11.12.2024
Infinity Machine - The Lighthouse
26.12.2023
Blank When Zero - Stagna
"Blank When Zero were on something like a tiny, tiny tour in March/April 2018 and here are some more pics from our shows. We played the infamous Metzgerstraße in Hanau yesterday with Puking Weazel and the great Die Deislers and closed our run for the time being. We're now going to hide in the rehearsal room for the next weeks and months to write new stuff."
"Kapitulation, ohohooo" (Tocotronic)
"Können wir die Dinger schon spielen?" -"Ich glaube nicht, Tim."
16.08.2020
Das Beste des (eigenen) Jahrzehnts, Teil 2: Blank When Zero - Taped!
BLANK WHEN ZERO - TAPED!
...und damit kommen wir nun tatsächlich zum Ende meiner kleinen Serie über das vergangene Jahrzehnt. Wo Sun Never Sets in tiefer Stasis liegen, ist in der Hütte meiner Band Blank When Zero seit nunmehr elf Jahren das Licht angeknipst, und auch wenn wir ab und zu mal am Dimmer drehen mussten, schaut es nicht so aus, als würde jemand so schnell zum letzten Mal auf den Schalter drücken, der es so richtig dunkel werden lässt.
Ich lernte Simon und Marek zwischen 2007 und 2008 kennen. Zu diesem Zeitpunkt war ich musikalisch auf dem Trockendock; Ende 2005 sah mich ein Proberaum zuletzt von innen - sieht man mal von meinem Gastarrangement bei einer damals sehr gut gebuchten Coverband aus Wiesbaden ab, bei der ich für ein halbes Jahr den mit Stimmbandknoten kämpfenden Sänger ersetzte und jedes Wochenende damit verbrachte, besoffenen Partypiepels die letzten kreativen Zuckungen der Red Hot Chili Peppers unter das Ed Hardy-Shirt zu schummeln. Nun ist es so, dass ich grundlegend versuche, ein freundlicher und offenherziger Mensch zu sein, und ich glaube sogar, dass es mir in den allermeisten Fällen auch gelingt. Allerdings sorgte die Aussicht, mich durch Hunderte von Musikeranzeigen zu wühlen, um sich mit, Pardon: absoluten Vollidioten austauschen zu müssen, für eine bis in tiefste Tiefen reichende zerebrale Verkrampfung mit sehr lebhaft ausgestalteten Gewaltphantasien - und bevor das passiert, macht man doch am liebsten gar nix, lässt sich in die eigene Couch laminieren und hängt das Musikerdasein final an den berühmten Nagel. Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Rolläden runter, Vorhänge zuziehen, auf den Boden legen, langsam atmen, sich still vollpissen, wegdämmern.
Und als ich so dämmerte, klingelte das Telefon. Power-Pop, Garage, Indie, Punk - "Hast du Bock?"
Nun, ich hatte Bock und nachdem ein gutes Jahr ins Land zog und es personelle Turbulenzen notwendig machten, sich auch stilistisch neu auszurichten, hoben wir 2009 Blank When Zero aus der Taufe. Schnell, hart und melodisch sollte es sein, immer. Und wenn es das mal nicht mehr sein sollte, falls wir also unseren Drive verlören (sic!), "dann machen wir den Laden dicht", sagten wir damals. Und das sagen wir heute immer noch. Jahre später sollten wir es in einem Interview mit dem Mainzer Studentenmagazin davon sprechen, dass "sorgfältig ausgeschnarchtes Herumgerocke mit Irokesenfrise der Endgegner" sei und angesichts dessen, was nicht erst seit gestern so landläufig als Punk gilt und sich mit dieser handzahmen Komplettrotze plötzlich in riesigen Konzerthallen wiederfindet, müssen wir wohl anerkennen, dass der Endgegner Kapitalismus heißt und grundsätzlich sowohl übellaunig als auch unbesiegbar ist. Außerdem, und das ist das Allerschlimmste: er hat einen unfassbar beschissenen Musikgeschmack.
