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17.12.2024

Uff, 2024. Doppel-Uff, 2025.




Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Allesdazwischen,

Der alljährliche Rückblick auf das abgelaufene Musikjahr fällt für 2024 ein bisschen aus dem gewohnten Rahmen. Das liegt vor allem an den Planungen für den Blog für 2025, und dafür lasse ich jetzt die Katze aus dem Sack, andernfalls sitze ich auf der Idee für die nächsten 340 Jahre. Und vermutlich noch länger.

Wenn wir also das Jahr 2024 betriebsbedingt abgehakt haben, beginnt die große Party mit dem ultimativen Listenoverkill. 

Die 200 besten Alben der 1990er Jahre.

Ich wünschte, die folgende Einlassung wäre eine Übertreibung, aber leider ist's die Wahrheit: ich arbeite an dieser Aufstellung seit nicht weniger als zwei Jahren und es war ein absoluter pain in the ass. Eigentlich ist es das noch immer. Für jemanden, der sich praktisch nie entscheiden kann und wirklich jedes noch so irrelevante Detail achthhundert Mal überdenkt, reflektiert, wieder hin-, her- und umschmeißt, für den der so oft zitierte "Mut zur Lücke" dann eben doch nur ein billiges Lippenbekenntnis ist, weil die Panik einsetzt, irgendeine Platte am Ende doch vergessen oder, schlimmer noch, nicht ausreichend gewürdigt zu haben, für den ungekrönten König der Prokrastination, ist diese Übung ein komplettes Himmelfahrtskommando. Und ich rede hier wohlgemerkt nur vom Auswahlprozess für die in Frage kommenden Platten - alleine für den Gedanken, schlussendlich noch all das für die jeweiligen Reviews in Worte zu fassen, brauche ich sehr wahrscheinlich die Unterstützung von einer starken Fliegenpilz-Stechapfelterrine (mit viel Maggi).

Jedenfalls, das ist die Planung für das Jahr 2025. Und um all das nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen (und wir alle wissen jetzt schon, wie arg das aus dem Ruder laufen wird, hurra!), kann ich nicht wie in den vorangegangenen Jahren im Mai 2025 mit meiner Lieblingsplatte des Jahres 2024 um die Ecke kommen. Also, ich kann natürlich schon, denn wen bitte interessiert der ganze Scheiß hier denn wirklich - I mean, come on?! Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben: ich will nicht. Daher werden sowohl die Kommentare als auch die Postingzyklen zu den 2024er Platten kürzer als gewohnt ausfallen, damit wir damit spätestens im Januar des nächsten Jahres damit durch sind und gemeinsam tief Luft für das holen können, was danach folgen wird: die 200 besten Platten der 1990er Jahre. 

Jetzt hab' ich es hier (unter Schmerzen!) reingeschrieben, jetzt muss es auch so (unter Schmerzen!) passieren. 

It's all fun and games.

Wir lesen uns!

11.12.2024

Infinity Machine - The Lighthouse




INFINITY MACHINE - THE LIGHTHOUSE


Ich bin damit gleich mehrere Monate zu spät, aber bevor wir uns in ein paar Tagen erwartungsfroh in die beliebte Jahresendabrechnung neuer Musik einschwingen, möchte ich noch flott auf meine zweite Band Infinity Machine zu sprechen kommen; genauer gesagt auf "The Lighthouse", unsere erste 4-Track-EP, die im Oktober 2024 offiziell erschien. 

Es erscheint angemessen, dafür ein bisschen weiter auszuholen. Verzeihung, aber da müssen wir jetzt durch. 


-Prolog-

Wer diesem Blog nicht erst seit gestern folgt, wird sich eventuell an meine Geschichte mit Soleilnoir, beziehungsweise Sun Never Sets erinnern. Im Herbst des Jahres 2000 lernte ich über eine Suchmeldung im Frankfurter Anzeigenblättchen "Das Inserat" Steffi, Wolfgang und Jörg kennen, die für ihre Band Soleilnoir einen Sänger suchten. Und schon nach der ersten Probe war klar: es hatte geklickt. Musikalisch, menschlich, konzeptionell waren wir ungewöhnlich schnell beisammen. So schnell, dass wir uns nur drei Monate später im Bazement Studio von Markus Teske wiederfanden, um unsere EP "Drown" aufzunehmen. Zu sagen, jene Zeit sei für mich "intensiv" gewesen, ist eigentlich eine Untertreibung. Ich war nicht nur immer noch frisch verliebt und zog mit der Herzallerliebsten in eine kleine 2-Zimmer-Wohnung im Frankfurter Stadtteil Rödelheim, war Auszubildender bei der Frankfurter Rundschau und lebte von Butternudeln, Instant-Eistee und Versagerkraut, sondern bekam im Sommer 2000 auch die Diagnose Hodenkrebs in die Unterhos' geschummelt. Die Welt stand auf dem Kopf - und die Euphorie darüber, mit meinen Bandkumpelinen und -kumpels derart vereint an einem Strang zu ziehen, in Musik und Kreativität so aufzublühen, sich praktisch ohne Grenzen zu verwirklichen und auszuleben, bedeutete die Welt für mich. Umso schwerer wog das zwischenzeitliche Ende meines Engagements nur ein Jahr später, denn so schnell und leidenschaftlich die Geburt Soleilnoirs verlief, so schnell und leidenschaftlich verglühten wir in einem Netz aus Missverständnissen und tragischen Fehlentscheidungen. Im Grunde könnte ich über diesen tadellosen Schwachsinn noch heute aus der Haut fahren. So unnötig, so dumm, so trostlos. Grundgütiger. Jedenfalls: Wolfgang und Jörg machten mit einem neuen Sänger und einem neuen Schlagzeuger weiter, während ich zunächst ins Krankenhaus geschoben wurde und anschließend zumindest übergangsweise die Musik an den Nagel hing. Nach einigen Jahren Pause lernte ich Simon und Marek kennen und wir gründeten Blank When Zero, eine Hardcore/Punkband, die auch 16 Jahre später immer noch existiert und über die ich zuletzt HIER ein paar Zeilen schrub. 


Im Frühjahr 2009 lagen Soleilnoir bereits seit einiger Zeit auf Eis, und vermeintlich sollte es das dieses Mal endgültig gewesen sein. Wolfgang und Jörg waren heillos zerstritten und redeten nicht mehr miteinander, aber was die beiden vielleicht damals erahnten, aber noch nicht wussten: so wenig sie miteinander klarkamen, so wenig kamen sie ohne einander klar. Im Rückblick erscheint es nicht komplett aus der Luft gegriffen zu sein, dass ich von der Anfangseuphorie über die Gründung von Blank When Zero wieder Blut geleckt hatte. Ich ergriff also entgegen meiner mentalen Konstitution die Initiative - und brachte die beiden wieder an einen Tisch. "Lasst uns weitermachen. Ich weiß, da sind Narben und vielleicht suppt hier und da noch ein bisschen blutiger Eiter aus den Wunden heraus, aber das tackern wir dicht." - Und wir tackerten. Und wir machten weiter. Und auch wenn es sich nach billigem Klischee anhören mag: eigentlich machten wir da weiter, wo wir 2001 aufhörten. Wir schrieben in nur sechs Monaten ein komplettes Album und gingen Anfang 2010 erneut ins Bazement Studio zu Markus Teske und nahmen unser erstes Album "The Absurd" auf. Weil rechte Sackgesichter mittlerweile die Deutungshoheit über die "Schwarze Sonne" (französisch: Soleil Noir) gewonnen hatten, nannten wir uns fortan Sun Never Sets. Das Album ging leider erbarmungslos unter und kann heute nur noch über meinen Soundcloud-Kanal HIER gehört werden. Ich hatte darüber schon früher ein paar Krokodilstränen verdrückt und im Prinzip tu' ich's bis heute: auch wenn die Zeit für einen solchen Sound zu Beginn der 10er Jahre völlig vorüber war, und auch wenn vielleicht nicht jede Idee ein kreatives Feuerwerk abbrannte, hat die Platte diese komplette Ignoranz wirklich nicht verdient. 


Im August 2012 spielten wir unser letztes Konzert. Wolfgangs Gesundheitszustand verschlechterte sich bereits seit einiger Zeit immer weiter. Aus der kurzen Pause, die er zu seiner Genesung verwenden wollte, wurden zunächst Monate, später Jahre. Die traurige Wahrheit ist, dass wir es nie mehr hinbekommen sollten. Die noch viel traurigere Wahrheit ist auch, dass Wolfgang im Sommer 2021 verstarb. Ich kann nicht sagen, wie oft ich es mir vorgenommen hatte, über ihn und über unsere gemeinsame Zeit auf diesem Blog zu schreiben - und wie oft ich daran scheiterte. Vielleicht ist mir in den meinen 47 Jahren auf diesem Planeten keine andere Person untergekommen, die so ambivalent war. Wolfgang konnte herzensgut sein, empathisch, vertrauensvoll, loyal, künstlerisch, kreativ, unterstützend - und manchmal in Bruchteilen von Sekunden später das genaue Gegenteil: cholerisch und zu komplett grotesken Kurzschlussreaktionen neigend, erratisch, bösartig, ignorant, oberflächlich, lethargisch, depressiv. Ich glaube, ich war (und bin) nicht in der Lage, all diese Splitter in ein vollständiges Bild von ihm zu transformieren. Und dann müsste ich anschließend schnell hinzufügen, dass es darum vermutlich auch gar nicht gehen müsste. Um was es indes gehen müsste: ich bin traurig und ich vermisse ihn. Und darüber, dass wir unseren Freunden öfter sagen müssen, dass sie wichtig sind. Weil wir das irgendwann nicht mehr sagen können. Und weil sie es irgendwann nicht mehr hören werden. 



