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06.11.2016

Mr. President, you’ve done everything but ultimate fighting and amateur porn!




Bill Maher, Gastgeber von "Real Time With Bill Maher" im US-amerikanischen Fernsehen, Stand-Up Comedian, Schauspieler und immer öfter erfolgreich in der Selbstinszenierung als politischer Kommentator, hat im Januar diesen Jahres eine Petition gestartet, den noch amtierenden Präsidenten der USA im Rahmen seiner wöchentlichen Show interviewen zu können. Obama ist über seine achtjährige Amtszeit oft und gerne als Gast in ähnlichen Formaten aufgetreten: bei Stephen Colbert, Jimmy Fallon, Jimmy Kimmel, Letterman - ganz zu schweigen von Interviews mit den üblichen Verdächtigen der amerikanischen Medienlandschaft wie Chris Wallace, Anderson Cooper, Rachel Maddow, Keith Olbermann - selbst der rechtskonservative Bill O'Reilly hatte seine Redezeit mit Obama (und fiel ihm dabei mehrfach auf sehr respektlose Weise ins Wort).

Um Bill Maher machte Obama indes einen weiten Bogen und Bill fragte sich: kommt er nicht, weil ich bekennender Pothead bin? Oder weil ich gleichfalls bekennender Atheist bin? Nun ist Maher ein ausgewiesener Egozentriker. Einer, der sich selbst und sein Tun, diplomatisch formuliert: sehr wichtig nimmt. Und der sowas ganz und gar nicht auf sich sitzen lassen kann.

Hier ist der Clip über seine Ankündigung zum Start der Onlinepetition:






100.000 Unterschriften waren notwendig, um eine Antwort des Weißen Hauses zu erhalten. Innerhalb weniger Tage waren es über 300.000.





Nachdem sich das Weiße Haus in seiner Antwort zunächst sehr zurückhaltend äußerte, ist es nun tatsächlich doch passiert: Maher war im Weißen Haus, und er traf Obama - und damit immerhin den Mann, dem er im Wahlkampf 2012 eine Million Dollar als Spende zukommen ließ. Was ihn in Bezug zu dessen Real Time-Ignoranz zu dem legendären Satz "I gave Obama a million dollars and he treats me if I lent him a million dollars!" brachte.


Hier ist es nun, das Ergebnis seiner Mühen. 37 Minuten mit Barack Obama und Bill Maher.



26.09.2016

The Republican party has actually nominated for president a man who...believes Belgium is a city




Keith Olbermann, der aus meiner Sicht leidenschaftlichste, bissigste und gleichzeitig rhetorisch eleganteste politische Kommentator der USA, hat nach einiger Abwesenheit von den Bildschirmen seit wenigen Wochen seine Rolle als "Special Reporter" bei GQ (Gentleman's Quarterly) eingenommen und macht dort das, was er am besten kann: ein komplexes, in Teilen gar anstrengendes, bis in detaillierteste Rechercheergebnisse nebst Mikroverästelungen hervor dringendes Dauerfeuer gegen das konservative Amerika - aktuell verkörpert von der republikanischen Partei und deren Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Olbermann hat sich nun, nach zahlreichen öffentlich ausgetragenen Fehden aus seiner Vergangenheit mit dem früheren Präsidenten George W. Bush und ganz besonders mit dem konservativen Rechtsausleger Bill O'Reilly vom Sender FOX - von Olbermann zärtlich Billo The Clown genannt - , Trump als Ziel seiner Attacken ausgesucht, und es ist erwartbar, dass er damit mindestens bis zur Wahl im November 2016 nicht aufhören wird. 

Olbermann ist kein Comedian. Olbermann ist Journalist und das ist nicht nur Teil seines Selbstverständnisses, das IST sein Selbstverständnis. Humor findet man in seinen Vorträgen allenfalls in der absurden Aneinanderreihung seiner Beschimpfungen und Beleidigungen oder aber in der bitteren und todernsten Gnadenlosigkeit seiner Einlassungen und Anschuldigungen. 

Seine über siebzehnminütige Rhetorik-Lawine mit dem akkuraten Titel "176 Shocking Things Donald Trump Has Done This Election" ist bereits ein kleiner Klassiker und liegt angesichts der überschaubaren Größe und Bekanntheit von "The Closer" mit über 1,5 Millionen Views weit über den Erwartungen. Der Erfolg hat Olbermann offenbar dazu inspiriert, nochmal nachzulegen: heute, und damit kurz vor dem ersten TV-Duell zwischen Donald "Drumpf" Trump und Hillary Clinton, erschien ein zehnminütiges Nachtreten mit dem erwartbaren Titel "74 Terrible Things Donald Trump Has Done...This Month". 

Ich möchte beide Ausgaben von "The Closer" hier mit Euch teilen und darüber hinaus auch die anderen bislang erschienenen Episoden empfehlen - ganz besonders aber das auf Youtube verfügbare Oevre aus alten Tagen - bevor Olbermann es sich mit Sendern, Produzenten und Regisseuren auf seinem langjährigen liberalen Heimatsender MSNBC verscherzte, im Wortsinn. Es heißt in diesem Zusammenhang, die Arbeit mit ihm sei "nicht einfach". Glaube ich aufs Wort. Aber ich liebe ihn. Irgendwie. 







