Was auch immer das spanische Label Archives im vergangenen Jahr anpackte und also veröffentlichte, es gehörte in meinem Rückspiegel für 2016 zu den bemerkenswertesten Alben des Jahres. Das beginnt bei der Gestaltung der in limitierter Stückzahl - man spricht von etwa 100 Exemplaren pro Titel - angebotenen CDs mit viel ästhetischem Stilempfinden auf die Musik und deren Aussage abgestimmten Artworks, wunderbaren Naturfotos von Wäldern, Pflanzen, Flüssen und Küsten und endet (noch lange nicht) bei der Musik von über die ganze Welt verstreut arbeitenden Künstlern.
Der letztjährige sich in meiner linken Herzkammer abspielende und möglicherweise finale Siegeszug des Ambient wurde nicht zuletzt von Archives im Allgemeinen und "Luxia" im Speziellen angeführt. Manchmal wartet man ja nur auf sowas - diesen einen Moment, der Ohren, Augen und Hosen öffnet und der neue Inspirationen aufsaugt wie ein von jahrelanger Dürre ausgetrockneter kalifornischer Waldboden einen unverhofften Regenguss. Zumindest, wenn die Umstände mitspielen, Set & Setting, und bei mir spielten sie mit. Trotzdem kann ich in diesem Rahmen und bei aller in überdurchschnittlichem Ausmaß vorhandener Selbstreflektion letzten Endes nur spekulieren, warum ich speziell im vergangenen Jahr so oft nur ein leises Säuseln, ein zaghaftes Rascheln, ein friedliches Vogelgezwitscher hören konnte und wollte: mein Geist schrie nach Ruhe. So viel Unruhe, so viel drohender Kontrollverlust, so viel gefühlte Überforderung - da lass' ich mich doch nicht in meiner Freizeit von einem kalten, langhaarigen Stahlbolzen anbrüllen. Oder mir von einem britischen Hipster Saufgeschichten in breitem Cockney-Slang ins Ohr näseln. Oder einer zu lauten Bassdrum aus Technohausen zu viel Aufmerksamkeit schenken.
Ich will ein bisschen Frieden. Eine weiße Gitarre. Und langes, wallendes, mit Timotei auf einer schweizerischen Alm und mit bestem Bergwasser gewaschenes Haar, aus dem sich Ralf Siegel eine Pumuperücke stricken kann.
"Luxia" ist ruhig und beruhigend und lief an so manchem Wochenende über Stunden in Endlosschleife. Angedubbtes, warm gebürstetes Klanggold, das sich um den Nukleus aus weit aufgefächerten Soundscapes wickelt und mit vereinzelten Pianotupfern Struktur im luziden Raum gibt. Ganz besonders beeindruckend: dieser Hauch von intellektueller Kühle und Klarheit in einer ansonsten sehr intimen und weichgezeichneten Umgebung. "Luxia" benötigt keine Rettung aus dem Kitsch, aber es ist gut, ein wenig angedeutete Schärfe zu spüren. Macht klar im Kopf. Befreit den Geist. Macht Spaß zu Hören.
Erschienen auf Archives, 2016.