Viking standen selbst in ihrer Blütezeit zu Ende der 1980er Jahre und selbst in gedimmten Licht betrachtet bestenfalls in der dritten, vielleicht sogar in der vierten Reihe der großen Thrash Metal Bands. Sicherlich hinter Overkill, Exodus und Forbidden, hinter Metallica, Slayer und Anthrax sowieso. Trotzdem habe ich einen kleinen Narren an der Band gefressen, weshalb ich sie an dieser Stelle bereits mit ihrem Debut "Do Or Die" vorstellte. Vor einigen Monaten verriet mir das Internet, dass sich die Combo wieder zusammenraufte und sich außerdem mit Drumriese Gene Hoglan (u.a. ex-Dark Angel) verstärkte. Den Bass spielt kein geringerer als der ehemalige Dark Angel Viersaiter Mike Gonzales. Und auch wenn der zu Dark Angels "Leave Scars" und "Time Does Not Heal"-Line-Up gehörende Brett Eriksen es leider nicht zurück zur Band schaffte, so ist es doch wenigstens Ron Eriksen am Gesang und der Gitarre, der das angedachte neue Studioalbum der Band aus Los Angeles ziemlich nah an ein (neues) Dark Angel-Album heranrücken lässt. Wie es ein Kommentar auf Youtube ganz richtig schrub:
"Probably the closest thing we'll get to a new Dark Angel album."
Die vorab präsentierten Rough Mixes von zwei neuen Tracks lassen den Old Schooler aufatmen: noch ist eine Plastikproduktion weit und breit nicht in Sicht und man kann nur die Daumen drücken, dass sich Viking nicht an dem Fehler der Kollegen von Heathen orientieren, die nach einem gandenlos guten Demo aus dem Jahr 2005 eine aufgespritzte Botox-Produktion für ihr Comebackalbum wählten und es, wenn auch nicht ausschließlich damit, ziemlich unerträglich werden ließen - die Songs waren immerhin auch ganz schön mittelprächtig.
Auch wenn also die vergangenen Reunionalben von alten Helden wie Forbidden, Heathen und meinetwegen ja auch gerne die seit 2004 an trüber Verredneckisierung leidenden Exodus, es eher ganz flüssig in die Leinenhose laufen ließen, und ich diesbezüglich mittlerweile mehr als vorsichtig geworden bin, steht der Zeiger für eine neue Platte von Viking bislang noch auf einem satten grün. Als Beweis füge ich den neuen Track "An Ideal Opportunity" hier ein.
Eine kleine Anmerkung am Rande: ob der Anfang der 1990er Jahre zum wiedergeborenen Christen "konvertierte" Ron Eriksen (ein Schicksal, das er übrigens mit Dark Angel-Sänger Ron Rinehart teilen musste - die Parallelen zwischen beiden Bands sind ja schon fast beängstigend) gleich einem offensichtlich lobotomierten Dave Mustaine textlich und, was noch schlimmer wäre, ideologisch ins Jahr 8000 vor Christus zurückgeplumpst ist, weiß ich noch nicht. Ich will's allerdings herausfinden, ich will so eine Scheiße schließlich nicht hören.
08.04.2013
Käse & Kopfnicken
MISTER JASON - SON OF FRANKENSTEEZ
"Son Of Frankensteez" ist das Follow-Up zum 2011er "Frankensteez"-Album des Bostoner Rappers Mister Jason. Auf elf Tunes remixen sich J-Zone, DJ Format, The Herbaliser und noch eine gute Handvoll mehr MCs wie Nabo Rawk, K-No Supreme, Rain, CheckMark und General Stoor sowohl durch Songs des Albums, als auch durch drei neue Cuts. Höchste Zeit, dass ich darüber mal ein paar Worte verliere, da der Mann in Deutschland ganz offensichtlich noch ein fast vollständig unbeschriebenes Blatt ist. Ein Umstand, der sich durch diesen Post natürlich grundlegend ändern wird. Beziehungsweise Rabimmel, Rabammel, Rabumm.
Ich wurde erstmals durch ein virtuelles Mixtape des Ghettoblaster Magazins auf Mister Jason aufmerksam. Es war ein Samstagmorgen, es war Sommer, und
Was mich nun auch bei dieser saucoolen Platte pures Rosenwasser urinieren lässt: Mister Jason hat mit dem leider immer noch aktuellen Gangsta Hip Hop und dieser Frechheit, die sich tatsächlich und ebenfalls immer noch R'n'B nennen darf, nichts am Gemächt, quatsch, Hut. Die Wahrheit ist, dass ein großer Schöpflöffel eine angemessen scharfe Jazz-, Beat-, Funk- und Soul-Suppe umrührt, die mich an erster Stelle an die durchgeknallte Son Of Bazerk-Truppe aus der güldenen HüpHöp Zeit Anfang der neunziger Jahre erinnert. Der Humor und die Selbstironie, die sich ja auch im verlinkten Video zeigen, ist das vielzitierte Salz in dieser Suppe und auch die dem grünen Vinyl beigelegte Frankenstein Gesichtsmaske zeigt: in einer Szene, die zum Lachen in den Keller geht, nimmt sich der Kerl hier nicht allzu ernst. Und das das muss man feiern. Ich tu's, denn der Kram ist heiß und sexy.
Erschienen auf Fort Point, 2012.
04.04.2013
Neunziger (7)
SECRECY - ART IN MOTION
Platten neu erleben, Teil 179. Weil manches eben ein bisschen länger dauert.