-Corpus-

"Jetzt....warum sag ich Ihnen das, ja?! Ich meine....was soll das?" (Gerhard Polt)

Der Grund für diese extralange Rückblende: ich muss wohl gestehen, dass mir das Ende von Sun Never Sets immer ein bisschen ungemütlich im Nacken saß und vielleicht sogar immer noch sitzt. So richtig einfach war die Dynamik in dieser Band nie auszuhalten, aber das verbindende Element war immer das gemeinsame Verständnis über die Musik, das Auftreten, die Ästhetik, den Kontext. Und daraus entspann sich die Freundschaft mit diesen Menschen, die andererseits alle in ihren eigenen Erlebniswelten und Realitäten lebten. Ähnlich wie bei Blank When Zero gab es sowas wie den definierenden Rahmen, in dem man sich bewegte, eine gemeinsame Interpretation, ein Selbstverständnis, auf das man sich über die Jahre einigen konnte. Und das auch immer wieder neu verhandelbar war, wenn es denn angebracht war. Ich hatte ähnliches in einem früheren Text über Blank When Zero schonmal geschrieben - zu Beginn der Band sagten wir einmal, dass wir uns umgehend auflösen werden, wenn wir mal einen 4/4 Punk-Schunkler schreiben und damit zufrieden sind. Und dabei geht es gar nicht darum, ob wir das denn tatsächlich jemals tun würden, und ob das nur halbjugendliches Getöse war, über das wir alle auch mal lachen konnten, aber damit war eine symbolische Grenze in den Boden gehauen, auf die wir uns einigen konnten. So intensiv soll es sein, so intensiv wird's gemacht. So verstehen wir das, was wir hier mit dieser Band machen möchten. Bei Sun Never Sets war das ähnlich, wenn auch weitgehend unausgesprochen. Aber das wichtige Element war: so fühlten wir die Musik, so fühlten wir uns. 

Im Grunde ist das ein kleines Wunder, solche Mitstreiter zu finden. Zumal, musikalisch ergänzten sich Blank When Zero und Sun Never Sets in meiner Lebensrealität und mehr noch: es gab Schnittmengen. Erstere stehen für die rohe Kraft, die Geschwindigkeit, das Entfesselte, das Politische, das Kompromisslose, während ich bei Sun Never Sets die Gelegenheit hatte, dem emotionalen Überhangmandat Zucker zu geben, der Melancholie, der Dunkelheit, dem Künstlerischen, vielleicht auch der Abgrenzung. Hier kam das Kind der 1990er Jahre zum Zug, nicht zuletzt aus musikalischer Perspektive. Als hätte man die Essenz aus meiner allerliebsten Metalband Voivod mit der ungeheuren Wucht der Kompromisslosigkeit von Bands wie Soundgarden, Nirvana oder Pearl Jam in meiner Adoleszenz verbunden. Das ist mein Haus. 

Und nachdem das Licht bei Sun Never Sets ausgeknipst wurde, stand zumindest dieses Haus einsam und verlassen auf dem weiten Feld herum. Und wenn mir das allzu triviale Bild nun erlaubt ist: über die Jahre zerfiel es in eine Ruine. Das Fundament bekam Risse. Es bröckelte. Die Fensterscheiben gingen zu Bruch, das Dach wurde undicht. Es wurde kalt. Vielleicht ein bisschen schimmlig. Drum herum holte sich der Alltag aus verzehrender Lohnarbeit und Überforderung alles zurück. Das Unkraut wucherte. Und irgendwann war von dem Haus fast nichts mehr zu sehen. Ich konnte es noch fühlen, aber eigentlich war das nicht mehr als ein Phantomschmerz. 

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Ich lernte Christoph zu Beginn der 1990er Jahre über gemeinsame Freunde kennen und wir waren über die kommenden Jahre trotz einiger nennen wir es mal: zwischenmenschlicher Stromschnellen beinahe unzertrennlich. Und wie es dann gar nicht so selten passiert, verlor man sich später bis auf wenige Situationen, die ich an einer Hand abzählen könnte, fast vollständig aus den Augen. Bis mich in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 plötzlich eine WhatsApp Nachricht erreichte. Seine Band Demon Cleaner suche nach einem neuen Sänger und vielleicht hätte ich ja Lust, mir das mal anzuhören. 

Natürlich hatte ich Lust.

Aber ich hatte fast noch mehr Zweifel. Denn mein Haus war - siehe oben - alt, rostig und durchlöchert, die Lohnarbeit wurde praktisch mit jedem Tag gefräßiger, energieraubender, unaushaltbarer und nahm mich locker 10 bis 11 Stunden täglich in Beschlag, ich hatte außerdem Blank When Zero als Band am Laufen, und es ging hier niemals um ein "oder", sondern immer um ein "und". Darüber hinaus gibt es da auch noch die Herzallerliebste, die so oder so schon unter meinen bizarren Arbeitszeiten litt, unseren Hund, den Blog, die Schallplatten - und irgendwann muss ja auch nochmal das reale Haus saubergemacht werden. Kann ich mich wirklich darauf einlassen? Es gibt da doch sicher Erwartungshaltungen, und zwar von allen Seiten. Was ist, wenn ich da irgendwen enttäusche, weil ich das alles nicht schaffe? Ich muss singen, texten, proben, reden, vermitteln. Uff. UFF!


Zumal: Demon Cleaner waren musikalisch durchaus speziell. War die Musik ein tiefergelegter, in Teilen recht stoisch groovender Stonersound, wurde die Gesangsabteilung sehr unüblich mit einem Death Metal-Sänger besetzt. Das war ohne Frage originell, aber nicht wirklich meine Tasse Tee. Und: sie hatten sich über die Jahre ein kleines Following erspielt, das vor allem live die Extrovertiertheit und Unbekümmertheit in ihrer Musik zu schätzen wusste. Davon konnte ich mir selbst ein Bild machen, als ich sie mal auf der Bühne sah, denn die Stimmung war bombig. Und obwohl ich keinen Bezug zu ihrer Musik aufbauen konnte, fühlte ich mich bestens unterhalten, nicht zuletzt, weil im Duden neben dem Rubrum "Rampensau" ein Bild von Sänger Olli eingeklebt ist. But here's the thing: ich bin nichts von all dem. Nicht mal annährend Death Metal, nicht extrovertiert, nicht unbekümmert, meine Stimmung ist praktisch nie bombig und unterhalten kann ich mich am besten mit mir selbst. Die schmeißen doch alle mit in Pisse getränkten Klopapierrollen, wenn ich mich da als Nachfolger hinstelle?! 


Um zumindest jenes Fazit vorwegzunehmen, wurde ich bislang von derlei Ferkeleien seitens der alten Fangemeinde verschont. In diesem Zusammenhang ist damit auch klar, dass wir - long story short - alle weiter oben ausgerollten Zweifel zur Seite wischten und es also miteinander versuchten. Ein kurzer Faktencheck im WhatsApp-Chat nach dem ersten Aufeinandertreffen erinnert mich daran, die Atmosphäre als "sehr herzlich" empfunden zu haben und tatsächlich bin ich bis heute davon überrascht, wie Christoph, Basti und Christian praktisch ungefragt sämtliche Türen sperrangelweit öffneten, um mir den Raum zu geben, den ich benötigte, um mich gut zu fühlen. Um offen zu sprechen: ich bin mir nicht sicher, ob ich jederzeit so großzügig gewesen wäre. Denn Sängerwechsel sind immer kritisch für jede Band (huch, ein seltener Fall von Endgültigkeit auf diesem Blog, aber hier erscheint sie angemessen), selbst dann, wenn die stilistischen Unterschiede kleiner ausfallen, als es in unserer konkreten Situation der Fall war. Sänger*innen sind stets die Achillesverse einer jeden Band. Sie stehen im unmittelbaren Fokus, sie prägen im besten wie im schlimmsten Fall das interne und externe Stilgefühl der Gruppe, und ihre "Instrumente" sind grundsätzlich viel anfälliger dafür, an den traditionell eher volatil ausgerichteten Rezeptoren der Hörerschaft stumpf abzuprallen. Wenn die Stimme keine Verbindung mit dem Hörer aufbauen kann, aus welchen Gründen auch immer, ist der Ofen meistens ziemlich schnell aus. Niemand wird jemals sagen "Das ist eine tolle Band, ein tolles Album und ein alles überragender Song, aber wie der Bassist dieses Cis spielt/der Gitarrist die Saiten aufzieht/der Schlagzeuger die HiHat anschlägt ist unerträglich für mich, ich werde das nie wieder hören, bah!" - Im Gegensatz dazu ist die Zahl jener Bands, die ich wegen der Stimme schlicht unhörbar finde, geradezu Legion. Und niemanden trifft dafür irgendeine Schuld. Es ist bisweilen ein bisschen furchteinflößend, wie zufällig die Grenze zwischen Anziehung und Abstoßung gezogen werden kann. 


Jedenfalls: die drei Herren mussten sich nicht übergeben, als sie meine Stimme hören mussten - was umso überraschender ist, wenn man in Betracht zieht, wie eingerostet meine Stimmbänder im ersten Jahr waren. Das eigentliche Geschenk daran ist indes: sie waren offen. Und ich kann nicht genug dankbar dafür sein. Das ist alles andere als selbstverständlich. 



-Epilog-

Denn was am Ende dabei herauskam, und jetzt biege ich endlich allmählich in die Zielgerade ein, ist erstens: ein Wechsel des Bandnames zu Infinity Machine und zweitens: eine ganz wunderbare 4-Track EP namens "The Lighthouse". Im Mai 2024 rollten wir unseren Krempel - und hier schließt sich der erste Kreis - in das Bazement Studio von Markus Teske. Wolfgang sagte mal, ihm sei völlig egal, ob er in einem anderen Studio mit einem anderen Produzenten vielleicht irgendwas Besseres bekommen könnte, weil er IMMER zu Markus gehen würde. Es sei ihm auch "scheißegal, wie viel das kostet. Ich bezahl das. Markus ist der Beste." Und je älter ich werde, desto mehr liebe ich diesen Typen: zu jeder Zeit Chef im Ring mit klarer Vision, schreiend komisch, empathisch, unterstützend, warm. Es ist einfach unglaublich angenehm und unkompliziert, mit Markus zu arbeiten. Die Platte wurde in vier Tagen aufgenommen und an zwei Tagen gemischt und gemastert und was soll ich Dir sagen?! Sie klingt toll. 

