Die großen alten Männer des Postrocks schlagen zurück. Mit Krautrockstampfern, Synthieklingen, Hypnoseflüchen, Jazztreibsand und ganze zwei Mal sogar mit laszivem Gesangslasso. Eines davon schwingt die astreine Coverversion des David Essex Hits "Rock On", in dem Todd Rittmann von US Maple stimmlich herumtorkelt wie Vince Neil mit 18 Promille und erektiler Dysfunktion.
Denn wer niemals an ihnen zweifelte, der werfe die erste Kesselpauke: dass sie sich sieben Jahre nach dem etwas verstrubbelten Vorgänger "Beacon Of Ancestorship" so konzentriert und beschwingt zurückmelden, meinetwegen ein bisschen milder und gar melodischer als sonst üblich und "The Catastrophist" in dieser Hinsicht am ehesten an das eklektische "It's All Around You" aus dem Jahr 2004 erinnert, hätte ich nicht für möglich gehalten.
Ich habe für diesen Text ein paar zusätzliche Wintertage mit "The Catastrophist" verbracht und war überrascht, dass ich immer noch genau so entzückt bin wie damals im Mai. Selbst die Herzallerliebste sagt, dass "Rock On" ein herausragender Song sei - um direkt danach anzumerken, der Beat erinnere sie an Metallicas "Sad But True". Was sagt man dazu?
Erneut ein Dauerbrenner in meinem CD-Player vom kanadischen Dub Techno Spezialistenlabel Silent Season - das immer noch beweisen muss, einen auch nur halb durchschnittlichen Ton veröffentlichen zu können. Die gute Nachricht zu Beginn: wer immer noch CDs kaufen möchte, anstatt sich die schnöde MP3-Version runterzuladen oder Streamingdienste zu nutzen, und wer in der Vergangenheit aufgrund der limitierten Stückzahlen, in denen es CDs von Silent Season ausschließlich gibt und/oder gab, immer wieder in die Röhre gucken musste, darf sich nun freuen: "Empatia" ist wenigstens in Einzelfällen und auch ein gutes dreiviertel Jahr nach der Veröffentlichung noch zu halbwegs erträglichen Preisen via Discogs aus dem benachbarten europäischen Ausland zu beziehen. Und die guten Nachrichten gehen weiter: für "Empatia" wäre es auch angemessen, ungnädigen Blutsaugern seine kompletten Ersparnisse zukommen zu lassen, denn dem Italiener Emanuele Pertoldi ist ein großer Wurf gelungen.
Was zunächst auffällt: "Empatia" ist höllisch laut gemastert und die klangliche Fülle, die selbst bei einem signifikant in Richtung der Null zurückgedrehten Lautstärkeregler in mein Wohnzimmer gedrückt wird, ist beeindruckend und beinahe ein bisschen einschüchternd. Das alleine ist schon ein Statement, wenn sich eine derart zurückgezogene, intime Musik auf die ganz große Bühne stellt. Bei näherer Betrachtung ergibt das aber durchaus Sinn: Pertoldi knüpft mit "Empatia" ein filigranes Brückensystem zwischen Ambient, Dub Techno und elektronischer Avantgarde zusammen, und wo insgesamt mit ätherischen Schwebepartikeln, einem ruhigen Fluss von geschmackvoll austarierten Sounds und dem dramatischen Unterbau aus Naturverbundenheit, Selbstreflektion, Einkehr und dem steten Malmen an der eigenen Vergänglichkeit nicht gegeizt wird, zeigt sich die kreative Knöpfchendrehermasse besonders in den rhythmisch zumindest in dieser klanglichen Konstellation nicht alltäglichen Beats und Ideen, die dem Werk nicht nur eine ganz persönliche Aura, sondern zugleich einige, wenn auch nur kurz wahrzunehmende tanzbare Momente verleihen - und mich, wie beispielsweise bei "L'Aura Marina" (siehe das unten eingebettete Video), die Stroboskop-Anlage anknipsen lassen. "Empatia" lässt sich damit im Vergleich mit stilistisch ähnlichen Alben in den freien Raum fallen. Keine Gegenspieler. Keine natürlichen Feinde.
Nur Musik.
Erschienen auf Silent Season, 2016.
P.S.: "Man muss im Kabarett ja immer wahnsinnig aktuell bleiben - ich kann den ersten Teil meines Programms bis zur Pause praktisch komplett wegschmeißen, wenn eines Tages die Berliner Mauer fällt."(Harald Schmidt, 1995) - das weiter oben und vor wenigen Tagen niedergeschriebene Frohlocken über die vermeintlich "halbwegs erträglichen" Preise aus dem "europäischen Ausland", die ich auf dem Plattensammler-Phantasia Discogs halluzinierte, sind für den Moment und bis auf eine Ausnahme Geschichte; wer also nach diesen warmen Worte aus Dreikommaviernullhausen nicht an sich halten kann und "Empatia" auf einer silbernen Plastikscheibe mit ein bisschen Pappe drumherum in den heimischen CD-Schrank stellen möchte, sollte sich entweder beeilen oder isst am Monatsende nur noch frische Schlachtabfälle mit rohen Zwiebeln. You decide.
