24.03.2013

Nach Oben Graben



REPETITION/DISTRACT - SALLES DES PERDUS

Der Trick ist, das ganz große Bild in den Blick zu bekommen. Und sich nicht ablenken zu lassen. Keine Rückschlüsse, keine Interpretation, und bitte keine Erläuterungen. Aber auch wenn die Versuchung groß ist, sich im Kleinen und Trivialen zu verlieren, der Fluss fließt immer weiter, so oder so. Beziehungsweise, er sucht sich gerade dann neue Wege, wenn sich die Gelassenheit gegen die Verbissenheit durchgesetzt hat. Daraus ergibt sich die wundersamste Entdeckung auf "Salles Des Perdus", die Erkenntnis, dass es da etwas gibt, das manchmal schlicht nicht sichtbar ist. Und manchmal liegt es ganz naiv vor den Ohren herum.

Ich erinnere mich meine Verwirrung, als ich "Salles Des Perdus" zum ersten Mal hörte. Während der ersten Minuten blieb ich immer an konkreten, vielleicht auch bekannten Geräuschen stecken, schreckte hoch, runzelte die Stirn. Was ich nicht identifizieren konnte, musste umgehend identifiziert werden - das ist ungewöhnlich, weil ich mir ansonsten weder Gedanken um das "Wie"?" noch um das "Was?" mache. Als dann bei späteren Hördurchgängen plötzlich zwischen der Weite und dem Raum tatsächlich die Welle durchbrach und einen tief liegenden, verschleierten Groove freilegte, wuchs mit einem Wimpernschlag die ganze Platte über sich hinaus.

"Salles Des Perdus" ist letzten Endes eine abstrakte, entgegengesetzte Konstruktion klassischer Musik. Der Weg, den es beschreitet ist dabei nicht der einfachste: die subtilen Verschiebungen in Stimmung und Ton sind hinter den zerkratzten Schaufenstern kahler und verlassener Ruinen fast nicht wahrnehmbar und stehen erst dann geradewegs monumental im Raum, wenn man den berühmten Schritt zur Seite geht und die Musik in Ruhe voranschreiten lässt. Zum Ausbreiten, zum Fließen, zum Atmen. Was ich hiermit folgerichtig auch ausdrücklich empfehle.

Erschienen auf Weevil Neighbourhood, 2012.

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