Resteverwertung 2018, Teil 2. Der Styler unter den Singer/Songwritern. Nur ein Jahr nach seinem Album "The Great Plains" stand auch schon "All These Things" vor der Tür - und weil damit so schnell wohl nicht zu rechnen war, schlief ich mal wieder den Schlaf der Gestressten. Nur durch einen puren Zufall bekam ich Wind von dieser Platte, aber da war es erstens schon Dezember 2018 und zweitens DIE_LISTE bereits final ausgeknobelt. Außerdem, und das ist bei "All These Things" durchaus a thing: es war Winter.
Denn Dybdahl hat sich dieses Mal in sunny California für die Aufnahmen niedergelassen, genauer gesagt im Kreativ-Viertel Echo Park in Los Angeles - und mit Verlaub: das hört man. Aus jeder Note dieser fantastisch klingenden Produktion strahlt die über dem Pazifik untergehende Sonne Kaliforniens, hinter jedem Beat haucht eine Brise über die den Sunset Boulevard säumenden Palmen hinweg, jede Silbe von Dybdahl's mehr gehauchter denn gesungener Poesie reißt selbst dem whitest cis-Mann alive den Mankini weg. Musik für den Blick über eine pulsierende Metropole in der Dämmerung.
Dem Sextett (mitunter dabei so außergewöhnliche Musiker wie Patrick Warren, David Baerwald oder Brian MacLeod) ging es unter Dybdahls Führung um den Spirit, die Fokussierung auf den Song. Tatsächlich erinnerten die Sessions an den berüchtigten Tuesday Night Music Club, einem Zusammenschluss verschiedener Musiker, Songwriter und Produzenten aus den frühen neunziger Jahren, aus dem 1993 das erfolgreiche und gleichnamige Solodebut von Sheryl Crow entstehen sollte. Warren, Baerwald und MacLeod waren bereits damals mit von der Partie, der vierte im Bunde war Larry Klein, der bereits Dybdahls 2014er Werk "What's Left Is Forever" produzierte und auch für "All These Things" an den Reglern saß. Die Band arbeitete an den Arrangements, spielte und übte die dann fertigen Kompositionen und nahm sie sogleich in den Redwood Studios auf.
Es sind die feinen Nuancen in der Musik, die jene besondere, sehnsuchtsvolle Atmosphäre erzeugen. die den Bildern plötzlich so viel Leben einhauchen: ein nachhallendes Pink Floyd-Gitarrenlick hier, ein funky angejazztes Highlight an den Keyboards da, dazu einer der besten Schlagzeugsounds, den ich jemals hörte. Musik für schweres, getäfeltes Holz, kräftigen Whisky, durchgewühlte Bettlaken und die selbstgedrehte Kippe danach. Mysteriös. Dunkel. Sexy.
Es ist nach zumindest intensiverem Synapsen-Mikado vermutlich keine allzu große Überraschung, dass sich so einiges, was sich vor zwei oder drei Dekaden nicht nur, aber vor allem in der Metal-Ursuppe tummelte, mit einigen Jahren Abstand nicht mehr ganz so revolutionär oder abgedreht anhört, wie es sich beim Erstkontakt möglicherweise anfühlte. Rock im Allgemeinen und Metal im Speziellen mögen aufgrund der durchaus signifikanten Entwicklungssprünge in Sachen Klang, Härte und Dichte, die das Rock-Genre vor allem seit den frühen Nullern durchmacht, besonders anfällig für einen ungünstig verlaufenden Alterungsprozess ihrer vermeintlichen Klassiker sein; Ausnahmen gelten für die seit Äonen ubiquitären Legenden des Mainstream wie Maiden, Priest, Sabbath, Purple und Zeppelin, deren weichgezeichneter Labbersound aus der Eisenzeit heute eher als wünschenswerte Patina gewürdigt wird, sowie für die berüchtigte Loyalität des Metal-Publikums: was mal in den Klassikerkanon einsortiert wurde, kommt da so schnell auch nicht mehr raus. Wie schon in dem Beitrag aus dem Jahr 2018 über Benedictions "Transcend The Rubicon" bemerkt, ist ein heute 15-jähriger Metalfan, der mit der klanglichen Intensität aus dem Metal- und Deathcore oder der technischen Qualität des heutigen Death Metal vertraut ist, mit der Musik seiner Eltern nicht nur aus pubertären Gründen im Sinne der Abgrenzung psychologisch herausgefordert, sondern insgesamt unterfordert.
Dasselbe kann zumindest für diesen Aspekt auch ohne gröbere Gewissenskonflikte über das Debut der US-amerikanischen Band Cynic geschrieben werden, die mit ihrem Debut "Focus" im Jahr 1993 auf der Bildfläche erschienen - wenngleich der Auseinandersetzung mit etwas addierter und der Musik angemessenen Komplexität sicher kein Schaden zugefügt wird, ganz im Gegenteil. "Focus" gilt heute weitläufig als Klassiker des Progressive Metals/Death Metals, und zieht man die Umstände der damaligen Zeit sowie der Szene in Betracht, hat es diesen Status als Zeitdokument einerseits, aber auch als Einfluss auf die spätere Entwicklung des Genres andererseits nicht zu Unrecht.
Zwar war man selbst als Death Metal Fan im Jahr 1993 schon so einiges gewohnt, weil die "Anything Goes"-Mentalität der frühen neunziger Jahre den Zeitgeist bis in den Untergrund bestimmen sollte: Fear Factorys Debut "Soul Of A New Machine" zeigte bereits ein Jahr zuvor Experimente mit Klargesang zwischen dem gutturalen Geröchel, Atheist lösten die schon auf früheren Alben nur unzureichend gesicherten Bremsen mit "Elements" endlich komplett und verbanden die fast vollständig aufgelösten Restspuren ihrer Death Metal Vergangenheit mit Latin und Salsa-Beats, während Chuck Schuldiner von Death, dem Großteil der Szene stets mit Sieben-Meilen-Stiefeln voraus, mit "Human" nicht nur einen Meilenstein des technischen Death Metals vorgelegt hatte, sondern auch automatisch die Marschrichtung der kommenden Entwicklungen im extremen Metal vorgab. Maßgeblichen Einfluss daran hatte auch die Hälfte von Schuldiners damaligem Line-Up: Paul Masvidal an der Gitarre und Sean Reinert am Schlagzeug spielten auf "Human" förmlich um ihr Leben und beeinflussten damit Musiker wie einen Gene Hoglan (u.a.Dark Angel), der Reinerts gewebte Prog- und Fusion-Fäden auf "Human" als späterer Death-Schlagzeuger auf den Alben "Individual Thought Pattern" (1993) und "Symbolic" (1995) aufnahm und dabei selbst stetig weiterentwickelte.
Eben diesen beiden Musiker Paul Masvidal und Sean Reinert bildeten auch die kreative Keimzelle bei Cynic. In Zusammenhang mit dem "Focus"-Produzenten Scott Burns und dem Morrissound Studio in Florida, beides in der Kombination zur damaligen Zeit DER Maßstab schlechthin, wenn es um Death Metal Produktionen ging, wurden Cynic als "Next Level Death Metal" vermarktet - und dafür hatte der ungewöhnlich progressive Sound es durchaus in sich. Die Band wechselte von anspruchsvoll zu spielendem, technischem Death Metal in Bruchteilen von Sekunden in spirituell anmutende und ätherisch wirkende Traumwelten, in denen Akustikgitarren und die mittels Vocodereinsatz surreal verfremdete Stimme von Masvidal den Sound prägten - nicht zu vergessen das melodische Harmonien aufziehende Bassspiel von Sean Malone, der mit seinem Fretless Bass dem Bandsound zusätzliche Originalität verpasste. Im Ergebnis habe ich "Focus", trotz der recht eindeutigen Vorzeichen, nie als Death Metal wahrgenommen; tatsächlich habe ich mich nie darum bemüht, überhaupt irgendeine passende Schublade dafür zu finden.
Ich habe mir vor wenigen Wochen den Vinyl-Reissue von "Focus" gegönnt und mich in diesem Zuge wieder intensiver mit dem Album befasst. Ich war zunächst über den Sound überrascht - und nicht unbedingt im positiven Sinne. In meiner Erinnerung war das Brett, das die Band mit Scott Burns bohrte, bedeutend dicker und druckvoller als ich es heute empfinde. Ein Gegencheck mit der CD und einem digitalen Format verschaffte Aufklärung: "Focus" klang auch schon 1993 nach heutigen Maßstäben nicht besonders gut, was vielleicht das eindrücklichste Zeichen dafür ist, dass der Zahn der Zeit auch in diesem Fall ein Stück der Faszination abnagen konnte. Interessant ist indes, dass sich im Vergleich zu Burns' Standardsound (Bass- und Schlagzeug-Regler auf 11, alle Mitten raus) auf "Focus" etwas mehr Transparenz und Differenzierung zeigt - das ist unter gegenwärtigen Gesichtspunkten zwar immer noch nicht viel, war aber für damalige Verhältnisse immerhin eine Varianz, eine Öffnung.