Als hätte Jean-Michel Jarre im Jahr 1978 mit Lachgas und Valium herumexperimentiert, während er im Spiegelsaal die Stroboskopanlage testete: "Apex" ist ein futuristisches Sedativum im Breitbandkinoformat, dramatisch auf die ganz große Bühne gezaubert und bis ins letzte Byte durchchoreografiert.
Die acht experimentellen Kompositionen des Wahlberliners Brendan Gregoriy bilden dabei ein perfektes Bindeglied zwischen der Berliner Schule um Künstler und Pioniere wie beispielsweise Klaus Schulze oder Manuel Göttsching und einem visionären, melodisch versierteren Ambient-Entwurf, dessen Ausprägungen im Sounddesign und in seinen Arrangements sowohl komplexer als auch bildhafter sind. "Apex" baut die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Und darüber hinaus sieht es mit dem wunderbar gestalteten Coverartwork und den beiden türkisfarbenen Vinylscheiben auch noch ganz ausgezeichnet aus.
Das neue Album der alten, weisen Männer von De La Soul ist gleichzeitig das erste, das ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht nur bewusst wahrnehme, sondern dem ich auch erstmals aktiv entgegenfieberte. Es ist daher auch ein gutes Beispiel dafür, wie sich meine Hörgewohnheiten und mein Musikgeschmack in den letzten 15 Jahren veränderten. Als "The Grind Date" im Jahr 2004 erschien, war ich noch zu sehr damit beschäftigt, mir den vor sich hin schimmelnden Rock'n'Roll aus den Klamotten zu klopfen, vornehmlich mit der damals aufkommenden neuen Welle der britischen Indiebands wie Hard-Fi, Franz Ferdinand oder den Dead 60's oder auch mit den Postrockern wie Mono, Tarentel und Explosions In The Sky. In Sachen Hip Hop war ich noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, weil mich Vorurteile und die eigenen Erfahrungen aus vergangenen Zeiten einen größtmöglichen Abstand einnehmen ließen. Noch heute könnte ich angesichts der Niggaz'n'Bitches-Kultur aus dem US Hip Hop-Mainstream einerseits und ganz besonders der deutschen Hip Hop-Szene meilenweit alles vollkotzen, aber ich habe gleichfalls wegen dieser Extreme gelernt zu differenzieren. Und das hat ganz gut geklappt. De La Soul haben trotz ihrer zwölfjährigen Abwesenheit kräftig dabei mitgeholfen, die Tür zu öffnen: ihr intelligenter, manchmal provokanter Ansatz, die eigene Komfortzone nebst deren Bewohnern herauszufordern, ganz besonders in Verbindung mit ungeahnter Musikalität und Kreativität, haben mich dazu gebracht, die Ohren zu spitzen und die eigene Bewertungsmatrix neu zu justieren. Vielleicht sind sie deshalb für mich die wichtigste Hip Hop Band aller Zeiten.
Ihr mit einer überaus erfolgreichen Kickstarter-Kampagne zum Leben erwecktes Comeback mit "...And The Anonymous Nobody" ist in seiner ruhigen, überlegten Gestaltung, sowohl musikalisch als auch textlich, eine Überraschung - und betrachtet man ihre Karriere etwas genauer, ist es paradoxerweise genau das, was zu erwarten war. De La Soul haben sich niemals wiederholt, sie sind nie den einfachen Weg gegangen, sie haben sich immer wieder neu erfunden. Und sie hatten in jeder Phase immer ein außerordentliches Gespür für die zu ihnen passende Ästhetik: nie plump, immer durchdacht, immer geschmackvoll und mit einem Augenzwinkern, nicht zuletzt für und über sich selbst.
Die Rhythm Roots Allstars aus Los Angeles sind die "Fleisch & Blut" Backing Band auf "...And The Anonymous Nobody", die in voller Liveband-Orchestrierung mit echten Drums, echtem Bass und echter Gitarre für einen perfekt austarierten Klang sorgt, Gaststars wie David Byrne, Usher, Jill Scott, Snoop Dogg, Damon Albarn, Pete Rock und Justin Hawkins (ja, DER Justin Hawkins) fächern die Klangpalette für Ihre Songs weiter auf und rotieren zwischen R'n'B Slowmo-Fegern ("Greyhounds"), poppigen Dancefloor-Moves ("Pain"), Weirdo-Indie ("Snoopies") und oh fuck, es stimmt wirklich: orchestraler Rockoper in "Lord Intended" - und PoS und Plug 1 halten mit ihren Raps den Laden im größtmöglichen und weitläufigsten Hip Hop-Korsett. Das beeindruckendste Statement von "...And The Anonymous Nobody" ist indes seine überdeutliche Elder-Statesman-Aura, die sich nicht in ausgeflippt funkelnden Gaspedalorgien, sondern in Stimmung, Eleganz und Stil zeigt: wie man im Hip Hop in Würde altert, und dabei immer noch relevant ist, weil man auch nach der x-ten künstlerischen Häutung und folgender Neuausrichtung Glaubwürdigkeit, Anspruch und Überzeugung miteinander vereint.
