ASC - ORIGINAL SOUNDTRACK
Wenn ich hin und wieder meiner Bewunderung und Faszination über das Veröffentlichungstempo von Brock van Wey aka bvdub aka Earth House Hold Ausdruck verleihe und mich gleichzeitig frage, wer denn die ganze, pardon: Scheiße kaufen, geschweige denn hören soll, dann haben wir noch nicht mal damit begonnen, über James Clements zu sprechen. Der britische Produzent veröffentlicht seit über 20 Jahren seine Musik unter zahlreichen Pseudonymen und Projektnamen mit einer beachtlichen stilistischen Bandbreite: von seinen Drum'n'Bass und Jungle-Wurzeln über Techno, abstrakte Electronica und IDM bis hin zum Ambient beackert der Mann das weite Feld elektronischer Musik durchgängig mit hochklassigen und universell geliebten Sounds auf den einschlägigen Labels - von denen er selbst Auxiliary nebst etlicher Sublabels (u.a. Spatial) leitet.
Wo unsereins also schon beim Gedanken an einen durchschnittlichen Workload eines Tages im Leben des James Clements die Dosis Tavor dezent nach oben schraubt, um die einsetzenden Panikattacken in den Griff zu bekommen, macht ASC einfach weiter. Nach zwei Alben unter seinem IDM-Markennamen Comit auf A Strangely Isolated Place (hier ist ganz besonders das Debut "Remote Viewing" sehr empfehlenswert), kehrt ASC mit "Original Soundtrack" auf mein Lieblingslabel zurück - und überrascht erneut mit einer Erweiterung seines musikalischen Spektrums. Waren seine früheren Ambientwerke, nicht zuletzt die legendären Alben auf Silent Season, aber auch die Kollaborationen jüngeren Datums mit Inhmost, geprägt von weiten, ausufernden Klangflächen, mit einem ätherisch auftretenden, oft nur zu erahnenden Puls, ist "Original Soundtrack" nicht nur introvertiert, sondern damit auch ungewöhnlich emotional.
Die Basis von "Original Soundtrack" sind warme, weichgezeichnete und tief ins Klangbild eingebettete Pianoloops, die eine ausgegraute melodische Struktur für die atmosphärische Synthiewatte liefern, die den Vibe des Albums entzündet und die in Zeitlupe entstehenden schwarz-weiß-Bilder zum Leben erweckt. Auch wenn "Original Soundtrack" lediglich für einen fiktiven Film die Musik liefert, ist ihr cinematischer Aspekt offensichtlich. Überblendungen von Detailaufnahmen auf die Vogelperspektive, weit aufgezogene Kamerafahrten über Landschaften, weite Felder, Flüsse, Wälder; Natur sowieso als wiederkehrendes Leitmotiv, stellvertrend für das Weite, Ferne, Offene, Freie. Es wäre ein Film mit deutlich schwermütigen, elegischen Grundtönen, der Bilder des Zerfalls und des Vergangenen zeigen würde. Mit Trauer und Verlust aufgeladene Reminiszenzen an ein gelebtes und geliebtes Leben, undeutlich und verschwommen - und gleichzeitig so unmittelbar und nachempfindbar, weil die Stimmung sich sofort mit der eigenen Realität und der eigenen Verletzbarkeit verbindet.
Ich empfand "Original Soundtrack" bereits beim Erstkontakt als ambivalent. Aus der Verbindung der sanften, tröstenden Pianominiaturen, die das Milieu und seine Struktur mittels Komprimierung greifbar machen können und des weit aufgerissenen Horizonts aus sich stets ausbreitenden Klangflächen entstehen Momente, deren Kolorite so niederschmetternd trostlos und leer erscheinen - und die doch so präzise die Schönheit der Hoffnungslosigkeit und der Unschuld herausarbeiten. Emotional verheddert im Trümmerhaufen aus Erinnerungen, Wundpflastern und einer übergroßen Faszination am Leben, drückt "Original Soundtrack" solange sämtliche Knöpfe bis es einem egal ist, ob's jene für die finale Auslöschung oder die finale Erlösung sind.
Hingabe, und zwar die totale.
Vinyl: Error, Error, Error, Send Help. "Original Soundtrack" erscheint als Digipak-CD in klassischer A Strangely Isolated Place-Ästhetik und als Download.
Erschienen auf A Strangely Isolated Place, 2022.
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