Über "die Band, die keiner kennt" (Selbstbeschreibung) habe ich auf diesem Blog tatsächlich mehr als nur ein Mal geschrieben, insofern ist die im vorangegangenen Beitrag postulierte Einlassung, nie allzu großen Wirbel ums eigene Kulturschaffen gemacht zu haben, mit einem Körnchen Salz zu bewerten.
In einem Beitrag aus dem Jahr 2016 schrub ich über unsere immer noch aktuelle Platte "Taped!":
"Wir machen seit sieben Jahren zusammen Musik, gehen uns immer noch nicht auf den Sack, sind alle drei gemeinsam der Meinung, dass es wichtig ist, auch weiterhin gemeinsam Musik zu machen, haben diese verführerische Mischung aus einer ruhigen Gelassenheit und einem immer noch durchaus hohen Anspruch an die eigene Musik, und gehen, ohne dass es uns glaube ich wirklich immer präsent und bewusst ist, immer einen kleinen Schritt weiter: hört man beispielsweise unsere ersten Aufnahmen aus dem Jahr 2010 und vergleicht sie mit dem, was wir nun mit "Taped!" aufgenommen haben, dann ist das ziemlich zweifelsfrei immer noch die gleiche Band, aber die Musik hat ebenso wie der Sound ein paar ganz ordentliche Entwicklungssprünge gemacht. Vor allem aber, und das freut mich ganz besonders, sind die Texte und ihre Aussage so eindeutig und klar wie vielleicht noch nie. "Endlosschleife", "Just A Ride" und "Herz & Gefühl" sprechen mir allesamt aus dem Herzen und als zusätzliches Glück tun sie das alle aus unterschiedlichen Blickwinkeln."
...und auch vier Jahre später ist das immer noch alles sehr wahr.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf das wunderbare Videoreview von Meisterkoch Tillman hinweisen:
21.03.2020
Werbeunterbrechung
Bevor wir mit den besten Platten des letzten Jahrzehnts weitermachen, gibt's noch eine kurze
Damit wir uns von der Kohle keinen vierten Geldspeicher in ein unberührtes Waldgebiet in Südamerika bauen lassen müssen, haben wir uns dazu entschlossen, die Wiesbadener Kulturkneipe Sabot zu unterstützen. Das Sabot erhielt im vergangenen Jahr bereits die Kündigung der Räumlichkeiten zugestellt und hätte die Pforten zum 31.März schließen müssen - der Coronadreck und die anschließenden Auflagen für die Konzerte und Parties haben dann leider eine vorgezogene Schließung ab Mitte März notwendig gemacht.
Aktuell suchen die Betreiber eine neue Bleibe - und ein Lager:
"Aktuell suchen wir noch nach einer Lagermöglichkeit, trocken sollte sie sein und 10-15qm Fläche haben. Gerne ebenerdig und jederzeit zugänglich. Falls ihr Ideen oder Tipps habt, gebt uns gerne Bescheid. Für den Herbst suchen wir nach einer neuen Location, auch hier sind wir auf eure Augen und Ohren angewiesen. Egal ob ein runtergerockter Keller oder eine alte Werkstatt im Hinterhof, alles ist möglich!"
http://kulturkneipe-sabot.de/?p=210
Blank When Zero haben über die Jahre vier Mal im Sabot gespielt, zum ersten Mal im Winter 2012 als Support für die Stage Bottles. Hier sind ein paar Bilder dieses Abends:
Wir haben uns im Sabot mit seinen tollen Mitarbeitern und Gästen immer wohlgefühlt. Und es war bislang der einzige Club, den wir tatsächlich mal leerspielten - Nach 15 Minuten unseres Gebretters war nur noch die Dame am Mischpult und der Herr hinter dem Tresen im Raum.
Das Sabot war für die Untergrundszene eine Oase im piefigen Wiesbaden (um Missverständnisse zu vermeiden: ich liebe Wiesbaden mit jeder Faser meines Körpers, aber ich bin auch superpiefig!). Es wäre ausgesprochen wünschenswert, wenn der Laden an anderer Stelle weiter existieren kann.