Der zweite Kreis schließt sich ganz persönlich mit der Renovierung meines Hauses. Ich bin wieder eingezogen und habe ein bisschen Ordnung gemacht: meine Stimme ist besser als jemals zuvor. Zugegeben, das hat lange gedauert und es war harte Arbeit, die so schnell auch nicht enden wird, aber ich finde fast keine Worte dafür, wie sehr sich die Antrengungen gelohnt haben. In diesem Zusammenhang: shout out an Judy Fine, eine Gesangslehrerin aus den USA, deren Trainingsprogramm einen großen Anteil daran hatte, überhaupt zu verstehen, was notwendig ist. Das klingt sehr grundsätzlich, aber da kann man mal sehen, aus welcher Grundsätzlichkeit ich kam. 

Hinzu kommt, dass ich selten zufriedener mit meinen Texten war. Es fällt mir schwerer als früher, die richtigen Worte zu finden, aber wenn sie mal da sind, habe ich den Eindruck, sie sind so nahe bei mir wie nie zuvor. Ich muss weiterhin anerkennen, dass sie sich mehrheitlich noch immer sehr kryptisch lesen mögen, aber es ist ähnlich wie mit den Texten auf diesem Blog: ich werde niemanden zur tieferen Auseinandersetzung zwingen. Ich glaube allerdings auch, dass sie auf mehreren Ebenen funktionieren - und sei es "nur" im Transport einer Stimmung, einer Atmosphäre, einer Idee. Das kann und muss manchmal völlig ausreichen. 


Zuletzt noch der Hinweis, dass wir "The Lighthouse" auf Bandcamp zum Download hochgeladen und mittlerweile sogar ein sehr limitiertes Angebot von ausnehmend hübschen DIY-Tapes haben. Enjoy!






Vielen Dank fürs Zuhören, fürs Lesen, fürs Beiseitestehen, für die Begeisterung, für die Möglichkeiten. 


It's all quite a ride, isn't it?!



26.12.2023

Blank When Zero - Stagna



BLANK WHEN ZERO - STAGNA

Bevor ich zum Köpper in die Jahresbestenliste 2023 ansetze, möchte ich auch auf diesem Kanal noch drei, oder -hundert oder -tausend Sätze zu "Stagna" verlieren - der neuen EP meiner kleinen Punkband Blank When Zero. Womöglich (und hoffentlich!) wird das niemand bis zum Schluss lesen, und ich kann darüber keine Träne vergießen. Aber...es muss eben raus. Ich glaube, es muss auch vor allem deshalb raus, weil ich es für eine ganz einzigartige Erfahrung halte, seit nunmehr 15 Jahren mit Simon und Marek Musik machen zu können. 

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Nach einer Periode, die sich nach einer gar nicht so kleinen Ewigkeit anfühlt, haben wir es also tatsächlich nochmal geschafft, uns aufzuraffen und das beinahe volle Programm zu fahren. Songs schreiben, Songs lernen, Songs aufnehmen, Songs mischen und Songs auf eine kleine Plastikscheibe pressen, beziehungsweise pressen zu lassen. Und was ich in anderen Einlassungen so nonchalant mit "wir mussten uns dafür nochmal richtig strecken" umschrieb, ist ausnahmsweise mal keine dramatische Übertreibung, sondern eher das Gegenteil. 

Ich habe für diesen Beitrag keine Mühen gescheut und mich durch das Gestrüpp meines Instagramkanals durchgeschlagen. In einem Posting aus dem April 2018 schrub ich nach einer kleinen Lustreise nach Münster, Hamm und Hanau:

"Blank When Zero were on something like a tiny, tiny tour in March/April 2018 and here are some more pics from our shows. We played the infamous Metzgerstraße in Hanau yesterday with Puking Weazel and the great Die Deislers and closed our run for the time being. We're now going to hide in the rehearsal room for the next weeks and months to write new stuff." 

Es ist verblüffend, wie naiv und unschuldig sich diese Zeilen gute fünf Jahre später lesen. Wir schreiben dann einfach mal neue Songs. Jaha. Easy. Wir hatten ja keine Ahnung.

Zunächst sei gesagt, dass wir eigentlich schon immer eher langsame Songschreiber waren. Ein Blick auf unser Repertoire mit sicherlich über 50 Songs lässt das oberflächlich betrachtet nicht unbedingt vermuten, aber in 15 Jahren Bandgeschichte (uff!) sammelt sich eben so einiges an. Aber unsere Ansprüche sind hoch und schlimmer noch: sie kollidieren öfter als es uns lieb ist mit unseren handwerklichen Fähigkeiten einerseits, sowie mit unserem Terminkalender fürs gemeinsame Musizieren und also Einüben neuer Ideen andererseits. Denn was da draußen passiert, nennt man bisweilen "Leben" und das "will" bewältigt werden. Von den innerbetrieblichen Zweifeln will ich eigentlich gar nicht anfangen, aber sei's drum: 

1. Ist das dann gut genug? 
2. Wiederholen wir uns denn nicht die ganze Zeit?
3. In welche Richtung können und wollen wir denn gehen? 
4. Können wir denn überhaupt etwas Neues spielen? 
5. Sind wir denn in der Lage, das auch so zu umzusetzen?

Man hört es unserem 280bpm-Getrümmer ja vielleicht nicht unbedingt zu jeder Sekunde an, aber selbst die knapp einminütige Raserei mit Takt- und Tempowechseln und dreistimmigem, melodisch wie rhythmisch quermarschieredem Gesang ist nicht gerade unterkomplex und benötigt einige Anstrengung, damit es nicht klingt, als fielen wir gerade die längste Wendeltreppe der Welt herunter. Wir haben immer viel Wert auf ein gutes, tightes Zusammenspiel und eine selbstverständlich wirkende zügellose Energie gelegt und nichts von alldem stellt sich ein, wenn die Probe an der Kaffeemaschine und am Aschenbecher steigt. 

Und so standen wir zwei Jahre lang in unserem Proberaum, fingen nach zehn Stunden dauernden Arbeitstagen oft erst gegen 21 Uhr überhaupt erst das Spielen an und versuchten mit allen Mitteln, einen Hauch von Kreativität aus diesem Wachkoma zu retten. Nicht schon wieder nur alte Scheiße aufwärmen, stattdessen vielleicht mal was Neues wagen, raus aus der Komfortzone. Unter diesen Umständen wurden unsere Proben jedoch unglaublich frustrierend und deprimierend. Ich weiß nicht mehr, wie viele neue Songs wir anspielten und versuchten, sie irgendwie zum Laufen zu bringen - aber es klappte einfach nicht. Viel mehr fanden wir uns immer öfter noch mehr zwischen allen Stühlen sitzend wieder, als uns das sowieso schon immer nachgesagt wurde. Alles erschien halbsteif, kompromissbeladen, konfus, und je länger dieses Trauerspiel andauerte, desto verunsischerter und niedergeschlagener wurden wir. Ich war irgendwann an dem Punkt angekommen, die Sache mit neuen Ideen komplett zu beerdigen. Wir können es einfach nicht mehr. Muss man akzeptieren. 

"Kapitulation, ohohooo" (Tocotronic)

Und dabei sind wir in der vermeintlich glücklichen Lage, jede Erwartungshaltung, jeden Einfluss von Außen konsequent draußen vor der Tür beim Verfaulen zuschauen zu dürfen, denn auch wenn es uns schon seit 15 Jahren gibt, kennt uns praktisch immer noch kein Arsch - und wir haben, das sei der Wahrheit halber zugegeben, einiges dafür getan, dass das auch so bleibt. Insofern sei das bitt'schön nicht als peinliche Jammerei zu interpretieren, wir wissen schon sehr genau, wo wir stehen. Wir sind ab Sekunde 1 eine DIY-Band, die das Glück hatte, aufopferungsvolle, kreative und äußerst großzügige Menschen im Umfeld kennenzulernen, die uns immer geholfen haben, sei es für unser Bandlogo und unsere Coverdesigns, unsere Studioaufnahmen oder unsere Liveauftritte. Und wir haben keine Meute freudig erregter Fans vor der Tür stehen, die bei der kleinsten Abweichung von der reinen Lehre uns sofort die Hosen anzünden wollen. Wir könnten auch völlig beseelt auf Eurodance umschwenken, wenn wir Bock drauf hätten. Es würde schlicht niemanden jucken. 

Vor dem Einschlag der Coronapandemie im März 2020 hatten wir gerade mal zwei Songs, mit denen wir allerdings mehr als nur gut leben konnten: "Re: Schweinehund" durchlief mehrere Iterationen und wurde ungewöhnlicherweise in einer Art Jamsession fertiggestellt und "Herbst" - eine einerseits für uns alle sehr schwer zu spielende Nummer, die andererseits aber in meinen Ohren sowohl textlich als auch musikalisch mit zum besten zählt, was Schlagzeuger Simon sich je für Blank When Zero ausdachte. Als ich also in allmählich liebgewonnener, weil einwandfrei kinderloser Isolation zu Hause die von der Herzallerliebsten in Handarbeit zusammengenähten ersten Corona-Gesichtsmasken aufbügelte, reifte der Gedanke, wenigstens diese beiden Songs wenigstens halbwegs professionell aufzunehmen und zu veröffentlichen, zu einem saftigem Lupinensteak heran. Wer weiß, was alles noch passieren wird und ob und wie der ganze Laden hier noch weiter vor sich hinrotten wird - aber bevor jemand das Licht final ausknipst: diese beiden Songs MÜSSEN aufgenommen werden. Nur: Mit wem? Wann? Und wie sollen wir das überhaupt alles schaffen, wenn da draußen eine Pandemie tobt? 

"Können wir die Dinger schon spielen?" -"Ich glaube nicht, Tim." 

Wir schrieben "Momentaufnahme" im zweiten Halbjahr 2021 und hatten damit immerhin drei mögliche Songs für eine neue EP. Die physischen Formate hatten wir im Rahmen der vorangegangenen Veröffentlichungen schon weitgehend abgeklappert: Konsumrauschen erschien 2011 auf CD, "Einerseits" (2013) auf 12" und unser letztes Album "Taped!" im Jahr 2016 auf, logisch: Kassette. Eine 7"-Single fehlte also noch - was wäre denn schon ein besserer Zeitpunkt, das zu ändern? Wir kontaktierten unseren Bandkumpel Andreas (der schon vor einigen Jahren im Kölner "Club Scheiße" am Bass aushalf, als Marek familiär verhindert war), vom dem wir wussten, dass er sowohl die Fähigkeiten als auch die Möglichkeiten hatte, unsere neue Platte zu produzieren und waren hocherfreut, seine Zusage zu erhalten. Wir schrieben den vierten Song "Paradise" in den ersten Monaten des Jahres 2022 und trafen uns alle im Juni des gleichen Jahres in unserem Proberaum, um Nägel mit Köpfen zu machen. Nach drei Tagen waren die Aufnahmen beendet, und Andreas setzte sich in den kommenden Monaten an den Mix. 

