30.11.2014

Chances With Wolves - Gil Scott Heron Memorial Show


Chances With Wolves ist der Name einer Radiosendung aus Brooklyn, die jeden Montag zwischen 18:00 und 20:00 auf dem zunächst eingestellten, nun aber wiederbelebten East Village Radio läuft.





Ich bin kürzlich über ihre Gil Scott Heron Memorial Show gestolpert, die im Juni 2011 und damit kurz nach Scott-Herons Tod ausgestrahlt wurde und die man entweder via Soundcloud streamen, oder aber unter dem Blog der Macher sogar herunterladen kann. Die anderen Sets, die auf jenem Blog zu finden sind, sind darüber hinaus auch sehr zu empfehlen.

Knapp zwei Stunden der besten Musik vom großen Poeten und Rebellen Gil Scott-Heron. Am End' könnte euch das gefallen.

Enjoy.

28.11.2014

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MY MORNING JACKET - Z


Sie würde nun vehement protestieren, säße sie denn neben mir, aber dass die Herzallerliebste neuer Musik des Herrn Florian im besten Fall eher ambivalent gegenübersteht und sie in aller Regel stillschweigend erträgt, beziehungsweise sie im weniger guten Fall mit einigen Unmutsbekundungen überzieht – die Band, die sich diesbezüglich die meisten Ohrlaschen abholen darf heißt übrigens Leatherface; ich darf zitieren:“Da bekomm‘ ICH Halsschmerzen, wenn ich den Typen singen höre!“ – ist meinetwegen ganz dezent übertrieben, in der Sache aber auch nicht so irre falsch. Weit liegen wir in unseren musikalischen Vorlieben gar nicht auseinander, ich glaube aber, dass ich einfach ein gutes Schippchen weniger wählerisch bin. Eine Einlassung, zu der mir auch wieder eine Handvoll Menschen einfielen, die jetzt ihrerseits vehement protestieren würden. Beim vierten Album dieses Quintetts aus Kentucky um Sänger und Mastermind Jim James indes sind sich Frau P und meine Wenigkeit einig: das ist eine tolle Platte. 

Die Band , die in den Vereinigten Staaten sogar den Madison Square Garden in New York mit 18000 Menschen locker ausverkauft bekommt, pendelt auf „Z“ zwischen Folkrock und leisem, aber vor allem sehr sphärischem und psychedelischem Indiegewürmel umher, manchmal zaghaft von Reggae-beeinflusstem Geschunkel wie in „Off The Record“ oder, wie im vergleichsweise fast schon stürmischen „What A Wonderful Man“ mit soulig angehauchter rockiger Strohballennote unterbrochen. Highlight von „Z“ ist ganz bestimmt der Rausschmeißer „Dondante“, ein sich bis zur Extase hochschraubender Siebenminüter mit ausuferndem Gesang und peitschendem Crescendo, der auf dem Höhepunkt abbricht und sich dann mittels ungewöhnlich langer Ausblendphase ins Nirwana kreiselt. Danach kommt Stille.

„Z“ ist sicher ein leicht kauziges, aber überaus charmantes Werk, auch weil es, im Wortsinn, mitfühlt. Die Band ist immer ganz nah an mir dran, als könnten diese Songs mein Innenleben mit all den Zweifeln und all der Lebenslust lesen und sich zu einem Zuhörer und Begleiter entlang amorpheln. Verwurzelt in den siebziger Jahren, mit erstaunlicher Tiefe und brillianten Melodien ausgestattet. Dafür zu keiner Sekunde kitschig oder ironisch. Kein Indiegezappel, kein Clubgehopse. Nur Musik von einer Band, die es mit dieser Platte unbedingt wissen wollte. Und die über sich selbst hinausgewachsen ist. 

Musik, die in den besten Momenten zu Tränen rühren kann, weil man erkennt, dass das Leben so schlecht gar nicht ist. 

Erschienen auf ATO, 2006.

16.11.2014

Der Weg ist das Ziel - und er liegt voller Rosenblüten



MARK BANNING - JOURNEY TO THE LIGHT


"One of the most beautiful new age records ever recorded. One of the most beautiful instrumental records ever recorded. One of the most beautiful records ever recorded, period."