Darüber hinaus erscheint "Focus" aus heutiger Sicht bei Weitem nicht mehr so abgedreht zu sein, wie es sich in der Erinnerung immer noch anfühlt - und wie Rezensenten und Kommentatoren es bis heute beteuern. Besonders ist das Album auch 25 Jahre später ganz sicher noch, technisch wie visionär herausragend - aber am Ende des Tages lediglich im traditionell sehr eng begrenzten Kosmos von Rockmusik und Heavy Metal als unkonventionell zu bezeichnen. Das ist aus diesem Blickwinkel auch im Jahr 2019 noch legitim, vielleicht angesichts der tatsächlich noch dramatischer in Erscheinung tretenden Mutlosigkeit der Szene noch mehr als das. Aber für die, die keinen Tellerrand kennen, weil sie nicht mal einen Teller haben, spielt sich dann eben doch zu viel im Rahmen dessen ab, was man so kennt: klassische Instrumentierung, klassisch-progressive Arrangements, klassischer Sound. Das stete Gerede über ein mit übergeschnappten Ideen vollgepacktes Avantgarde-Jazz-Experimental-Feuerwerk ist letzten Endes irreführend.
Cynic wurden im Grunde nach ihrer zwischenzeitlichen Pause und ab 2008 mit dem Comebackalbum "Traced In Air" interessanter, weil sie subtiler wurden. Das Gerippe hatte immer noch Rockmusik eintätowiert - und ganz ehrlich: etwas anderes wollte und sollte die Band ja auch niemals sein - aber die Anpassungen in den Arrangements wurden so feingliedrig und behutsam umgesetzt, die Atmosphäre so genuin ätherisch und schwebend inszeniert, dass die Fraktion, die mit "Focus" Death Metal und Mucker-Frickeleien verband, mit dem signifikant zurückgeschraubten Metal-Anteil in ihrer Musik nun wenig überraschend ernste Probleme bekam. Eine erneute Weiterentwicklung gab es auf dem bislang letzten Album "Kindly Bent To Free Us" (2014) zu hören, auf dem Cynic eine besonders nuancierte Nische des Progressive Rocks besetzten und sich von Metal noch mehr als zuvor abgrenzten.
Es hat Spaß gemacht, "Focus" nochmal zu besuchen und es in diesem Zusammenhang nochmal neu einzusortieren - vielleicht war die neuerliche Beschäftigung nach meiner ganz persönlichen Öffnung zu so unterschiedlichen Musikgenres möglicherweise noch lohnenswerter, als sie es in meiner Adoleszenz war. Ich höre "Focus" heute sicherlich mit anderen Ohren als ich es noch 1993 tat.
Auch wenn der oben gemachte Versuch einer Differenzierung immer gut tut: An der visionären Kraft, dem Mut und dem Einfluss von "Focus" gibt es auch im Jahr 2019 nur wenig zu rütteln.
Jetzt, da wir dem sich wieder ewig und vier Monate hinziehenden Jahresbestenlistenwahnsinn entronnen sind, ist es an der Zeit, die alten Kleider abzustreifen, sich neu aufzustellen und fokussiert nach vorne zu blicken - Haha, Quatsch mit Soße: noch ein bisschen Resteverwertung aus 2018 zu betreiben.
Es gehört zu den tragischeren Momenten der Symbiose einer über den eigenen Kopf wachsenden Lohnarbeit mit einer Beinahe-Verstummung oder wenigstens signifikanten Reduzierung von Texten auf diesem Blog, dass ich bislang noch nichts über Roosevelt geschrieben habe. Das Schicksal teilt der junge Mann aus Köln zwar mit einer Legion an Musikern, Bands und Platten, die alle ebenfalls noch in der viel zu langen Warteschlange für einen Beitrag stehen, und geteiltes Leid ist ja halbes Leid - aber besser wird es damit ja auch nicht.
Das selbstbetitelte Debut aus dem Jahr 2016 hat sich mittlerweile im Hause Dreikommaviernull, und das schließt explizit die Herzallerliebste nebst Vierbeiner-Entourage mit ein, nach einer Phase des indifferenten Beschnupperns zu Beginn der Auseinandersetzung zu einer Art Lieblingsplatte gemausert. Vor allem für die sonnigeren Tage ist die Mischung aus 80er Synthiegewürmel, elektronischem Indiepop und dem Musikprogramm des ZDF-Fernsehgartens so erfrischend und euphorisierend wie ein eiskalter und in guter Gesellschaft eingenommener Gin Tonic (natürlich ohne Gurke, Ihr verwirrten, verwirrten Menschen!).
Im letzten Herbst erschien nun also der Nachfolger "Young Romance" und ich stellte mich auf einen ähnlichen Effekt wie beim Debut ein: Zunächst erscheinen Andrea Kiewel und die untote Ilona Christen vor dem geistigen Auge, Busladungen beige-tragender Silberzwiebeln überfallen fist-raisend Autobahnraststätten und sehnen sich nach einer Nacht mit Florian Silberschwengel oder wenigstens einer Gewürzgurke, und wo zur Hölle ist mein Notfall-Insulin abgeblieben? Nach erfolgreichem Überstehen dieser Phase kann es eigentlich nur in Richtung Tanzfläche, Hawaiihemd und Limettenbaum gehen. Und dann sollte es auch endlich mit der Jahresbestenliste 2018 klappen.
Wir wissen nun: es klappte nicht.
"Young Romance" erschien Ende September und erwischte mich trotz (oder wegen - you decide!) der immer noch anhaltenden Dauerhitze des vergangenen Jahres auf dem falschen Fuß. Ich hatte einfach genug vom Sommer, war zudem Dank andauernden 50+ Stundenwochen energetisch völlig ausgelaugt und ging zum Weinen in den Keller, wo es dann auch immerhin mal vier Grad kühler war. Lässig auf der Terrasse mit Leinenhemd an der eigenen prachtvollen Erektion lehnen und dazu melancholisch-beschwingte Popmusik hören war indes undenkbar. Ich wollte Winter, ich wollte eiskalten, Haut verätzenden Wind, Hagel, Graupel, Regen - oh fucking hell, ich wollte alles mit sich reißenden Regen. Und Roosevelt nahm darauf natürlich keine Rücksicht; der Mann liegt ganzjährig am Strand und hat 24/7 einen Sex on the Beach in der Hand, wenigstens mental.
Im Frühjahr 2019 zeichnet sich aber mittlerweile das ursprünglich zu erwartende Bild ab: ich bin bereit für Roosevelt. Ich bin bereit für "Young Romance". Ich bin bereit für den Frühling. Ich bin bereit für die Sonne. Ich bin bereit für synthetisch schmeckendes Eis am Stiel aus den Laboren der Lebensmittelmafia. Für kurze Hosen und Byredos Sunday Cologne bis Oktober. Für eine auf einem Schimmel sitzende Prinzessin im Modern Talking Shirt, die in den Sonnenuntergang reitet und dabei die Bohlen-Faust zeigt. Für vollgesoffene Idioten mit Biermixgetränken in durchtanzten Clubnächten. Für vegane Blowjobs unter Autobahnbrücken. Für Hornissen so groß wie der Reichstag. Für Bio-Limetten und für Rapsölmotoren. Leben, here I come.
Roosevelts Musik ist eine süchtig machende Mixtur aus Melancholie und Euphorie, sie ist zu gleichen Teilen mitreißend wie träumerisch, romantisch wie hedonistisch. Wer immer noch dem pubertären Missverständnis aufsitzt, nur auf dem Nährboden aus Trauer, Dunkelheit, Verzweiflung und (Selbst)Mitleid erwachse relevantes kreatives Schaffen: get help, srsly!
Ich habe ehrlicherweise lange mit mir gerungen, ob eine live aufgenommene Platte wirklich an der Spitze meiner Jahrescharts stehen sollte. Ganz aus Prinzip. Hätten es nicht eher die brillianten Wanderwelle mit ihrer funkensprühenden Kreativität oder die künstlerischen und traumwandlerisch souveränen The Sea And Cake verdient gehabt? Möglicherweise irgendjemand sonst, der wirklich neue Musik im Jahr 2018 präsentieren konnte und also nicht auf Bewährtes zurückgreifen musste, um eine Veröffentlichung vorweisen zu können?