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Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Folgende bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf diesem Blog thematisierte, aber nach 25 Jahren in verschiedenen Bands, die alle schonmal ein Studio besuchten und ihre Musik unter professioneller Regie aufzeichneten, war ich mir darüber bewusst, wie wichtig die Inszenierung von Musik für das Selbstverständnis einer Band sein kann. Als meine frühere Kapelle Sun Never Sets vor 13 Jahren das Album "The Absurd" zusammenbastelte, sollten jene Aufnahmen den Duktus und den Klang der Band für die noch kommenden Jahre definieren. Der Moment, in dem Songs aus dem Proberaumstatus in ihre endgültige Struktur überführt wurden und plötzlich als fertig ausgearbeitetes Statement in der Welt standen, war für mich schlicht überwältigend. Obwohl wir schon zu Beginn sehr reflektiert und aufgeschlossen über das Konzept unserer Band waren, sollte "The Absurd" eine ganz neue, viel differenzierte und eindeutigere Richtungsoption vorgeben. 

Die ersten Blank When Zero-Alben waren stets sehr "dick" und modern produziert, mit weit im Vorgergrund stehendem Schlagzeug, lauten, sirupartig klingenden Gitarren und einem alles aus- und auffüllenden Bass. Und so glücklich wir mit den Ergebnissen jeweils waren, so sehr waren wir von den grundlegenden Vorstellungen unseres damaligen Produzenten abhängig, der alleine im stillen Kämmerlein solange daran arbeitete, bis wir grünes Licht gaben. Und ähnlich wie "The Absurd" Sun Never Sets verändern sollte, so machte auch jede neue Produktion von Blank When Zero etwas mit uns, selbst wenn die grundsätzliche Ausrichtung des Sounds keine fundamentalen Änderungen zeigten. Es manifestierte sich eher Stück für Stück der Gedanke, exakt so zu klingen. Die Auseinandersetzung mit derlei Erlebnissen und Erfahrungen lässt sich unmöglich von der Mentalität künftiger Songwritingsessions abkoppeln. Sie verschmelzen viel mehr zu einem kollektven Bewusstsein. 

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Für "Stagna" wollten wir alle einen transparenteren, natürlicheren Klang - und als Andreas uns seine Perspektive desselben zum ersten Mal präsentierte, waren wir zunächst unsicher. War das nicht zu..."leise"? Muss das nicht kraftvoller, aggressiver sein? Das war ihm gegenüber nicht besonders fair, aber da kann man mal sehen, was das aus fast 15 Jahren und vier Aufnahmen gewonnene Selbstverständnis mit unseren Köpfen gemacht hat. Sich auf etwas Neues einzulassen, fällt Mitt- bis Endvierzigern nicht so irre leicht. Ich habe versucht, mich schon früh von den alten Aufnahmen zu lösen und die vier neuen Titel als neue Richtung zu begreifen. Ich habe mir außerdem versucht vorzustellen, wie die Platte klingen wird, wenn sie bei unseren Freundinnen und Freunden auf den Plattentellern liegt. Alina meinte bereits nach den ersten Höreindrücken, dass wir auf "Stagna" echter und authentischer als jemals zuvor klingen und die Produktion es geschafft hätte, die wichtigen Merkmale in der Musik und auch in den Texten herauszuarbeiten - und spätestens da wusste ich, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Wenn ich "Stagna" heute höre, und das mache ich zu meiner eigenen Überraschung noch immer recht regelmäßig, obwohl ich die Songs mittlerweile sicherlich Tausende Male gehört habe, komme ich nicht um die Feststellung herum, dass wir vielleicht noch nie so nah bei uns waren. 

Zu sagen, es sei ein hartes Stück Arbeit gewesen, diese vier Songs zum Leben zu erwecken, ist vielleicht die Untertreibung des Jahres. Über die Probleme mit dem Presswerk, das die erste Lieferung der 200 Singles komplett in den Sand setzte und also die volle Pressung nochmal von vorne starten musste, und was der ganze SCHEISSPASS AM ENDE GEKOSTET HATGLGLGLGLGLGLGLglglglglgl, fang ich nicht mal an, detaillierter auszuholen. 

Aber ich bin überglücklich darüber, dass wir es getan haben. 

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Wir bedanken uns bei Andreas für all die Mühe und Geduld, bei Jonas für die wie immer tolle Unterstützung bei unserem wirklich atemberaubend cool gewordenen Coverartwork, bei Cornelius von Keep It A Secret Records für den Beistand über so viele Jahre, bei Dom für die wundervollen Designs der limitierten 7"-Version und unserer T-Shirts (wir haben T-Shirts! WIR! HABEN T-SHIRTS! Haha! HAHAHAHAAAaaaaa). 

Und natürlich danken wir allen, die die Platte bereits gehört und gekauft haben. Dass die Scheiße wirklich immer noch jemand hören will, lässt uns ehrlich das Herz aufgehen. Ich weiß, dass wir keine Musik für Jederfrau und Jedermann machen, ich weiß, dass wir für manche konfus und kompliziert klingen, für andere sind wir zu krass und/oder nicht krass genug, wir wirken manchmal vielleicht ein bisschen schnöselig, wie wir bei Auftritten mit einer Tasse Kaffee am Bühnenrand stehen und zusehen, uns schnell wieder zu verkrümeln und weil ranschmeißerische Verbrüderung einfach wirklich nicht unser Ding ist. Wir haben so vielen Menschen wirklich viel zu verdanken, und ich kann nur hoffen, dass die hier Angesprochenen das wissen. 

Wir bitten außerdem und immer noch um Verständnis dafür, dass wir unsere Musik den sackgesichtigen Unterstützern militärischer Kackscheiße und Vollwertkapitalisten bei Spotify nicht geben - und auch nicht geben werden. Wir sind alte Fürze und stecken genauso tief in kapitalistischen Ärschen wie alle anderen auch, aber ein paar Grundwerte haben wir uns dann doch noch behalten. 

Ihr findet unsere Musik wie immer bei Bandcamp oder direkt bei uns. Hinterlasst uns einen Kommentar und die Kontaktdaten, wenn ihr eine Platte oder ein Shirt haben wollt. Wir melden uns dann bei euch. 

Durchhalten!
Simon, Marek & Flo
Blank When Zero



 


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Blank When Zero auf Instagram: https://www.instagram.com/blankwhenzero/

Blank When Zero auf Bandcamp: https://blankwhenzero.bandcamp.com/




16.08.2020

Das Beste des (eigenen) Jahrzehnts, Teil 2: Blank When Zero - Taped!



BLANK WHEN ZERO - TAPED!


...und damit kommen wir nun tatsächlich zum Ende meiner kleinen Serie über das vergangene Jahrzehnt. Wo Sun Never Sets in tiefer Stasis liegen, ist in der Hütte meiner Band Blank When Zero seit nunmehr elf Jahren das Licht angeknipst, und auch wenn wir ab und zu mal am Dimmer drehen mussten, schaut es nicht so aus, als würde jemand so schnell zum letzten Mal auf den Schalter drücken, der es so richtig dunkel werden lässt. 

Ich lernte Simon und Marek zwischen 2007 und 2008 kennen. Zu diesem Zeitpunkt war ich musikalisch auf dem Trockendock; Ende 2005 sah mich ein Proberaum zuletzt von innen - sieht man mal von meinem Gastarrangement bei einer damals sehr gut gebuchten Coverband aus Wiesbaden ab, bei der ich für ein halbes Jahr den mit Stimmbandknoten kämpfenden Sänger ersetzte und jedes Wochenende damit verbrachte, besoffenen Partypiepels die letzten kreativen Zuckungen der Red Hot Chili Peppers unter das Ed Hardy-Shirt zu schummeln. Nun ist es so, dass ich grundlegend versuche, ein freundlicher und offenherziger Mensch zu sein, und ich glaube sogar, dass es mir in den allermeisten Fällen auch gelingt. Allerdings sorgte die Aussicht, mich durch Hunderte von Musikeranzeigen zu wühlen, um sich mit, Pardon: absoluten Vollidioten austauschen zu müssen, für eine bis in tiefste Tiefen reichende zerebrale Verkrampfung mit sehr lebhaft ausgestalteten Gewaltphantasien - und bevor das passiert, macht man doch am liebsten gar nix, lässt sich in die eigene Couch laminieren und hängt das Musikerdasein final an den berühmten Nagel. Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Rolläden runter, Vorhänge zuziehen, auf den Boden legen, langsam atmen, sich still vollpissen, wegdämmern. 

Und als ich so dämmerte, klingelte das Telefon. Power-Pop, Garage, Indie, Punk - "Hast du Bock?" 

Nun, ich hatte Bock und nachdem ein gutes Jahr ins Land zog und es personelle Turbulenzen notwendig machten, sich auch stilistisch neu auszurichten, hoben wir 2009 Blank When Zero aus der Taufe. Schnell, hart und melodisch sollte es sein, immer. Und wenn es das mal nicht mehr sein sollte, falls wir also unseren Drive verlören (sic!), "dann machen wir den Laden dicht", sagten wir damals. Und das sagen wir heute immer noch. Jahre später sollten wir es in einem Interview mit dem Mainzer Studentenmagazin davon sprechen, dass "sorgfältig ausgeschnarchtes Herumgerocke mit Irokesenfrise der Endgegner" sei und angesichts dessen, was nicht erst seit gestern so landläufig als Punk gilt und sich mit dieser handzahmen Komplettrotze plötzlich in riesigen Konzerthallen wiederfindet, müssen wir wohl anerkennen, dass der Endgegner Kapitalismus heißt und grundsätzlich sowohl übellaunig als auch unbesiegbar ist. Außerdem, und das ist das Allerschlimmste: er hat einen unfassbar beschissenen Musikgeschmack. 