Um dabei ein bisschen zu helfen, haben wir uns dazu entschlossen, alle Einnahmen, die in der kommenden Zeit über die Downloads oder den Verkauf der limitierten Schallplatte unseres Albums "Einerseits" auf unserer Bandcampseite reinkommen, dem Sabot zu spenden.
Wenn ihr also ein paar Kröten übrig habt, dann freuen wir uns über Eure Unterstützung.
Vielen Dank!
Bleibt so schön!
Simon, Marek, Flo
02.05.2018
Tour de Vinyl Münster - 14.April 2018
Die Latte lag also in luftiger Höhe, als wir an einem frühlingshaften Freitag im April 2018 in Richtung Münster aufbrachen, um es mal wieder zu tun. Zwei Konzerte standen auf dem Plan. Das erste in Münster zur Geburtstagsfeier unseres Kumpels Andreas im Rare Guitar, das zweite am darauffolgenden Samstag im nur wenige Kilometer entfernten Hamm. Um es vorwegzunehmen: wir übersprangen die oben erwähnte Latte mit einiger Leichtigkeit. Es war von Anfang bis Ende prachtvoll.
Es ist schwer für eine kleine Band, die erstens fast niemand kennt und die zweitens aus alten Säcken besteht, deren Freizeit von anstrengenden Jobs und einer mehrköpfigen Familien aufgemampft wird, live zu spielen. Während die erste Tatsache dazu führt, dass kein Veranstalter dieser Welt damit rechnen kann, wegen unseres Erscheinens auch nur ein Ticket mehr zu verkaufen, bedeutet die zweite, dass uns terminlich schon hier und da mal die Luft ausgehen kann. Und ich glaube, ich liege nicht so irre daneben, wenn ich gleichzeitig konstatieren muss, dass wir in Sachen Networking nicht die Allergeilsten sind. Ich könnte es außerdem niemandem verübeln, der uns wenigstens aus der Entfernung für komische Typen hält, die sich auch gerne mal rar machen und die man manchmal über Wochen und Monate nicht hört und nicht sieht. Dazu: Keine Tätowierungen, keine Piercings, dafür aber die Anreise mit Vehikeln aus dem Hause Volkswagen, und anstatt uns im ubiquitären Bier zu marinieren lautet unsere erste Frage nach der Ankunft im Club immerfuckingimmer: "Habt Ihr auch Kaffee?". Und ich verstehe das Stirnrunzeln, das uns manchmal gezeigt wird. Gleichzeitig hoffe ich, dass sich der Krampf im Frontallappen aufzulösen vermag, wenn die ersten Worte gewechselt sind, spätestens jedoch bei der nächsten Kaffeebestellung.
Umso dankbarer sind wir dafür, dass es trotz unserer erwähnten Unzulänglichkeiten Menschen gibt, die uns immer wieder zu sich einladen und uns für eine halbe Stunde ihre Bühnen überlassen. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass es Blank When Zero heute nicht mehr geben würde, gäbe es diese Damen und Herren in unserem Bandleben nicht. Vermutlich wären wir in unserem Proberaum längst zu Blut-, Schweiß- und Rotzeklumpen geronnen.
Nachdem wir also unseren Auftritt im Rare Guitar zwar mit einigen Spielfehlern dieses komischen Typen im Nirvanashirt (inklusive eines peinlichen weil volltotalen Blackouts bei unserer quasi-Bandhymne, Halleluja!), aber grundlegend sehr erfolgreich absolvierten, stand am Samstag ein gemeinsamer Streifzug durch die Plattenläden der Studenten- und Fahrradmetropole auf dem Plan, bis wir gegen Abend in Richtung Hamm aufbrachen. Und es ergab sich zu der Zeit...
....dass wir nach einer Nacht in einem, Achtung, uffjepasst: Raucherzimmer des hiesigen B&B Hotels (es gibt nicht nur tatsächlich noch Hotels mit Raucherzimmer, es gibt offensichtlich auch immer noch Menschen, die in diesen 10 Quadratmeter kleinen und besser tapezierten Dixieklos sich wirklich 'ne Fluppe anzünden, for fuck's sake!) in die Innenstadt loszogen. Vier Läden standen auf der vorher fein säuberlich durchgeplanten Agenda und das Wetter passte sich unserer Stimmung aufs Vorzüglichste an: strahlender Sonnenschein, trocken, nicht zu warm - es war alles angerichtet.