Am Ende war es eine Entscheidung für ein "mehr als die Summe der einzelnen Teile", eigentlich für das Lebenswerk einer Band, die seit 40 Jahren im Geschäft und noch immer so voller Kraft, Leidenschaft und Kreativität ist. Die nach so langen wie problematischen Zeiten in den neunziger Jahren, in denen außer einer überschaubaren aber loyalen Fanbase niemand mehr einen Pfifferling auf sie geben wollte, sich immer wieder aufraffen und sich am eigenen Schopf aus dem Dreck ziehen konnte. Die trotz eines musikalischen Klimas, das für eine Progressive Rock Band, in der kein Steven Wilson mitspielt, kaum ungemütlicher und unwirtlicher sein kann, plötzlich mit einem aufsehen erregenden Studioalbum in die vorderen Regionen der Charts einsteigen konnte. Und die sich Ende 2017 plötzlich dort wiederfanden, wo sonst nur die größten der Großen aufspielen dürfen: in der Royal Albert Hall. Ein Blick in die Gesichter der fünf Musiker an diesem Abend sagt alles, was man über ihre Hingabe, ihre Begeisterung und ihr Durchhaltevermögen wissen muss.
Ich habe im August des letzten Jahres sehr ausführlich über "All One Tonight" berichtet und weil ich nicht glaube, außer den an dieser Stelle ausgebreiteten und also einleitenden Sätzen noch weitere Einsichten zum Besten geben zu können, die über das bereits Geschriebene hinaus gehen, lade ich meine werten Leserinnen und Leser ein, den damals herausgearbeiteten Text nochmals über sich ergehen zu lassen - oder ihn alternativ zum ersten Mal zu lesen. Nicht nur mit einer billigen Verlinkung, sondern mit dem vollen Text und in voller Pracht.
Ich beendete jene erste Huldigung auf "All One Tonight" mit dem Satz "Das ist die beste Band der Welt" und um den Kreis zu den eingangs gestellten Fragen zu schließen: Dann gehört die beste Band der Welt auch auf Platz 1 der Jahrescharts 2018.
Verdient ist eben verdient.
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Fans von Marillion sind bisweilen ein seltsames Völkchen. Die Diskografie der Band auf dem Plattensammler- und Plattenverkaufsportal Discogs listet aktuell nicht weniger als 142 Alben auf - und obwohl das Quartett auf eine beinahe vierzigjährige Karriere zurückblicken darf, die sicherlich nicht in erster Linie von Däumchendrehen und Tee trinken geprägt war, erscheint die stattliche Anzahl ein wenig irreführend: die loyale Handvoll Bekehrter, die der Band seit Jahrzehnten nicht nur aus der Hand frisst, sondern sie auch mittels eigenständig durchgeführter Internetpromotion ein wenig mehr in den musikgesellschaftlichen Fokus rücken und damit auch gleichzeitig das eigene Ego ein wenig streicheln möchte, hat also ganze Arbeit geleistet und wirklich jede noch so obskure Zusammenstellung und Liveaufnahme der über die geschäftlichen Hauptquartiere Racket Records, Intact Records und Front Row Club vertriebenen CDs in der Diskografie als Album geführt, hinzu kommen außerdem Bootlegs und BBC Radiomitschnitte, deren Aufnahmedatum in den Kommentarspalten auch noch rührselig korrigiert werden. Das passiert sicherlich und ausschließlich mit den allerbesten Absichten, ist einerseits lohnenswert für die Komplettisten in uns, die dieses eine Rothery-Lick von dieser raren Budapest-Liveaufnahme unbedingt auf eine Plastikscheibe gebrannt haben möchten, andererseits völlig überwältigend und unübersichtlich für fast alle anderen. Wer in dieses Rabbit Hole tatsächlich reinkrabbelt und sich die gelisteten Veröffentlichungen etwas genauer anschaut, stellt schnell fest, dass Liveaufnahmen integraler Bestandteil des Marillion'schen Selbstverständnisses sind. Die Anzahl ist Legion, und der Eindruck, die Band habe von jedem ihrer Konzerte in den letzten 40 Jahren mindestens sieben verschiedene Albenveröffentlichungen geschnitzt, wird plötzlich sonderbar real. Aber wer das alles kauft? Und wer das alles hört? Ich sagte doch: es ist ein seltsames Völkchen.
Selbst mit den offiziellen und also im regulären Handel erhältlichen Livealben wird es für das weniger gut organisierte Oberstübchen unübersichtlich und spätestens bei den zahllosen Versionen eines einzelnen Titels zerfällt wenigstens mein Dachgeschoss in Mikropartikel. In den letzten Jahren begeisterten mich aus dieser Kategorie immerhin zwei Aufnahmen so ausgeprägt, dass sie seitdem im heimischen Plattenschrank stehen und - entgegen des immer wieder vorgetragenen Einwands, man könne das ja eh niemals im Leben alles hören, aber stattdessen alles mal schön einstauben lassen - ziemlich regelmäßig auf dem Plattendreher und in der Playlist landen: "Marbles On The Road" und "A Sunday Night Above The Rain" sind exquisite, auf jeweils 3 LPs verteilte Liveaufnahmen, und ja, ich muss es zugeben: diese eine Version von "Montreal" - holy fucking shitballs, die sollte man gehört haben. Um Missverständnissen vorzubeugen: es ließe sich hier nachlesen, dass ich dem Song vor sechs Jahren nicht sonderlich zugetan war. Jetzt weiß ich: "I was wrong." (Mike Ness)
Dass nun im Jahr 2018 selbst die allergrößten Die-Hard Fans das aktuelle Werk "All One Tonight" als bestes Livealbum der Band seit dem Urknall feiern, lässt zunächst aufhorchen; bei genauerer Betrachtung ist indes kein anderes Urteil möglich. Die Band spielte nach dem überraschenden Erfolg ihres letzten Studioalbums "F.E.A.R." mit seinem Top Ten-Charteinstieg im Vereinten Königreich, in der nicht nur altehrwürdigen, sondern auch restlos ausverkauften Royal Albert Hall und das ist denkwürdig genug: dort, wo sich sonst nur die richtig Großen die Klinke in die Hand geben, die Roger Waters', die Brian Mays, die Robert Plants, kommen Marillion-Fans aus der ganzen Welt angereist, um das beeindruckende Gemäuer mit Licht, Liebe und Musik zu füllen. Ich möchte nicht respektlos klingen, aber Marillion galten allerspätestens ab Mitte der 1990er Jahre und der Trennung von der EMI nicht gerade als kommerziell attraktiv oder vielversprechend und segelten mit den in Eigenregie organisierten Crowdfunding-Kampagnen und derart finanzierten Albumveröffentlichungen nebst selbstständig gegründeten und geführten Labels unter dem Radar des Mainstreams - manchmal sogar unter dem Radar des Undergrounds. Das Ergebnis: eine außerordentlich enge, vielleicht einmalige Verbindung zu ihren Anhängern - die sich wenig überraschend in den zweieinhalb Stunden dieses auf sage und schreibe 4-LPs verteilten Mammutprogramms in voller Pracht zeigen darf. Die Publikumsreaktionen lassen das Dach der Royal Albert Hall abheben und wer via BluRay/DVD/Youtube in die Gesichter und auf die Körpersprache der Band schaut, die angesichts der Begeisterungsstürme und ob der schieren Tatsache, dass sie tatsächlich und nach vierzig Jahren zum ersten Mal in der verdammten Royal Albert Hall spielen dürfen, erkennt die Einzigartigkeit dieses Abends, dieser Band und ja: auch dieser Fans. Als konkretes Anschauungsobjekt möchte ich auf das weiter unten eingebettete Video von "Go" und auf die Szenen ab Minute 4:55 Minuten verweisen. Die Herzallerliebste und ich überbieten uns praktisch fortwährend mit den über uns schwappenden Gänsehautattacken.
Über das in Gänze aufgeführte "F.E.A.R." habe ich mittlerweile schon genug Lobeshymnen geschrieben, und ich könnte mich auch knapp 2 Jahre nach der Veröffentlichung nur wiederholen - es bleibt eines der drei herausragenden Alben ihrer Karriere und der damit erreichte Erfolg gibt Anlass zur Hoffnung, dass doch noch nicht alles verloren ist. Der zweite Teil des Abends besteht aus bekannten Bandklassikern wie "Afraid Of Sunlight", "The Space", "Easter" oder "Neverland", die mit der Unterstützung eines kleinen Orchesters aufgeführt werden und glücklicherweise nie überarrangiert in die Kitschfalle aus dem Hause Rondo Veneziano plumpsen, sondern dank der sehr behutsam in die Songs eingepassten Orchestrierung zwar voluminöser und einen Tacken melancholischer klingen, aber nie den eigentlichen Spirit aus dem Kern der Komposition verlieren. Unter normalen Umständen wird "All One Tonight" künftig in einem Atemzug mit "Live & Dangerous", "Live At The Apollo", "At Folsom Prison", "It's Alive" oder "Made In Japan" genannt. Nur: was ist heute noch normal?
