumdrehungen auf dem Plattenteller. Mein Eindruck hat sich trotz der etwas eingehenderen Beschäftigung nicht signifikant geändert: Clarke's Mojo ist nach dem immer noch großartigen "Chinese Democracy/Destroy The War Machine" ziemlich von der Bahn gerutscht: Die Backing Band hat nur noch Kreisliganiveau, was für einen alten Fan vor allem live ganz besonders hart werden kann, der Sound ist uncool unfertig (es gibt auch cool unfertig, aber das passt hier nicht), die Musik lässt jeden Hauch von Tiefgang auf dem Trockendock und die Texte sind selbst für US-Amerikanische Die Hard-Fans nur durch aktive Ignoranz aushaltbar. Die Herzallerliebste bezeichnet "American Idol" als "alkoholischen Assopunk" und die einzig vorstellbare Situation, dieser Platte doch noch mit geraisten Fists'n'Pimmels zu begegnen, wäre folgerichtig ein Alkoholpegel von mindestens 2 Promille - da ich mittlerweile und mangels Übung schon nach zwei Gläsern Gin Tonic die weiße Flagge schwenken muss: not going to happen. Es bleibt in erster Linie: Ratlosigkeit.
Pressung und Ausstattung dieser Vinylausgabe sind allerdings top.
Da musste ich mich erst neulich von einem, man muss es so deutlich sagen, eher übersichtlich veranlagten Zeitgenossen darauf hinweisen lassen, dass ich ja tatsächlich einen Blog betreibe - den despiktierlichen Unterton, damit im Jahr 2018 ja ungefähr so cool zu sein wie der olle Otto-Witz mit dem pinkelnden Eskimo, habe ich wohl wahrgenommen, viel schlimmer war aber die dadurch ausgelöste Erinnerung daran, wie lange hier schon wieder nichts passiert ist. Denn: mit uncool sein kenne ich mich aus, ich hatte beinahe 41 Jahre Übung darin und gebe immer noch keinen fickenden Fick; während es mit Disziplinlosigkeit und trotz aller zur Perfektion getriebenen und seit Jahrzehnten gepflegten Prokrastination etwas schwieriger wird.
In der Zwischenzeit wird aber jede Disziplin von der Lohnarbeit aufgesaugt, was zu solch absurden Entscheidungen führt, an einem Sonntag und bei 35°C doch lieber mal sechs Stunden am Arbeitsrechner zu verbringen, anstatt unter dem auf der Terrasse aufgespannten und freilich ausschließlich für den sensiblen Ehemann erworbenen und also lästige Mücken abhaltenden Fliegennetz zu sitzen, oder die klassischerweise rund um den eigenen Geburtstag genommene Urlaubswoche, wie bestellt ausgerechnet am Ehrentage, für eine quadratbekloppte Fahrt nach Köln zu unterbrechen, weil da jemand im Anzug etwas von mir will, und sei es nur, mir den Hintern zu versohlen, verbal versteht sich. Dass der Hirnkasten angesichts dieser Monstrositäten zwischendrin lieber die Notbeleuchtung anknipst, bon - aber ich darf wenigstens feststellen, dass ich damit immer noch Schwierigkeiten habe. Habe im Dunkeln so oder so oft Angst.
Die hier seit Monaten feierlich und mit einigem Remmidemmirapimmelrapammelrapumm angekündigten Ideen müssen sich also noch etwas gedulden, und ich bin mittlerweile auch nicht mehr so bescheuert, hier noch weitere Versprechen i.S.v. "hier geht's ganz bestimmt bald wieder weiter" hinaus zu trompeten. "Es kommt, wie es kommt!" wusste schon das Stückchen Dönerfleisch im Oberlippenbart von Wolfgang Niedeken, wo wir es doch eh gerade von Köln hatten.
Bevor ich zum eigentlichen Punkt komme, eine Einlassung vorab: ich schaue/höre seit einigen Wochen sehr regelmäßig den Joe Rogan Podcast auf dessen Youtube-Kanal. Rogan ist für mich aus einem ganz speziellen Punkt inspirierend: er passt in keine meiner vorgefertigten Schubladen und fordert mich dazu heraus, mal ein paar Schritte zurückzugehen und die durch meinen nunmehr zwanzigjährigen Internetkonsum etwas verkrüppelten Empathieantennen wieder zu polieren (kein Euphemismus!). Rogan vertritt in der Hauptsache liberale Standpunkte, gehört aber trotzdem nicht zum Hollywood-Establishment: Er ist Jäger und zählt sich zu der "Eat What You Kill" Bewegung und würde mir unter normalen Umständen durch jedes vorhandene Raster in den großen "Arschloch!"-Sack plumpsen. Andererseits ist er offener Nutzer von Marihuana und setzt sich für die Legalisierung ein. Er ist Martial Arts-Experte. Spirituell, aber mit Religion nix an der Frisur. Eigentich ist Rogan eine Mischung aus einem mit den eigenen Vorurteilen vollbeladenen Ami-Redneck-Klischee und einem sehr wachen, offenen, lebensbejahenden und bewussten Geist. Wie soll das alles zusammenpassen? Ich stimme ganz sicher nicht immer mit ihm überein, aber es kann eine sehr befreiende Wirkung haben, wenn man beginnt festzustellen, dass man das nicht muss.
Wie dem auch sei, ich kann es sehr empfehlen - auch seine Interviews mit Paul Stanley von Kiss und James Hetfield von Metallica waren überragend interessant und ich habe sie vollständig angeschaut. Und ich bin nicht mal Fan von Kiss. Oder von Metallica.
Warum das alles jetzt, hier und heute genannt wird: Rogan hatte im November 2017 den Wissenschaftler Paul Stamets in seinem Podcast zu Gast. Stamets ist ein in den USA nicht unbekannter Mykologe - die über 2.2 Millionen Views seines Auftritts im Rogan-Podcast alleine auf Youtube könnten dafür gesorgt haben, dass er mittlerweile sogar noch etwas bekannter wurde.
Ich kann und will hier nicht im Detail auf das Gespräch eingehen, außer, dass ich das Interview mittlerweile schon drei Mal gehört und gesehen habe. Ich möchte am Ende eigentlich nur sagen: diese zwei Stunden werden euer Mind blowen. Und zwar die ganze fucking Zeit.