Station Nummer 1 war die Poptanke, die zum Zeitpunkt unseres Erscheinens noch nicht geöffnet hatte und die wir daher eigentlich mit einem Blick ins Schaufenster zunächst nur flugs passieren wollten. Der Besitzer saß allerdings schon hinter seinem Computer, sah unsere plattgedrückten Nasen - und öffnete uns seine Türen eine gute Stunde vor dem eigentlichen Geschäftsbeginn. Juchuuu! Die Poptanke führt neben einer umfangreichen Auswahl von Second Hand Schallplatten auch Bücher, CDs und DVDs und wurde uns von Eingeweihten als geheimer Geheimtipp für das ein oder andere Schätzchen und Schnäppchen wärmstens empfohlen. Der Großteil des Vinylrepertoires besteht aus den üblichen Verdächtigen in den Bereichen Rock/Pop, Jazz, Indie, Punk und Metal. Irrsinnig viele Raritäten kamen mir hier allerdings nicht unter. Muss aber auch nicht: Marek deckt sich mit LPs von Peter Gabriel, Marillion und Genesis ein, ich finde eine überraschend gut erhaltene Version von REMs "Out Of Time" aus der Alternative-Ursuppe zum fairen Preis. Apropos Preise: ich kann nicht wirklich meckern, und die Momente, in denen ich mit in mich hineingebrüllten Verbalinjurien aus der Kategorie "Unter der Gürtellinie" an der Zurechnungsfähigkeit des Verkäufers zweifle, fallen hier komplett aus. Erwähnenswert sind die zwei "Neu Eingetroffen" Boxen im Eingangsbereich, in denen sich tatsächlich bisweilen interessanter Stoff tummelt, der sicherlich schnell den Besitzer wechselt und es daher nicht in die regulären Genreabteilungen schafft, u.a. mit Alben von Bonobo und Serge Gainsbourg zum Zeitpunkt unseres Besuchs, die man nicht an jeder Straßenecke findet. Insgesamt durchaus sympathisch und sicher einen Besuch wert.
Auf dem Weg zum legendären Green Hell Store versuchen wir erstens uns nicht zu verlaufen und zweitens nicht von dem geradewegs tollwütigen Mob der allgegenwärtigen Fahrradfahrer umnieten zu lassen. In beiden Disziplinen sind wir erfolgreich, aber im Clinch mit den Zweirädern hilft es manchmal nur noch, die Augen fest zu schließen und auf den Aufprall zu warten.
Der Green Hell Laden gilt als einer der bedeutendsten und am besten sortiertesten Plattenläden der Republik. Zusammen mit den Freiburgern von Flight 13 stellen sie die Speerspitze dessen, was im unabhängigen Punk- und Indieumfeld heute noch möglich ist, was sowohl den Onlinehandel, als auch die noch existierenden "Brick & Mortar"-Shops betrifft. Über 15.000 Platten warten auf unsere suchenden Finger - und die haben in den folgenden zwei Stunden auch allerhand zu tun: Der Schwerpunkt liegt logischerweise auf Punk, Hardcore, Indie und Metal, darüber hinaus gibt es kleinere Soul, Jazz und Elektro-Abteilungen und das unvermeidbare Rock/Pop Segment. Zwar gibt es für alle Genres auch Second Hand-Angebote, die mich aber aus qualitativer Sicht nicht immer aus den Latschen kloppen. Die Faszination Green Hell besteht für mich aus dem Erlebnis, eine sehr große Auswahl neuer Veröffentlichungen, seien es aktuelle Platten oder Reissues, in einem echten Plattenladen zu finden. Das, was man heute in erster Linie nur noch online kennt, wenn man sich durch hunderte von Seiten klickt und Bilder anschaut, wird hier erfahrbare Realität: ich kann die Platten in die Hand nehmen, sie anschauen, die Gatefoldcover aufklappen, die colorierten Vinyls sehen. Sowas ist selten geworden. In meiner Heimatstadt Frankfurt gibt es beispielsweise keinen Plattenladen mehr, der eine auch nur ähnliche Strategie für Neuware verfolgt. Die meisten verzichten entweder komplett darauf und scheuen die notwendige, aber signifikante Investition, einige wenige spezialisieren sich für ihren Kundenstamm auf bestimmte Genres, manchmal nur auf ein einziges. Alles sicherlich legitim - man muss schließlich froh darüber sein, dass es sie überhaupt noch gibt - aber ein Genre-Allrounder ist in Frankfurt nicht mehr zu finden.