Nun ist Herr Dreikommaviernull grundlegend ziemlich nah am Wasser gebaut und es ist nicht ungewöhnlich für mich, von Musik so tief berührt zu werden, dass mir selbst in der Öffentlichkeit die Tränen über die Wangen laufen. Es gibt beispielsweise die Heart-Coverversion von Led Zeppelins "Stairway To Heaven" aus dem Kennedy Center, bei der ich in den letzten dreieinhalb Minuten - völlig egal wo ich bin, wie es mir geht, was ich gerade denke und/oder mache - _IMMER_ Rotz und Wasser heulen muss und es also dem ebenfalls sehr gerührten Robert Plant gleichtue - obwohl mir Led Zeppelin weithin am Gesäß vorbeigehen und am Ende des Videos außerdem ein paar Rockstars auf der Bühne stehen, die sich meinetwegen besser einmauern sollten, aber ich kann mich selbst angesichts dieser "abominations unto the lord" (John Oliver) einfach nicht dagegen wehren, emotional fast zerrissen zu werden. Als ich in der vergangenen Woche in meiner Rolle als professioneller Businesskasper im ICE nach München saß und mir mit "Neverland" das schönste Lied der Welt ins Schallgesims gedrückt wurde, rächte sich mal wieder die Entscheidung, keine Papiertaschentücher ins Reisegepäck aufgenommen zu haben. Wie soll man sowas aushalten?
Manchmal erscheint das alles zu groß, wichtig - überlebenswichtig! - und heilend, um es darüber hinaus in Worte oder auch nur Gedanken zu kleiden.
Manchmal ist es besser, es einfach so im Raum stehen zu lassen: Das ist die beste Band der Welt.
Den härtesten Kampf mit der Leere auf dem virtuellen Blatt Papier und jener im eigenen Kopf musste ich für den aktuellen Jahresrückblick mit "Gathering Of The Ancient Spirits" austragen. Das hat zwei Gründe. Einerseits war ich sehr spät dran: ich schlief für die Erstpressung dieses Juwels den Schlaf der Gestörten und wachte erst auf, als erstens die Preise für das schön anzuschauende gelbe Vinyl in absurde Höhen kletterten, und ich mich zweitens auf den Repress - diesmal auf blauem Vinyl - freuen konnte. Meine anfänglich nur mit wenig Konfetti schmeißende Libido lässt sich indes auch mit dem ausbleibendem Kniefall vor Wanderwelles Debutalbum "Lost In A Seas Of Trees" erklären, das mich im Jahr 2017 offenbar auf einem falschen Fuß erwischt zu haben schien und letzten Endes an mir ähnlich folgenlos abprallte wie kognitives Leistungsvermögen an der substantia alba von Ulf Poschardt. Und bis ich mich unfallfrei dazu entschließen kann, vom falschen auf den richtigen Fuß umzutänzeln, braucht es hin und wieder ein Weilchen.
Andererseits ist da eine gewisse Furcht, in den ubiquitären Chor vom Ambient-Rezensionen einzustimmen, der wie auf Knopfdruck Begriffe wie "Kopfkino" (es wird tatsächlich immer fucking noch verwendet; vgl. "zeitnah") oder Flug-Analogien ausspuckt. Manches braucht nicht nur Zeit, sondern ab und zu tatsächlich auch mal sowas wie einen Gedanken, einen gescheiten noch dazu. Und es braucht die Basis aus beiden: Inspiration.
"Gathering Of The Ancient Spirits" liefert mir auf zu vielen Ebenen eher zu viel Inspiration - und daraus folgen unweigerliche Kapazitätsengpässe im Oberstübchen: wie fange ich an, über diese Musik zu schreiben? Ich habe sowas noch nicht gehört. Und eigentlich habe ich sowas auch noch nie gefühlt. Und hier könnte diese Rezension zu Ende sein.
Das Produzenten-Duo aus Amsterdam widmet sich auf diesem Konzeptalbum den letzten Jahren des Künstlers Paul Gauguin und seinen Reisen in die Südsee. Gauguin brach erstmals im Jahr 1891 in Richtung Tahiti auf, um das in seiner Fantasie ausgemalte unberührte Paradies zu finden, weit entfernt von seiner Heimat Frankreich, weit entfernt von den Sitten Europas. Er schuf dort Bilder und Holzskulpturen, die weniger ein tatsächliches Abbild dessen waren, was er dort sah und erlebte, als viel mehr die Projektionen seiner Vorstellungen und Hoffnungen eines solchen Lebens in Abgeschiedenheit. Als er zwei Jahre später nach Frankreich zurückkehrte und die dortige Bevölkerung seinen Arbeiten die kalte Schulter zeigte, verließ er seine Heimat ein zweites Mal. Dieses Mal sollte er nicht zurückkehren: er starb 1903 auf Hiva Oa, einer Insel des abgelegenen Marquesas-Archipels. Wanderwelle erzählen über das Leben und die Erlebnisse Gauguins in dieser Zeit.
"Gathering Of The Ancient Spirits" ist geheimnisvoll. Getrieben. Unheimlich. Und es steht eigentlich ein paar Stufen über fast allem. Stilistisch, weil die Kombination aus Dubtechno, Ambient, Electronica und Tribal so einzigartig ist. Auf der Metaebene, weil die Musik in Verbindung mit den wortlosen Erzählungen über Natur, Kunst, Leben und Spiritualität und dem umwerfenden Coverartwork plötzlich mehr wird, als nur Klang.
Es ist ein Kunstwerk. Und ich bin ehrlicherweise davon überfordert.
Es ist oftmals eine Herausforderung für mich, über alte Bekannte zu schreiben, solche zumal, die zu den Stammgästen auf Dreikommaviernull gehören. Ich habe in den letzten 12 Jahren gleich sieben Mal über The Sea And Cake geschrieben - und das, obwohl die Band in dieser Zeit nur drei Platten veröffentlichte. Eigentlich ist über sie und meine besondere Verbindung mit ihnen alles gesagt, alle Huldigungen sind gefühlt hundertfach ausgesprochen, sämtliche Fanbrillen längst ins Gesicht zementiert, die LP-Sammlung wird gehegt und gepflegt und ist dabei nicht nur komplett, sondern wegen den von Thrill Jockey farblich einzigartig designten Vinylreissues aus den letzten zwei Jahren sogar überkomplett. Schon wieder muss Polt zitiert werden, denn: "mehr habe ich nicht hinzuzufügen!". Eigentlich.
Vielleicht aber doch noch eine Kleinigkeit.
"Any Day" war nach sechs Jahren Funkstille ein zwar erhofftes, aber nicht notwendigerweise erwartetes Comeback. Bassist Eric Claridge musste aus gesundheitlichen Gründen sein Engagement bereits vor einigen Jahren beenden, Schlagzeuger John McEntire ist mit Tortoise und Studiojobs ausgelastet, Gitarrist Archer Prewitt arbeitet als selbstständiger Illustrator und Zeichner und Sam Prekop ist in seiner Heimatstadt Chicago aktiver und erfolgreicher Künstler. Die Annahme, dass sie alle nach 25 Jahren Bandkarriere und vermutlich auch nicht erst seit gestern nicht mehr auf The Sea And Cake angewiesen sind, um sich entweder kreativ zu betätigen oder um nur banal die Zeit totzuschlagen, ist wohl nicht allzu abenteuerlich. So löste die Ankündigung für ein neues Studioalbum nichts als große Freude bei mir aus - die sich angesichts der ebenfalls erfolgten Bekanntgabe eines Konzerttermins in Frankfurt im Juni 2018 gar zu einer - Pardon! - prachtvollen Erektion ausweitete.
Ich schrub kürzlich über die sehr gute Band Tocotronic, dass deren 2018er Album "Die Unendlichkeit" zu einem Lebensgefühl, einem Begleiter wurde. Ohne das Urteil weder für die einen noch die anderen verwässern zu wollen, und ich bin mir des möglichen Risikos hierfür durchaus bewusst, aber ich kann, nein: muss! dasselbe nicht nur über "Any Day" in den virtuellen Notizblock kritzeln, ich muss es auf die ganze Band ausweiten. Ich bin mir nicht sicher, ob es an der langen Pause lag, in deren Verlauf zwar kein Frühling und kein Sommer ohne eine geradewegs hypnotische, aber auch nach Jahren der Auseinandersetzung irgendwie abgeklärt durchgewunkene Phase mit ihrer Musik verging, dass mich die Band sogar über das bekannte Maß hinaus so tief traf wie noch nie zuvor - und wer meine früheren Einlassungen zu The Sea And Cake kennt, wird verstehen, warum das etwas Besonderes ist. Oder lag es an meinem fortgeschrittenen Alter und meinen bestenfalls in gleichem Ausmaß fortgeschrittenen Erfahrungen, Gedanken, Einsichten? Und warum muss es eigentlich immer ein "oder" sein?