Nicht nur, aber vor allem vor diesem Hintergrund, ist das eine große Platte.
Manchmal erlebe ich mit diesem Blog echte Überraschungen. Seit über neun Jahren schreibe ich hier über den Kessel Buntes in meiner Plattensammlung, der so kohärent wie der Inhalt eines explodierten Aktenvernichters ist, und wenn der weltbeste Leser aus dieser Einlassung eine gewisse Zufriedenheit herauslesen mag, dann liest er richtig: erstens sind neun Jahre eine ganz schön lange Zeit, und es gab dennoch nur ganz wenige Momente, in denen ich den Sinn hinter all dem mit einem Achselzucken und dem Gedanken an eine Liquidierung des Blogs hinterfragen und quittieren wollte. Zweitens ist es einer wie auch immer gearteten, aber zumindest engeren Leserbindung ziemlich bis sehr abträglich, an einem Tag etwas über Justin Timberlake zu lesen und vierundzwanzig Stunden später den virtuellen Kniefall vor einer asozialen Thrash Metal Band mit Texten wie "I teach you a lesson in violence" zu bestaunen - und trotzdem sehe ich keinen Grund, daran etwas zu ändern. Hier ist mein musikalisches Leben zu finden, und ich genieße auch heute immer noch die enge Auseinandersetzung mit den vorgestellten Platten - vor allem, weil es mich vor dem endgültigen Versumpfen in Lohnarbeit und der damit verbundenen Aufzucht eines veritablen Burn-Out-Syndroms bewahrt. Weshalb es mich gleichfalls und nach wie vor nicht über Gebühr belastet, dass die Leserschaft auch nach neun Jahren sehr übersichtlich ist.
Und doch gibt es Momente, die jene sorgfältig konstruierte und eben erklärte Luftblase, dass also sowieso niemand den Krempel liest und ich fröhlich, unaufgeregt und vor allem: vermeintlich unbeobachtet meine Kreise ziehen darf, zum Platzen bringen.
Kurz nachdem ich meinen ersten Erfahrungsbericht zu Qlusters neuem Album "Echtzeit" veröffentlichte und mich darin über die nicht ganz perfekt gelungene, weil an manchen Stellen kratzende Vinylversion beklagte, erreichte mich tatsächlich eine Email von Qluster-Mitglied Onnen Bock, in der er sich einerseits für die warmen Worte bedankte, andererseits aber auch sein Bedauern über den Zustand meiner Schallplatte ausdrückte - und mir anbot, ein neues Exemplar aus der zweiten Auflage auf den Weg Richtung Last Exit Sossenheim zu schicken. Ich war zunächst für vier Tage "star struck" und beinahe in Schockstarre, bevor ich mich traute, zu antworten. Konnte ich das annehmen? Dass der Mann mir kleinem Blog-Pimpf einfach eine neue Platte zuschickt? Auch noch geschenkt? Soll ich sie ihm bezahlen? Oder wenigstens des Versand übernehmen? Das geht doch so nicht, der kann doch nicht einfach.....doch, er konnte: eine Woche später hielt ich das neue Exemplar in meinen Händen. Das Exemplar einer Platte, deren Musik so kontemplativ, überlegt, suchend und vor allem in den scheuen, aber dennoch kräftig auftrumpfenden melodischen Momentaufnahmen so prägnant ist, dass sie zu den meist gehörten Alben des Jahres zählt. Und zu den besten sowieso.
"Shadows In Time" ist eines der inspirierendsten Alben des Jahres. Ein Spiel mit Raum und Zeit, mit Vergänglichkeit, mit dem Hier und Jetzt. Es ist gleichzeitig ein Versuch, sich der Unendlichkeit zu nähern, indem es die Utopie ihrer Darstellung ankratzt. Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren.
Über dreihundert unterschiedliche Versionen existieren von "Shadows In Time", und jede Verschiebung und Veränderung im Millisekundenbereich erschafft ein neues Bild, eine neue Zeit, ein neues Leben. Ein mächtiger Illusionist, der, dem Licht nicht unähnlich, jene Räume auf- und erschließt, deren Existenz vielleicht nur in mathematischen und physikalischen Formeln bestehen, die sich hier aber plötzlich materialisieren - und das in jedem einzelnen Moment. Diese Idee des Ganzen, der Verbundenheit mit dem Kosmos, fesselte mich immer wieder an diese Musik.
Ich schrieb vor wenigen Wochen über "Shadows In Time", dass die Vorstellung der kosmischen Verbundenheit ein befreiender und tröstender Gedanke sei, und die teils über Stunden und in Endlosschleife andauernde Auseinandersetzung mit "Shadows In Time", sei es das bewusste Erleben eines Moments im aktiven Hören oder auch die Gedanken und die Reflektion um das eigene Leben und darüber hinaus, war ganz besonders in den nachdenklichen Stunden eine große Stütze für mich.