Mit Handy in der Hand (ohne Google Maps wären wir völlig am Arsch - mit sind wir's aber auch - was tun?) nageln wir uns brav gegenseitig Durchhalteparolen ins Stammhirn und wackeln schon etwas angeschlagen und bepackt wie ein Außerirdischer beim ägyptischen Pyramidenbau zum dritten Ziel: Jörg's CD Forum. "Die haben aber auch LPs!" hallt uns noch der Ratschlag vom Vorabend in den Ohren. Das wollen wir hoffen. Was zunächst überrascht ist die überaus zentrale Lage des Ladens, der nur wenige Meter von der großen Fußgängerzone entfernt zu finden ist. Was hier wohl die Pacht kosten mag? Und wie viel CDs der gute Jörg wohl dafür verkaufen muss?
Das CD-Forum liegt unterirdisch und darf sich über eine riesige Verkaufsfläche freuen. In der Hauptsache sehen wir auf den ersten Blick tatsächlich, Überraschung: CD-Regale, im hinteren Teil des Ladens sehen wir außerdem Bücher und in der Nähe der Kasse lassen sich etwa 4 bis 5 Meter Schallplatten finden, allesamt Neuware. Nach wenigen Minuten wird uns klar: hier wird es schwer, neue Mitbewohner zu finden. Das Sortiment bewegt sich wenn auch nicht hauptsächlich im totalen Mainstreambereich (immer wieder die verdammten Foo Fighters. Immer fucking wieder! Ich muss dem Reflex widerstehen, einfach eine zu kaufen, nur um sie danach kaputt zu machen!), für uns reicht's jedoch, und preislich fliegt mir die Gurke jetzt auch nicht gerade automatisch in den Nicer Dicer. Immerhin: als erklärter Fan der entrückten Hobbitflüsterin Loreena McKennit bin ich ob der fast komplett verfügbaren Vinyldiskografie geradewegs begeistert. Erfreut nehmen wir außerdem ein Pappschild zur Kenntnis: "Mehr 2nd Hand LPs im hinteren Teil des Ladens!" steht da geschrieben, und nachdem unsere Jubelschreie in der allgemeinen Ödnis verhallt sind, machten wir uns auf die dreitägige Reise in eben jenen hinteren Teil des Ladens, leider immer noch ohne Kaffee. Der wäre uns angesichts des 2nd Hand-Trauerspiels aber auch standepede wieder hochgekommen: alles, was vor mindestens fünfunddreißig Jahren in rauen Mengen mal eingekauft wurde und bis heute noch nicht die Flucht ergriffen hat, gammelt - man muss es so deutlich sagen - hier noch herum. Es ist eine schreckliche Vinyl-Zombie Apokalypse mit Michael Bolton, Gianna Nannini, Tina Turner, Münchner Freiheit und Modern Talking - manchmal mit drei oder vier Exemplaren eines einzelnen Titels, fein in Reih' und Glied direkt hintereinander einsortiert. Ein Wahnsinn. Ich plane, die vor meines angetretenen Langstreckenflugs in Richtung des hinteren Teils des Ladens noch nicht durchgeblätterten Neuheiten nochmal genauer unter die Lupe zu nehmen und mein feines Näschen hat mich nicht im Stich gelassen: als Herr und Frau Dreikommaviernull im April 2016 beim Gastspiel des mittlerweile verstorbenen Chris Cornell in Hamburg weilten, hörten wir im Vorprogramm einem Solokünstler namens Fantastic Negrito und seiner Akustikgitarre zu und sahen uns anschließend anerkennend nickend in die Augen. "The Last Days Of Oakland" heißt sein 2016 erschienenes Album, das es zunächst lediglich auf CD und als Download zu Erwerben gab - und plötzlich steht es hier in Jörgs CD Forum auf Schallplatte herum. Der Preis stimmt auch - und ich stoße ein kurzes, aber umso intensiveres "Whoa!" aus. Auch für dieses Werk darf ich eine kleine Empfehlung aussprechen. Was ist das? Alternative Blues vielleicht? Egal, es ist jedenfalls toll.