04.09.2016

Herzschlag




CHARLIE HADEN & ANTONIO FORCIONE - HEARTPLAY


Beeindruckende Momente der Tiefe, der Einkehr und der Schönheit. Auf diesem im Jahr 2006 aufgenommenen Album spielen sich Bassist Charlie Haden und Antonio Forcione an der Gitarre in einen waren Tiefenrausch. Wer mal die Zeit anhalten will, vorzugsweise nachts gegen drei Uhr bei einer Tasse Kaffee und in gedimmten Licht, der hört "Heartplay" - dessen Faszination umso größer wird, hört man den beiden Musikern aufmerksam zu. Das mag gespreizt und prätentiös klingen, aber wie so oft bei Jazz steigt jedenfalls meine beinahe extatische Begeisterung, wenn ich die Wege der Musiker genau verfolge, ihr Zusammenspiel, die Raffinesse, das Einfühlvermögen. In solchen Momenten erscheint plötzlich sehr vieles, was sich im heimischen Plattenschrank vor allem unter dem Moniker "Uff, Rockmusik!" tummelt als fad, eintönig und there I said it: stumpf. Das ist im Grunde kein Problem für mich, schließlich mag ich es auch gerne stumpf, genau genommen bin ich sogar schon stumpf aufgewachsen, "ich weiß, wovon ich rede."(Polt), jedenfalls: der Reichtum von "Heartbeat" wächst exponentiell mit der Aufmerksamkeit, die man ihm entgegenbringt. 

Forciones Talent für gleichzeitig in der emotionalen Ansprache üppige wie in der Ausführung sparsam eingesetzte Melodik konnte ich erstmal 1994 im Neuen Theater in Frankfurt-Höchst bewundern, als er mit seinem Partner Marcial Heredia unter dem Programm "Flamencomedy" eine abendfüllende Mischung aus Musik, Artistik und Humor präsentierte. 

Teil 1:





Teil 2:





Die an diesem Abend erstandene CD, Forciones "Acoustic Revenge", zählt seither zu den unumstößlichen Grundpfeilern meiner musikalischen Adoleszenz, ganz besonders zeigt der Abschlusstrack "Heart Beat" die ganze Palette seines Könnens. Forcione bearbeitet in seinem Spiel jeden Quadratzentimeter seiner Gitarre, nutzt Boden, Decke, Hals und selbst die Mechanik als perkussives Instrument und lässt gleichzeitig viel Raum für die Entfaltung von Melodien und Stimmungen. 






Über Kontrabasslegende Charlie Haden muss man indes nicht mehr so irre viele Worte verlieren. Der 2014 verstorbene Bassist war einer der einflussreichsten Musiker der letzten 50 Jahre, dazu ein kritischer, politischer, aktiver Geist, der nicht zuletzt mit seiner Beteiligung an Ornette Colemans "Free Jazz" und seinem Meilenstein nebst namengebendem Projekt "Liberaton Music Orchestra" stilprägend für folgende Musikergenerationen sein sollte. Außerdem ist mir sein Album "Nocturne" seit Jahren ein treuer Begleiter in warmen Sommernächten.






Acht Kompositionen stehen auf "Heartplay", vier davon stammen aus der Feder des italienischen Gitarristen, drei von Haden, dazu gesellt sich eine Coverversion von Fred Herschs "Child's Song". Hadens bekannte Stilistik, eine Mischung aus Verweigerung und Vereinfachung von Ton und Technik und dabei einer Haltung wie jener von Pianist Thelonious Monk nicht unähnlich, erhält hier eine neue Blaupause. Ganz besonders in Forciones Songs entwickelt Hadens fast schon stoisches Herumschlurfen einen ganz speziellen Puls, eine subtile, unterbewusst wahrnehmbare Rythmik - und Forcione reagiert darauf mit seinem ausgeprägten Gespür für Melodik und Raum. Die Ballade "Snow" und das folgende "Nocturne", die beide gegen Ende so leise und ätherisch werden, dass sie beinahe auseinanderfallen, sind Paradebeispiele für die Ausrichtung von "Heartplay". 

Ein weises, introvertiertes, sparsames Album für Nächte im flackernden Kerzenschein. Klischees my ass. 




Erschienen auf The Naim Label, 2015.


P.S.: Die Aufnahmen wurden in den Londonder Abbey Road Studios speziell für die Veröffentlichung auf Vinyl gemastert - leider ist die Pressung auf 180g Virgin Vinyl zumindest auf meinem Exemplar nicht frei von Problemen, was sich an durchgängigem, zwar sehr dezentem, aber eben doch wahrnehmbarem Knistern zeigt. Mich persönlich stört das nicht, manchmal gar ganz im Gegenteil, und ich würde die Langspielplatte auch nachwievor uneingeschränkt empfehlen, aber wer sich von der oben stehenden Lobhudelei genötigt fühlt, die LP-Version von "Heartplay" zu erstehen und dabei einen ausgeprägten Reinraum-Soundfimmel hat, ist hiermit leise vorgewarnt. 