An einem späten Sonntagabend im Jahr 1990 hörte ich erstmals von Secrecy. Als sich der Hessische Rundfunk noch eine "Hard'n'Heavy" betitelte Themensendung im Programm leistete und sich die deutsche Metalprominenz ins Studio holte. An diesem Abend war es der damalige ex-Destruction Bassist und Sänger Schmier, der sein erstes Headhunter-Album "Parody Of Life" vorstellen durfte und auch noch während der restlichen Musikauswahl von Moderator Till Hofmeister auf Sendung blieb. Hofmeister schob, nachdem eigentlich schon alles gesagt war, das Debut von dieser Combo aus Bremen in den CD-Schacht, ließ das epische "Last Of The Dynasty" über den Äther marschieren, und Schmier rumpelte nach diesen sieben Minuten "S...sehr gute Band. Sehr, sehr gute Band. Gute Band." ins Mikrofon. "Last Of The Dynasty" war vielleicht ein bisschen cheesy und die Stimme von Peter Dartin war durchaus gewöhnungsbedürftig, aber diese Melodien! Diese Breaks! Diese Komplexität! Ich kaufte die CD wenig später, und ich muss aus heutiger Sicht zugeben: ich war dafür noch eine Spur zu jung. Ich mochte "Art In Motion" und ich habe die Platte auch ausgiebig gehört, aber so richtig geschnallt habe ich sie nicht.
Was mir eigentlich erst vor drei Wochen aufgefallen ist, als ich das Vinyl im Plattenladen für lumpige acht Euro herumstehen sah und nicht widerstehen konnte. Die CD hatte ich beim Großreinemachen vor ein paar Jahren verkauft, aber ich hatte wieder Bock auf die Platte - und schon beim ersten Anhören hat sie mich förmlich weggeblasen. Buben, Mädels: das war 'ne deutsche Band, ne?! Im Jahr 1990! Da hatten die deutschen Fußballspieler und Weltmeister noch Oberlippenbärte und galten als sexy. Und die Jungs hier kamen noch dazu - no offense! - aus Bremen.
Über Karl-Uwe Walterbach und sein Noise-Label lässt sich zweifellos das ein oder andere Sujet diskutieren, auf sein überaus feinsensoriertes Näschen für geilen, neuen, frischen Stoff lasse ich hingegen nichts kommen. Secrecy bauten ihre Musik auf einem verproggten Speed/Power Metal Fundament auf, das völlig untypisch für die damalige Zeit weniger bis gar nicht an die anderen teutonischen Metalbands wie Helloween, Running Wild oder Grave Digger erinnerte, sondern tatsächlich an US-amerikanischen Power Metal von Sanctuary und Fates Warning einerseits und an der Sucht nach Melodien von Iron Maiden andererseits angelehnt war. Der wahre Clou dieser Band war aber der bereits erwähnte Mann am Mikrofon: Peter Dartins Gesangsstimme und seine Akzentuierung waren sehr ungewöhnlich, seine Melodien waren vom Naheliegenden auch ganze Universen entfernt, aber dass der Kerl überhaupt darauf kam, über dieses verworrenene, komplizierte Riffgewurschtel im Hintergrund diese großen, opulenten Melodiebögen zu singen und was diese dann mit dem Charakter der Musik anstellten: da ziehe ich meinen Hut, beziehungsweise die Hose beziehungsweise: aus. Ich erkenne das erst ächzend langsam, aber je öfter ich "Art In Motion" höre, desto deutlicher wird, wie großartig und ideenreich diese Musik war.
Achtung jetzt, Flo lehnt sich aus dem Fenster: eines der fünf besten deutschen Metalalben aller Zeiten.
Erschienen auf Noise Records, 1990.
An einem späten Sonntagabend im Jahr 1990 hörte ich erstmals von Secrecy. Als sich der Hessische Rundfunk noch eine "Hard'n'Heavy" betitelte Themensendung im Programm leistete und sich die deutsche Metalprominenz ins Studio holte. An diesem Abend war es der damalige ex-Destruction Bassist und Sänger Schmier, der sein erstes Headhunter-Album "Parody Of Life" vorstellen durfte und auch noch während der restlichen Musikauswahl von Moderator Till Hofmeister auf Sendung blieb. Hofmeister schob, nachdem eigentlich schon alles gesagt war, das Debut von dieser Combo aus Bremen in den CD-Schacht, ließ das epische "Last Of The Dynasty" über den Äther marschieren, und Schmier rumpelte nach diesen sieben Minuten "S...sehr gute Band. Sehr, sehr gute Band. Gute Band." ins Mikrofon. "Last Of The Dynasty" war vielleicht ein bisschen cheesy und die Stimme von Peter Dartin war durchaus gewöhnungsbedürftig, aber diese Melodien! Diese Breaks! Diese Komplexität! Ich kaufte die CD wenig später, und ich muss aus heutiger Sicht zugeben: ich war dafür noch eine Spur zu jung. Ich mochte "Art In Motion" und ich habe die Platte auch ausgiebig gehört, aber so richtig geschnallt habe ich sie nicht.
Was mir eigentlich erst vor drei Wochen aufgefallen ist, als ich das Vinyl im Plattenladen für lumpige acht Euro herumstehen sah und nicht widerstehen konnte. Die CD hatte ich beim Großreinemachen vor ein paar Jahren verkauft, aber ich hatte wieder Bock auf die Platte - und schon beim ersten Anhören hat sie mich förmlich weggeblasen. Buben, Mädels: das war 'ne deutsche Band, ne?! Im Jahr 1990! Da hatten die deutschen Fußballspieler und Weltmeister noch Oberlippenbärte und galten als sexy. Und die Jungs hier kamen noch dazu - no offense! - aus Bremen.