Vor einigen Tagen, tief in der Nacht, die Kirchturmuhr muss schon drei oder sogar vier Mal geschlagen haben, zappten sich Frau und Herr Dreikommaviernull noch durch das Nachtprogramm und blieben auf dem Raumschiff Enterprise hängen. Auf der Originalserie wohlgemerkt, die zwischen 1966 und 1969 produziert und nach drei Staffeln wegen geringer Zuschauerquoten (!) eingestellt wurde. Ich bin eher der wortwörtlichen "Next Generation" zuzuordnen und konnte mich für die erste Inkarnation der Sternfahrer nie so recht erwärmen. Dass die Crew mit einem winzigen Budget zu kämpfen hatte, ist natürlich an allen Ecken und Enden zu sehen; der ganze Salat ist irrsinnig langsam und hölzern inszeniert, wenngleich es natürlich schon spannend zu beobachten ist, wie man sich in den sechziger Jahren die Zukunft vorgestellt hat. Aber diese Requisiten! Die, äh, Möbel. Die Tische und Stühle. Selbst die verfluchten Wände. Die Farben. Die Kostüme. So modern darf man selbst 2014 gar nicht mehr sein, sonst geht's ruckzuck aufs Designerschafott. Manchmal scheint's, wir entwickeln uns zwischen all dem in den Hals gedrückten Krempel von Apple und Primark und der Rügenwalder Mühlenwurst viel weiter zurück, als es uns lieb sein kann. 

Mir ist dieses nächtliche Erlebnis eingefallen, als ich Mark Bannings "Journey To The Light" gehört habe. Auch hier kann man ganz wunderbar weit in die Vergangenheit blicken, ohne sich allzu weit aus der Gegenwart herauszulehnen - und gleichzeitig darf man sich fragen, ob wohl so die Zukunft klingen mag. 

Nach diesem Worthirnsalat braucht's zwei, drei geradeaus formulierte Sätze: "Journey To The Light" ist topmodern. Es ist völlig faszinierend, dass diese 1984 aufgenommene und 1985 veröffentlichte, nun 30 Jahre alte Schwebewolke aus New Age Gitarrengeflirre klingt, als sei sie vorgestern komponiert und noch vor dem Abendessen aufgenommen worden. Und gleichzeitig bietet das vom rührigen Students Of Decay-Label ausgegrabene Album einen Einblick in das Selbstverständnis einer Generation in den achtziger Jahren zwischen Poststrukturalismus und damit einhergehender Realitätskritik. "Journey To The Light" lebt und atment in diesen letzten dreißig Jahren und scheint bis heute Geschichte und Moderne gleichermaßen aufgesaugt und in das von ihm entworfene Bild eingebaut zu haben; es pendelt zwischen Dekonstruktion und Assimilierung, zwischen postmoderner Freiheit und romantischer Verlustemotion. Das ist spannend zu hören und zu entdecken. Bannings spiritueller Eskapismus bringt aber gleichzeitig Frieden, innere Einkehr und Reflektion - und das völlig ohne verkopfte Theoriemodelle. 




Original erschienen auf Creative Sound, 1985.
Re-Issue erschienen auf Students of Decay, 2014.

10.11.2014

Eimer Rauchen & Sellerie Einlauf



DEEPCHORD - LANTERNS



Die beste Dubtechno-Scheibe des Jahres 2014, soviel sei in Hinblick auf die große Jahresbestenliste heute schon verraten, wurde im Mai auf Astral Industries veröffentlicht. Deepchords "Lanterns" erschien vor einem halben Jahr ausschließlich als beschämend teure und auf 500 Stück limitierte Doppel-LP mit zwei unterschiedlich eingefärbten durchsichtigen Vinylscheiben, wunderbarem Artwork inklusive eines Riesenposters. Die Aufmachung ist schon aller Ehren wert, wenngleich mir dieser aus "limitiert & teuer" zusammengeflickte Exklusivitätsteppich immer noch schwer aufs Gemüt schlägt; die dazu passende Musik ist geradewegs ein Erlebnis. Im Vergleich mit dem ebenfalls exzellenten, dezent kratzigen und bisweilen kühl und distanziert klingenden "20 Electrostatic Soundfields" aus dem vergangenen Jahr, hat "Lanterns" indes weniger den Charme von verstaubten Industrieanlagen im Herbst, die mit Stroboskopfeuerwerk angestrahlt werden. "Lanterns" ist in allen Bereichen homogener und wirkt dadurch introspektiver als Deepchords frühere Arbeiten - die durchgehend auch nicht von schlechten Eltern waren. 

"Lanterns" brachte mich immerhin mit seinen leise vor sich hin schachernden Beats, die sich so wunderbar in das blitzende Noisegestrüpp einpassen, dem tongewordenen Tunnelblick in die Nacht und dem sich subtil und fast verschämt zeigenden Hedonismus dazu, meinen seit dem letztjährigen Umzug stillgelegten und astrein benamten "Space Projektor" von Mathmos wieder anzuschmeißen, um im tiefsten Rot mit diesen gut 64 Minuten Musik gemeinsam durch die Sossenheimer Nacht zu glühen. 

2012 war es die "Voices From The Lake"-LP mit ihrer todessehnsüchtigen Unterwasser-Glory, ein Jahr später verschlug mir Segues "Pacifica"-Schulung in strahlendem Weiß die Sprache, im Jahr 2014 ist es der verschwommene, pulsierende, ziellose Weg durch den Untergrund der Großstadt von "Lanterns", der mich durch das Leben trägt.



Erschienen bei Astral Industries, 2014.