31.12.2015

"I gave Obama a million dollars and he treats me like I lent him a million dollars."


Ich hab's mir anders überlegt, wir lesen uns doch nochmal in diesem Jahr. Keine große Sache, bitte gehen sie weiter, in ein paar Minuten jedenfalls, denn und aber: es gibt noch eine Kleinigkeit anzuschauen, because it's really freekin' funny.

Nachdem Jon Stewart den Vorsitz seiner "The Daily Show" vor wenigen Monaten an Trevor Noah abgab und die Sendung damit, zumindest in meinem Buch, sehr eindeutig gelitten hat (vielleicht brauchen sowohl mein Köpfchen als auch Noah und seine Redaktion auch einfach nur noch ein bisschen Zeit), bleiben mir aktuell nur noch John Olivers "Last Week Tonight" und Bill Mahers "Real Time" übrig, um auf die Gesellschaft und Politik auf der anderen Seite des großen Teichs zu blicken. Ein paar alte Videos und Gassenhauer des brillianten George Carlin sind auch immer mal wieder dabei, um das Verständnis zu erweitern, Aktualität kann hier aber nicht eingefordert werden - Carlin starb im Jahr 2008.


"Wir Deutschen können sowas nicht." (Harald Schmidt, 1995)


Harald meinte in seinem Kabarettprogramm im Düsseldorfer Kommödchen damals zwar die Verfilmung von klassisch-amerikanischer Screwball Comedy, würde vermutlich heute aber dasselbe zum Format einer politisch-satirischen Talkshow (wie Mahers "Real Time") oder eines satirisch-politischen Wochenrückblicks (wie Olivers "Last Week Tonight") sagen - was er strenggenommen auch schon tat: die "Heute-Show" im zweiten deutschen Staatsfernsehen mit Moderator Oliver Welke bezeichnete Schmidt als "volkstümliche Unterhaltung", weil sie lediglich vorgefertigte Meinungen bestätige.

"Es ist immer eigentlich zu Ende, wenn der eigene Sender sich das auf die Fahne heftet:"Guck mal, was wir uns trauen." - Da wird man also praktisch zu Tode umarmt." (Schmidt, 2014)


Ich halte es derweil mit Hans Mentz und seiner "Humorkritik" zur "The Daily Show": es sei nicht absehbar, dass in Deutschland ähnliche Formate wie in den USA möglich sein werden - aber ab 2019 könnte Jan Böhmermann damit beginnen.


Der konsequenteste Akteur der zuletzt stark ramponierten US-Late-Night-Sendungen ist in meinen Augen Bill Maher (hier und hier bereits belobhudelt). Maher ist aggressiv und polemisch, hat ein Ego in der Größe des verdammten Universums, nimmt sich selbst und seine Themen sehr ernst und hört sich selbst gerne reden - nicht die besten Kombinationen und nicht die besten Kopfnoten, zugegeben, aber ich finde ihn erstens sehr lustig und unterhaltsam und zweitens ist er vielleicht der einzige Fernsehstar, der in einer zu gleichen Teilen tabulosen und konservativen Medienlandschaft derart die große Klappe aufreißt - und der es auch kann; mittlerweile scheint es ihm auch wirklich scheißegal zu sein, bei wem er sich die nächsten Anfeindungen und Morddrohungen abholt. Trotzdem sitzt da immer noch ein Intellektueller, der sich in Rage redet und Mittelfinger und Fuck You's an Talkgäste, Publikum und Politiker verteilt: Maher ist selten plump, dafür immer durchdacht, sehr oft im Doppelboden, dabei aber immer sehr konkret, sehr aufrichtig. Und selbst wenn ich mit vielen seiner Ansichten nicht immer und grundlegend übereinstimme, beispielsweise sieht er Edward Snowden bedeutend kritischer, als ich es tue, ist er immer noch, und ich wiederhole mich: verdammt lustig.

Mitte des Jahres hatte Maher einen sehr erhellenden Clip in seiner New Rules-Rubrik, in dem es darum ging, wie die liberale Elite Amerikas aus Funk und  Fernsehen mit Religion umgehe, und das Ergebnis war etwas überraschend: sie tut es gar nicht. Maher inszeniert sich geschickt als den einzigen Medientypen der USA, der sich als offener Atheist vor ein Millionenpublikum traut und sich gegen das Prinzip der Religion ausspricht. Das ist mein Bill Maher-Lieblingsclip aus diesem Jahr (und ja, ich habe alle anderen gesehen, keine Bange) und den will ich zu Silvester noch schnell mit Euch teilen.




23.11.2015

Und die Moral von der Geschicht'....