Über Karl-Uwe Walterbach und sein Noise-Label lässt sich zweifellos das ein oder andere Sujet diskutieren, auf sein überaus feinsensoriertes Näschen für geilen, neuen, frischen Stoff lasse ich hingegen nichts kommen. Secrecy bauten ihre Musik auf einem verproggten Speed/Power Metal Fundament auf, das völlig untypisch für die damalige Zeit weniger bis gar nicht an die anderen teutonischen Metalbands wie Helloween, Running Wild oder Grave Digger erinnerte, sondern tatsächlich an US-amerikanischen Power Metal von Sanctuary und Fates Warning einerseits und an der Sucht nach Melodien von Iron Maiden andererseits angelehnt war. Der wahre Clou dieser Band war aber der bereits erwähnte Mann am Mikrofon: Peter Dartins Gesangsstimme und seine Akzentuierung waren sehr ungewöhnlich, seine Melodien waren vom Naheliegenden auch ganze Universen entfernt, aber dass der Kerl überhaupt darauf kam, über dieses verworrenene, komplizierte Riffgewurschtel im Hintergrund diese großen, opulenten Melodiebögen zu singen und was diese dann mit dem Charakter der Musik anstellten: da ziehe ich meinen Hut, beziehungsweise die Hose beziehungsweise: aus. Ich erkenne das erst ächzend langsam, aber je öfter ich "Art In Motion" höre, desto deutlicher wird, wie großartig und ideenreich diese Musik war.
Achtung jetzt, Flo lehnt sich aus dem Fenster: eines der fünf besten deutschen Metalalben aller Zeiten.
Erschienen auf Noise Records, 1990.
02.04.2013
Tout Nouveau Tout Beau (7)
FUNCTION - INCUBATION
Function aka David Sumner stammt weniger aus dem Sandwell District-Dunstkreis, als viel mehr direkt aus deren Epizentrum und hat mich durch mehrere Maxis das ein oder andere Mal ziemlich um den Finger wickeln können. Sein Debutalbum über Ostgut Ton führt diese Serie großzügig fort, denn ich zappelte schon nach vierdreifünftel Sekunden des noch umschmeichelnden Openers "Voiceprint" am Haken. Der Drive der folgenden Stücke ist geradezu unmenschlich, fast schon schmerzhaft. Function hetzt mich von einer dunklen, abgeranzten Gasse in die nächste, die Tunes sind unbehaglich und wirken gestresst. Hier regiert nicht die Tiefe und die Wärme, hier regiert der eiserne Groove und die verdammte Bassdrum, die wie ein Vorschlaghammer alles kaputtdotzt.
Wenn Voivod Science Fiction Metal sind, dann ist Function Science Fiction Techno. Es sollte schon mit Erika Steinbach zugehen, wenn "Incubation" im Jahr 2013 noch von einem anderen Technoalbum abgefangen werden würde. Kinder, wo sind die Drogen?
HANNIBAL MARVIN PETERSON - THE TRIBE
Das Amsterdamer Label Kindred Spirits hat mit "The Tribe" einen verschollen geglaubten Schatz geborgen. Das Debutalbum des Trompeters Hannibal Marvin Petersons sollte ursprünglich 1979 veröffentlicht werden, es erschienen aber nie mehr als eine Handvoll Testpressungen, die in den letzten drei Dekaden bei Sammlern bizarre Werte im viertselligen Bereich erzielten. Das Album, aufgenommen mit Hilfe eines 13 köpfigen Kollektivs, gilt als vergessene Perle des Spiritual Jazz im Zeichen der bedeutenden Pharaoh Sanders, Alice Coltrane und Rashied Ali-Werke aus den siebziger Jahren. Wenngleich anschmiegsamer als die genannten Vergleiche, groovt der Tribe sehr ordentlich und angemessen benebelt durch fünf Aufnahmen, die bedeutend weniger tranig sind, als man das bei bloßer Genrebezeichnung im Ohr haben könnte.
Vergleiche mit Max Roachs "We Insist!"-Album, sowohl den Schmerz als auch die Extravaganz betreffend, sind durchaus legitim.
Erschienen auf Kindred Spirits, 2013.
DEXTER STORY - SEASONS
Bock auf geile Hippiegedröhnschunkelei, live von der Strandpromenade in Los Angeles, auf Rollschuhen, mit Blumen im Haar, Love'n'Peace, Wärme, Sonnenstrahlen, Vanilleeis und leichte Lektüre aus der Harlem Renaissance? Dann muss "Seasons" unser aller Sommerplatte des Jahres 2013 werden, und ich kann es ehrlich gesagt gar nicht erwarten, dieses Album zu den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings zu hören.
Is it smooth? Hell yeah! Is it warm? You bet! Ist es banal oder cheesy? Not a friggin' second. Das farbenfrohe und positive Cover weist schon darauf hin, was es hier gibt: tiefenentspannte, emotionale, lebensfrohe Soulmusik.
Kann es jetzt bitte endlich, endlich, endlich Sommer werden? Fick' dich weg, Winter!
Erschienen auf Kindred Spirits, 2013.
Labels:
Berlin,
chicago,
DJ,
Electronica,
Folk,
Funk,
House,
Jazz,
Nacht,
Neue Besen,
Pop,
Prince,
Psychedelic,
Soul,
Techno
30.03.2013
Don Johnson, 1983
GOLDEN DONNA - GOLDEN DONNA
Der Herzallerliebsten zerrte das Debut des Synthie-Wizards Joel Shanahan hier und da ordentlich an den Nerven. Meine Verblüffung darüber war mir wohl deutlich anzusehen, denn ich hätte Golden Donna nie als Stressmusik einsortiert, tatsächlich tat ich genau das Gegenteil. Für mich war dieser funkelnde, musikgewordene Sonnenuntergang von Beginn an ein durchaus besinnlicher Ort. Das ist womöglich so eine Jean Michel Jarre-Reminiszenz, denn für mich ist der scheinbar niemals abbrechende Fluss an Melodien, Formen und Farben schon fast unter Ambient abgespeichert. Selbst wenn der dezent unruhige, slickende Beat vom Highlight "Shifter" einen ja sogar auf die Tanzfläche schleudern kann. Wenn nicht gar muss.