Wie an anderer Stelle dieses Blogs schon mehrfachbetont, sollten wirklich herausragende Dub Techno Alben mit Leidenschaft und Euphorie gefeiert werden, denn sie sind selten. Neben den bekannten großen Namen der Szene, beispielsweise das kanadische Label Silent Season oder die Echospace-Gruppe um Rod Modell und Stephen Hitchell, ist das Angebot zwar nicht gerade klein - um Momente endloser Glückseligkeit zu finden, bedarf es einiger Ausdauer sowie ein gut ausgeprägtes Gespür für das Besondere.
Docetism ist mit seinem introvertierten "Secondary Succession" ein solch besonderes Werk gelungen. Es sind die romantischen Bilder, die mein Herz öffnen wie ein Tröpfchen Wasser die Rose von Jericho: Tiefe Wälder, unberührte Flüsse, Vogelgezwitscher, das Knacken von heruntergefallenen Ästen, der aufsteigende Dunst nach einem Regenguss. Wie sich Natur das Leben zurückholt und -erobert. Und es ist das Gefühl, an die Hand genommen zu werden, um Schönheit, Ruhe und das Wunder des Lebens zu erfahren. Das war, in a nutshell, der rote Faden meines Lebens in den letzten zwölf Monaten. Ein Versuch der selbstbewussten Reflektion auf das eigene Ich.
Wer bin ich eigentlich? Was mache ich hier? Und warum ist alles viel zu schnell vorbei?
Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit. (Hermann Hesse)
Das vermutlich als "Superscheißjahr" (Herr Dreikommaviernull) in die Menschheitsgeschichte eingehende Jahr 2016 war tatsächlich in vielen Bereichen jener Bewertung durchaus gewachsen; die vielen verstorbenen Prominenten haben andere schon trillionenfach aufgezählt und mir damit die Arbeit und Euch die Langeweile abgenommen - wobei: Roger war echt hart -, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, der Ausstieg des Vereinten Königreichs aus der Europäischen Union, die vielen sackgesichtigen deutschen Kartoffeln, die sowohl physisch als auch psychisch Jagd auf Flüchtlinge machen, der europäische Rechtsruck, Mineralöl im Veggieschnitzel, die SPD ist immer noch nicht aufgelöst und Bill Hicks ist immer noch tot - ich könnte locker bis in den Frühling weitermachen.
Aus persönlicher Sicht ist sicherlich der plötzliche Tod unserer Katze "Kleini" im August als DER Tiefpunkt des Jahres zu erwähnen. Mit den Auswirkungen haben die Herzallerliebste und ich immer noch zu tun, und sei es nur, nahezu jeden Tag von unserem Kater daran erinnert zu werden, dass er sie ganz schrecklich vermisst und sein Leben nun ein anderes ist. Kleinis Tochter Tiffy, seit dem Jahr 2000 in der Obhut meiner Mutter, ging einen Tag vor Silvester und beschloss damit 2016 und wenigstens in dieser Hinsicht würdig i.S.v. "Fuck You!".
Kleini (links, 1999 - 2016) und Schnuffel
Abgesehen von all dem oben ausgebreiteten Quatsch, der einem den Kopf verklebt, war 2016 vor allem vollgestopft mit wunderbaren Momenten und tollen Erlebnissen. Und erstaunlicherweise mit der Erkenntnis, vielleicht endlich in der Arbeitswelt angekommen zu sein. Das kann im Normalfall nach 18 Jahren auch fast erwartet werden, aber ich fürchte, ich bin kein Normalfall: noch immer schaue ich mit dreiviertel Skepsis und vierviertel Überraschung auf das, was andere Karriere nennen und was mir diesbezüglich vor allem in den letzten 13 Jahren passiert ist. Seit meinem im Jahr 2015 vollzogenen Wechsel fühle ich mich im nun nicht mehr ganz so neuen Job indes so wohl wie vermutlich an noch keiner Stelle zuvor. Das ist wirklich ein ganz merkwürdiges Gefühl - ein gutes zwar, aber auch in Teilen ein überwältigendes.
Überwältigend waren auch die im Jahr 2016 besuchten Konzerte. Es waren nicht viele, zugegeben, und ich bin mittlerweile auch alles andere als ein Freund von Liveshows, aber Chris Cornell in Hamburg, Sacred Reich in Aschaffenburg, Monophonics in Wiesbaden, Gogo Penguin in Offenbach und New Model Army in Stuttgart sorgten allesamt für eine körperlich spürbare Überdosis Endorphine im Blutkreislauf. In diesen Momenten war wirklich und ausnahmsweise mal einfach alles gut und meine Lebenslust-Skala war nicht zuletzt wegen dieser Erlebnisse auch außerhalb des Konzertsaals immer öfter im sattgrünen Bereich. Music heals eben doch.