Ich bin heute weitaus weniger versessen auf politisches Kabarett als noch vor ein paar Jahren - einerseits fiel der Umgang mit der nahtlos einsetzenden Ohnmacht nicht immer zum Vorteil meiner Mentalhygiene aus, andererseits überschnitten sich oft nicht nur die Themen, sondern auch die Arten des Vortrags - und beides entwickelte sich mit der Zeit und kerzengerade folgerichtig nicht gerade zu einem Thriller, dem man nicht mehr entkommen kann. Zusätzlich bekam der Vorwurf, politisches Kabarett hole in seiner ihm innewohnenden Selbstgerechtigkeit sowieso nur das aus systemisch felsenfest verankerten Wohlstandsschranzen bestehende Publikum ab, und arbeitet somit weiter in der Kostümierung als "Useful Idiot" fleißig an der Zementierung der Verhältnisse, dass also "oben" auch weiterhin oben und "unten" um Himmels Willen nicht nach da "oben" kommen soll, in dieser Zeit auch immer mehr Gewicht. Ich mag natürlich noch einige Protagonisten wie zum Beispiel Hagen Rether, dessen Auftritt im April 2014 im Wiesbadener Kurhaus mir noch in guter Erinnerung ist, weil ich mir nicht nur für fast vier Stunden (netto!) und in aller Seelenruhe verbal die - Pardon! - Fresse polieren ließ und dafür auch noch Geld bezahlte, sondern weil der Abend in seiner aufreizend ruhig vorgetragenen Gnadenlosigkeit etwas in mir veränderte und meine Sicht auf den ganzen Irrsinn da draußen verschob. Der Auftritt geriet beinahe zu einem Vertigo der Sinne; es gab praktisch niemanden der gut 1000 Besucher, der nach diesen vier Stunden und der gleich mehrfach ausgelösten Sprinkleranlage im Hirn noch klar bei Verstand gewesen wäre - mir erging es da nicht anders. Wir hatten alle nur noch Pudding im Hirn, so mancher möglicherweise schon bevor das Saallicht um 20 Uhr zum ersten Mal gedimmt wurde. Auf der Heimfahrt versuchten Al und ich zu ergründen, was das gerade war und wie es uns damit ging und vor allem: was künftig auf gar keinen Fall mehr gehen sollte. Wenn dieser Abend einen Fokus neu ausrichtete, dann den auf das eigene Sein, Denken und Handeln - und ganz besonders auf das Handeln. Es war uns klar, dass wir uns nicht mehr 4 Stunden lang im weichen Polstersessel die eigene Unzulänglichkeit diktieren lassen wollten, um am Ende auch noch herzhaft darüber zu lachen.

"Toller Abend, und die Schnittchen waren auch super. Und wie weich das Toilettenpapier war. Stößchen!"

Man kennt das alles, man weiß das alles und wenn man es nicht weiß, ist es mit zwei Klicks zu Hause - jetzt muss man auch endlich was tun. Sich entscheiden, zum Beispiel. Ich kann nicht sagen, dass ich immer und überall durchhalte - aus dem schlauen Gedanken in die schlaue Aktion zu kommen ist weder das Einfachste der Welt noch ganz grundsätzlich für Jedermann gedacht, während es komischerweise aus dem dummen Gedanken in die dumme Aktion immer und überall wie ein eingeöltes Zäpfchen auf die große Reise geht. Eine Reise, die selten gut endet - es sei denn, das Zäpfchen stillt Schmerzen und lässt Dich rosa Elefanten sehen.

Jedenfalls: Ich tat etwas, und das war die Glotze und das Internet immer öfter auszulassen. Mehr Musik, mehr Einkehr, mehr Reflektion, mehr Aktion. Klappt mal mehr, mal weniger - aber der Ausgangspunkt, und sei es nur der argumentative oder noch trivialer: der Abend im April 2014, der war immer im Kopf.


Nichtsdestotrotz habe die neue Inkarnation der Anstalt, angeführt von Claus von Wagner und Max Uthoff, bereits im Sommer 2014 lobend erwähnt, nachdem sie im Rahmen einer ihrer Sendungen auf den Korruptionssumpf der FIFA in Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft im Fußball 2014 aufmerksam machten, und das mitten im teutonischen Jubeltaumel. Weil "so gehen die Deutschen", und das tun sie am liebsten immer noch über Leichenberge, die sie in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten an- und also aufgehäuft haben.

Ab und an bekomme ich noch eine Ausgabe der Anstalt mit und immer, wenn ich sie sehe, bin ich beeindruckt von ihrem Bestreben, die Wut und die Ohnmacht, zwei der gefürchtesten Endgegner des real existierenden Chaos' in neue Bahnen zu lenken - vor allem in emotionale. Die Sendungen gleichen mehr und mehr künstlerischen Theateraufführungen mit sorgfältig inszenierter Dramatik, die den roten Faden bis zum emotionalen Höhepunkt zum Schluss begleitet. Weniger Klamauk als mit Urban Priol, weniger vom rasenden Zorn eines Georg Schramm, weniger vom lokalkolorierten Weichzeichner eines Frank-Markus Barwasser, dafür mehr dediziert und beharrlich vorgetragene Angriffslust, in der Ansprache etwas ruhiger als ihre Vorgänger, aber mit größerer inhaltlicher Wucht. Moralisch? Ganz bestimmt.