Was darüber hinaus über dieser Musik schwebt, ist ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein, aus dem sich eine leuchtende Aura von Kraft und Kontrolle emporschlängelt. "Golden Donna" klingt wie in Stein gemeißelt, zusätzlich konserviert mit dem absoluten Willen zur Umsetzung einer Vision. So eine Platte schraubt man nicht zusammen, wenn man sich nebenbei ein Leberwurstbrot schmiert. "Infinite Earth" kratzt an spirituellen New Age-Wolkenladschaften, "Paulding Light" schreit nach ausgefransten Jeansshorts, braun getönter Pornobrille, Oberlippenbart und San Francisco im Jahr 1983. Niemals beliebig, immer aufmerksam. 30 Minuten Drachenfliegen auf der Couch. Oder im Bett. Oder in der Badewanne.
Was darüber hinaus über dieser Musik schwebt, ist ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein, aus dem sich eine leuchtende Aura von Kraft und Kontrolle emporschlängelt. "Golden Donna" klingt wie in Stein gemeißelt, zusätzlich konserviert mit dem absoluten Willen zur Umsetzung einer Vision. So eine Platte schraubt man nicht zusammen, wenn man sich nebenbei ein Leberwurstbrot schmiert. "Infinite Earth" kratzt an spirituellen New Age-Wolkenladschaften, "Paulding Light" schreit nach ausgefransten Jeansshorts, braun getönter Pornobrille, Oberlippenbart und San Francisco im Jahr 1983. Niemals beliebig, immer aufmerksam. 30 Minuten Drachenfliegen auf der Couch. Oder im Bett. Oder in der Badewanne.
"Just try it man, just try."(Phil Rind).
Erschienen auf NotNotFun, 2012.
Erschienen auf NotNotFun, 2012.
29.03.2013
Verstolpert
Es geht mich nichts an und ich möchte das alles nicht überbewertet wissen, obwohl ja doch schon so irgendwie, zumal die Frage durchaus mal gestellt gehört, weil also: Stifte raus, aufpassen:
Pearl Jam!
Was GENAU ist eigentlich zwischen 1992 und 2000 mit dieser Band passiert?
Derselbe Song, dieselbe Bühne, dasselbe Land - aber eine komplett andere Band. Obwohl's (fast) die gleiche ist.
1992: Feuer!!! Da hat die Erde gebebt. Und Vedder auch.
2000: Blasenkatheter!!! Diese Drogen. Dieser Alkohol. Oder dieses Geld. Diese alten Knochen. Diese Bocklosigkeit. Und dieses Mitwippen von McCready. Dieses Sologewichse.
Bevor jemand motzt: Roskilde war nach Pinkpop 2000. Nur so.
Pearl Jam!
Was GENAU ist eigentlich zwischen 1992 und 2000 mit dieser Band passiert?
Derselbe Song, dieselbe Bühne, dasselbe Land - aber eine komplett andere Band. Obwohl's (fast) die gleiche ist.
1992: Feuer!!! Da hat die Erde gebebt. Und Vedder auch.
2000: Blasenkatheter!!! Diese Drogen. Dieser Alkohol. Oder dieses Geld. Diese alten Knochen. Diese Bocklosigkeit. Und dieses Mitwippen von McCready. Dieses Sologewichse.
Bevor jemand motzt: Roskilde war nach Pinkpop 2000. Nur so.
26.03.2013
The Idiot Whisperer
"If it wasn't about race, y'know, if it was really about what the Tea Party says their issue is – deficits – who ran up all that debt? Bush! Where was the Tea Party then? The two wars we put on the credit card, the prescription drug program that wasn't paid for, the tax cuts that weren't paid for, where were they then? *crickets!* But as soon as President Nosferatu took office, then, suddenly, debt is intolerable. I think there's just something they don't like about him... I cannot put my finger on what it is... Just some way he's not like them... Skinny! That's probably what it is. He's skinny, and that's why they hate him... Oh, and also that he's a Muslim socialist out to destroy America and wave his African wonder-schlong in your daughter's face."
(Bill Maher)
"In America, if a Democrat even thinks you’re calling him liberal he grabs an orange vest and a rifle and heads into the woods to kill something."(Bill Maher)
"It doesn't mean I always agree with him. I always find him funny, though."
(Fareed Zakaria)
Seit Wochen klicke ich mich nun schon durch das Youtube Universum von Bill Maher, einem US-amerikanischen Moderator, Film- und Fernsehproduzenten, Schriftsteller, Schauspieler und Comedian, der gerade in den vergangenen Monaten durch seine öffentlich ausgetragene Fehde mit Milliardär Donald Trump einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Trump, von der Wiederwahl Obamas mental noch geschwächter als jemals zuvor, besteht weiterhin darauf, den Präsidenten der Vereinigten Staaten solange nicht als US-amerikanischen Bürger zu akzeptieren, bis eben dieser nicht seine Geburtsurkunde veröffentlicht (was er de facto im April 2011 tat, man muss halt nicht alles verstehen). Maher teilte in seiner wöchentlichen Talkshow Realtime with Bill Maher seinem Publikum mit, Trump möge dann doch bitte ebenfalls beweisen, dass er nicht das uneheliche Kind eines Orang-Utan Paares sei. Die Haare, das Gesicht, das Ergebnis läge ja wohl eindeutig auf der Hand. Trump drohte anschließend damit, Maher auf 5 Millionen Dollar Schadensersatz oder Schmerzensgeld oder Pimmelvergrößerungszuschuss zu verklagen, sollte der linksliberale Stalinistenhitler Maher dem Gehirnbotoxopfer Trump keine Entschuldigung unter die orangefarbene Haarmütze schummeln. So kommt man halt in die Zeitung. Und zu Fox News. Und zu einem einstelligen IQ. Und wo wir gerade bei geistigen Unzulänglichkeiten sind: Maher verlor im Sommer 2002 seine damalige Sendung "Politically Incorrect", weil er in einer Episode den folgenden Kommentar zu den Vorkomnissen am 11.September 2001 abgab:"We have been the cowards. Lobbing cruise missiles from two thousand miles away. That's cowardly. Staying in the airplane when it hits the building. Say what you want about it. Not cowardly."