Mir ist den letzten zehn Jahren in einigen wenigen Fällen eine neue und bedeutend intensivere Liebe zu Bands aufgefallen, die ich zwar schon früher längst auf den musikalischen Olymp geschoben hatte, aber plötzlich einen extragroßen Schubser in den fast schon ätherisch zu nennenden Bereich mitnehmen konnten, in dem die Luft selbst für Götter dünner wird. Ein gutes Beispiel sind King's X, die ich mittlerweile in jedem vorstellbaren Universum und für jeden vorstellbaren Aspekt für völlig unantastbar halte und für die meine Anerkennung weit über Alben, Songs oder Texte hinausgeht. Es ist eher der schier endlose Respekt für das Lebenswerk voller Kreativität, Virtuosität, Durchhaltevermögen, Freundschaft, Zusammenhalt, Inspiration, Freiheit, Offenheit, Hingabe und Leidenschaft.
Ich habe diesen schier endlosen Respekt im letzten Jahr auch für The Sea And Cake gefunden. Ihr Zusammenspiel, ihre Subtilität, ihre Virtuosität, ihr Entdeckerdrang und ihre Ausstrahlung sind völlig einzigartig. Niemand klingt so wie diese vier Musiker, niemand sonst spielt diese feinstoffliche Musik so filigran, so präzise - und dabei gleichzeitig so mühelos und lebhaft. Ich habe heute das Gefühl, "Any Day" hat mich an den Punkt im Universum von The Sea And Cake gebracht, an dem ich den 360° Blick über all das habe, was diese Band im Kern ausmacht, was sie wirklich ist - und diesen Blick dabei jederzeit bis in die engmaschigste Nuance ihres Sounds vergrößern kann, um sie von allen Seiten zu betrachten. Sie funkeln und leuchten zu sehen.
"Memories. Because that's what we are, really. Memories." (Penelope Wilton)
Vielleicht liegt's an meiner katholischen Erziehung und der endgültigen Demütigung, gar in der Funktion als Messdiener Gottesdiensten beigewohnt und erwachsenen Menschen beim Ausleben ihrer zerebralen (und immerhin nicht erektilen) Dysfunktion erlebt zu haben, vielleicht ist es der Wunsch nach Vertrautem und am Ende des Tages: nach Sicherheit, Rituale so anziehend zu finden, dass ihre erfolgreiche oder -lose Integration in den Alltag über meine Gemütslage entscheiden können. Und vielleicht kommt es auch mit dem fortgeschrittenen Alter, denn noch vor fünf Jahren wäre das mit der Herzallerliebsten gemeinsame Einnehmen des ersten Kaffees am Morgen wegen unterschiedlicher Prioritäten und daraus resultierendem Zeitmangel unvorstellbar gewesen - heute ist es im besten Fall eine ganze Stunde quality time, die wir für die restliche Zeit des Tages nur selten im Überfluss kredenzt bekommen. Zumal in einem morgendlichen Setting, das einerseits noch so viel Verheißung und Hoffnung auf das, was da heute noch kommen mag verspricht (verbunden mit der nachhallenden Freude darüber, dass es dem "lieben Gott" (Rudi Assauer) offensichtlich noch nicht einfiel, unserer Existenz über Nacht ein jähes Ende zu bereiten), und andererseits noch ohne den nach Feierabend auf Seele und Herz verspritzen Klärschlamm der Lohnarbeit auskommt, der zur Ausführung halbwegs strukturierter menschlicher Interaktion und kognitiver Prozesse bisweilen etwas hinderlich sein kann.
"Warum erzähle ich ihnen das, Hundskrüppel?" (Polt, o.s.ä.)
"Never Forget Us", beziehungsweise die Auseinandersetzung mit "Never Forget Us" ist in meinem Emotionszentrum eng mit dem beschriebenen Ritual und den darin gemalten Bildern verknüpft. Das liest sich banal, und ich muss sie enttäuschen: vermutlich werden Sie, werter Leser, das schale Gefühl ebenjenes Banalen auch mit den nächsten Sätzen weder von der Netzhaut noch von ihrem Lebenszeitkonto kratzen beziehungsweise streichen können. Es muss sein, halten Sie sich fest: ein leichter Nieselregen an einem trüben, aber dennoch atmosphärischen topgelaunten und üerraschenderweise hellen Frühlingstag (jetzt besonders stark sein: ich teile diese helle Toplaune nur ganz selten!), eine leichte Brise Petrichor durchs gekippte Fenster, die sich mit dem Duft einer frisch gebrühtem Tasse Kaffee verbindet. Dazu - jetzt wird's final so richtig Punkrock: ein Spritzer Acqua di Parma aufs frischgebügelte und mittlerweile drei Nummern zu große hellblaue Hemd und "Never Forget Us" von Earth Hose Hold auf dem Plattenteller - das Vinyl selbstverständlich in enger farblicher Abstimmung mit der Oberbekleidung, nämlich auch in blau, wenn auch etwas deutlicher ins türkise/petrolige marschierend. Earth House Hold ist ein Alias von Brock van Wey - auf diesem Blog hauptsächlich Stammgast unter seinem Moniker bvdub - und nach langen Jahren des Planens und Wartens endlich auf A Strangely Isolated Place vertreten.
Ich kann nicht mal sagen, ob sich das eben beschriebene Szenario wirklich eines Tages mal so abspielte; ich meine, wann bitte hat letzten Frühling mal geregnet, "LOL"(Till Schweiger), aber die emotionale Bindung zu dem Moment, der für mich grob unter "pures Glück" abgespeichert ist, ist stark - so stark, dass selbst der dunkle und nasskalte November in die Flucht geschlagen würde. Jedes neuerliche Hören von "Never Forget Us" bringt mich an einen guten Ort. Einen Ort der Ruhe und Kontemplation. Meditation.
Wie klingt es? Vielleicht tatsächlich wie etwas, was bisher noch nicht zu hören war. In meinem letztjährigen Instagram Beitrag zu "Never Forget Us" schrub ich von atemberaubenden "next level sounds", weil ich die Kombination aus Brocks opulenter Ambientbühne, seinen klassischem Deephouse-Erinnerungen und den typisch souligen Vocalsamples einerseits, und der daraus erwachsenden Atmosphäre aus schwebender Melancholie und funkelnder Euphorie andererseits in dieser Form vorher noch nie gehört hatte. Möglicherweise gibt es aus diesem Grund auch einen Anteil in dieser Musik, der fremdartig erscheint, wie nicht von dieser Welt. Und ebenfalls möglicherweise ist es kein Zufall, eine weitere, eine zweite Platte in dieser einen entdecken zu können. Spielt man "Never Forget Us" nicht wie vorgesehen auf 33rpm, sondern auf 45rpm ab, morpht die Aura des Albums deutlich in Richtung House und entwickelt eine ganz eigene Dynamik, ohne dabei aber auch nur einen Beat der eigenen Identität zu verlieren. Auf links umgekrempelt, aber immer noch derselbe Stoff, aus dem die Träume sind.
Eine auf mehreren Ebenen außergewöhnliche Platte, die angesichts Brock's bisherigem Schaffen mit der deutlichen Fixierung auf House unter diesem Projektnamen besonders stilistisch überrascht. A Strangely Isolated Place Labelboss Ryan Griffin berichtet, dass er und Brock schon lange über eine Zusammenarbeit nachdachten und nur auf den richtigen Moment warteten, bis Brocks Musik endlich (und erstmals) auf ASIP erscheinen sollte. "Never Forget Us" teilt die Leidenschaft und den Respekt der beiden Männer an den frühen klassischen House-Sound, der sowohl Inspiration als auch Basis für Brocks Musik ist und ist damit die perfekte Ergänzung zum Labelportfolio: Für mich ist "Never Forget Us" ein Gamechanger - ein Album, das in seiner Ausrichtung, seiner Ausstrahlung neues, bisher unberührtes Terrain betritt - im Außen und im Innern. Die Einführung in Brocks Musik mit dem Album "The Art Of Dying Alone" hat mein Leben verändert, und es hat auch neun Jahre später nicht aufgehört. Wie so viele seiner Veröffentlichungen hat auch "Never Forget Us" an meinem Lebensrad gedreht und wenn ich ich die Kamera von hier auf das große Bild aufziehe, dann hat es sich vermutlich schon lange nicht mehr so schnell gedreht.
Pressung: ++++ (Bisweilen leise Pops, die aber das Gesamtbild nicht stören)
Hand aufs Herz und in die Hose: wann haben Sie, werte Leserin, werter Leser, zum letzten Mal das Bedürfnis verspürt, eine Liveplatte zu hören, ärger noch: ein solches Exemplar zu kaufen? In meinem Freundeskreis ("...also ich hab' ja keinen, aber..." - H.Schmidt) sind Livealben so unpopulär geworden wie, die Übertreibung sei mir aus dramaturgischen Gründen gestattet, einem Kaffeeklatsch der AFD Eisleben - Kommando "Hirnschlag" - persönlich beizuwohnen, was angesichts der gleichzeitigen Bedeutsamkeit so mancher oller Schinken für's eig'ne Sein und Tun zunächst merkwürdig erscheinen mag. In diesem Zusammenhang: täusche ich mich, oder waren auf Plastik verewigte Liveaufnahmen früher nicht doch signifikant wertvoller, i.S.v. relevanter, sowohl für die damit möglicherweise noch idenditätssuchenden Bands, die sich nicht zuletzt mit der Performance auf den Bühnen dieser Welt einen Ruf erarbeiten und erspielen mussten, als auch für den Fan, der die im Vergleich mit den Studioalben oftmals lebhafteren, vielleicht gar rauheren Liveversionen genießen wollte - oder der wegen der Ungnade der suburbanen Geburt zur nächstgrößeren Stadt eine dreitägige Pilgerfahrt auf sich hätte nehmen müssen, um seine Lieblingsbands zu sehen?