Ich schreibe diesen Text heute sehr spontan, weil ich die letzte Ausgabe vom 17.11.2015 anschaute und die letzten 5 Minuten praktisch durchheulte. Schon wieder. Ich finde, es ist sehr lohnenswert, diese Sendung zu sehen. Ich bin weder besonders wütend noch ohnmächtig als viel mehr im Herzen getroffen - und aus dieser Motivation heraus erscheint es für den Moment durchaus leichter zu sein, einen neuen Weg, eine neue Tür zu entdecken, als mit Schaum vorm Mund und mit 300 Puls "wie vernagelt" (Polt) zu sein. Ich bin nicht weniger empört, aber die Lust auf eine Veränderung, auf eine Entscheidung - die ist größer. Und apropos Empörung: in der Konkret erschien kürzlich ein sehr lesenswertes und inspirierendes Interview mit Anstaltsleiter Max Uthoff.







17.06.2014

Fifa La Revolucion

Ich muss nochmal flott nachtreten.

Über die seitens des ZDF selbsternannte Satiresendung "Die Anstalt", als Nachfolger zur "Neues aus der Anstalt" Reihe seit Anfang 2014 monatlich ausgestrahlt, kann man sicherlich einiges zum Meckern finden und es ist auch kein Geheimnis, dass das Format des Vorgängers, insbesondere mit dem Weggang des großen Georg Schramm als Partner von Urban Priol, einige Federn lassen musste. Nichtsdestotrotz war ich speziell bei den letzten beiden Ausgaben der Anstalt im April und Mai überrascht, wie gut sich die beiden neuen Protagonisten Max Uthoff und Claus von Wagner mittlerweile eingespielt haben. Zusätzliche Pluspunkte sammelte die Sendung bei mir durch eine von ZEIT Herausgeber Josef Joffe eingereichte Unterlassungserklärung  an das ZDF, weil Claus von Wagner in der Sendung vom 29.April 2014 auf die Verbindungen von Qualitätsjournalisten zu elitären Zirkeln aus Wirtschaft und Politik und den daraus vermeintlich resultierenden Interessenkonflikten hinwies:




Plump und polemisch (= genau meine Kragenweite) könnte man jetzt laut "Ha! Getroffene Hunde bellen!" rufen, aber das Thema ist natürlich - wie dummerweise so vieles auf dieser Welt - bedeutend komplexer. Der oben verlinkte Heise-Artikel stellt die Komplexität in diesem Sinne sehr anschaulich dar.

Die aktuelle Ausgabe der Anstalt aus dem Mai 2014 befasst sich beinahe ausschließlich mit der Fußball-WM in Brasilien und passt deshalb bestens zur vorangegangenen Motzattacke meinerseits.





18.04.2014

The Idiot Whisperer II

Vor gut zwölf Monaten hatte ich den US-amerikanischen Entertainer Bill Maher auf diesen Seiten lobend erwähnt:

The Idiot Whisperer

und der heutige Karfreitag scheint ein besonders guter Termin für einen aktuellen Programmhinweis zu sein.

Vor wenigen Wochen ist nämlich das in meinem ersten Beitrag erwähnte Set "But I'm Not Wrong" wieder auf Youtube aufgetaucht. Da es hierzu auch eine DVD-Version gibt, die offensichtlich der Grund dafür ist, warum alle ehemals hochgeladenen Videos umgehend wieder gelöscht wurden, ist davon auszugehen, dass sich auch diese Version nicht lange halten wird. Deswegen sei an dieser Stelle der besonders schnelle Blick empfohlen.

"But I'm Not Wrong" ist im Jahre 2010 aufgezeichnet worden, demnach inhaltlich nicht mehr so irrsinnig taufrisch; da sich das Konzept von "Religion" auch in den letzten vier Jahren aber noch ganz prächtig gehalten hat, die "Klimalüge" immer noch in den Köpfen von Zurückgebliebenen existiert, Sexismus und Rassismus en vogue sind, und sich die sowohl politisch als auch medial inszenierte Hysterie so griffig und schnell wie noch niemals zuvor auf die Gesellschaft überträgt, sind viele von Mahers Einlassungen auch heute noch aktuell und die Themen zeitlos. Dummerweise. Ich wünschte ja, so manche grobe Unverschämtheit langsam zu den Akten legen zu können.

Was auffällig ist: sowohl beim Programm "I'm Swiss" (zu finden unter dem oben verlinkten Blogpost aus dem März 2013), als auch bei "But I'm Not Wrong" sitzen in der ersten Reihe Menschen, die keinen Hehl daraus machen, mit Mahers Ansichten nicht im Entferntesten übereinzustimmen. Bei "I'm Swiss" war es eine vierköpfige Familie, die an keiner Stelle klatschte oder lachte und zwei Sekunden nach Mahers Abgang die Sachen packte, bei "But I'm Not Wrong" ist es ein Pärchen, das von Maher während der knapp 80 Minuten desöfteren angegangen wird ("A sweater vest? In 2010? Let me guess - Republican?"). Ich frage mich ja, ob man die Leute da absichtlich für die Aufzeichnung hingesetzt hat, damit Maher im Verlauf des Sets die ein oder andere Pointe auf deren Kosten setzen kann, oder ob das US-amerikanische Comedy-Publikum wirklich so schmerzfrei ist, dass es sich auch zu politisch eindeutig entgegengesetzten Comedians treiben lässt. Aber dann wirklich gleich in die erste Reihe? Really?

Wie dem auch sei. Bill Maher. But I'm Not Wrong.