Wenn sie dann auch noch selbst erdacht und gespielt wird, gibt's manchmal sogar noch einen Nachschlag: unsere immer noch ziemlich kleine und nur sehr langsam wachsende Lieblingspunkband Blank When Zero hat eine neue Platte gemacht, dafür fast ein ganzes Jahr benötigt und ist nach sieben Jahren gemeinsamen Musikzierens doch tatsächlich im Keep It A Secret Labelhafen eingelaufen. Was es über "Taped!" zu sagen gab, könnt ihr hier nochmal nachlesen.
Kommen wir abschließend zu dem, was hier in den nächsten Monaten (sic!) zu lesen sein wird: die zwanzig besten Platten des Jahres 2016. Um sicher zu gehen, dass ich auch in diesem Jahr die bewährte Jammerei über zu viele tolle Musik unterbringe, habe ich extra nochmal in dem entsprechenden Intro zur Listenwahn-Sause des vergangenen Jahres reingeschaut:
2015 war darüber hinaus an musikalischer Front erneut ein großer Spaß - was die Auswahl der nachkommenden besten 20 Alben des Jahres zu einem bösen Drama werden ließ. Was auch immer wieder die alte Leier ist, je sais, mais non: DIESES MAL war's WIRKLICH UNERTRÄGLICH und die SCHMERZEN, die ein oder andere Platte draußen VOR DER TÜR, IM KALTEN Großstadtdschungel Sossenheims (SOSSENHEIM!) stehen zu lassen, waren größer ALS "sonst". Immerhin war die Top5 schon ab Juni in Stein gemeißelt. Muss man auch erstmal schaffen.
Was man auch schaffen muss: es für's Jahr 2016 exakt genau so nochmal in den Blog wuchten:
2016 war darüber hinaus an musikalischer Front erneut ein großer Spaß - was die Auswahl der nachkommenden besten 20 Alben des Jahres zu einem bösen Drama werden ließ. Was auch immer wieder die alte Leier ist, je sais, mais non: DIESES MAL war's WIRKLICH UNERTRÄGLICH und die SCHMERZEN, die ein oder andere Platte draußen VOR DER TÜR, IM KALTEN Großstadtdschungel Sossenheims (SOSSENHEIM!) stehen zu lassen, waren größer ALS "sonst". Immerhin war die Top5 schon ab Juni in Stein gemeißelt. Muss man auch erstmal schaffen.
Um es mit Mutti zu sagen: Wir schaffen das jetzt gemeinsam.
Ich danke allen fürs Lesen und die Aufmerksamkeit.
Das glimmende Räucherstäbchen in meinem Wohnzimmer, der auf das Terassenvordach prasselnde Regen, der in der "Morgenmuffel"-Tasse vor sich hin dampfende Kräutertee, die gelb gefärbten Blätter des kranken Kirschlorbeerbaums, die schamanischen Verbiegungen des Frontallappens: es ist Zeit für "Where Shine New Lights". Ein Album, mit dem sich problemlos ein kompletter verregneter Samstag vor dem Plattenspieler verbringen lässt. Ein subtil arrangiertes, sich um ausgedehnte Melodien würmelndes Werk voller großer Ruhe. Introspektiv wäre eine Untertreibung. Jede Note am richtigen Fleck zur richtigen Zeit. Kilometertiefes Plüschfutter zum ganz tiefen Einsinken in Deine Welt, Deine Gedanken und Deine Liebe.
Tara ist vielen Post- und Noiserock-Aficionados älteren Semesters möglicherweise noch aus ihrer Zeit mit Rodan bekannt, einer in kleinem Rahmen durchaus einflussreichen, wenngleich weitgehend obskur gebliebenen Band, die sich nach dem ersten und einzigen Album "Rusty" aus dem Jahr 1994 auflöste und stilistisch zwischen Slint, frühen Tarentel und June Of '44 agierte. Seitdem ist die Multiinstrumentalistin weit gereist: Konzeptkunst, Malerei, Soloprojekte, Soundtracks, Theater. Sieben Soloalben stehen seit dem im Jahr 2000 erschienenen Soloalbum "Peregrine" auf der Agenda, und "Where Shine New Lights" ist möglicherweise die vollkommenste Verbindung ihrer experimentellen, bisweilen launischen Kunst und ihrem klassischen, in Blues und Folk verwurzelten Singer/Songwriter-Ansatz.
Besonders eindrücklich sind jene Momente, die das Album urplötzlich als Einheit präsentieren, wenn sich also aus geheimnisvollen Minuten tiefer Pulsschläge, aus ätherischer Weite und dissonanter Gesangsarrangements völlig unverhofft die große Melodie unter der ganz großen Bühne zeigt - ganz kurz, wie ein in Sekundenbruchteilen erhaschtes Blinzeln auf den Reichtum des Grand Canyon: gerade lang genug, um die Ahnung zu füttern, was es hier alles zu Entdecken gibt. Und ebenso lange genug, um zu verstehen, dass diese Ahnung ohne das Vorspiel, die Hinführung durch tiefrot geklöppeltes Buschland nicht möglich gewesen wäre. Herausragende Beispiele hierfür sind "Glow Now" und ganz besonders "Elemental Finding", das es auch unten als Video zu bestaunen gibt: immer wieder durch kurze und intime Instrumentalpassagen unterbrochen, steht am Ende ein zurückgezogener Folkschunkler mit violett pumpender Aura mitten in der Natur, im Innern, im Licht.