"Free speech, Baby."(Kory Clarke)
Ich dürfte es mir im Grunde gar nicht erlauben, die amerikanische Mentalität, Kultur, Lebensweise, Politik, Gesellschaft, Klospülung und die Farbe dieses Zeugs, das sie offensichtlich Käse nennen, zu kommentieren. Ich war noch nie da, ich will da auch nicht hin - da schau' her, hier blüht die Ignoranz! - im Prinzip dürfte mich das alles so kalt lassen wie angestrullten Löwenzahn zu lutschen. Und dennoch greift hier wohl das System "Autounfall": es gibt Sachen, die darf's gar nicht geben. Und die will man eigentlich auch nicht sehen, aber so ganz weggucken geht eben auch nicht. Ich bin zwar meinetwegen schwach, aber ich liebe es zu Lachen. Und der Mann bringt mich unentwegt zum Lachen. Bill Maher, inhaltlich insbesondere in seinem andauernden Kampf gegen die Religion mit dem leider verstorbenen George Carlin durchaus eng verbunden, decouvriert die größten Absurditäten eines gesellschaftlich und politisch gespaltenen Landes mit so viel Witz und so großer Klarheit, dass es mir hiermit ähnlich ergeht wie mit den großen einheimischen Beobachtern Georg Schramm oder Hagen Rether. Maher zieht in erster Linie und mit Vorliebe die republikanische Partei nebst ihrer Nebentischveranstaltung Tea Party durch einen ganzen Ozean aus Kakao. Ihr Rassismus, ihre Respektlosigkeiten, ihre Homophobie, ihre Clownsfiguren aus Texas und Alaska und deren Ignoranz sind fester Bestandteil seiner Auftritte. Und diese Religion! Er enttauft in seiner Talkshow Mitt Romneys toten Schwiegervater, zu seinen Lebzeiten ein glühender Wissenschaftler, der das Konzept von Religion zwar vehement ablehnte, 14 Monate nach seinem Ableben aber in einem mormonischen
Ritual postmortem getauft wurde ("They tried to do it sooner but he wouldn't stop spinning in his grave."). Er greift den alten Pro-Drogen-Appell des Comedy-Meisters Bill Hicks auf, nach dem wir den Drogen einiges zu verdanken haben, und alleine die Existenz von "Dark Side Of The Moon" sei "100 dead kids" wert, die dem "slippery slope" vom Haschrauchen zur Überdosis zum Opfer fielen. Maher ist selbst bekennender Pot-Raucher ("In the Old Testament more people were getting stoned than in my jacuzzi.") und erzählte erst kürzlich bei seinem Besuch der Talkshow von Conan o'Brian, wie er sich zum Jahreswechsel auf Hawaii zusammen mit seinem Kumpel Woody Harrelson den Vorhang zuzog. Einig werden sich die beiden Herren wohl auch beim gemeinsamen Mittagessen gewesen sein: Maher ist Vorstandsmitglied der Tierrechtsorganisation PETA und lebt nach roher und veganer Diät, beißt aber nach eigener Aussage auch mal in einen Hamburger, wenn es nicht anders geht, Harrelson ist ebenfalls Roh-Veganer.
Wer neugierig geworden ist, möge sich die beiden auf Youtube verfügbaren Programme anschauen:
I'm Swiss (aus dem Jahr 2005, zur Amtszeit von George "Larry, the cable guy" Bush):
Crazy Stupid Politics (aus dem Jahr 2012, mit einer Überraschung am Ende):
Leider sind die beiden großartigen Sets "The Decider"(2007) und "But I'm Not Wrong"(2010) von Youtube wegen Urheberrechtsverletzungsscheiß entfernt worden, hier muss also im Zweifel eine DVD helfen.
24.03.2013
Nach Oben Graben
REPETITION/DISTRACT - SALLES DES PERDUS
Der Trick ist, das ganz große Bild in den Blick zu bekommen. Und sich nicht ablenken zu lassen. Keine Rückschlüsse, keine Interpretation, und bitte keine Erläuterungen. Aber auch wenn die Versuchung groß ist, sich im Kleinen und Trivialen zu verlieren, der Fluss fließt immer weiter, so oder so. Beziehungsweise, er sucht sich gerade dann neue Wege, wenn sich die Gelassenheit gegen die Verbissenheit durchgesetzt hat. Daraus ergibt sich die wundersamste Entdeckung auf "Salles Des Perdus", die Erkenntnis, dass es da etwas gibt, das manchmal schlicht nicht sichtbar ist. Und manchmal liegt es ganz naiv vor den Ohren herum.
Ich erinnere mich meine Verwirrung, als ich "Salles Des Perdus" zum ersten Mal hörte. Während der ersten Minuten blieb ich immer an konkreten, vielleicht auch bekannten Geräuschen stecken, schreckte hoch, runzelte die Stirn. Was ich nicht identifizieren konnte, musste umgehend identifiziert werden - das ist ungewöhnlich, weil ich mir ansonsten weder Gedanken um das "Wie"?" noch um das "Was?" mache. Als dann bei späteren Hördurchgängen plötzlich zwischen der Weite und dem Raum tatsächlich die Welle durchbrach und einen tief liegenden, verschleierten Groove freilegte, wuchs mit einem Wimpernschlag die ganze Platte über sich hinaus.
"Salles Des Perdus" ist letzten Endes eine abstrakte, entgegengesetzte Konstruktion klassischer Musik. Der Weg, den es beschreitet ist dabei nicht der einfachste: die subtilen Verschiebungen in Stimmung und Ton sind hinter den zerkratzten Schaufenstern kahler und verlassener Ruinen fast nicht wahrnehmbar und stehen erst dann geradewegs monumental im Raum, wenn man den berühmten Schritt zur Seite geht und die Musik in Ruhe voranschreiten lässt. Zum Ausbreiten, zum Fließen, zum Atmen. Was ich hiermit folgerichtig auch ausdrücklich empfehle.