07.04.2014

An eskimo face from the nineties

“Writing this now, God, how I miss the cultural side of the eighties - the rhetoric, the raggedy clothes, the politics, gigs you were frightened to go into, Radio 1 when it had weird bits, Channel 4 when it was radical, the NME when it had writers, and the thrill of discovering underground music and new comedy for yourself.”
Stewart Lee, How I Escaped My Certain Fate

Vor einigen Jahren wurde ich dank des damaligen Titanic-Redakteurs Oliver Nagel und dessen "Humorkritik Spezial" im endgültigen Satiremagazin, auf den britischen Komödianten, Autor, Regisseur und Musiker Stewart Lee aufmerksam. Nagel, der außerdem seine Leidenschaft, praktisch jeden zu kennen, zu erforschen und zu beschreiben, der jemals in Großbritannien auf einer Bühne stand oder im Fernsehen war, um die Mitinsassen zu erheitern, auf der überaus angemessen betitelten und darüber hinaus ganz famosen Website www.britcoms.de feiert, war voll des Lobes über diesen Mann, dessen Ansatz sich so deutlich von nahezu allen anderen Stand-up Comedians unterscheidet. Lange Jahre war sich das Publikum nicht sicher, was es mit Lees vermeintlich vermurksten Pointen, den absurden Wiederholungen und der prachtvollen Übellaunigkeit eigentlich anstellen sollte - mittlerweile ist man schlauer: nach mehreren sehr erfolgreichen BBC-Programmen und Tourneen durch das vereinte Königreich, werden die Hallen größer, und die Zweifel kleiner. Lee ist kein Großmaul, banale Parolen und offensichtliche Crowdpleaser sind in seinen Sets nicht zu finden, es sei denn, sie dienen dramaturgisch der zu spielenden Rolle. Dafür verpackt er seine Gags in zweifach Alufolie, die er zuerst zusammenditscht und -knetet, plattdrückt und als Kügelchen minutenlang über und durch die Köpfe seiner Zuhörer schweben lässt, bevor er, nicht selten mit einem einzigen Satz, alles in Flammen aufgehen lässt.

In den vergangenen Wochen zog es mich immer öfter zu den Stewart Lee-Clips auf Youtube, vor allem deshalb, weil ich seit mindestens drei halben Ewigkeiten auf der Suche nach einem ganz bestimmten Video bin, das mir, jedenfalls in meiner vernebelten Erinnerung heraus, von Oliver Nagel in dem erwähnten Titanic-Artikel empfohlen wurde. Also, nicht mir persönlich, aber uns. Uns Leser. Ihr wisst schon. *handwedel* Jedenfalls: ich kenne mittlerweile fast alles, was jemals von Stewart Lee erdacht und präsentiert wurde, aber das gesuchte Werk - unauffindbar. Wie vom virtuellen Erdboden verschluckt.

Vor zwei Wochen fasste sich der Florian schließlich ein Herz und belästigte den kongenialen ehemaligen Titanic-Partner von Stefan "Ich will ein Kind von Dir" Gärtner direkt auf seiner Seite - und erhielt nach der Aufzählung der noch im Hinterkopf verschlumpften Gedankenbrocken "Grabstein", "irgendein Typ, der Lee auf die Palme brachte" und einem eher weniger schmeichelhaften Schimpfwort doch tatsächlich den entscheidenen Hinweis.

Es ist selbstverständlich lohnenswert, den kompletten Clip zu schauen, wenngleich sich der eben kurz umrissene Teil erst ab 4:40 bahnbricht:





Außerdem möchte, ach was: MUSS ich noch auf zwei weitere besonders herausragende Episoden hinweisen, die mich und die Herzallerliebste zum unkontrollierten Heulen brachten. Beim ersten Video zitiert Lee vermeintlich echte Kommentare aus dem Internet:





Nummer zwei zeigt die letzten 15 Minuten eines gut 40-minütigen Rants über die äußerst beliebte britische Fernsehserie "Top Gear", ein einstündiges, auf BBC Two ausgestrahltes Automagazin, das mittlerweile weltweit mit rund 350 Millionen Zuschauern protzen darf. Lee weiß, dass die Mehrheit seines Publikums "Top Gear" liebt - und macht es in seinem Programm “If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask For One" trotzdem, oder gerade deswegen, zu einem zentralen Thema.







Und wer dann noch nicht genug hat, darf sich dieses ausführliche Interview mit Stewart Lee durchlesen, das im Jahr 2011 in der Financial Times erschienen ist

Und: die DVDs seiner Programme gibt's auf amazon.co.uk zu kaufen.

