10.01.2017

2016 ° Platz 18 ° Qluster - Echtzeit




Manchmal erlebe ich mit diesem Blog echte Überraschungen. Seit über neun Jahren schreibe ich hier über den Kessel Buntes in meiner Plattensammlung, der so kohärent wie der Inhalt eines explodierten Aktenvernichters ist, und wenn der weltbeste Leser aus dieser Einlassung eine gewisse Zufriedenheit herauslesen mag, dann liest er richtig: erstens sind neun Jahre eine ganz schön lange Zeit, und es gab dennoch nur ganz wenige Momente, in denen ich den Sinn hinter all dem mit einem Achselzucken und dem Gedanken an eine Liquidierung des Blogs hinterfragen und quittieren wollte. Zweitens ist es einer wie auch immer gearteten, aber zumindest engeren Leserbindung ziemlich bis sehr abträglich, an einem Tag etwas über Justin Timberlake zu lesen und vierundzwanzig Stunden später den virtuellen Kniefall vor einer asozialen Thrash Metal Band mit Texten wie "I teach you a lesson in violence" zu bestaunen - und trotzdem sehe ich keinen Grund, daran etwas zu ändern. Hier ist mein musikalisches Leben zu finden, und ich genieße auch heute immer noch die enge Auseinandersetzung mit den vorgestellten Platten - vor allem, weil es mich vor dem endgültigen Versumpfen in Lohnarbeit und der damit verbundenen Aufzucht eines veritablen Burn-Out-Syndroms bewahrt. Weshalb es mich gleichfalls und nach wie vor nicht über Gebühr belastet, dass die Leserschaft auch nach neun Jahren sehr übersichtlich ist. 

Und doch gibt es Momente, die jene sorgfältig konstruierte und eben erklärte Luftblase, dass also sowieso niemand den Krempel liest und ich fröhlich, unaufgeregt und vor allem: vermeintlich unbeobachtet meine Kreise ziehen darf, zum Platzen bringen. 

Kurz nachdem ich meinen ersten Erfahrungsbericht zu Qlusters neuem Album "Echtzeit" veröffentlichte und mich darin über die nicht ganz perfekt gelungene, weil an manchen Stellen kratzende Vinylversion beklagte, erreichte mich tatsächlich eine Email von Qluster-Mitglied Onnen Bock, in der er sich einerseits für die warmen Worte bedankte, andererseits aber auch sein Bedauern über den Zustand meiner Schallplatte ausdrückte - und mir anbot, ein neues Exemplar aus der zweiten Auflage auf den Weg Richtung Last Exit Sossenheim zu schicken. Ich war zunächst für vier Tage "star struck" und beinahe in Schockstarre, bevor ich mich traute, zu antworten. Konnte ich das annehmen? Dass der Mann mir kleinem Blog-Pimpf einfach eine neue Platte zuschickt? Auch noch geschenkt? Soll ich sie ihm bezahlen? Oder wenigstens des Versand übernehmen? Das geht doch so nicht, der kann doch nicht einfach.....doch, er konnte: eine Woche später hielt ich das neue Exemplar in meinen Händen. Das Exemplar einer Platte, deren Musik so kontemplativ, überlegt, suchend und vor allem in den scheuen, aber dennoch kräftig auftrumpfenden melodischen Momentaufnahmen so prägnant ist, dass sie zu den meist gehörten Alben des Jahres zählt. Und zu den besten sowieso.

Vielen Dank, Qluster.
Vielen Dank, Onnen.
Und die neue Platte klingt wirklich besser. 




Erschienen auf Bureau B, 2016.


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