Erneut ein Dauerbrenner in meinem CD-Player vom kanadischen Dub Techno Spezialistenlabel Silent Season - das immer noch beweisen muss, einen auch nur halb durchschnittlichen Ton veröffentlichen zu können. Die gute Nachricht zu Beginn: wer immer noch CDs kaufen möchte, anstatt sich die schnöde MP3-Version runterzuladen oder Streamingdienste zu nutzen, und wer in der Vergangenheit aufgrund der limitierten Stückzahlen, in denen es CDs von Silent Season ausschließlich gibt und/oder gab, immer wieder in die Röhre gucken musste, darf sich nun freuen: "Empatia" ist wenigstens in Einzelfällen und auch ein gutes dreiviertel Jahr nach der Veröffentlichung noch zu halbwegs erträglichen Preisen via Discogs aus dem benachbarten europäischen Ausland zu beziehen. Und die guten Nachrichten gehen weiter: für "Empatia" wäre es auch angemessen, ungnädigen Blutsaugern seine kompletten Ersparnisse zukommen zu lassen, denn dem Italiener Emanuele Pertoldi ist ein großer Wurf gelungen.
Was zunächst auffällt: "Empatia" ist höllisch laut gemastert und die klangliche Fülle, die selbst bei einem signifikant in Richtung der Null zurückgedrehten Lautstärkeregler in mein Wohnzimmer gedrückt wird, ist beeindruckend und beinahe ein bisschen einschüchternd. Das alleine ist schon ein Statement, wenn sich eine derart zurückgezogene, intime Musik auf die ganz große Bühne stellt. Bei näherer Betrachtung ergibt das aber durchaus Sinn: Pertoldi knüpft mit "Empatia" ein filigranes Brückensystem zwischen Ambient, Dub Techno und elektronischer Avantgarde zusammen, und wo insgesamt mit ätherischen Schwebepartikeln, einem ruhigen Fluss von geschmackvoll austarierten Sounds und dem dramatischen Unterbau aus Naturverbundenheit, Selbstreflektion, Einkehr und dem steten Malmen an der eigenen Vergänglichkeit nicht gegeizt wird, zeigt sich die kreative Knöpfchendrehermasse besonders in den rhythmisch zumindest in dieser klanglichen Konstellation nicht alltäglichen Beats und Ideen, die dem Werk nicht nur eine ganz persönliche Aura, sondern zugleich einige, wenn auch nur kurz wahrzunehmende tanzbare Momente verleihen - und mich, wie beispielsweise bei "L'Aura Marina" (siehe das unten eingebettete Video), die Stroboskop-Anlage anknipsen lassen. "Empatia" lässt sich damit im Vergleich mit stilistisch ähnlichen Alben in den freien Raum fallen. Keine Gegenspieler. Keine natürlichen Feinde.
Nur Musik.
Erschienen auf Silent Season, 2016.
P.S.: "Man muss im Kabarett ja immer wahnsinnig aktuell bleiben - ich kann den ersten Teil meines Programms bis zur Pause praktisch komplett wegschmeißen, wenn eines Tages die Berliner Mauer fällt."(Harald Schmidt, 1995) - das weiter oben und vor wenigen Tagen niedergeschriebene Frohlocken über die vermeintlich "halbwegs erträglichen" Preise aus dem "europäischen Ausland", die ich auf dem Plattensammler-Phantasia Discogs halluzinierte, sind für den Moment und bis auf eine Ausnahme Geschichte; wer also nach diesen warmen Worte aus Dreikommaviernullhausen nicht an sich halten kann und "Empatia" auf einer silbernen Plastikscheibe mit ein bisschen Pappe drumherum in den heimischen CD-Schrank stellen möchte, sollte sich entweder beeilen oder isst am Monatsende nur noch frische Schlachtabfälle mit rohen Zwiebeln. You decide.