BLAIR FRENCH - THROUGH THE BLINDS
Ich habe eine Vorliebe für diese kleinen, leisen, zaghaft funkelnden Platten, die unter jedem Radar laufen. Die kosten dann ganz nebenbei auch nicht viel. Ist komisch, aber sowas gibt's tatsächlich noch: Ein Vinylalbum für dreizehnneunzich mit primagutem Artwork und primaguter Pressung, außerdem in der Rubrik: "Platten nach Cover kaufen". Aber lasst uns alle mal lieber die limitierte 7-LP Box von Creedence Clearwater Revival für 110 Euro heim ins Reich holen. Ist besser für uns alle. Vor allem aber für Creedence Clearwater Revival.
Blair French aka Dial.081 ist ein experimenteller Ambient und Technoproduzent aus Detroit, dessen vor vier Jahren erschienener Soundtrack zum Film "Detropia", einer Dokumentation über
"the decline of the economy of Detroit due to long-term changes in the automobile industry, and the effects that the decline has had on the city's residents and infrastructure"
den Cinema Eye Honors Award für den besten Soundtrack des 2012 einheimsen konnte.
Der Trailer:
"Through The Blinds" ist in Blair Frenchs Worten das Ergebnis der Entwicklung einer langen Hip Hop-Karriere zur Ambientmusik. Von Hip Hop ist folgerichtig dann auch nichts mehr zu hören, dafür gibt es herbstlich knirschendes Eislaub, dezente Kälte, ein bisschen Nebel und neoklassisches Pianogetupfe. Bis hierhin ist das nicht über Gebühr aufregend zu lesen, je sais, mais: da gibt es ja noch das Besondere auf "Through The Blinds"; das, was sich versteckt, sich vergräbt - und selbst meine Wenigkeit hat es erst ziemlich spät gemerkt. Es ist die Anziehungskraft dieser Musik. Die sich durch den sandigen, etwas angegrauten Noiseteppich durchwürmelnden Melodien sind betörend, und wenn ich unbedingt ein Bild davon zeichnen wollte, wie sich das anfühlt, wenn sich so ein hellblaues, cremiges Licht durch das trübe Dickicht bricht: wie die Lieblingskuscheldecke am Weihnachtsabend.
Im Prinzip ist "Through The Blinds" nur für mich (und für Dich, natürlich!) gemacht worden, weil sich alles so nah, vertraut und heimisch anfühlt. Das Ergebnis: nach zehn Tagen Dauerrotation für Melanie De Biasios "Blackened Cities" gab es zehn Tage Dauerrotation für "Through The Blinds" - durchaus begünstigt von dem, was man früher "Wetter" nannte. Bei 14° Grad, Nieselregen und einem viertel Orkan Mitte Juni lässt man sich lieber den heißen Kakao durch die Unnerbüx' laufen, als die Cocktailschirmchen rauszuholen.
Kein Aufschrei, kein Blitzlichtgewitter, kein Hype - mehr down to earth als "Through The Blinds" geht fast nicht. Ein Ambientwerk für die intellektuelle Arbeiterklasse. Was inhaltlich freilich ein Quadratscheiß ist, aber es liest sich gut. Musikjournalismus 2016, you're welcome.
Erschienen auf Delsin Records, 2016.
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