ORGONE - BEYOND THE SUN
Okay, okay - ich habe mich geirrt. I was wrong. I was sogar fucking wrong. Aber, das sei zu meiner Verteidigung erwähnt: "Beyond The Sun" ist kein einfaches Album.
Das liegt zu einem nicht zu kleinen Teil am Vorgänger "Cali Fever", über den ich schon im Jahr 2012 auf diesem Blog phantasierte, auch mal ein paar Worte verlieren zu können, und wo ich es in vier Jahren schon nicht explizit hinbekam, dann doch eben hier: "Cali Fever" war ein dreckiges, ultracooles Funk- und Fusionalbum mit ungeschlagenem "Die Straßen von San Francisco"-Feeling, enormem Drive und dieser sich aus Freiheit, Abenteuerlust und dem US-amerikanischen Lebensgefühl speisenden Sexiness. Kurz: ich wurde zum Fan, der die Band seitdem mit ausgesprochen überschaubarem Erfolg auf Twitter und Instagram wegen einer wahrscheinlich völlig unmöglichen Deutschlandtournee belästigt.
Als "Beyond The Sun" im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, wäre das eigentlich ein Blindkauf gewesen, allerdings war das Album zunächst nur als Download oder als CD mit gar nicht mal so ansprechendem Artwork erhältlich, und weil ich manchmal bei all meiner dezent durchscheinenden Kontrollsucht ein "Spürle" (Oettinger) balla-balla bin, riskiere ich in einem solchen Fall dann eben doch erstmal ein Öhrchen, bevor ich die 9 Schleifen für zwei Handvoll Dateien bezahle - für das Vinyl hätte ich ohne mit der Reinhör-Wimper zu zucken glatt das dreifache gezahlt. Ich sage nicht, dass ich noch alle Schellen an der Rassel habe, stattdessen sage ich: "Beyond The Sun" konnte mich bis auf das gute Quasi-Titelstück "People Beyond The Sun" so gar nicht überzeugen. Dabei wollte ich die Platte wirklich unbedingt gutfinden, fast um jeden Preis, und jeder der unzähigen Versuche endete im Fiasko: viel zu glatt produziert, den Songs fehlen Tiefe und Seele, so sexy wie Volker Bouffiers Zahnbelag. Keine Hooklines, kein Drive - Was zum fickenden Fick ist denn mit dieser Band passiert? Ich gab entnervt auf, viel zu spät, aber ich ich bin Lieblingsbands gegenüber eben loyal. Alte Heavy Metal Schule. Da kauft man traditionell (pun intended) noch jeden Scheiß seiner ehemaligen Helden, weil die vor 30 Jahren mal ein gutes Album aufnahmen.
Absurderweise war die Geschichte an dem Punkt noch nicht ausgestanden, denn ich wurde herausgefordert. Die Kalifornier veröffentlichten "Beyond The Sun" im März des Jahres 2016 auf Vinyl. Mit wunderschönem Artwork. Auf zwei mit unterschiedlichen Farben colorierten LPs. Mit Aufklappcover. Gut. Wenn das so ist: Visier runterklappen, Kopfhörer aufsetzen, nochmal reinhören. Jetzt MUSS sie gut sein. Komm schon! Ich will die jetzt gut finden! Und wo ist meine Rassel?
Ich fand "Beyond The Sun" auch dann immer noch nicht gut.
Und es tat echt weh.
Zu den Akten legen.
Weitermachen.
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Ich könnte jetzt sich das mit pathetischem Donnergrollen ankündigende Schicksal bemühen, dass also irgendeine dunkle, aber grenzenlos starke Macht, Oma Meume oder Didi Hallervorden oder scheißrein: der Wurst-Sepp aus Berchtesgaden, unbedingt einen Endgegner wollte - ob für oder gegen mich ist eh schon bumsegal, aber "Beyond The Sun" sollte zurückschlagen können. Und siehe da, es schlug zurück: da "Beyond The Sun" ein deutscher Vertrieb fehlte, gab es das Vinyl entweder nur über den direkten Kanal zur Band, also in Kalifornien, oder auf US-amerikanischen Mailorders, mit Versandkosten nach Europa, die mittlerweile locker den eigentlichen Wert der Schallplatte übersteigen. Bei sehr ausgesuchten deutschen Verteilern konnte man auch wenige Stücke finden - da allerdings immer für den sehr stolzen Preis von 30 Euro plus X - und alleine damit war das Thema ja im Prinzip schon durch. Und weil es bei mir so durch war, war die Platte in hiesigen Gefilden irgendwann ausverkauft. Während ich also schlussendlich noch darüber frohlockte, dass mir die Entscheidung ja jetzt doch sehr unblutig abgenommen wurde, flatterte mir eines Tages die Email meines Lieblingsmailorders auf den Rechner: "Beyond The Sun" sei jetzt wieder im Lager und also SOFORT VERSANDBEREIT!
So ein Kurzschluss im Oberstübchen kann manchmal eine beinahe reinigende Wirkung haben und ordentlich den Brägen freipusten: keine dreikommavier Minuten später wurde die Platte wohl schon zum Versand vorbereitet und war auf dem Weg ins Last Exit Sossenheim.
Nun kommen wir wieder zum ersten Absatz meiner erneut viel zu lang geratenen Einlassung zu "Beyond The Sun" - ich lag falsch. Und ich weiß nicht genau, woran es lag, aber ich schiebe es einfach mal auf den ganzen unerotischen, sacköden Reinhörscheiß. Das konnte nichts werden. Denn kaum lag die Scheibe auf dem Plattenteller waren alle Sorgen begründeterweise weggeblasen und meine Hosen hingen über dem Türrahmen: die Produktion ist glatter, aber trotzdem heavy und pfundig (die Pressung ist in diesem Zusammenhang übrigens auch super) die Songs sind abwechslungsreicher, melodisch verstrickter und zeitgleich in der grundlegenden Ausrichtung straighter - und sie sind immer noch tanzbar. Dem Groove von Songs wie "Loosin' You" oder "When Someone's Love Is Real" kann man kaum wiederstehen, und die Sexiness zeigt sich unter anderem in der Rufus Coverversion "I'm A Woman (I'm A Backbone)".
Dazu kommt das erwähnte unschlagbare Coverartwork und die wunderbar aussehenden farbigen Vinyle, das große (und großartige) schwarzweiße Live-Foto im Innencover.
Je ne regrette rien.
Das ist einfach eine coole Band.
Erschienen auf Colemine Records, 2016.