Kommerziell spielten Liveplatten, wenn sie nicht gerade aus dem und für den Mainstream heraus produziert wurden, meistens keine große Rolle. In meiner eher untergründlich geprägten Schwermetall-Adoleszenz wurden sie meist schnell und ohne großes Promo-Tamtam etwas lieblos als Überbrückung zwischen zwei Studioalben gequetscht und waren in erster Linie Sammlern und Fanatikern vorbehalten. Mit Liveplatten getätigte gewichtige Statements sind rar, aber für mich gibt es sie nichtsdestotrotz: Iron Maidens "Live After Death", Slayers "Decade Of Aggression", "Another Lesson In Violence" von Exodus, "Lives" meiner Lieblinge von Voivod, Spocks Beards "The Official Live Bootleg", um nur fünf zu nennen, zählen für mich gar zur musikalischen Grundversorgung und finden sich bis heute regelmäßig auf dem Plattenteller wieder. Außerdem, und damit bekommen wir die Kurve zu "Live Over Europe", tummelt sich "Still Life" von Fates Warning auf den vorderen Plätzen; das erste und bislang einzige Livedokument der von Gitarrist Jim Matheos angeführten Progressive Metal-Legende. "Still Life" erschien 1998 und beinhaltet neben Klassikern wie "The Eleventh Hour", "Point Of View" und "Monument", die bis heute fester Bestandteil des Fates'schen Livesets sind, als Kernstück das ein Jahr zuvor veröffentlichte "A Pleasant Shade Of Grey"-Epos in kompletter und livehaftiger Aufführung und war somit bis ins Jahr 2018 hinein die einzige Möglichkeit, die Band abseits der Konzertclubs und also auf der heimischen Anlage live zu erleben.
"Live Over Europe" war daher unbedingt notwendig - nicht zuletzt durch die nach langen Jahre der Stille gelungenen und triumphalen Rückkehr des Quintetts mit den beiden Alben "Darkness In A Different Light" und ganz besonders "Theories Of Flight", das sich aus meiner unerheblichen Sicht anschickt, sich zu einem modernen Klassiker des Progressive Metal zu entwickeln. Angesichts des neuerlichen kreativen wie erfolgreichen Bandfrühlings entschloss man sich, die im Januar und Februar des vergangenen Jahres durchgeführte Europatournee für das erste Livedokument seit 20 Jahren mitzuschneiden und darüber hinaus mitzufilmen, aber abgesehen vom unten eingebetteten Video, lässt die Verfilmung eines vollständigen Konzerts weiter auf sich warten.
Das Label Inside Out gab für das Projekt glücklicherweise grünes Licht für ein Mammuttprogramm: die Band puzzelte um einen festgelegten Setlist-Nukleus jeden Abend andere, neue Songs hinzu, ersetzte hier einen komplexen Longtrack mit einem hörerfreundlichen vier Minuten Riffrocker, tauschte da einen US-Metal-Banger aus dem Ray Alder-Pleistozän mit einer live nur selten aufgeführten Akustikballade - und hatte am Ende Aufnahmen von nicht weniger als 23 Tracks auf die Festplatte genagelt, die sich nun auch allesamt auf "Live Over Europe" finden lassen. Die einzigen beiden Wermutströpfchen sind das immer noch ärgerliche und stumpf nervende "Pieces Of Me", das seinen Weg unerklärlicherweise immer wieder in die Setlist findet, und das - von "Part XI" abgesehen - Fehlen von weiteren "A Pleasant Shade Of Grey"-Songs, auf die man vermutlich wegen der Existenz von "Still Life" und dem Wunsch, so viele unterschiedliche und bis dato live unveröffentlichte Songs wie möglich unterzubringen, verzichtet hat.
Beides ist indes locker zu verschmerzen, wenn sich der Rest in Reichweite schierer Perfektion abspielt: außergewöhnlicher Klang, einzigartige Atmosphäre, herausragende Spieltechnik, legendäre Hymnen des Progressive Metals - gesungen von einem der besten und ausdrucksstärksten Sängern aller Zeiten: Ray Alder singt 2018 besser denn je - trotz fortgeschrittenem Alter und dem anhaltendem Drang, sich mit Kippen die Lunge zu teeren, ist er auf dem sicherlich dezent bearbeiteten Material auf "Live Over Europe", aber eben auch an jenem Abend im Colos-Saal zu Aschaffenburg stets der unumstrittene Herrscher über Raum, Zeit, Ton, Ausstrahlung, Intimität, Kraft und Poesie. Die Band saust zu gleichen Teilen filigran wie kraftvoll durch die mit Ray verbrachten 30 Jahre Fates Warning (Songs aus der John Arch-Ära bleiben wie immer außen vor), und ich freue mich ganz besonders über den mit "Pale Fire" bedachten "Inside Out"-Besuch, das atmosphärisch glänzende "Wish" und den Longtrack "And Yet It Moves" vom Comebackalbum "Darkness In A Different Light", der am oben erwähnten Abend in Aschaffenburg zu ersten Mal überhaupt gespielt wurde und tatsächlich noch etwas holperte, in der nun vorliegenden Fassung aber überaus tight und schlicht umwerfend klingt.
Erwartbarer Höhepunkt von "Live Over Europe" ist derweil die Interpretation von "The Light And Shade Of Things"; einem Song, der seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2016 wenigstens in meinem Buch zu einem der größten Metalsongs aller Zeiten heranreifte und längst auf einer Stufe mit all dem steht, ohne das das Leben zwar denkbar, aber sinnlos wäre. Ich weiß nicht, wo Jim Matheos und Ray Alder nach ihrer seit über 35 Jahren andauernden Karriere als Musiker noch diesen durch die Tiefsee rauschenden Seelenretter mit seinen fuckin' Jahrtausendharmonien hergeholt haben. Ich hoffe, ich werde nie zu alt, doof oder gar tot sein, um diesen Song zu hören, zu umarmen und zu lieben.
"Live Over Europe" ist nicht nur ein phänomenales Livealbum, es dient ebenfalls als Retrospektive auf dreißig Jahre einer sich immer wieder neu erfindenden Band, die ganz besonders seit ihrem Comeback zunächst in einen kreativen Jungbrunnen gefallen, und anschließend runderneuert, euphorisch und mit ungeahntem Energielevel aus ebenjenem herausgekrabbelt ist.
Ich kann vor dieser Leistung gar nicht genügend Hüte ziehen.
Pressung: +++++ (Wahnsinnig gut. Umwerfender Klang ohne das klitzekleinste Störgeräusch.)
Ausstattung: +++++ (3-LP Set mit beigelegter Doppel-CD im Gatefoldcover. Gefütterte Innenhüllen.)
Das folgende Video wurde zu großen Teilen beim Konzert in Aschaffenburg aufgenommen, bei dem auch Frau und Herr Dreikommaviernull im Publikum waren. Wer unsere Hände, Arme und Gesichter entdeckt, darf sie sich via Standbild ausdrucken und sich an die Wand hängen (z.B. Gästeklo):
JOHN COLTRANE - BOTH DIRECTIONS AT ONCE - THE LOST ALBUM
Ich schreibe nicht gerne über Coltrane. In den beinahe 12 Jahren, die dieser Blog existiert, gibt es exakt keinen einzigen Artikel zu einer seiner Aufnahmen, während die Stichwortsuche immerhin gleich mehr als zwei Dutzend Beiträge ausspuckt. Ich war immer der Auffassung, sein Werk sei ohnehin in Trilliarden Aufsätzen, Rezensionen und Analysen schon bis ins letzte Detail dechiffriert worden - und meistens von Leuten, die das besser können als meinereiner. Coltrane gehört eben zum Kanon, und auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass er mit allem vorstellbaren Fug und Recht auch da reingehört, ziehe ich es vor, allzu offensichtlich erscheinende Fingerübungen über Ubiquitäres von diesem virtuellen Tagebuch fern zu halten. Außerdem, und das ist sehr wahrscheinlich der schwerwiegendere Grund für meine Entscheidung: ich konnte bis heute keine Worte für das finden, was er mir mit seiner Musik bedeutet. Beziehungsweise: ich habe mich nicht mal getraut, nach ihnen zu suchen. Nicht, dass es sich nun im März 2019 grundlegend geändert hätte, aber wir ja hier "ja aus...ääähh...Gründen".