Erschienen auf Weevil Neighbourhood, 2012.
Ich erinnere mich meine Verwirrung, als ich "Salles Des Perdus" zum ersten Mal hörte. Während der ersten Minuten blieb ich immer an konkreten, vielleicht auch bekannten Geräuschen stecken, schreckte hoch, runzelte die Stirn. Was ich nicht identifizieren konnte, musste umgehend identifiziert werden - das ist ungewöhnlich, weil ich mir ansonsten weder Gedanken um das "Wie"?" noch um das "Was?" mache. Als dann bei späteren Hördurchgängen plötzlich zwischen der Weite und dem Raum tatsächlich die Welle durchbrach und einen tief liegenden, verschleierten Groove freilegte, wuchs mit einem Wimpernschlag die ganze Platte über sich hinaus.
"Salles Des Perdus" ist letzten Endes eine abstrakte, entgegengesetzte Konstruktion klassischer Musik. Der Weg, den es beschreitet ist dabei nicht der einfachste: die subtilen Verschiebungen in Stimmung und Ton sind hinter den zerkratzten Schaufenstern kahler und verlassener Ruinen fast nicht wahrnehmbar und stehen erst dann geradewegs monumental im Raum, wenn man den berühmten Schritt zur Seite geht und die Musik in Ruhe voranschreiten lässt. Zum Ausbreiten, zum Fließen, zum Atmen. Was ich hiermit folgerichtig auch ausdrücklich empfehle.
Erschienen auf Weevil Neighbourhood, 2012.
17.03.2013
"Engage!"
VOIVOD - TARGET EARTH
Zum vermeintlich letzten Voivod Album "Infini" aus dem Jahr 2009 schrub ich noch "Der Delta-Quadrant Macht Das Licht Aus", nun knipst der Voivod das Licht wieder an: knappe acht Jahre nach dem Tod ihres Gitarristen Piggy haben sich die drei verbliebenen Herren Away, Blacky und Snake mit ihrem Freund Chewy (Dan Mongrain) zusammengetan, um an eine der tragischsten Geschichten des Heavy Metal weiter zu stricken.
Das Offensichtlichste vorab: "Target Earth" hat ein wunderbares Cover, für das alleine sich die Vinylversion schon lohnt. Das zweitoffensichtlichste folgt umgehend: "Target Earth" orientiert sich erstmals seit der Wiedervereinigung mit Sänger Snake wirklich an der "Killing Technology" / "Dimension Hatröss" / "Nothingface" / "Angel Rat"-Phase der Kanadier; das steht also ab heute nicht mehr nur in den Notizblöcken von verwahrlosten Musikjournalisten, die sich die letzten drei Scheiben ganz offensichtlich gar nicht mehr angehört haben. Der Rock'n'Rollige Ansatz aus den letzten 10 Jahren ist damit weitgehend verschwunden. Was mir persönlich ja ganz gut gefällt. Das drittoffensichtlichste: der Voivod agiert aus nachvollziehbaren Gründen mit dem neuen Mann an der Gitarre deutlich inspirierter als zuletzt. Nicht nur, dass Mongrain auf der Bühne, also bei den alten Klassikern der Band, Piggy nahezu in Perfektion wieder auferstehen lässt, er hat auch für "Target Earth" das verschachtelte Spiel des "Master Of The Riff" überaus gekonnt adaptiert. "Target Earth" beweist damit, dass ein Voivod-Leben nach Piggy tatsächlich möglich ist. Und ganz ehrlich: ich hätte es nicht geglaubt. Was man schon bei seinen Liveauftritten in den letzten Jahren mit der Band erkennen konnte, ergänzt sich mit seinen Ideen für das neue Album: der Typ ist ein wahnsinnig guter Gitarrist.
An ihm liegt es also nicht, dass ich für den Moment übersichtlich euphorisch bin. So schön es auch ist, dass das Quartett wieder verspielter, meinetwegen auch härter, aber in erster Linie komplexer geworden ist, so auffällig ist einerseits der müde Nebel des Alters über den Kompositionen, die nicht immer und jederzeit so richtig taufrisch und auf den Punkt gespielt wirken. Zum anderen ist da immer noch das vielleicht größte Manko seit "Phobos": Voivod erfinden sich einfach nicht mehr neu. Ich kann ihnen das im Grunde gar nicht übelnehmen, die großen, wilden Zeiten, in denen man aus einem inneren Drang heraus Musik machen musste, weil man sonst innerlich verbrannt wäre, sind bei den meisten Musikern einfach vorbei, wenn man, wie die drei alten Hasen hier, die Schwelle der 50 Lebensjahre schon hinter sich gelassen hat. Und wenn ich so darüber nachdenke: wie verschissen arrogant und altklug kann man über eine seiner Lieblingsbands schreiben?
Dennoch ist die Phase ein für alle Mal vorbei, in der die Band volles Risiko ging und damit auch Gefahr lief, es sich mit ihren Fans so richtig grandios zu verscherzen. Das ist nun nach 15 Jahren echt nichts Neues mehr, aber ich komme irgendwie nicht so recht drüber weg. Ich alte Schachtel.
Da sich "Target Earth" zur Zeit aber ganz prima entwickelt und sich in den letzten Tagen, nach etwa 10, 12 Durchläufen, bedeutend besser schlägt als noch zu Beginn unserer gemeinsamen Beziehung, lassen wir also mal Fünfe gerade sein. Ist eigentlich ganz schön, dass die Platte das Licht der Welt erblickt hat.
Erschienen auf Century Media, 2013.