Nun ist es aber soweit: bevor wir uns final zu Andrä - Musik Filme Games schleppen, müssen wir auftanken - und das tun wir im Restaurant "Prütt" in der Bremer Straße - es heißt, es sei eine der besten Adressen der Stadt, wenn es um vegetarisches und veganes Essen geht. Die Sonne scheint immer noch, wir sitzen im kleinen aber feinen Biergarten, mampfen Fenchelpizza und Falafel und werfen einen ersten Blick auf unsere neuen Schätze. Es ist so schön, wenn der Schmerz nachlässt. So kann es ruhig bleiben.
Das Standardprogramm reißt uns alle nicht über Gebühr vom Hocker, und ich halte mich mit meiner Auswahl von Gary Moores "Wild Frontier" (große Platte, übrigens!), und einem alten Schinken vom Alan Parsons Project ("The Turn Of A Friendly Card") für die Herzallerliebste relativ schadlos - allerdings nur solange, bis ich die beiden etwas seltsam abseits platzierten Raritätenkisten entdecke, denn hier kommt der große Gongschlag zum Wochenende, die Platte zum Sonntag, die mother of all (evil) vinyls. Jedenfalls eine davon und immerhin eine für mich. Was ich beim Fund der Fantastic Negrito-LP mit einem kurzen "Whoa!" kommentierte, wird hier zu einem laut durch den Laden gerufenen "Ach du Scheiße!": hier steht wirklich "Strength In Numbers" von The Music herum. Wenigstens aus meiner Sicht die unterbewerteste britische Band der letzten 20 Jahre. Und ich habe gerade nicht mal damit begonnen, zu übertreiben. "Strength In Numbers" ist bis auf den immer noch unsagbar schwachen Titelsong eine der besten Platten der 00er Jahre. Und darüber hinaus eine, die ich seit nunmehr zehn Jahren auf Vinyl suche und bislang noch niemals live und in Farbe gesehen habe. Auf einschlägigen Portalen wird es in gutem Zustand gerne mal dreistellig und mir war hier und heute, in fucking Münster, sofort klar: die nehme ich mit. Geld spielt keine Rolle. Mir war es in diesem Moment wirklich völlig egal, was sie kostet - soll doch die Kreditkarte mal zeigen, was in ihr steckt. Pah! Am Ende war ich mit 70 Euro wirklich gut bedient. Das heißt nun aber auch: ich habe bislang noch für keine Schallplatte soviel bezahlt wie für "Strength In Numbers". Reue? Nicht mit mir, Geld muss schließlich weg. Und für Sachen, die wirklich bis ins Mark Spaß machen gleich drei Mal. Also: Weg, weg, weg. Außerdem habe ich keine Kinder, werde auch niemals welche haben, ergo: mit mir kann man's ja machen. Andrä ist darüber hinaus, und da waren wir uns alle einig, preislich völlig im Rahmen, manchmal sogar überraschend günstig. Des weiteren bemerkenswert: Andrä druckt auf seine Preisschilder auch das Datum des Tages, an dem die Platte ins Regal gestellt wurde, und wir waren baff erstaunt über den offensichtlichen Durchsatz des Ladens. Kaum eine Platte, die wir uns mitnahmen, stand länger als 2 Wochen zum Verkauf, manche wurden sogar erst einen Tag zuvor gelistet. Läuft für den Andrä, wie es scheint.