Mein Leben wäre ohne die Entdeckung von "A Love Supreme" im Winter 2005 sicherlich anders verlaufen, und trotzdem gibt es einen Vorläufer zu dieser Sternstunde, der für deren Entdeckung noch wichtiger war: das Debut des SF Jazz Collective, von einem Mitarbeiter des Media Markts Wiesbaden fälschlicherweise ins Electronica-Fach einsortiert und mit einem mich sehr neugierig machenden Coverartwork ausgestattet, brachte mich erstens zum Jazz und dadurch zweitens zu "A Love Supreme". Einmal eigetaucht, gab es keinen Weg zurück. Bis heute versuche ich es vor allem mir selbst zu erklären, was die Faszination ausmacht. Was bringt mich dazu, schon ab der ersten gespielten Note von "Acknowledgment" funkensprühend von diesem Klang eingenommen zu werden? Bis heute bleibe ich mir eine zufriedenstellende Erklärung schuldig. Vielleicht ist es auch schlicht zu akzeptieren, manchmal einfach keine Antworten zu haben.
Dass wir im Jahre 2018 überhaupt nochmal über Coltrane im Rahmen einer Jahresbestenliste sprechen müssen, grenzt an ein Wunder, das der Saxofonist und Weggefährte Coltranes Sonny Rollins mit dem Fund einer neuen Kammer in der Cheops-Pyramide vergleicht. Die Aufnahmen der vielleicht größten Jazzband aller Zeiten mit Elvin Jones am Schlagzeug, Jimmy Garrison am Bass und McCoy Tyner am Piano fanden im Jahr 1963 in den Studios des legendären Produzenten Rudy van Gelder statt - und verschwanden danach für 55 Jahre im Nirgendwo. Coltrane stieß 1961 zum damals neu gegründeten Impulse!-Label und es mag nun trefflich darüber spekuliert werden, warum die beiden Chefs Bob Thiele und Creed Taylor die Aufnahmen nicht veröffentlichten. Tatsächlich geschah noch weitaus Schlimmeres als nur das: nachdem die Mastertapes zunächst einige Jahre im Archiv des Labels lagerten, wurden die Bänder im Zuge von Aufräumarbeiten wegen Platzmangels zerstört. So ist es lediglich Rudy van Gelder zu verdanken, heute in die Geschichte zurück hören zu können: er überließ dem Saxofongiganten nach Abschluss der Session einen Originalabzug der Aufnahmen, der sich nun wieder im Nachlass von Coltranes verstorbener ersten Frau Naima wieder fand. Coltranes Sohn Ravi vollendete die Produktion für diese Wiederveröffentlichung.
Dabei kommt es immer wieder mal vor, dass bislang unveröffentlichte Liveaufnahmen großer Jazzmusiker gefunden werden, manchmal auch mehrere Jahrzehnte nach ihrer Entstehung. Vor wenigen Monaten schrub ich beispielsweise an dieser Stelle über ein vergessenes Livedokument des Pianisten Bill Evans. Auch für Coltrane gab Überraschungsfunde. Da ist zum einen das 1957 im Rahmen des Benefizkonzerts "Thanksgiving Jazz" aufgenommene Gipfeltreffen in der New Yorker Carnegie Hall mit Thelonious Monk, dessen Aufnahmen im September 2005 erstmals veröffentlicht wurde, nachdem die Bänder knapp 48 unentdeckt in der US-Amerikanischen Kongressbibliothek standen. Oder das ebenfalls 2005 präsentierte Livealbum "One Down, One Up" mit Radioaufnahmen aus dem Jahr 1965, das den damaligen Entwicklungsstand des großen Coltrane-Quartetts dokumentiert und gleichzeitig offenlegt, warum Tyner und Jones nur kurze Zeit später die Band verlassen sollten. Gerüchte über einen möglicherwiese zu jener Zeit einsetzenden LSD Konsums Coltranes erscheinen im Lichte der Aufnahmen nicht all zu weit hergeholt: der Titeltrack, damals bekanntes Forschungsobjekt für die Band und hier erstmals in einer wahrlich atemberaubenden knapp 28 Minuten langen Version zu hören, besteht im Grunde aus einem ebenso langen Solo Coltranes und zeigt eine sich entfesselt in den Subraum schraubende Band, die hier hörbar an der Grenze zum Wahnsinn entlang irrlichtet. Diese Aufnahmen gehören zum faszinierendsten, was mein CD und Plattenschrank hergibt und in Verbindung mit den ausführlichen Linernotes bin ich jedes Mals aufs Neue wie vor den Kopf geschlagen: Es wird berichtet, dass die Band in der Zeit ihres Residency-Engagements im Halfnote oft erst tief in der Nacht die Bühne betrat und damit die Sperrstunde verletzte. Der Inhaber des Clubs verschloss dann von innen die Eingangstüren, während die Band nicht selten bis morgens um 5 Uhr spielte. Aufnahmen solcher Nächte gab es zu jener Zeit ausschließlich im New Yorker Lokalradio. Von solchen Übertragungen existierten bis 2005 lediglich von Hörern damals mitgeschnittene Bootlegs, die unter Coltrane-Devotees schnell die Runde machten und zum Kult wurden.
Und hier schließt sich auch der Kreis zu "Both Directions At Once": "One Down, One Up" ist hier erstmal in einer Studioversion zu hören - allerdings deutlich kürzer und mehr auf den Punkt als die ausufernden Liveaufnahmen.
"Both Directions At Once" erlaubt den Einblick in die Entwicklung und de Arbeitsweise des Coltrane Quartetts und darüber hinaus eine über 50 Jahre später möglich werdende Einordnung in das Oevre dieser vier Giganten, von welchen uns drei bereits wieder verlassen haben (Pianist McCoy Tyner ist als einziges Bandmitglied noch am Leben). Ich frage mich fortwährend, wie dieses Album wohl damals rezipiert worden wäre und ob es einen ähnlichen Klassikerstatus erreicht hätte wie beispielsweise "Coltrane" oder "Crescent". Aus meiner Sicht ist "Both Directions At Once" vor allem deswegen hochinteressant, weil es ein Zwischenstadium des Quartetts dokumentiert und wir in diesen kurzen Moment, in der Geschwindigkeit von Coltranes Entwicklung vermutlich nicht länger als ein Augenaufschlag, nun tatsächlich hineinhören können. Es ist, als hätten wir endlich eine funktionierende Zeitmaschine bauen und uns in das van Gelder Studio in Englewood Cliffs beamen können. Die Band zeigt sich gespalten, steht mit einem Bein in der Tradition und wagt sich mit dem anderen Bein in die Zukunft. Coltrane wittert Veränderung und sägt in "Slow Blues" am melodischen Ast der Hardbop-Harmonien und schwingt sich vielleicht erstmals zaghaft in jene spirituellen Höhen auf, die die Band spätestens ab "A Love Supreme" im Studio und auch in den Live-Performances besuchen sollte.
"Es war nicht Ekstase, nicht Magie, es war Läuterung, Reinigung, etwas eindeutig Religiöses, von dem wir ergriffen wurden. Viele im Publikum weinten und schämten sich nicht dafür."
(Martin Kluger)
Interessant ist nun noch die Frage, warum die Aufnahmen überhaupt ins Archiv wanderten und nicht veröffentlicht wurden. Dafür gibt es mehrere Erklärungsversuche: Erstens nahm Coltrane mit seinem Stammproduzenten Bob Thiele so oder so schon mehr Musik auf, als Impulse überhaupt veröffentlichen konnte. Zweitens wollte Coltrane den Markt nicht mit alten Aufnahmen überschwemmen. Drittens darf vermutet werden, dass Impulse den kurz zuvor erzielten Erfolg von "My Favourite Things" nicht mit einer eher herausfordernden Session gleich wieder gefährden wollten und stattdessen eine traditionellere Ausrichtung bevorzugten. Die vierte Option ist zugleich die vielleicht waghalsigste: Jazz-Kenner streiten sich darüber, ob dieser Aufnahmetermin überhaupt zu einer neuen Platte führen sollte - und erkennen im Spiel der Band, ganz besonders bei Drummer Elvin Jones, einige Unzulänglichkeiten. Sie interpretieren jene als einen Hinweis auf eine grundsätzliche andere Ausrichtung dieser Session: am darauf folgenden Tag nimmt das Quartett mit dem Sänger Johnny Hartman (nebenbei der einzige Sänger, mit dem Coltrane jemals gearbeitet hat) ein Album auf, das aus sechs Balladen besteht. Es wird daher spekuliert, dass "Both Directions At Once" lediglich eine Warmup-Session für die Aufnahmen am nächsten Tag ist, ein bewusstes Auspowern, um für die Balladen das richtige Energie- und Dynamiklevel zu finden. Möglicherweise hat van Gelder, bekannt für seine Pedanterie in Bezug auf die Mikrofonierung, die Session auch für einen Soundcheck für die Aufnahmen mit Hartman genutzt. Ich finde auch diese Auseinandersetzung mit "Both Directions At Once" als sehr lohnenswert. Es ist wirklich ein großes Glück, diese Platte hören zu dürfen.