Das Offensichtlichste vorab: "Target Earth" hat ein wunderbares Cover, für das alleine sich die Vinylversion schon lohnt. Das zweitoffensichtlichste folgt umgehend: "Target Earth" orientiert sich erstmals seit der Wiedervereinigung mit Sänger Snake wirklich an der "Killing Technology" / "Dimension Hatröss" / "Nothingface" / "Angel Rat"-Phase der Kanadier; das steht also ab heute nicht mehr nur in den Notizblöcken von verwahrlosten Musikjournalisten, die sich die letzten drei Scheiben ganz offensichtlich gar nicht mehr angehört haben. Der Rock'n'Rollige Ansatz aus den letzten 10 Jahren ist damit weitgehend verschwunden. Was mir persönlich ja ganz gut gefällt. Das drittoffensichtlichste: der Voivod agiert aus nachvollziehbaren Gründen mit dem neuen Mann an der Gitarre deutlich inspirierter als zuletzt. Nicht nur, dass Mongrain auf der Bühne, also bei den alten Klassikern der Band, Piggy nahezu in Perfektion wieder auferstehen lässt, er hat auch für "Target Earth" das verschachtelte Spiel des "Master Of The Riff" überaus gekonnt adaptiert. "Target Earth" beweist damit, dass ein Voivod-Leben nach Piggy tatsächlich möglich ist. Und ganz ehrlich: ich hätte es nicht geglaubt. Was man schon bei seinen Liveauftritten in den letzten Jahren mit der Band erkennen konnte, ergänzt sich mit seinen Ideen für das neue Album: der Typ ist ein wahnsinnig guter Gitarrist.
An ihm liegt es also nicht, dass ich für den Moment übersichtlich euphorisch bin. So schön es auch ist, dass das Quartett wieder verspielter, meinetwegen auch härter, aber in erster Linie komplexer geworden ist, so auffällig ist einerseits der müde Nebel des Alters über den Kompositionen, die nicht immer und jederzeit so richtig taufrisch und auf den Punkt gespielt wirken. Zum anderen ist da immer noch das vielleicht größte Manko seit "Phobos": Voivod erfinden sich einfach nicht mehr neu. Ich kann ihnen das im Grunde gar nicht übelnehmen, die großen, wilden Zeiten, in denen man aus einem inneren Drang heraus Musik machen musste, weil man sonst innerlich verbrannt wäre, sind bei den meisten Musikern einfach vorbei, wenn man, wie die drei alten Hasen hier, die Schwelle der 50 Lebensjahre schon hinter sich gelassen hat. Und wenn ich so darüber nachdenke: wie verschissen arrogant und altklug kann man über eine seiner Lieblingsbands schreiben?
Dennoch ist die Phase ein für alle Mal vorbei, in der die Band volles Risiko ging und damit auch Gefahr lief, es sich mit ihren Fans so richtig grandios zu verscherzen. Das ist nun nach 15 Jahren echt nichts Neues mehr, aber ich komme irgendwie nicht so recht drüber weg. Ich alte Schachtel.
Da sich "Target Earth" zur Zeit aber ganz prima entwickelt und sich in den letzten Tagen, nach etwa 10, 12 Durchläufen, bedeutend besser schlägt als noch zu Beginn unserer gemeinsamen Beziehung, lassen wir also mal Fünfe gerade sein. Ist eigentlich ganz schön, dass die Platte das Licht der Welt erblickt hat.
Erschienen auf Century Media, 2013.
14.03.2013
Clive Burr - 8. März 1957 - 12. März 2013
Tschüss, Clive. Dein Schlagzeugeinsteig bei "The Prisoner" brachte mich zu Iron Maiden und zum Metal.
Und nach Deinem Ausstieg waren Maiden einfach eine andere Band.
13.03.2013
Dunkelstadt
STEVEN R. SMITH - CITIES
Das Dusted Magazin beschreibt Steven R. Smith als "one of America's great hidden artists", und die Tatsache, dass "Cities" trotz fast vierjähriger Familienzugehörigkeit im Plattenregal noch keine Erwähnung auf diesen Seiten gefunden hat, möchte die Aussage geradewegs raketenstramm bestätigen - wäre mein kleines Bloglein eben nicht so, Sie erraten es: klein. Nichtsdestotrotz gehört "Cities" seit seinem Erscheinen zur beliebten Rubrik "Ich lass' Dich niemals wieder los!", und ich verfalle seit Jahren in schmachtende Melancholia, wenn ich nur dieses großartige Coverartwork sehe.
Smith ist seit 1995 in der US-amerikanischen Songwriter/Ambient/Noise-Szene unter einer Armada an Pseudonymen aktiv, außerdem ein Mitglied des Jewelled Antler Kollektivs und seither auf grob geschätzten dreißig Aufnahmen zu finden. Der Mann ist Multiinstrumentalist und weiß also, was er tut - und Halleluja, das hört man. "Cities" ist aus mehreren Gründen eine sehr beeindruckende Platte. Zum einen balanciert sie zwischen den Naturbildern eines Dewey Mahood, zwischen einer rauhen, wilden Zügellosigkeit, und einer ungeheuer intimen, scheuen, fast ambivalent anonymen Verbindung zum Hörer. Ein Husarenritt auf der Rasierklinge, die die Extravaganz von der Introspektion trennt; weniger therapeutisch, sondern tatsächlich als "struktureller Ansatz" (Franz Beckenbauer) einer Musik, die in einem kleinen Häuschen im Moloch von Los Angeles erdacht wurde, und die erkennbar den Kopf aus der ubiquitären Plastiksuppe streckt und die Flügel schwingt. Zum anderen schälen sich aus dem Dickicht aus manchmal schroffem Schubbern von Holz, Stahl und Luft Melodieminiaturen von atemberaubender Schönheit heraus, die im Zeitraffer das wundersame Erwachen bis zur unausweichlichen Vergänglichkeit zeigen. Dass Smith hierbei sehr nuanciert und subtil vorgeht, gleichzeitig aber kräftige emotionale Motive entwirft, die von trüber Urbanität, von der Einsamkeit und gleichzeitig von der Liebe für das Leben erzählen, mildert den Einschlag in die Gefühlswelt etwas ab und lässt uns etwas mehr Luft zum Atmen. In der dunklen Plastiksuppe aus der Stadt der Engel.