Über "die Band, die keiner kennt" (Selbstbeschreibung) habe ich auf diesem Blog tatsächlich mehr als nur ein Mal geschrieben, insofern ist die im vorangegangenen Beitrag postulierte Einlassung, nie allzu großen Wirbel ums eigene Kulturschaffen gemacht zu haben, mit einem Körnchen Salz zu bewerten. 

In einem Beitrag aus dem Jahr 2016 schrub ich über unsere immer noch aktuelle Platte "Taped!":


"Wir machen seit sieben Jahren zusammen Musik, gehen uns immer noch nicht auf den Sack, sind alle drei gemeinsam der Meinung, dass es wichtig ist, auch weiterhin gemeinsam Musik zu machen, haben diese verführerische Mischung aus einer ruhigen Gelassenheit und einem immer noch durchaus hohen Anspruch an die eigene Musik, und gehen, ohne dass es uns glaube ich wirklich immer präsent und bewusst ist, immer einen kleinen Schritt weiter: hört man beispielsweise unsere ersten Aufnahmen aus dem Jahr 2010 und vergleicht sie mit dem, was wir nun mit "Taped!" aufgenommen haben, dann ist das ziemlich zweifelsfrei immer noch die gleiche Band, aber die Musik hat ebenso wie der Sound ein paar ganz ordentliche Entwicklungssprünge gemacht. Vor allem aber, und das freut mich ganz besonders, sind die Texte und ihre Aussage so eindeutig und klar wie vielleicht noch nie. "Endlosschleife", "Just A Ride" und "Herz & Gefühl" sprechen mir allesamt aus dem Herzen und als zusätzliches Glück tun sie das alle aus unterschiedlichen Blickwinkeln."


...und auch vier Jahre später ist das immer noch alles sehr wahr. 


Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf das wunderbare Videoreview von Meisterkoch Tillman hinweisen:


"Taped!" bringt für meinen Geschmack bis heute am besten auf den Punkt, was diese Band ausmacht, was sie sein will und was sie sein soll. Natürlich waren auch "Blank" (2010) "Konsumrauschen" (2011) als auch "Einerseits" (2013) Meilensteine für uns, weil sie uns ebenso in der damaligen Zeit am besten repräsentierten und unseren Stand dokumentierten, aber sie zeigten auch, dass da noch mehr gehen konnte - und alleine die Tatsache, dass wir uns für die Aufnahmen von "Taped!" so irre viel Zeit lassen konnten (wir arbeiteten fast ein dreiviertel Jahr an diesen grob 19 Minuten, natürlich nicht am Stück, aber trotzdem: was für ein Luxus!), half bei der Entwicklung der ursprünglichen Idee. Die Umsetzung des "Schnell, hart und melodisch"-Mantras klingt zwar simpel, aber es dann am Ende so hinzubekommen, ist für uns keine Selbstverständlichkeit. Ich schrieb kürzlich über den Schwanengesang von Sun Never Sets, dass "The Absurd" vor allem deswegen so bedeutend war, "weil ich zum ersten Mal erlebte, was möglich ist, wenn jeder an der Produktion beteiligte die Idee und die Leidenschaft teilt" und bei "Taped!" erlebte ich es ein zweites Mal. 

Terminmikado, Familienschach, Jobtetris - und dann kann der Gitarrist auch nach 25 Jahren nur mit Boxhandschuhen Gitarre spielen und hält alles und jeden auf: nichts von all dem konnte uns und unseren Klangmeister Jörg davon abbringen, diese Platte genau so zu machen. Und wenn das Ergebnis dann also vor einem liegt, sogar physisch und in Form der nur auf wenige Exemplare limitierten und mittlerweile ausverkauften Kassette, man zurückschaut und vergleicht und reflektiert, dann ist auch das einfach...sehr bedeutend.

Wer mag, kann sich auf unserer Bandcamp-Seite die komplette Diskografie für 4 Euro herunterladen.

09.08.2020

Das Beste des (eigenen) Jahrzehnts: Sun Never Sets - The Absurd




SUN NEVER SETS - THE ABSURD


"Ich nehme seit 1998 Platten auf und schreibe seitdem sowohl eigene Texte als auch eigene Musik und es gibt praktisch keine veröffentlichte Song- und Textsammlung, für die ich nicht ohne Zögern einen Atomkrieg anzetteln würde, auf dass dieser selbst ausgedachte Schmonz endlich vaporisiert und also vom Antlitz der Erde getilgt wird."

Bon, so schwer wie der dramatisch anmutende Ausblick zum Ende des letzten Artikels - "Kommt ihr nie drauf!" - war es dann vielleicht doch nicht, denn auch wenn ich versuche, das Ego klein und die Demut groß zu halten und darüber hinaus ein Begriff wie "stolz" weder im Sprachschatz noch Wertesystem eine Rolle spielt, bin ich von den vier mit meiner Beteiligung entstandenen Alben aus dem vergangenen Jahrzehnt mit mindestens zwei über das normale Maß hinaus verbunden. Ich habe auf diesem Blog und anderswo nie allzu großen Wirbel um die eigene Musik gemacht, und weil die zwei verbliebenen Gehirnzellen in meinem Kopf in permanentem Autopilot-Modus gegeneinander kämpfen, stellt sich Herr Dreikommablödvier im stillen Kämmerlein doch immer noch manchmal die Frage, was hätte passieren können, wäre der Wirbel ein anderer, ein größerer gewesen. Dabei ist der Traum von der Karriere als Musiker doch schon seit zwanzig Jahren ausgeträumt. 

Die Chronologie der Ereignisse verlangt den Start mit "The Absurd" von Sun Never Sets, erschienen im Sommer 2011. Die Geschichte dieser Band ist nicht in fünf Sätzen erzählt, und es gibt keinen Grund, es nicht dennoch zu versuchen: ich stieß im September des Jahres 2000 zu der damals noch unter dem Namen Soleilnoir (sic!) operierenden Band, übernahm das Mikrofon und fand mich schon ein halbes Jahr später in den Bazement-Studios von Markus Teske (u.a. Vanden Plas und Charlie Dominici) wieder, um die erste EP "Drown" aufzunehmen. Ein Jahr später wurde es leider sehr turbulent: Ich stieg aus und kehrte erst im Mai 2009 an die alte Wirkungsstätte zurück, während die Band zwischendrin mit Sänger Maggot noch zwei weitere EPs ("Interlude" und "Nucleus") veröffentlichte. Und weil rechte Sackgesichter sich mittlerweile die Begriffshoheit über die "Schwarze Sonne" (Soleil Noir) angeeignet hatten und wir deswegen von übereifrigen Volltrotteln von volltrotteligen Volltrottelbands sogar von Konzerten ausgeschlossen wurden, entschlossen wir uns recht zügig zu einer Namensänderung - Sun Never Sets waren geboren. Unser letztes Konzert spielten wir vor ziemlich genau acht Jahren, im August 2012 in Frankfurt. Offiziell aufgelöst wurde die Band kurioserweise nie, der Engländer würde wohl eher von einem "indefinite hiatus" sprechen. 

Das sind die nüchternen Fakten. Aus emotionaler Sicht stehen meine viereinhalb Jahre als Mitglied dieser Band möglicherweise als die intensivsten Bandjahre im Lebenslauf. Ich lernte Wolfgang, Jörg und Steffi kurz nach meiner ersten Krebsdiagnose und -OP kennen, und Leben und Hirn drehten sich wie Brummkreisel. Ich war Stammgast in den medizinischen Abteilungen der Frankfurter Stadtbibliothek, musste mich gegen empathiebefreite Ärzte verteidigen und mit angsterfüllten Familienmitgliedern verhandeln, dazu war ich immer noch frisch verliebt, lernte jeden Tag soviel Neues, dass ich mich jeden Morgen wie tatsächlich neu geboren fühlte, und dennoch: die Zukunft war ungewiss. Ich begegnete all dem Irrsinn mit, logo: vollen Hosen und auch einem gewissen Hedonismus, der sich in erster Linie in wahren Kreativitäsexplosionen manifestierte. Die ersten Aufnahmen im Winter 2001 verbrachte die Band für eine volle Woche Tag und Nacht gemeinsam im Studio und ich werde die gemeinsamen Abende mit Musik, Diskussionen, Rauchwaren und Pink Floyds "Ummagumma" (natürlich bis heute ihre beste Platte, fight me!) niemals vergessen. 

Ähnliches ereignete sich auch bei den Aufnahmen im Winter 2010. Erneut waren wir bei Markus Teske zu Gast, dieses Mal aber gleich für ganze zwei Wochen. Und weil die neuerliche Kreativitätsexplosion derart ergiebig war, sollte es nun erstmals ein ganzes Album mit neun Songs werden; Songs, die allesamt in den vorangegangenen sechs Monaten geschrieben wurden. Für eine nicht rund um die Uhr professionell arbeitende Band ist das gar nicht so übel.

Als wir endlich mit unserem ersten Album das Studio verließen, war das für mich ehrlicherweise ein sehr bedeutender Moment. Nicht nur, weil es unser Albumdebut war, das wir in den Händen hielten. Auch und ganz besonders, weil ich zum ersten Mal erlebte, was möglich ist, wenn jeder an der Produktion beteiligte die Idee und die Leidenschaft teilt. Die Platte klingt für das Jahr 2010 und für die zwei Wochen Produktionszeit ausnehmend gut und wirkt selbst zehn Jahre später nicht unangenehm gealtert. Und ich muss das nun zugeben: ich höre "The Absurd" immer noch gerne - und das ist sehr ungewöhnlich für mich. Weil ich aufgrund der eingangs erwähnten und persönlich wahrgenommenen Unzulänglichkeiten von Musik mit meiner Beteiligung ansonsten immer schnell in den Krümeln suchen muss: da wackelt die Stimme! Das Wort ist falsch phrasiert! Das Timing stimmt nicht! Und was ist das bitte für 1 Text? Sich mit dem eigenen Versagen zu arrangieren ist nun wahrlich keine einfache Übung. 

Der Scharfrichter in mir hat natürlich auch bei "The Absurd" viel zu tun und ich könnte aus dem Stand zwei Dutzend Momente auf- und beschreiben, die schlicht falsch sind und etwas Besseres verdient hätten. Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es - ich kann das nicht bestätigen. Der Mumpitz ist auch 10 Jahre später immer noch sehr real.  

