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23.01.2016

2015 ° Platz 12



THE GREG FOAT GROUP - 
THE DANCERS AT THE EDGE OF TIME


Jazz aus dem vereinten Königreich lieferte sich in diesem letzten Jahr ein hartes Duell der Sexyness. Auf der einen Seite stand Matthew Halsall und sein Gondwana Orchestra mit der ausgesprochen entspannten "Into Forever"-LP, auf der anderen die Greg Foat Group mit "The Dancers At The Edge Of Time" und ich will ehrlich sein: ginge es nur nach dem Titel, wäre das Kollektiv rund um Greg Foat der haushohe Sieger. 

Musikalisch ist er's nun auch, wenngleich nicht so überdeutlich. Das innerhalb von drei Tagen in der Saint Catherine's Church auf der Isle of Wight durchgängig analog aufgenommene Werk hatte letzten Endes wegen seiner hypnotischen, versunkenen Stimmung die Nase vorn, wegen seiner nicht religiösen Spiritualität, wegen seiner komplementären Konzepte in der Ansprache und Ausführung und natürlich wegen der zweitschönsten Auslaufrille des Jahres. 

Moderner modaler Jazz kann eine trostlose, stocksteife Angelegenheit sein, dieses vom Pianisten Greg Foat angeführte Ensemble schwingt und swingt, es tänzelt, gräbt sich ein, bricht aus und igelt zusammen, was zusammengeigelt gehört. Fast scheint es, als sei die Geschichte der alten Kirchenmauern in die Köpfe, Hände und Herzen der Musiker gefahren und hätte dabei Zauberwesen vom Planeten Oz gechannelt. Weisheit, Liebe und Verbundenheit. Andächtig in Trance durch Zeit, Raum und Klang schwebend. Wer "Love Theme" gehört hat, weiß was ich meine - und ich würde "Love Theme" auch total gerne verlinken, aber mein Wuntanfall über die GEMA hat mich gerade total aus der Balance gerissen. 





Erschienen auf Jazzman, 2015.


18.01.2015

2014 ° Platz 15 ° Tumi Mogorosi - Project ELO



TUMI MOGOROSI - PROJECT ELO

Sollte es noch einen Beweis dafür benötigen, dass Coverartworks im Jahr 2014 im Hause Dreikommaviernull, bedingt durch das beinahe vollständige Fernhalten von Erzeugnissen der Musikjournaille, so wichtig wie selten zuvor sind, dann liegt mit dem Debut des 26-jährigen südafrikanischen Schlagzeugers Tumi Mogorosi ein solcher Beweis vor. Nicht der erste und ganz bestimmt nicht der letzte. Ich wäre ohne dieses herausragende Cover wohl nicht auf "Project ELO" aufmerksam geworden, da das Label aber auch noch Jazzman Records heißt, und ich aus der Erfahrung weiß, dass hier in erster Linie Qualitätsstoff auf die Musikjunkies wartet, war die Kaufentscheidung auch ohne vorangehendes und ödes Testhören sehr einfach.

Ich habe es - natürlich - nicht bereut. 

Aufgenommen an zwei Tagen in Johannesburg mit Mogorosis Band Sibusile Xaba (Gitarre), Malcolm Jiyane (Posaune), Mthunzi Mvubu (Alto Sax), Nhlanhla Mahlangu (Tenor Sax) und Bassist Thembinkosi Mavimbela, in erster Linie von den Ersparnissen des Schlagzeugers finanziert und nun mit Jazzman im Rücken mit einem weltweiten Vertrieb (und erwähntem neuen Cover) ausgestattet. Als Chor holte man sich außerdem noch Themba Maseko, Ntombi Sibeko, Mary Moyo und Motuba ins Studio und hat ein hymnenhaftes, modernes und spirituelles Jazzalbum eingespielt, das sowohl seine Betonung als auch seine Bedeutung auf dem Rythmus und dem Gefühl Mogorosis wachsen lässt. 