Es gab in 2016 so einige Platten, die mein Leben vermutlich auch über das immer noch andauernde Superscheißjahr 2016 hinaus prägen werden; in erster Linie, weil ich mit Ihnen eine bestimmte Zeit, auch ganz besonders ein Lebensgefühl verbinden werde. Und einige davon werden vielleicht wichtig für das restliche Leben werden, sei es, weil sie besondere Saiten in mir angeschlagen haben, sei es, weil ich mit ihnen überhaupt nicht rechnete und die Überraschung und Begeisterung nicht zuletzt genau davon getragen wird und wurde. "Still Life" könnte so eine Platte werden.
Das Debut "Melt", vor einigen Jahren für kleines Geld und in erster Linie wegen des umwerfenden Coverartworks gekauft, gefiel mir gut, aber mit etwas despiktierlichem Mut ließe ich mich zu der Bewertung hinreißen, seine Existenz verdanke es fast ausschließlich der Erfolgssingle "You With Air" - einer faszinierend subtil arrangierten und von einem Weirdo-Charakter getragenen Popnummer, die "Melt" mit sich riss und mit sich reißen konnte. Der Nachfolger "Breathing Statues" fiel hingegen nach wenigen Momenten des Zuhörens komplett durch die Qualitätskontrolle - ich kann das nicht weiter ausführen, außer der Feststellung, dass ich es keine 2 Minuten hören konnte. Und wollte.
"Still Life" bringt mich an meine Grenzen, über Musik zu sprechen und zu schreiben, und ich gebe Überlegungen zu, den Text einfach mit einem "Diese Musik zieht mich magisch an." zu beginnen und gleich danach mit einem "Isso!" zu schließen. Macht damit, was ihr wollt. Mir fällt dazu nicht mehr ein.
Sängerin Melati Malay schrieb "Still Life" während ihren Reisen nach Tokyo und Bali, in ihrer Heimat New York, in den Catskills und während ihres Aufenthalts an ihrem Geburtsort auf Java, Indonesien. Sie verarbeitet mit diesem Album den Tod ihres Vaters im vergangenen Jahr mit einer sphärischen und mystischen Musik, die melodisch zu gleichen Teilen undeutlich als auch opulent ist. Für letztgenannte Einschätzung ist Auseinandersetzung gefragt, denn eingängig ist hier gar nichts. "Still Life" hält sich energetisch als weißer Rauch kurz über Normal Null. Unauffällig und in seiner extremen Verhuschung doch überaus stimmungsvoll - auch wenn ich die Stimmung beim besten Willen nicht dechiffrieren kann: Malay und ihr Partner Isaac Emmanuel haben nicht nur in dieser Frage ein paar falsche Fährten gelegt und sich praktisch unsichtbar gemacht, sie haben ebenfalls dafür gesorgt, dass die Einflüsse und Wurzeln ihrer Musik kaum mehr zu erkennen sind. "Still Life" ist alles - und gleichzeitig nichts. Die Nennung indonesischer Musik, Pop aus den 1980er Jahren, urbaner Avantgarde aus dem brodelnden New Yorker Underground, Clubsounds und Indie-Shoegazer ist nicht nur eine untaugliche, weil heillos unvollständige Auflistung von Genres, es ist angesichts dieses echten Schmelztiegels und der beinahe vollständigen Auflösung von Konturen, Grenzen und Strukturen völlig irrelevant.
“In a way, Still Life became a kind of antithesis to a world where people tell you who to pray to, what to buy into, and who your enemies should be. It’s my reaction. Still Life is my way to celebrate music from all corners…my home without borders.”
Mir kommt sowas nicht oft über die Lippen, aber ich glaube es wirklich: "Still Life" ist ein Meisterwerk.
Trump wird Präsident der USA und Jud bringen ein neues Album raus - beides wäre noch vor wenigen Monaten völlig undenkbar gewesen. Während die Wahl der faschistischen "Whiny Little Bitch" (Bill Maher) nebst der Nominierung rassistischer, antisemitischer, christlich-fundamentalistischer Blowhards für weitere Regierungsposten selbst im weit von Washington entfernten Sossenheim für eine Familienportion Depressionen sorgte, breitet sich in Sachen "Generation Vulture" zunehmend große Freude aus. Die letzten zwei Wochen im Hause Dreikommaviernull standen eindeutig im Zeichen dieses völlig unverhofften Comebacks, und die Anmerkung in meinem Textlein zur "Doppelgängers EP" von The Life And Times, dass also ebenejene gemeinsam mit "Generation Vulture" meinen Rock'n'Roll für die nächsten Monate bestimmen werden, kommt nicht von ungefähr: beide Bands haben die alte Schule besucht, in der Tiefgang, Komplexität, Groove und Melodie im Prüfungsfach "Klischeefreie Rockmusik für die Überlebenden der 90er Jahre" abgefragt und bewertet werden und bestehen jede noch so schwere Prüfung schon seit Jahren mit einem Extrasternchen.