Für die drei Punkrocker von der Plattentankstelle lief es auch gut - die Füße sind platt, die Konten sind leer, aber wir sind glücklich. Und das ist schließlich das Wichtigste. Am Abend spielen wir in Hamm ein erneut sehr gutes Konzert, dieses Mal auch tatsächlich ohne spielerische Blackouts, dafür bekommen die 60 Besucher aber die schnellste Version von "Fall From Grace" um die Ohren gehauen, die die Welt jemals gehört hat. "Der Raum wurde dreidimensional" (Helge Schneider), "Nummer 1, WARP 9, Energie!" (Jean-Luc), "Wahnsinnige Geschwindigkeit!" (Lord Helmchen). Wir schafften es trotz unseres debilen Kicherns während des Spielens sogar, dabei nicht komplett auseinanderzufallen. Da kann mal sehen, was 9 Jahre des gemeinsamen Zusammenspiels doch bewirken können. Schuld an dieser Geschwindigkeitsexplosion hat übrigens unser ehemaliger Aushilfsbassist und immernoch Bandfreund Andreas, der sich tatsächlich am Vorabend auf den 100km weiten Weg nach Münster aufmachte, um mal wieder nach dem Rechten zu sehen - und der nach dem Konzert der Meinung war, wir seien im Vergleich zum letzten Mal "ja doch ein Spürchen langsamer" geworden. Schlagzeuger Simon, von jener Blasphemie zerebral ordentlich durchgeschüttelt, konnte das unmöglich auf sich sitzen lassen, braute sich den so legendären wie berüchtigten Zaubertrank aus Cola/Energydrink und ließ ihn offenbar, von Marek und meiner Wenigkeit unbemerkt, mit Hilfe eines intravenösen Zugangs langsam aber stetig in die Adern tröpfeln. Der gleichzeitig in Hamm kredenzte Kaffee auf dem Stärkelevel "Ins Klo schütten würd' ich ihn nicht, der könnte das Porzellan angreifen" tat sein Übriges. Interessante Erfahrung, aber nicht interessant genug, um es zu wiederholen.
Die Reaktionen der Zuschauer - zumindest von jenen, die wir nicht aus dem Raum
Was mir und uns zu sagen bleibt:
Danke an alle, die uns dabei unterstützt haben, in Münster und Hamm spielen zu können. Danke an die Veranstalter und danke für die Einladungen. Danke für Eure Großzügigkeit. Danke an die Soundmischer an beiden Abenden. Danke an die Menschen hinter der Bar, die uns immer einen Kaffee eingeschenkt haben. Danke für die Köchinnen und Köche, die uns zu Essen gegeben haben. Danke an alle, die die Gigs besuchten und für so eine tolle, positive Stimmung sorgten. Danke an alle Bands, mit denen wir spielten, ganz besonders an Clubber Lang und Short (die beide mit ihren Gigs in Hamm einen einzigen Triumphzug hinlegten - es hat solchen Spaß gemacht, Euch zuzuschauen!). Danke an die Plattenläden in Münster: prima, dass es euch noch gibt und noch primarererer, dass ihr uns all die wunderbaren Schallplatten verkauft habt.
Es war uns ein Fest. Auf bald.
02.01.2017
2016 - Music Heals Eben Doch
Aus persönlicher Sicht ist sicherlich der plötzliche Tod unserer Katze "Kleini" im August als DER Tiefpunkt des Jahres zu erwähnen. Mit den Auswirkungen haben die Herzallerliebste und ich immer noch zu tun, und sei es nur, nahezu jeden Tag von unserem Kater daran erinnert zu werden, dass er sie ganz schrecklich vermisst und sein Leben nun ein anderes ist. Kleinis Tochter Tiffy, seit dem Jahr 2000 in der Obhut meiner Mutter, ging einen Tag vor Silvester und beschloss damit 2016 und wenigstens in dieser Hinsicht würdig i.S.v. "Fuck You!".
