LOVESLUG - BEEF JERKY
Eine Wahrheit, die mir tatsächlich über Jahre verborgen blieb, ist die zumindest stilistische Nähe der wirklich frühen Grungebands mit dem Ende der 80er Jahre überaus erfolgreichen Sleaze Rock einerseits und mit dem Rotzrock-Hype in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Ein gutes Beispiel dafür sind auch Loveslug, eine 1987 in Amsterdam gegründete und 1994 aufgelöste Rockband, die problemlos auch für eine Veröffentlichung auf Sub Pop gut gewesen wäre. Tatsächlich nahm sich deren deutsches Pendant Glitterhouse Records der Band an und auch das passte ganz hervorragend zwischen die erste EP von Monster Magnet und die frühen Amphetamine Records Veröffentlichungen, die Glitterhouse in Europa vermarktete. Produziert von Jack Endino, ist "Beef Jerky" eine Zeitreise in die Untergrundszene Ende der 80er Jahre und zu Beginn der 90er Jahre. Verschwitzter, dreckiger und lauter Rock, der aufgrund fehlender Klischees aber nicht breitbeinig wirkte und damit in Plattensammlungen zu finden sein sollte, die für "Superfuzz Bigmuff", "Ultramega OK" und "God's Balls" das Favoritenfach freihalten.
Erschienen auf Glitterhouse Records, 1990.
BIG CHIEF - FACE
Big Chief waren eine musikalisch hochinteressante Band, die sich 1994, nach fünf Jahren, ebenso vielen Alben und zahlreichen Singles und EPs aus Frustration über das Musikgeschäft und eine zu geringe Aufmerksamkeit für ihre Musik auflöste. Ihr Debut "Face" erschien 1991 zunächst auf Repulsion, bevor Sub Pop die Band unter Vertrag nahm, und bietet lässig-walzenden, im Vergleich zu Loveslug gleichzeitig polierteren als auch metallischeren Grungerock mit bemerkenswerten, aber hier zunächst nur sehr dezent anzutreffenden Ausflügen in Richtung Soul. Beeinflusst von Bands wie den Stooges und den MC5, nahm das Quintett aus Michigan nach der Explosion des Grunge einige stilistische Kurskorrekturen vor und bewegte sich mehr in Soul und Funk-Gefilde. Was "Face" fehlt, ist nahezu jegliches Hitpotential, insofern darf man sich über die fehlende Popularität nicht wundern - persönlich finde ich das zähe Gerocke und Geschrubbe, das mehr Wert auf Stimmung und Groove als auf leidende Sänger, verzweifelte Texte und in die Luft gehaltene Feuerzeuge legt, durchaus charmant. Solche Platten hat man sich eben zu erarbeiten. Bei "Face" lohnt es sich.
Erschienen auf Repulsion/Sub Pop, 1991.
BLOOD CIRCUS - PRIMAL ROCK THERAPY
In jedem Genre sind sie zu finden: Die Vergessenen. Die Unbeachteten. Selbst dann, wenn alleine das Label und der Zeitpunkt der Veröffentlichung dafür sprechen könnten, wenn nicht müssten, solche Bands wenigstens in die Hall of Fame aufzunehmen - nicht unbedingt wegen eines reißenden Absatz ihrer Platten, dafür für wegweisende Relevanz. Blood Circus war ein Quartett aus Seattle, das 1989 ihre Debut-EP "Primal Rock Therapy" auf Sub Pop veröffentlichte. Und wenn die Truppe für eines berühmt ist, dann für die Geschichte, sie seien auf ewig die schlechtverkaufendste Band des Labels gewesen. Andererseits kann man diesen furiosen Ritt durch Garagenrock und Punk als eine echte Pionierarbeit bewerten, für die sich die Band allerdings im Wortsinn nichts kaufen konnte: Nach einer sechswöchigen Tour durch Nordamerika lösten sich Blood Circus 1989, und damit lange vor der Grungeexplosion, wieder auf. Gut drei Jahre später erschienen sie plötzlich wieder in Originalbesetzung auf der Bildfläche, als die musikalische Fahne Seattles allerdings schon wieder dezent auf dem Weg in Richtung Halbmast war. Grunge wurde ironisiert und ausverkauft. Bad timing gone horribly wrong. Wer wissen will, womit der ganze Wahnsinn anfing, sollte "Primal Rock Therapy" im Schrank stehen haben. Weil es, ganz am Rande, auch eine echt gute Platte ist.
Erschienen auf Sub Pop, 1989.