Erschienen auf Immune Rcordings, 2009.
Smith ist seit 1995 in der US-amerikanischen Songwriter/Ambient/Noise-Szene unter einer Armada an Pseudonymen aktiv, außerdem ein Mitglied des Jewelled Antler Kollektivs und seither auf grob geschätzten dreißig Aufnahmen zu finden. Der Mann ist Multiinstrumentalist und weiß also, was er tut - und Halleluja, das hört man. "Cities" ist aus mehreren Gründen eine sehr beeindruckende Platte. Zum einen balanciert sie zwischen den Naturbildern eines Dewey Mahood, zwischen einer rauhen, wilden Zügellosigkeit, und einer ungeheuer intimen, scheuen, fast ambivalent anonymen Verbindung zum Hörer. Ein Husarenritt auf der Rasierklinge, die die Extravaganz von der Introspektion trennt; weniger therapeutisch, sondern tatsächlich als "struktureller Ansatz" (Franz Beckenbauer) einer Musik, die in einem kleinen Häuschen im Moloch von Los Angeles erdacht wurde, und die erkennbar den Kopf aus der ubiquitären Plastiksuppe streckt und die Flügel schwingt. Zum anderen schälen sich aus dem Dickicht aus manchmal schroffem Schubbern von Holz, Stahl und Luft Melodieminiaturen von atemberaubender Schönheit heraus, die im Zeitraffer das wundersame Erwachen bis zur unausweichlichen Vergänglichkeit zeigen. Dass Smith hierbei sehr nuanciert und subtil vorgeht, gleichzeitig aber kräftige emotionale Motive entwirft, die von trüber Urbanität, von der Einsamkeit und gleichzeitig von der Liebe für das Leben erzählen, mildert den Einschlag in die Gefühlswelt etwas ab und lässt uns etwas mehr Luft zum Atmen. In der dunklen Plastiksuppe aus der Stadt der Engel.
Erschienen auf Immune Rcordings, 2009.
12.03.2013
Schöne Neue Welt
JOSÉ JAMES - NO BEGINNING NO END
Die Welt scheint gerade ein bisschen wegen des kleinen Kuschelsängers José James auszuflippen, und so gerne ich dabei mitmachen würde: ich kann es nicht. Wirklich nicht. Ich habe es jetzt sechs Wochen versucht, aber "No Beginning No End" ist eine Enttäuschung, gegen die sogar das letzte, selbst nicht ganz fehlerfreie Album "Blackmagic" dasteht wie in Grammy-Gold gegossen.
"No Beginning No End" fehlt das, was es per Genredefinition eigentlich haben sollte: Seele und Tiefgang. Erstens mag ich Josés Stimme wirklich gerne, sie ist smooth wie ein Mango-Lassi, der optimal temperiert durch dein Schallgesims tröpfelt. Aber eines ist sie nicht: variabel. James flüsternölt sich fast gänzlich ohne Abwechslung durch die quälend langen 65 Minuten seines dritten Albums, und dass einer wie sein Entdecker Gilles Peterson den Vergleich mit Gil Scott-Heron heranzieht, und die New York fucking Times dasselbe dann gleich nochmal vom Sticker, der links oben auf dem Album klebt, abschreibt, ist selbst diplomatisch am besten mit "bizarr" beschrieben. Von den Unterschieden in der textlichen Ausrichtung, hier Kuschelfummelbungabunga, da "The first time I heard them talking about trouble in the middle east, I thought they were talking about Pittsburgh.", mal ganz (GANZ!) abgesehen. Zweitens fehlt ebenjene Abwechslung in den Kompositionen, die "Blackmagic" dank Produzenten wie Flying Lotus oder Moodyman liefern konnte. Was auf "No Beginning No End" regiert ist der saloppe Laissez-Faire Schunkelschmuser für eine Nescafe-Latte to go (ganz weit weg) und das macht er gut und richtig und angenehm und säuselnd und wer schnellstmöglich zum Beischlaf mit irgendwem kommen möchte, der legt am besten diese Platte auf. Aber er regiert mit durchgelegenen Betten, verwelkten Rosensträußen und einem Karamell-Knoblauch-Tee, dieser Schunkelschmuser. Und ja, es ist wirklich genau die Soße, nach der es sich wegen meines Geschreibsels gerade anfühlt. Drittens: José ist jetzt bei Blue Note. Und wer auch immer dieses Album produziert hat, es ist so glatt wie eine Bowlingbahn. Vielleicht müssen Platten auf Blue Note glatt wie eine Bowlingbahn klingen, aber ich bekomme auf Bowlingbahnen immer Fußpilz. Also, nicht direkt. Aber dann später.
Vielleicht wird es ja in den hoffentlich sehr bald anstehenden lauen Sommernächten noch etwas mit mir und "No Beginning No End", ich will's nicht ausschließen, denn ich bin José James eigentlich sehr wohlgesonnen und ich mochte seine Platten. Bis dahin bleibt sein Debut "The Dreamer" aus dem Jahr 2008 nachwievor sein tiefstes und damit auch sein bestes Album.
Erschienen auf Blue Note, 2013.
P.S.: Hallo crazy-abgespacete Blue Note-Mitarbeiter: 2013, Downloadcode, anyone? Das ist nun wirklich keine Raketentechnik; das kann man doch mal in Betracht ziehen, kann man nicht? Oder sind die 20 Cent pro Scheibe, die es bei diesen Auflagenzahlen dann erwartbar kosten wird, wirklich und einfach: zuviel? Weil der Shareholdervalue so drückt? Weil es sonst einen Monat keinen Kaffee im Büro gibt? Weil der Chef sonst seine Frau verkaufen muss? Reißt Euch doch mal zusammen.
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