Abgesehen von all dem oben ausgebreiteten Quatsch, der einem den Kopf verklebt, war 2016 vor allem vollgestopft mit wunderbaren Momenten und tollen Erlebnissen. Und erstaunlicherweise mit der Erkenntnis, vielleicht endlich in der Arbeitswelt angekommen zu sein. Das kann im Normalfall nach 18 Jahren auch fast erwartet werden, aber ich fürchte, ich bin kein Normalfall: noch immer schaue ich mit dreiviertel Skepsis und vierviertel Überraschung auf das, was andere Karriere nennen und was mir diesbezüglich vor allem in den letzten 13 Jahren passiert ist. Seit meinem im Jahr 2015 vollzogenen Wechsel fühle ich mich im nun nicht mehr ganz so neuen Job indes so wohl wie vermutlich an noch keiner Stelle zuvor. Das ist wirklich ein ganz merkwürdiges Gefühl - ein gutes zwar, aber auch in Teilen ein überwältigendes.
Überwältigend waren auch die im Jahr 2016 besuchten Konzerte. Es waren nicht viele, zugegeben, und ich bin mittlerweile auch alles andere als ein Freund von Liveshows, aber Chris Cornell in Hamburg, Sacred Reich in Aschaffenburg, Monophonics in Wiesbaden, Gogo Penguin in Offenbach und New Model Army in Stuttgart sorgten allesamt für eine körperlich spürbare Überdosis Endorphine im Blutkreislauf. In diesen Momenten war wirklich und ausnahmsweise mal einfach alles gut und meine Lebenslust-Skala war nicht zuletzt wegen dieser Erlebnisse auch außerhalb des Konzertsaals immer öfter im sattgrünen Bereich. Music heals eben doch.
Wenn sie dann auch noch selbst erdacht und gespielt wird, gibt's manchmal sogar noch einen Nachschlag: unsere immer noch ziemlich kleine und nur sehr langsam wachsende Lieblingspunkband Blank When Zero hat eine neue Platte gemacht, dafür fast ein ganzes Jahr benötigt und ist nach sieben Jahren gemeinsamen Musikzierens doch tatsächlich im Keep It A Secret Labelhafen eingelaufen. Was es über "Taped!" zu sagen gab, könnt ihr hier nochmal nachlesen.
Kommen wir abschließend zu dem, was hier in den nächsten Monaten (sic!) zu lesen sein wird: die zwanzig besten Platten des Jahres 2016. Um sicher zu gehen, dass ich auch in diesem Jahr die bewährte Jammerei über zu viele tolle Musik unterbringe, habe ich extra nochmal in dem entsprechenden Intro zur Listenwahn-Sause des vergangenen Jahres reingeschaut:
2015 war darüber hinaus an musikalischer Front erneut ein großer Spaß - was die Auswahl der nachkommenden besten 20 Alben des Jahres zu einem bösen Drama werden ließ. Was auch immer wieder die alte Leier ist, je sais, mais non: DIESES MAL war's WIRKLICH UNERTRÄGLICH und die SCHMERZEN, die ein oder andere Platte draußen VOR DER TÜR, IM KALTEN Großstadtdschungel Sossenheims (SOSSENHEIM!) stehen zu lassen, waren größer ALS "sonst". Immerhin war die Top5 schon ab Juni in Stein gemeißelt. Muss man auch erstmal schaffen.
Was man auch schaffen muss: es für's Jahr 2016 exakt genau so nochmal in den Blog wuchten:
2016 war darüber hinaus an musikalischer Front erneut ein großer Spaß - was die Auswahl der nachkommenden besten 20 Alben des Jahres zu einem bösen Drama werden ließ. Was auch immer wieder die alte Leier ist, je sais, mais non: DIESES MAL war's WIRKLICH UNERTRÄGLICH und die SCHMERZEN, die ein oder andere Platte draußen VOR DER TÜR, IM KALTEN Großstadtdschungel Sossenheims (SOSSENHEIM!) stehen zu lassen, waren größer ALS "sonst". Immerhin war die Top5 schon ab Juni in Stein gemeißelt. Muss man auch erstmal schaffen.
Um es mit Mutti zu sagen: Wir schaffen das jetzt gemeinsam.
Ich danke allen fürs Lesen und die Aufmerksamkeit.