Dennoch tut er meiner Verbundenheit mit dieser Band, dieser Zeit und dieser Platte keinen Abbruch. 

"The Absurd" erschien im Sommer 2011 in einer Auflage von gerade mal 50 CDs im Digipak und ist natürlich komplett untergegangen. Vom Zeitgeist waren wir ganze Universen entfernt (bei Konzerten hörten wir nicht selten "Geiiiil, voll Neunziger!"), im Bandumfeld gab es praktisch keine "Fans" mehr, weil wir bis auf Schlagzeuger Johannes alle schon viel zu alt waren und der Bekanntenkreis, sofern er noch existierte, sich längst mit Frau und Kind im Eigenheim befand, und auch wenn wir pro Jahr sicher um die 25 bis 30 Konzerte mitunter in den kleinsten Käffern und Löchern spielten, tat sich erschütternd wenig. Selbst dann nicht, als wir im Frühjahr des Jahres 2012 im Frankfurt Bett im Vorprogramm einer größeren Alternative Band aus den Staaten und also vor 400 Zuschauern spielten. Hinzu kam sicherlich als der möglicherweise entscheidendste Faktor, dass wir schlicht nicht mehr alles geben wollten und konnten. Einen kleinen fünfstelligen Betrag an eine Deppenagentur überweisen, um vier Wochen durch Europas schimmeligste Clubs zu tingeln? Familie und Job aufs Spiel setzen? Im allerbesten Fall war die Mehrheit von uns, mir inklusive, in dieser Hinsicht indifferent - und das ist dann einfach zu wenig. Eigentlich ist man damit auch gleichzeitig sehr nahe an der Selbst-Sabotage. Und natürlich kann man das machen, aber dann verbietet sich streng genommen auch die Jammerei.  

Trotzdem: hätten ein paar mehr Leute die Möglichkeit gehabt, "The Absurd" überhaupt mal zu hören, wäre vielleicht ein bisschen mehr drin gewesen. Ich bin natürlich komplett voreingenommen. Für mich ist das immer noch eine tolle und ganz persönlich sehr wichtige Platte. 

Mittlerweile ist das Album praktisch nicht mehr digital erhältlich, daher habe ich es auf meinem Soundcloud-Account hochgeladen. Vielleicht wird es ja zehn Jahre später noch von ein paar Menschen entdeckt. Verdient wäre es.


21.03.2020

Werbeunterbrechung



Bevor wir mit den besten Platten des letzten Jahrzehnts weitermachen, gibt's noch eine kurze Pinkelpause Werbepause. Meine kleine Punkband hat ihr Zeltlager auf Bandcamp etwas umgemodelt und bietet nun die komplette Diskografie für sagenhafte 4 Euro an - das sind immerhin dreieinhalb Alben mit...naja: ein paar Minuten Spielzeit. Mit einem Klick ist all das Dein.





Damit wir uns von der Kohle keinen vierten Geldspeicher in ein unberührtes Waldgebiet in Südamerika bauen lassen müssen, haben wir uns dazu entschlossen, die Wiesbadener Kulturkneipe Sabot zu unterstützen. Das Sabot erhielt im vergangenen Jahr bereits die Kündigung der Räumlichkeiten zugestellt und hätte die Pforten zum 31.März schließen müssen - der Coronadreck und die anschließenden Auflagen für die Konzerte und Parties haben dann leider eine vorgezogene Schließung ab Mitte März notwendig gemacht.

Aktuell suchen die Betreiber eine neue Bleibe - und ein Lager:

"Aktuell suchen wir noch nach einer Lagermöglichkeit, trocken sollte sie sein und 10-15qm Fläche haben. Gerne ebenerdig und jederzeit zugänglich. Falls ihr Ideen oder Tipps habt, gebt uns gerne Bescheid. Für den Herbst suchen wir nach einer neuen Location, auch hier sind wir auf eure Augen und Ohren angewiesen. Egal ob ein runtergerockter Keller oder eine alte Werkstatt im Hinterhof, alles ist möglich!"

http://kulturkneipe-sabot.de/?p=210

Blank When Zero haben über die Jahre vier Mal im Sabot gespielt, zum ersten Mal im Winter 2012 als Support für die Stage Bottles. Hier sind ein paar Bilder dieses Abends:









Wir haben uns im Sabot mit seinen tollen Mitarbeitern und Gästen immer wohlgefühlt. Und es war bislang der einzige Club, den wir tatsächlich mal leerspielten - Nach 15 Minuten unseres Gebretters war nur noch die Dame am Mischpult und der Herr hinter dem Tresen im Raum.

Das Sabot war für die Untergrundszene eine Oase im piefigen Wiesbaden (um Missverständnisse zu vermeiden: ich liebe Wiesbaden mit jeder Faser meines Körpers, aber ich bin auch superpiefig!). Es wäre ausgesprochen wünschenswert, wenn der Laden an anderer Stelle weiter existieren kann.

Um dabei ein bisschen zu helfen, haben wir uns dazu entschlossen, alle Einnahmen, die in der kommenden Zeit über die Downloads oder den Verkauf der limitierten Schallplatte unseres Albums "Einerseits" auf unserer Bandcampseite reinkommen, dem Sabot zu spenden.


Wenn ihr also ein paar Kröten übrig habt, dann freuen wir uns über Eure Unterstützung.

Vielen Dank!

Bleibt so schön!
Simon, Marek, Flo

15.09.2019

Schnuffel (1998 - 2019)




Der Sommer des Jahres 2019 im Hause Dreikommaviernull war nicht von der so sehnlich erhofften Beschwingtheit geprägt. Zunächst erlitt Anfang Juli unser Hund Fabbi einen Bandscheibenvorfall, der seine hintere Körperhälfte komplett lähmte. Unser Hund, ein Bündel an Lebenslust und -freude, war von einer Sekunde auf die andere Sekunde ein Pflegefall, der nicht mehr auf allen Vieren stehen, geschweige denn laufen konnte. Dank einer Spinalkatheteroperation bei Dr.Schrader in Hamburg hat er zwei Monate später vermutlich das gröbste überstanden: es ist nicht alles perfekt, aber Fabbi kann immerhin wieder laufen - wacklig und meist langsam, aber es reicht, um seine großen und kleinen Geschäfte in seinem Sossenheimer Kiez zu erledigen. Es reicht außerdem, mich an jedem Abend mittels auf den Arm gelegter Pfote darüber zu informieren, dass JETZT ein guter Zeitpunkt wäre, um mit seinem Plüschelefanten zu spielen. Es ist beeindruckend, wie wenig dieser Hund einen Shit gibt. Und wie stark sein Wille ist. 




Wenn wir von Verletzungen und Willensstärke sprechen, müssen wir auch von unserer Katze Schnuffel sprechen. Man sagt Katzen ja so oder so nach, dass sie von einer ausgeprägten Zähigkeit durchs Leben getragen werden - und Schnuffel musste diesen Paragrafen im Katzen-Knigge wohl sehr genau studiert haben. 

Schnuffel wurde vermutlich im April 1998 geboren und zog im Sommer 1999 bei Alina ein. Ich lernte ihn im Dezember des selben Jahres kennen, nachdem Alina und ich uns darauf einigen konnten, künftig gemeinsam durchs Leben zu gehen, und ich also erstmals die Wohnung in der Schmausengartenstraße im verschneiten Nürnberg betrat: ein juveniler Playboy im weißen Puff-Plüsch-Flausch, dominant und gerade im Begriff, sich seinen herbei halluzinierten Katzenthron in jedem der drei Zimmer zu schnitzen. Sein Fellkostüm war die Entsprechung zu Schulterpolstern in den 1980er Jahren: es machte ihn größer und mächtiger, fast erschien er ein wenig einschüchternd - wenn er denn in seinem Imposanzgehabe nicht mindestens genau so niedlich und leicht vetrottelt gewesen wäre. Unvergessen die Geschichte, als er sich in jungen Jahren unter ein Spannbettlaken quetschte und wir erstmals seine wirkliche Körpergröße sahen. War das immer noch Schnuffel oder eher ein kleines Nagetier von den Ufern der Nidda? Dennoch: man musste ihn ernst nehmen und ganz bestimmt mussten wir lernen, ihn zu lesen. Seine Geschwindigkeit im Austeilen von linken Haken war legendär, seine Stimmungsschwankungen waren gefürchtet, seine Hartnäckigkeit im Einfordern von Aufmerksamkeit machte beinahe den Einsatz eines Psychologen erforderlich. Sein Blick und die Stellung seiner Ohren verrieten viel, aber bei Weitem nicht alles. Subtilität in seinem Verhalten war Schnuffels große Stärke - und manchmal gar so stark ausgeprägt, dass man ohne jede Vorwarnung seine linke Hand verlor. 

Kleini, seine Partnerin, wusste sich in solchen Momenten, ganz im Gegensatz zu Alina und mir, zu wehren. Manchmal sogar bis zum wochenendlichen Tiernotzarzteinsatz. Offensichtlich biss sie ihm eines Nachts beim Herumraufen mir nichts dir nichts in den Schwanz, was Schnuffel in bis dato völlig ungeahnter Weise zur Welt der Kommunikation mit Menschen brachte. Ich weiß, dass sich das nun übertrieben anhören mag, aber ich schwöre es beim Leben meiner Plattensammlung: als wir am Morgen die Schlafzimmertür öffneten, war er so aufgeregt und mitteilsam wie nie und es hätte gerade noch gefehlt, dass er uns das Telefon hinhält, natürlich mit der bereits eingetippten Telefonnummer der Tierklinik und schreit "EY! DIE HAT MIR IN DEN SCHWANZ GEBISSEN! RUFT DA SOFORT AN, DAS TUT WEH!" 

Aber Kleini konnte Schnuffel auch das Gefühl geben, dass er der unumstrittene König ist. Schnuffel und Kleini waren seit Beginn unserer nun seit knapp 20 Jahre dauernden romantischen Beziehung immer da. Sie gingen mit uns durch dick und dünn, zogen mit uns von Stadt zu Stadt, von Wohnung zu Wohnung. Sie waren Teil von Raum und Zeit.