Immerhin satte acht Jahre liegen zwischen dem letzten Werk "Sufferboy" und "Generation Vulture" und obwohl Bandchef David Judson Clemmons auch während dieser acht Jahre neben seinem in Berlin ansässigen Antiquitätenladen musikalisch immer noch und meistens mit Soloauftritten aktiv war, durfte man nicht zuletzt wegen der vermutlich sehr übersichtlichen Verkäufe des Vorgängers wirklich nicht mit einer Auferstehung rechnen. Jud waren irgendwie immer die Vergessenen und selbst dann, wenn der Zeitgeist ihnen eigentlich wohlgesonnen war, tat sich auf der Popularitätsskala so gut wie gar nichts. Schon das Debut "Something Better", immerhin von Korn/Sepultura/Slipknot-Knöpfchendreher Ross Robinson klanglich vollveredelt, ging 1996 trotz dezenter Indie- und Alternative-Schlagseite völlig unter, die beiden Nachfolger "Chasing California" und "The Perfect Life", beides glasklare 10 Punkte Klassiker aus dem viel zu oft zitierten Bilderbuch, konnten an jenem Zustand gleichfalls nichts ändern; dabei hätte gerade "The Perfect Life" mit seinen melodisch verschrammelten Powerindiedoom mit dem Tiefgang eines Ozeandampfers doch wirklich für einen Achtungserfolg sorgen können. Aber es tat sich nichts. Gar nichts.
Ob sich das Bild mit "Generation Vulture" ändern wird, ist höchst zweifelhaft - und wieder bleibt festzuhalten, dass der Band qualitativ nichts, aber auch so gar nichts vorzuwerfen ist. Über drei Jahre wurde penibel an dem neuen Werk gearbeitet und man hört es "Generation Vulture" zu jeder Sekunde und im allerbesten Sinne an. Die Produktion ist mehr als nur state of the art - ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt ein so imposant in Szene gesetztes Album einer Rockband hörte; einer Indieband zumal, die nicht von Majors, A&Rs und Managern mit ein paar Scheinchen aus der Megaseller-Schatulle gefördert wird. Glasklar, druckvoll, bretthart - und doch soviel Transparenz und Intelligenz, um ihren ureigenen und einzigartigen Signature-Sound wie einen großen Mittelfinger in Richtung der Legion von talentlosen Nichtskönnern zu schmettern, die sich hinter ihrer totproduzierten Plastikscheiße verstecken müssen. Die sieben Songs, drei davon ungewohnterweise jeweils um die acht Minuten lang, gehören mit zum Besten, was diese Band jemals geschrieben hat: groovebetont wie eh und je, fräsen sich vor allem die ersten drei Tracks "Blind Society", "Where We Come From" und "Summer Of Love" mit monströsem Riffing in jedes Rockerherz, das auch ohne breitgetretene Klischees nicht die Arbeit einstellt, sondern stattdessen lieber das Emotionszentrum aufheizt. Große Gefühle, große Bühne, großer Gummiknüppel. Ich erlebe vor allem in jenen Momenten Gänsehautschauer - and that's the fucking truth! - die sich harmonisch und atmosphärisch deutlich am 1998er Zweitwerk orientieren. "Chasing California" blitzt tatsächlich manchmal durch und das ist deswegen so auffällig, weil nur Clemmons solche Harmonien schreibt. Niemand sonst. Kann auch sonst niemand.
Freudenschreie. Luftschlagzeug. Luftgitarre. Schmerzverzerrtes, weil mitleidendes und mitlebendes Gesicht. Becker-Faust. Bohlen-Pimmel (gebrochen). Dreifacher Salto mit zweieinhalbfacher Schraube von 28 Meter Turm. Alles auf der Autobahn und bei 140 Sachen.
Nach "Summer Of Love" folgt eine kleine Zäsur, denn jetzt wird's sperrig und die eigentliche Arbeit beginnt: "Find Us, Heal Us" kratzt erstmals an der acht Minuten Marke und ist eine komplex arrangierte Achterbahnfahrt zwischen Drama und Melancholie. "The Operation" taut erst nach knappen drei Minuten so richtig auf und basiert im Prinzip auf nur einem dreckig gespielten Bluesriff. Dazwischen: viel Schmutz, viel Dreck, ein ganz kleines bisschen Gitarrensolo und ein praktisch komplett durchgeschlagenes Crash-Becken. Und Tiefe. Tiefe, Tiefe, Tiefe.