“The goal or the philosophy is about liberating the drum from the usual role of just keeping time.” (Tumi Mogorosi)

Aus diesem Ansatz heraus sind die fünf Stücke folgerichtig arrangiert, sie leben von dem Puls Mogorosis; die Band sorgt währenddessen für die Luft zum Atmen: weite, ausladende Melodien und Solopassagen (vor allem erwähnenswert ist Jiyanes Posaune in "Princess Gabi"), die mal an wilde Natur und ungezähmte Tiere erinnern, mal an einen Sonnenuntergang in den Bergen Südafrikas.  

Erschienen auf Jazzman Records, 2014.

19.03.2011

Nachzügler 2010 #1

Der Listenquatsch gehört noch rund gemacht, wenn nicht gar abgerundet, weshalb ich nochmals durch die berüchtigte Excelliste rauschte, um heraus zu finden, wer aufgrund eher unglücklichen (zu spät gehört) oder geradewegs beschallerten (Compilation, Re-Issue) Gründen noch nicht bei der großen "Best Of 2010"-Party dabei sein konnte. 

Als Ergebnis plumpsten fünf Scheiben aus dem großen Sack, die am lautesten "HIER!" geschrien haben. Ich bitte zu beachten, dass dies nun nicht der dämliche Versuch ist, die Opfer meiner Top 20-Auswahlpolitik nachträglich ins Rampenlicht zu rücken, also etwas forsch ausgedrückt: die Resterampe zu präsentieren. Alle fünf Platten wäre unter anderen Umständen locker in die Top 20 gerutscht - hätte ich sie nur früher gehört. Oder wären es keine Wiederveröffentlichungen. Oder Sampler. 

Und keine Bange, ich mach's kurz.



BOBBY JACKSON - The Café Extra Ordinaire Story

Ein gehobener Schatz aus der "Holy Grail" Re-Issues Serie des britischen Jazzman-Labels, das unter anderem bereits an dieser Stelle positiv in Erscheinung getreten ist. "The Café Extra Ordinaire Story" wurde 1966 in Minneapolis aufgenommen und erst acht Jahre später in minimaler Auflage veröffentlicht. Ein Blick auf Popsike.com verrät: der Bausparvertrag ist fällig, will man die Originalversion sein Eigen nennen.

Bassist Bobby Jackson ist unter all den großen Geistern des Jazz einer der Vergessenen, einer derjenigen, die nie am richtigen Ort zur richtigen Zeit waren und die von den Blue Note, Prestige und Impulse!-Hauptquartieren meilenweit entfernt waren. Aber auch einer, der beispielsweise seinen Job kündigte, um einen Jazzclub in seiner Heimatstadt zu eröffnen, und der viel aufgeben und gleichzeitig viel kämpfen musste, um seinen Traum zu verwirklichen. Diese Platte ist das passende Instrument für eine tolle Zeitreise in eine Stadt, die gemeinhin als weißer Fleck auf der Jazz-Landkarte der 60er Jahre gilt. Das Sextett spielt einen swingenden, angesoulten, modalen Jazz, stilistisch und spirituell vielleicht mit dem vergleichbar, was sich Ende der 60er- und Anfang der 70er Jahre rund um Künstler wie Pharaoh Sanders, Alice Coltrane und Sun Ra entwickelte. Das größte Plus ist seine Nicht-Perfektion: die Aufnahme ist hier und da übersteuert und das Piano ist manchmal auch nicht in tune, aber wenigstens ich finde das total sympatisch und - Achtung, verbotenes Wort: authentisch.

180g Vinyl, auf 1000 Stück limitiert und leider arschteuer, aber ich bereue keinen Cent. Und um Dusty Groove zu zitieren: "These Jazzman Holy Grail series vinyl releases disappear in no time. Don't sleep!"

Erschienen auf Jazzman, 2010