26.03.2013

The Idiot Whisperer



"If it wasn't about race, y'know, if it was really about what the Tea Party says their issue is – deficits – who ran up all that debt? Bush! Where was the Tea Party then? The two wars we put on the credit card, the prescription drug program that wasn't paid for, the tax cuts that weren't paid for, where were they then? *crickets!* But as soon as President Nosferatu took office, then, suddenly, debt is intolerable. I think there's just something they don't like about him... I cannot put my finger on what it is... Just some way he's not like them... Skinny! That's probably what it is. He's skinny, and that's why they hate him... Oh, and also that he's a Muslim socialist out to destroy America and wave his African wonder-schlong in your daughter's face."
(Bill Maher)

"In America, if a Democrat even thinks you’re calling him liberal he grabs an orange vest and a rifle and heads into the woods to kill something."(Bill Maher)

"It doesn't mean I always agree with him. I always find him funny, though."
(Fareed Zakaria)


Seit Wochen klicke ich mich nun schon durch das Youtube Universum von Bill Maher, einem US-amerikanischen Moderator, Film- und Fernsehproduzenten, Schriftsteller, Schauspieler und Comedian, der gerade in den vergangenen Monaten durch seine öffentlich ausgetragene Fehde mit Milliardär Donald Trump einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Trump, von der Wiederwahl Obamas mental noch geschwächter als jemals zuvor, besteht weiterhin darauf, den Präsidenten der Vereinigten Staaten solange nicht als US-amerikanischen Bürger zu akzeptieren, bis eben dieser nicht seine Geburtsurkunde veröffentlicht (was er de facto im April 2011 tat, man muss halt nicht alles verstehen). Maher teilte in seiner wöchentlichen Talkshow Realtime with Bill Maher seinem Publikum mit, Trump möge dann doch bitte ebenfalls beweisen, dass er nicht das uneheliche Kind eines Orang-Utan Paares sei. Die Haare, das Gesicht, das Ergebnis läge ja wohl eindeutig auf der Hand. Trump drohte anschließend damit, Maher auf 5 Millionen Dollar Schadensersatz oder Schmerzensgeld oder Pimmelvergrößerungszuschuss zu verklagen, sollte der linksliberale Stalinistenhitler Maher dem Gehirnbotoxopfer Trump keine Entschuldigung unter die orangefarbene Haarmütze schummeln. So kommt man halt in die Zeitung. Und zu Fox News. Und zu einem einstelligen IQ. Und wo wir gerade bei geistigen Unzulänglichkeiten sind: Maher verlor im Sommer 2002 seine damalige Sendung "Politically Incorrect", weil er in einer Episode den folgenden Kommentar zu den Vorkomnissen am 11.September 2001 abgab:"We have been the cowards. Lobbing cruise missiles from two thousand miles away. That's cowardly. Staying in the airplane when it hits the building. Say what you want about it. Not cowardly."

"Free speech, Baby."(Kory Clarke)

Ich dürfte es mir im Grunde gar nicht erlauben, die amerikanische Mentalität, Kultur, Lebensweise, Politik, Gesellschaft, Klospülung und die Farbe dieses Zeugs, das sie offensichtlich Käse nennen, zu kommentieren. Ich war noch nie da, ich will da auch nicht hin - da schau' her, hier blüht die Ignoranz! - im Prinzip dürfte mich das alles so kalt lassen wie angestrullten Löwenzahn zu lutschen. Und dennoch greift hier wohl das System "Autounfall": es gibt Sachen, die darf's gar nicht geben. Und die will man eigentlich auch nicht sehen, aber so ganz weggucken geht eben auch nicht. Ich bin zwar meinetwegen schwach, aber ich liebe es zu Lachen. Und der Mann bringt mich unentwegt zum Lachen. Bill Maher, inhaltlich insbesondere in seinem andauernden Kampf gegen die Religion mit dem leider verstorbenen George Carlin durchaus eng verbunden, decouvriert die größten Absurditäten eines gesellschaftlich und politisch gespaltenen Landes mit so viel Witz und so großer Klarheit, dass es mir hiermit ähnlich ergeht wie mit den großen einheimischen Beobachtern Georg Schramm oder Hagen Rether. Maher zieht in erster Linie und mit Vorliebe die republikanische Partei nebst ihrer Nebentischveranstaltung Tea Party durch einen ganzen Ozean aus Kakao. Ihr Rassismus, ihre Respektlosigkeiten, ihre Homophobie, ihre Clownsfiguren aus Texas und Alaska und deren Ignoranz sind fester Bestandteil seiner Auftritte. Und diese Religion! Er enttauft in seiner Talkshow Mitt Romneys toten Schwiegervater, zu seinen Lebzeiten ein glühender Wissenschaftler, der das Konzept von Religion zwar vehement ablehnte, 14 Monate nach seinem Ableben aber in einem mormonischen
Ritual postmortem getauft wurde ("They tried to do it sooner but he wouldn't stop spinning in his grave."). Er greift den alten Pro-Drogen-Appell des Comedy-Meisters Bill Hicks auf, nach dem wir den Drogen einiges zu verdanken haben, und alleine die Existenz von "Dark Side Of The Moon" sei "100 dead kids" wert, die dem "slippery slope" vom Haschrauchen zur Überdosis zum Opfer fielen. Maher ist selbst bekennender Pot-Raucher ("In the Old Testament more people were getting stoned than in my jacuzzi.") und erzählte erst kürzlich bei seinem Besuch der Talkshow von Conan o'Brian, wie er sich zum Jahreswechsel auf Hawaii zusammen mit seinem Kumpel Woody Harrelson den Vorhang zuzog. Einig werden sich die beiden Herren wohl auch beim gemeinsamen Mittagessen gewesen sein: Maher ist Vorstandsmitglied der Tierrechtsorganisation PETA und lebt nach roher und veganer Diät, beißt aber nach eigener Aussage auch mal in einen Hamburger, wenn es nicht anders geht, Harrelson ist ebenfalls Roh-Veganer.