Kleini verließ dieses Gefüge im August 2016. Sie erkrankte plötzlich und eine schnell eingeleitete Diagnose ergab, dass es so plötzlich dann eben doch nicht war: in ihrem Körper wucherte ein Tumor, der es ihr unmöglich machte, ihr immer so heißgeliebtes Futter bei sich zu behalten. Damit verlor Schnuffel das, was in der Soziologie oft (i.S.v. nie) mit "gesundem Regulativ" gemeint ist: er verlor seine Sparingspartnerin, die Nähe, den Duft, die Liebe. 

Schnuffel wurde krank. 

Im Laufe des Jahres 2017 merkten wir, dass etwas nicht in Ordnung war. Er trank plötzlich überdurchschnittlich viel. Er verlor an Gewicht und die Auswahl seines Futters wurde zum Lotteriespiel: was am Montag gut und richtig war, war es am Dienstag plötzlich nicht mehr. Zugegeben, neu war das nicht. Ihn in seinen Futteransprüchen wählerisch zu nennen, wäre die Untertreibung des Jahrtausends, zumal er seit 2006 und zur Vermeidung einer Verstopfung täglich zwei Teelöffel Lactulose ins Futter gemischt bekam, was sicher nicht zur Futterakzeptanz beitrug. Trotzdem: er wurde alt, krank und er baute merklich ab. Der Tierarzt diagnostizierte eine Niereninsuffizienz, bei Katzen in hohem Alter keine Seltenheit, sondern oft der Anfang vom Ende. Er wurde unbeweglicher und hörte zuerst auf zu Spielen, dann stellte er die Körperhygiene ein. Im Februar dieses Jahres riefen wir nachts gar den Tiernotarzt und fürchteten, er hätte bereits seine Reise auf die andere Seite angetreten, aber nichts da: zwei Stunden später war von der Atemnot, der Kraftlosigkeit, dem glasigen Blick nichts mehr zu sehen. Schnuffel war wieder der Alte. Ein kauziger, gebrechlicher, wegen der Krankheit bisweilen streng muffelnder, aber lebendiger und liebender alter Kater, der unsere Nähe suchte und dankbar für jede Berührung und jedes Streicheln war.

Wir wussten, dass der Tag näher rücken würde, an dem wir für ihn eine Entscheidung treffen müssten - denn eines war klar: er würde es uns nicht so einfach machen und einschlafen. Aber diese Entscheidung ist man seinen Haustieren nach jahrelanger Gemeinschaft und all der Liebe wohl schuldig. 

Schnuffel ist tot. Wir mussten ihn am Sonntag 8.September 2019 von uns gehen lassen. 

Seitdem klingt selbst die Ruhe anders als sonst. 

Wir lieben Dich, Schnuffel. 





19.08.2017

3,40qm ist nicht tot, es riecht nur ein bisschen seltsam




Es ist einigermaßen skandalös, dass die von mir stets gefürchtete und mit allen legalen Mitteln bekämpfte Schreibblockade genau in jenem Jahr an die verquollene Gehirntür klopft, in dem dieser Blog sein zehnjähriges Jubiläum feiert und feiern sollte. "Feiern" ist möglicherweise ein zu großes Wort, aber eine Hausparty ist eine Hausparty ist eine Hausparty - und obwohl mir der Termin des ersten Posts auf diesem immer noch etwas ungelenk betitelten Tagebuchs seit Wochen und gar Monaten um den Kopfkalender flatterte, und ich also wie eine im Klärschlamm steckende Klobürste eine im Mirabellen-Pfefferminzkuchen steckende Geburtstagskerze am 22.7.2017 meine dreikommavier verbliebenen Leser mit Konfetti aus geschredderten Musikmagazinen aus dem Hause Springer und einem Gläschen Kirschlikör hätte begrüßen sollen, wenn nicht müssen, erschien jedes Aufraffen unmöglich. Ich möchte nicht mit der realen Irrelevanz von 3,40qm kokettieren, aber ich benötige wohl eher die Vorstellungskraft eines auf LSD hängengebliebenen Stabmixers (300 Watt!) in der Geisterbahn des Phantasialands, um mir ein außerhalb des engsten Dunstkreises des Autors bestehendes Interesse an diesem Geburtstag herbei zu halluzinieren. Andererseits ging (und geht) es diesem Blog darum ja gerade nicht - sonst wären Artikel über Justin Timberlake nicht unbedingt auf Lobhudeleien über obskure Thrash Metal Bands, ein paar Worte über vergessene Jazzperlen nicht auf Texte über aktuelle und in Miniauflagen veröffentlichte Ambientproduktionen gefolgt. Ich hätte wahrscheinlich nicht zwei Mal pro Woche Texte veröffentlicht, sondern eher zwei Mal am Tag - dann aber bitte der trillionste vom Waschzettel des Promoters abgeschriebene Scheißdreck über Mumford & Sons, fucking Kraftklub ("Who the fuck requested that?" - Bill Hicks, zugegebenermaßen über die Rückkehr von Diskomusik in den 80er Jahren, aber it's about the spirit), Gaslight Anthem, und natürlich über die Legion und wie Kackpilze aus einem von Kevin Russell vollgestrulltem Waldboden emporgeschossenen und als Punkrock getarnten deutschnationalen Lobotomie-Dreckhaufen wie Krawallbrüder, Kärbholz und Freiwild. Dass es die aktuelle Metalszene übrigens mittlerweile zulässt, eine zwar erfolgreiche, aber dennoch überaus ärgerliche Nullkapelle wie Arch Enemy auf einem Festival mit den erwähnten Tiroler Rechtsauslegern abzufeiern, spricht Bände. Über ähnliche unheilige Verbindungen habe ich hier bereits auch schon mal geschrieben. Soll ich es verlinken? Natürlich soll ich. 

Dass dieser Raum zehn Jahre und sage und schreibe siebenhundertzweiundachtzig (in Worten SIEBENHUNDERTZWEIUNDACHTZIG!) Beiträgen bestand, lag tatsächlich in erster Linie an der tief empfundenen (Selbst)Befriedigung, über Musik zu schreiben, die mich begeistert. Mich mit ihr auseinanderzusetzen, mich einzugraben, zu recherchieren, zu erklären, Freudenfeuer anzuzünden. Vor einigen Jahren wurde ins Kommentarfeld eines Artikels über den Pianisten und Bandleader Nik Bärtsch mal der Satz "Wo ein Begeisterter steht, ist der Gipfel der Welt" hineingeschrieben und ich empfand das als möglicherweise größtes Kompliment. Mehr in der Hand, im Kopf, in den Ohren und nicht zuletzt im Herzen zu haben, als das gehetzte Internet mit seinen grellen Blitzlichtern es für gewöhnlich zulässt. Und nicht zuletzt war es auch immer eine große Herausforderung, sprachlich und stilistisch auf einem wenigstens in Ansätzen erträglichen Niveau zu schreiben, Allgemeinplätze zu meiden, die schlimmsten Verbrechen "zeitnah", "extremst" und "massiv" draußen vor der Tür zu lassen - und im besten Fall selbst beim Lesen nicht wegzunicken. Die Herzallerliebste wies mich in den vergangenen zehn Jahren stets darauf hin, dass sich die gefürchteten über 20+ Zeilen erbrechenden Bandwurmsätze nicht dafür eignen, die Augen offen und das Hirn feucht zu halten, aber wer nicht kämpfen will, der hat eben verloren: der Mittelmäßigkeit keine Chance. Und doch stößt der Peinli-O-Meter beim Durchlesen so manch alten Textes stärker und schneller in den roten Bereich vor, als mir lieb sein kann. Aber so ist das vermutlich mit diesem "Älter werden", schließlich habe ich früher auch mal SPD gewählt, Shirts von Iron Maiden und eine "Nackenfotze" (Herr Pelleringhoff) getragen. Es ist tatsächlich wie bei den eigenen Musikaufnahmen über die letzten 20 Jahre: das hätte man alles besser machen können. Die Texte? Grundgütiger! Das Arrangement? Ein Autounfall! War ich beim Schreiben dieser Gesangslinie eigentlich stoned? "Does the pope shit in the woods?" (John Cleese). 

Außerdem half diese enge Auseinandersetzung mit Musik im Rahmen des Blogs dabei, im Überangebot von Musik den Boden nicht unter den eigenen Füßen zu verlieren. Wenn in einem guten Monat 20 neue Alben darauf warteten, nicht nur gehört, sondern auch noch verstanden zu werden - und was an einem solchen Monat "gut" war darf man auch nochmal in die Diskussionsrunde mit einem schweren Roten schmeißen - dann war das Schreiben über wenigstens derer zehn eine Art Therapie für die Entschleunigung, die eigene zumal. Keine Ablenkung, kein schreiendes Internet mit seinen Twitters, Instagrams, Emails, keine Gedanken an den ausreichend zugekackten Arbeitstag, sondern Konzentration: Nadel aufsetzen, Kopfhörer auf, in den Musiksessel plumpsen und schreiben. Das ist, nicht zuletzt wegen der notwendigen und zusätzlich anfallenden Recherche, aufwändig. Selbst ein vergleichsweise kurzer oder gar zunächst banal erscheinender Text ging mir selten einfach von der Hand. Auch hier gibt es Parallelen zum Musikmachen: unsere kleine Punkband, die sich nach Feierabend vorzugsweise ein- bis eineinhalb Minüter aus den Klamotten presst, die für den ein oder anderen Hörer vielleicht sogar so klingen, als seien sie in ebenjener Zeitspanne auch final erdacht worden, benötigt im Gegenteil bis zur Uraufführung eines solchen Titels auf der Bühne eines Opernsaals dieser Republik länger als die zwei braunen Gehirnzellen Björn "Heil" Höckes im führerhauptquartiergroßen und von gähnender Leere dominierten Brägen der faltigen Krawallschachtel, um sich beim Barte des GröFaz einen von den "Palmen" (Die Flippers, "Mitternacht In Trinidad") zu wedeln. Dazwischen: Zusammenbrüche, Selbstzweifel, Resignation, veganer Rollbraten, Trump (vulgo "Drumpf").