Wem über die letzten Jahre mit Streaming, Downloads und kultureller Verwahrlosung die echte Auseinandersetzung mit Musik abhandengekommen ist, muss spätestens hier zwangsläufig die weiße Flagge hissen. "Humanity, The Lie" setzt tatsächlich nochmal einen drauf und ist möglicherweise das Kernstück von "Generation Vulture": über acht Minuten lang türmt sich ein Emotions- und Riffklotz über den nächsten auf, bis das so entstandene Intensitätsgebirge fast schon körperlich erfahrbar wird. Was - außer Pudding in den Beinen und einem signifikant beschleunigten Puls - kann nach einem solchen Hammer noch kommen? Können wir jetzt bitte wieder ein bisschen abkühlen? Ich muss mal an die frische Luft.
"How The West Was Won" beginnt tatsächlich zunächst etwas dezenter, bis ich inmitten des cleveren, an Postrockgrößen wie Godspeed You! Black Emperor erinnernden Spannungsaufbau spüre, dass die Band schon wieder am nächsten Brocken tüftelt - bis zum finalen Einsturz. Ich will nicht zuviel verraten, aber es endet alles ganz anders. Und plötzlich merke ich, wie viel Sinn das hier alles macht. Wie sich der Kreis nach diesen Songs schließt.
Are you alone in this world?
And are you ready for the new world war?
Have you decided just what you're gonna fight for?
Are you alone tonight?
Das ist eine große, große Platte. Und ich finde fast keine Worte mehr für die Tragik, dass auch "Generation Vulture" nur von einer Handvoll Eingeweihter gehört und geliebt werden wird. Von denen dafür aber dann umso inniger.
BLANK WHEN ZERO spielen zum letzten Mal in diesem Jahr live in ihrem Wohnzimmer: das Haus Mainusch in Mainz hat unserem Wunsch zugestimmt, zwei befreundete Bands einzuladen und ein schönes Konzert zu spielen.
Mainzer! Wiesbadener! Frankfurter!
Am Samstag, 10.12.2016 ab 20 Uhr spielen also Church Of Cycology, Vandalism und Blank When Zero im Haus Mainusch. Wir freuen uns alle auf Euch.
Das Hubble Extreme Deep Field (XDF) ist ein Bild einer kleinen südlichen Himmelsregion, das entstand, indem Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops eines Teils aus dem Zentrum des Hubble Ultra Deep Field (HUDF) über einen Zeitraum von zehn Jahren zusammengefügt wurden. Es umfasst Aufnahmen von insgesamt 50 Tagen und einer Gesamtbelichtungszeit von zwei Millionen Sekunden (ca. 23 Tage).
Die Lichtlaufzeit von einigen auf dem Bild zu sehenden Galaxien bis zur Erde beträgt 13,2 Milliarden Jahre, die jüngsten auf dem Bild gezeigten Galaxien sind in einem Stadium lediglich 450 Millionen Jahre nach dem Urknall zu sehen.
One important source of inspiration for “Shadows in Time” was the stunning installation “Series 1024x768” by media artist Johannes Franzen: on a computer screen, all 786,432 pixel continuously change their colour with every second, pursuing the aim of running through all potential possibilities. A simple process that is so complex in itself, that even modern high-performance computer systems cannot capture it and to consequently run through it would last far beyond the existence of our solar system. (Marsen Jules)
"Denn die Maschine braucht, in menschlichen Maßstäben gemessen, unendlich lange, um alle Bilder einmal zu generieren. Daß sich während einer Lebenszeit einmal die Bildpunkte zu einem Bild zusammenfügen, das gegenständlich und wiedererkennbar ist (und daß in dem Moment, wenn es erscheint, jemand anwesend ist, der es sieht), ist sehr unwahrscheinlich. Die meisten Bilder, die entstehen, sind völlig abstrakt, eine vielfarbige Kombination aus Punkten, in der man allenfalls ein Überwiegen bestimmter Farbbtöne oder eine nebelhafte Konzentration von
Farben an bestimmten Stellen wahrnehmen kann.
Die Schönheit der Maschine liegt in ihrem utopischen Potential. Alle möglichen Bilder sind in ihr enthalten und könnten theoretisch im nächsten Augenblick erscheinen. Das bedeutet z. B. alle Bilder die man während einer Zugfahrt aus dem Abteilfenster fotografieren könnte. Oder jede Seite eines Textes, der je geschrieben wurde und geschrieben werden wird. Oder die Reproduktionen aller Gemälde, die je gemalt wurden. Und die Kombination aus alledem. Und doch handelt es sich um eine endliche Zahl von Bildern."
"Shadows In Times" ist der Versuch, die Einmaligkeit zu begreifen. Die Zeit als mehrdimensionales Chaos. Raum und Zeit erleben. Überhaupt: Leben. In Echtzeit in die Vergangenheit schauen. Alles erscheint ausschließlich im Auge des Betrachters. Was macht das mit unserer Vorstellung von Realität? Unserer Idee von Zeit? Unserem Leben? Ist damit nicht wirklich alles Eins?
Für mich ist das ein sehr befreiender und tröstender Gedanke.