Wer neugierig geworden ist, möge sich die beiden auf Youtube verfügbaren Programme anschauen:

I'm Swiss (aus dem Jahr 2005, zur Amtszeit von George "Larry, the cable guy" Bush):



Crazy Stupid Politics (aus dem Jahr 2012, mit einer Überraschung am Ende):




Leider sind die beiden großartigen Sets "The Decider"(2007) und "But I'm Not Wrong"(2010) von Youtube wegen Urheberrechtsverletzungsscheiß entfernt worden, hier muss also im Zweifel eine DVD helfen.

17.06.2012

Erich-Fromm-Preis 2012

Der Kabarettist Georg Schramm erhielt den Erich-Fromm-Preis 2012. Ich habe Herrn Schramm bereits mehrfach auf diesem Blog erwähnt, es dürfte mittlerweile bekannt sein, dass ich ihn sehr schätze. Deshalb nun und an dieser Stelle ohne weiteren Kommentar seine komplette Rede beim Festakt im März 2012.

13.09.2011

Georg Schramm (3)

Wie mir ein Vögelchen eben zwitscherte, strahlt ZDF-Kultur am heutigen Dienstagabend um 20:15 Uhr einen Mitschnitt des aktuellen Soloprogramms "Meister Yodas Ende" von Georg Schramm aus.

Und das wollte ich mit Euch teilen.

Hach. So bin ich.


Update 15.9.2011:

Freundliche Youtube-Nutzer haben damit begonnen, den Mitschnitt in (bisher noch) kleinen Häppchen hoch zu laden. Hier ein schönes Sanftleben Best-Of:

14.05.2011

"Sind wir auf ein Plusquamperfekt vorbereitet?"

Der an anderer Stelle dieses Blogs bereits mehrfach lobend erwähnte Kabarretist Jochen Malmsheimer bestritt die zweite Hälfte seines Programms "Ich bin kein Tag für eine Nacht. Oder: Ein Abend in Holz" traditionell mit einem Dialog von Körperteilen und -funktionen im Innern eines Jugendlichen in der Disco, nicht unähnlich mit einem frühen Otto Waalkes-Sketch aus den 70er Jahren ("Milz an Großhirn - Soll ich mich auch ballen?"). Malmsheimer agiert sprachlich ausgesprochen raffiniert und detailliert, womit das gut 30-minütige Kunstwerk zwar alles andere als leicht zu konsumieren ist, sich dafür aber praktisch niemals abnutzt und sagenhaft unterhält. Malmsheimers Tempo ist beeindruckend, seine Wortkaskaden turmhoch und manchmal gar sagenhaft vertrackt, sein Witz etwas derbe, zeitgleich aber auch durchaus subtil und hintergründig. Nimmt man all das als Basis, ist es empfehlenswert, sich möglichst auf den Ablauf und die Handlung zu konzentrieren; ich sage das nicht mit oberlehrerhaftem Unterton (wobei, selbst wenn...), man verstehe es eher als gutgemeinten Ratschlag: Malmsheimer rauscht im wahrsten Sinne atemberaubend durch das Programm, und wer sich nebenher die Haare föhnt oder Sudoku-Rätsel löst, der bekommt geschätze 95% des Werks schlicht nicht mit. Und es wäre ja schade drum. Finde ich.

Das Kernstück des Programms ist nun, wie ich erst vor wenigen Tagen lernen durfte, bereits vor einiger Zeit bei Youtube aufgetaucht und da ich es nachwievor für derart fantastisch und humorvoll halte, muss ich einfach ein virtuelles Hinweisschild beschriften und einpflanzen.

Da die Hochladerin dummerweise das Einbetten deaktivierte, müsst ihr nun noch einen Klick zur Glückseeligkeit überwinden:

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Der aufmerksame Hörer wird außerdem schnell bemerken: es handelt sich um eine Liveaufnahme und mein Respekt für Malmsheimer, der all das ohne einen einzigen Sprechfehler, Ausrutscher und Stotterer tatsächlich über und auf die Bühne bringt, ist ziemlich groß.

17.07.2009

"Ich Bin Kein Tag Für Eine Nacht...

...Ein Abend In Holz"

So lautet der Titel des aktuellen Kabarettprogramms von Jochen Malmsheimer. Der Hausmeister aus Urban Priols und Georg Schramms ZDF-Sendung "Neues Aus Der Anstalt" betrat am 28.5.2009 die Bühne des Neuen Theaters in Frankfurt-Höchst. 

Der Kulturkanal des Hessischen Rundfunks strahlt am kommenden

Sonntag, 19.7.2009 ab 17:05 Uhr 

eine Aufzeichnung dieses Abends aus. Zu empfangen über den Livestream des HR2. 

Hier ist die Ankündigung des Senders, in der rechten Spalte ist auch der Link zum Webstream zu finden:

HR2 Jochen Malmsheimer