Wenn indes der Arbeitstag so zugekackt war, dass sich die Seele nachts um eins gerne nur noch in einem großen Glas Nutella versenken will, Musik nur noch als kurzfristig zu verabreichendes Analgetikum wirkt, und dazu die Mittel nicht mehr ganz moderner Kommunikation mit Hilfe des Wechsels von einem, Achtung, uffjepasst: Windows Phone (!) zum unvermeidbaren Android-Superscheiß den Blogger des letzten Jahrzehnts eher zu einem Instagrammer machen - bunte Bilder, die eigene Geilness streicheln und vor allem ja: streicheln lassen, Usability wie im Paradies, der direkte Kontakt mit anderen über die ganze Welt verteilt lebenden Gestörten - dann geht angesichts dieser Deppenkombination auf so einem Blog das Licht aus. Oder es wird zumindest dunkler. Dass es auf Tausenden Blogs in den letzen zehn Jahren gar stockfinster wurde, ist Fakt. 


Vielleicht ist dieser Post mehr als ein Grablicht. Es gibt viele gute Ideen, es gibt viele gute alte und neue Platten - "Also, jetzt sollte irgendwas kommen (Content!)"




Wie immer: Danke für's Lesen. Ganz in echt. 


08.12.2016

Blank When Zero - Live in Mainz, 10.12.2016




BLANK WHEN ZERO spielen zum letzten Mal in diesem Jahr live in ihrem Wohnzimmer: das Haus Mainusch in Mainz hat unserem Wunsch zugestimmt, zwei befreundete Bands einzuladen und ein schönes Konzert zu spielen.

Mainzer! Wiesbadener! Frankfurter!

Am Samstag, 10.12.2016 ab 20 Uhr spielen also Church Of Cycology, Vandalism und Blank When Zero im Haus Mainusch. Wir freuen uns alle auf Euch.


Und damit nicht genug: das Mainzer Studentenmagazin STUZ hat uns für seine 200. Ausgabe interviewt - und wir sind sogar auf dem Titel erwähnt. Huch!

Dummerweise ist der Artikel online nicht einsehbar, glücklicherweise haben wir ja alle...äh...Telefone. Enjoy.




Unsere neue Platte ist natürlich immer noch via Bandcamp erhältlich. Kostenlos.






24.10.2016

Blank When Zero - Taped! Das Review.

Ein flotter Nachtrag zu unserer neuen Platte: Tillman von Maeglins Blog hat "Taped!" in seinem Videokanal besprochen und einige sehr schöne Worte zu unserer Musik gesagt. Da geht einem schon so ein bisschen das Herz auf.






"Taped!" gibt es immer noch hier zu hören:






16.10.2016

Blank When Zero - Taped!




BLANK WHEN ZERO - TAPED!


Uns gibt es immer noch. 

Das dürfte, wenn wir alle drei ganz tief in uns hinein hören, tatsächlich die größte Überraschung sein, die mit dieser Band verbunden ist. Die Umstände sind widrig, keine Frage, und vielleicht ist das laufende 2016 sogar unser bislang schwierigstes Jahr, seitdem wir Ende 2009 uns dazu entschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Wir werden nicht jünger: die Verpflichtungen gegenüber der Familie und auch der Arbeitswelt - und ich schätze, niemand von uns würde das in vollem Bewusstsein wirklich noch voneinander trennen wollen; talking about "Lohnarbeit & Verantwortung - Das Musical" - steigen, und auch der Körper schmeißt häufiger als früher das Handtuch, vorzugsweise, wenn das Stressniveau den Hypothalamus mit einer Schleifmaschine bearbeitet.

So gesehen ist es fast ein kleines Wunder, dass wir es immerhin noch versuchen, uns alle nach zwölf- oder gar vierundzwanzigstündigen Arbeitstagen, Kinderbespaßung, Ehefrauzuwinken und Haustierpflege in unserem Proberaum einzufinden. Manchmal sogar sehr regelmäßig. Trotz der knappen 150 Kilometer, die ich an jedem Probetag mit dem Auto zurücklegen muss, um von Frankfurt ins rheinland-pfälzische Outback und wieder zurück zu fahren, genieße ich unsere Treffen - vor allem jene in den warmen Sommermonaten, wenn die Gasflaschenheizung eingemottet ist, die Tage länger werden und der Blick aus unserem Regieraum auf die Nahe und den angrenzenen Garten der Sarmsheimer Mühle so kolossal opulent ist. Wenn wir nach unserer Probe ausgelaugt und verschwitzt über neue Platten, Konzerte oder Politik und Gesellschaft sprechen. Die freien Stunden sind rar. Und gleichzeitig wichtig. 

Nicht, dass es unbedingt notwendig wäre, aber: bräuchte man tatsächlich noch ein weiteres Indiz, um darzustellen, dass wir alle keine 18 mehr sind, dann könnte ich an dieser Stelle mitteilen, dass wir für die Aufnahmen und den Mix unserer neuen Platte "Taped!" sage und schreibe fast ein ganzes Jahr benötigten. Für 18 Minuten Musik. Und weil ich das um ein Haar nicht glauben konnte, musste ich mich mittels des selbst hochgeladenes Instagrams überzeugen: am 7.November 2015 begannen wir mit dem Einspielen des Schlagzeugs. Es folgten: Gitarre, Grippe, Bass, Antibiotika, Gesang, Schmerzmittel, noch mehr Gesang, noch mehr Schmerzmittel, Mix, Umzug, Bandscheibe. In dieser Reihenfolge. Von den Problemen, überhaupt Termine zu finden, will ich erst gar nicht sprechen.

"Es ist nicht schön, alt zu werden."(Simon)

Und bevor das hier endgültig zu einem unwürdigen Jammertal aus alten Tränen und Säcken wird - und ich befürchte, dafür ist es jetzt eigentlich eh schon zu spät - ist es lohnenswert, darauf hinzuweisen, dass wenigstens meinereiner tatsächlich ziemlich stolz auf diese Platte, ihre Songs und ja: auf diese Band und die beiden anderen Jungs ist. Und das sage ich, wo mir "Stolz" eigentlich völlig fremd, wenn nicht gleichzeitig auch ziemlich unsympathisch ist. Ich kenne das Gefühl praktisch gar nicht. Aber wir machen seit sieben Jahren zusammen Musik, gehen uns immer noch nicht auf den Sack, sind alle drei gemeinsam der Meinung, dass es wichtig ist, auch weiterhin gemeinsam Musik zu machen, haben diese verführerische Mischung aus einer ruhigen Gelassenheit und gleichzeitig einem immer noch durchaus hohen Anspruch an die eigene Musik, und gehen, ohne dass es uns glaube ich wirklich immer präsent und bewusst ist, immer einen kleinen Schritt weiter: hört man beispielsweise unsere ersten Aufnahmen aus dem Jahr 2010 und vergleicht sie mit dem, was wir nun mit "Taped!" aufgenommen haben, dann ist das ziemlich zweifelsfrei immer noch die gleiche Band, aber die Musik hat ebenso wie der Sound ein paar ganz ordentliche Entwicklungssprünge gemacht. Mir erscheinen die neueren Titel gleichzeitig komplexer als auch runder zu sein. Vor allem aber, und das freut mich ganz besonders, sind die Texte und ihre Aussage so eindeutig und klar wie vielleicht noch nie. "Endlosschleife", "Just A Ride" und "Herz & Gefühl" sprechen mir allesamt aus dem Herzen und als zusätzliches Glück tun sie das alle aus unterschiedlichen Blickwinkeln. 

Ich bin jedenfalls sehr glücklich mit "Taped!" und ich freue mich auf die letzten drei Konzerte in diesem Jahr in Mainz, Frankfurt und in Münster mit ein paar wirklich guten Leuten in ein paar wirklich guten Läden. Das werden nochmal echte Höhepunkte in diesem Jahr.

Saturday 12 November 2016
Blank When Zero
with Short, Broccoli Jelly, and 1 other
Rare Guitar, Münster, Germany

Monday 14 November 2016
Blank When Zero
with GBH
Au, Frankfurt, Germany

Saturday 10 December 2016
Blank When Zero
with Vandalism and Church Of Cycology
Haus Mainusch, Mainz, Germany



Wir werden außerdem Ende des Jahres eine kleine Tape-Edition mit den neuen Songs von "Taped!" als auch mit ein paar alten Gassenhauern auf der B-Seite veröffentlichen. Auch darüber wird es dann hier nochmal etwas zu lesen geben.

Bis dahin habt ihr vielleicht mit "Taped!" genau so viel Spaß wie wir. Der Download ist natürlich kostenlos.




Erschienen auf Keep It A Secret Records, 2016.



Was ich noch zu sagen hätte...

Ich möchte ganz persönlich zum Schluss noch ein großes "Danke!" an Simon und Marek schicken, die den ganzen Scheiß zwischen Kinderzimmer, Ehe, Hunde- und Katzenspaß und einem teilweise mehr als straffen Arbeitsalltag immer noch mitmachen und sich auf "Taped!" wirklich den Arsch abspielen.

Ein "Danke!" geht ebenfalls an unseren Produzenten Jörg, der während der Aufnahmen ganz vielleicht noch ein bisschen grauer geworden ist - und der aber wirklich seine beste Arbeit mit uns abgeliefert hat.

Ein großes Danke geht außerdem an Cornelius von Keep It A Secret (Facebook) der uns seit Jahren, praktisch eigentlich ab Tag Eins, so riesig unterstützt und uns nun sogar ein Eckchen in seinem Keep It A Secret Records-Stall hübsch gemacht hat. Cornelius ist womöglich einer der wichtigsten Menschen für diese Band, und ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich nicht weiß, ob es Blank When Zero in dieser Form noch gäbe, hätte Cornelius uns nicht regelmäßig zu seinen Veranstaltungen eingeladen, um auf die Bühnen in Mainz, Hanau und Frankfurt zu klettern. Und wenn Tillman nicht immer so gut kochen würde, wären wir auf im weniger übertragenen Sinn schon längst verhungert. 

Und natürlich eine extratiefe Verbeugung vor der Herzallerliebsten, die mir nicht nur jederzeit die Freiheit gibt, oft wegen dieser Band unterwegs zu sein, sondern die dann sogar auch noch im Aufnahmestudio steht und mitmacht. I love you.