Pressung: +++++ (Tadellos)
Ausstattung: +++++ (Ich nenne die Deluxe-Ausgabe mein Eigen: Gatefold, die-cut sleeve, Prägedruck, bedruckte Innenhüllen und ein großes Poster nebst ausführlichen Linernotes - toll!)
Der weniger reflektierte "Flohihaan" (Jens W.) empfände diesen Moment wohl als einigermaßen angemessen, um mit tosender Vehemenz auf den eigenen Verzicht und die dafür benötigte Stärke und Disziplin zu verweisen, die aufzubringen sind, um die immer häufiger anzutreffenden LP-Preise von 40 Euro plux X mit einem Handstreich von sämtlichen virtuellen Einkaufslisten, Warenkörben und Merkzetteln zu entfernen, oder den darbenden Besitzer eines Tonträgerfachhandels mit einem stummen Kopfschütteln die kalte Schulter zu zeigen, weil man ja dank Evolution, weißem Glibber im Bregen und Sonnenblumen in der ehemals existenten Schambehaarung noch immerhin nicht derart abgestumpft ist und also das Niveau eines resignierten Zynikers erreicht hat, um dem Sammlerdrang einerseits und - in Anerkennung des durch Lohnarbeit zwar halbierten Lebensglücks, aber dafür verdoppeltem Kontostands - der puren Gelegenheit, vulgo: Disziplinlosigkeit andererseits nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, und sie stattdessen als Symptome der eigenen inneren Leere und emotionalen Taubheit anzuerkennen, deren Decouvrierung zwar bisweilen schmerzhaft und enttäuschend ist, aber selbst mit nur einem Hauch innerer Festigkeit und dem moralisch wünschenswerten aber orthopädisch katastrophalen aufrechten Gang in Schach gehalten werden kann.
Der aufklärerische "Floooriii" (Mama) hingegen, der zunächst sich selbst im Zentrum und also Wurzel allen Übels dieser Welt einordnet, weil Bequemlichkeit vom äußeren Ich ins innere Selbst wie Hundekacke am grobstolligen Gummistiefel ins Kaminzimmer hereingetragen wird und sich bei vollem Bewusstsein, wir sind ja immerhin nicht im Wachkoma, durch Nervenbahnen, Ganglien, Energieleitungen wie ein tödliches Geschwür in alle lebens- und fühlensnotwendige Bereiche hinein marodiert, und der sich nicht zuletzt deswegen beinahe so primagut entscheiden kann wie die deutsche Sozialdemokratie, ob sie Schröders Cohiba-Qualm lieber mit dem Arsch inhalieren oder den abgehängten Opfern ihrer Politik gleich lässig ins Gesicht blasen will, muss zerknirscht eingestehen, dass der Betäubungskonsum längst die eigenen auf immer ungezeugten Kinder aufgefressen hat. Angesichts der alleine im vergangenen Jahr heim ins Reich geholten Schallplatten "The Fragile" (55 Euro), "Splendor Solis" (45 Euro) und "Heaven And Earth" (50 Euro) ist der Zeiger für meine Disziplinsperformance schon seit langer Zeit auf dem Status "Bigotter Laberpimmel" eingerastet und -rostet. Auch "The Optimist" des US-amerikanischen Posaunisten Ryan Porter kostete mich im, natürlich: teuersten Plattenladen Kölns glatte 40 Taler, und weil ich absurde Ausflüchte so gerne leiden mag wie einen schönen Einlauf mit "bestem Olivenöl" (Alfred Biolek), wische ich die Schande einfach mit dem Verweis auf meinen an jenem Tag sich zum 41.Male jährenden Geburtstags von der Streckbank:"Ich habe heute Geburtstag, hier ist meine Kreditkarte, Sie Ficker!"
Immerhin handelt es sich bei "The Optimist" um ein 3-LP Set mit gleichfalls dreifach aufklappbaren Cover und übergroßen, schicken Fotos des Protagonisten. Und na klar: der oben erwähnte Nachfolger von "The Epic", Kamasi Washingtons leicht größenwahnsinniges "Heaven And Earth" hat sogar ganze 5 LPs. Da tänzelt man schon ein bisschen ungelenk auf dem Grat entlang, der "Ist halt so, suck it up!" und "Mache mir die Welt widdewiddewie sie mir gefällt." trennt. Und wo das gesagt ist - Achtung, Spoileralert: "Heaven And Earth" hat es nicht in meine diesjährige Top 20 geschafft. Ich versuche, die Trennschärfe zwischen der Distinktion der Ablehnung des wichtigen und mit "Spannung erwarteten" (Peter Illmann) Nachfolgers eines "modernen Klassikers" (Max Dax) und der durch die bizarre Erwartungshaltung, Washingtons neues Mammutwerk würde mich ähnlich auf Links drehen wie der Vorgänger, geformten klitzekleinen Enttäuschung sauber abzubilden. Für gewöhnlich finde ich Hypes für jene Musik, die ich schätze, eher begrüßenswert als störend - bei blanker und unerträglicher Granatenscheiße hingegen ist das ubiquitäre Tamtam Grund genug, sich zu wünschen, die Menschheit solle bitte sofort, umgehend, total und komplett elendig verrecken; und wenn es einen Unterschied zum Besseren mächte, würfe ich mich gar, frei nach Greg Graffin, als erster ins offene Messer. Daher ist weniger der Drang zur Abgrenzung im Falle von "Heaven And Earth" ein Thema, sondern eher der natürlicherweise ausbleibende Überraschungseffekt des alles überstrahlenden Vorgängers, sowie der im direkten Vergleich nochmals hochgefahrene Bombast sowie der seltsam weichgezeichnete Klang die Gründe für die sich weniger euphorisch darstellende Reaktion. Immer noch durchdrehende Jazzpuristen, die doch so gerne in ihrem elitären Streichelzoo unter sich bleiben würden, sind hingegen für mich natürlich immer noch der beste Grund, den Saxofon-Koloss bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den güldensten Himmel zu loben.
Dass der logische "Doooorian" (Frank B.) sich in etwas, das mal als Rezension zu "The Optimist" gedacht war und sich aber in der Absenz von allem was "heilig, recht und gut" (Ratzinger) ist, seit mindestens achteinhalb Minuten puren Leseglücks durch stilistisch wenigstens fragwürdige Bandwurmsätze zeilenweise über Kamasi Washington auslässt, hat indes Gründe: ich glaube, "The Optimist" hätte die Rolle spielen können, die "The Epic" vor vier Jahren einnahm. Und selbst das hat ebenfalls Gründe: Hier spielt das West Coast Get Down Kollektiv, das später durch die Führung Washingtons und die Beteiligung an den Blockbusters von Kendrick Lamar weltweite Aufmerksamkeit erhalten sollte. Die Jazztruppe aus Jazz, Hip Hop und Funkmusikern traf sich gegen Ende der Nuller Jahre regelmäßig in Kamasis "The Shack" genannten Proberaum, einer kreativen Keimzelle des neuen US-Westküstenjazz, und nahm die Arrangements Porters in verschiedenen und über zwei Jahre verteilt stattfindenen Sessions auf. Das Probe- und spätere Aufnahmestudio war dabei nicht nur für die Anzahl der teilnehmenden Musiker signifikant unterdimensioniert, sondern liegt bizarrerweise auch noch unter der Landebahn eines Flughafens, was bedeutete, dass die Fenster und Türen geschlossen werden mussten, wenn die Mikrofone offen waren. Porter wird in den Liner Notes mit "The heat was unbearable" zitiert und verweist außerdem darauf, dass jeder Musiker mit totaler Konzentration und Angst in den Knochen spielen musste, um jeden potentiellen Spielfehler zu vermeiden und alsbald wieder Luft in den mit acht Menschen heillos überfüllten Raum zu bekommen. Unter diesen Umständen entstand mit "The Optimist" ein rohes Album, das in Bezug auf die reine Klangqualität sicherlich hier und da Verbesserungspotential offenbart, dafür aber mit etwas Mut zum verbotenen Wort, durch und durch authentisch klingt: funkiger, treibender Fusionjazz mit pulsierenden Grooves, ungeschliffener Kraft und lebendiger Virtuosität, ohne doppelten Boden, ohne unerfüllte Versprechungen und ohne Allüren.
So ist "The Optimist" nicht nur ein fantastisches Stück Musik, es dokumentiert auch den Entwicklungsprozess des West Coast Get Down Kollektivs auf dem Weg zu "The Epic". Ähnlich meiner Faszination für alte Schallplatten und ihrer Geschichten, ihrer Besitzer, ihrer Hersteller (das älteste Exemplar meiner Sammlung, eine LP des Jazzpianisten Thelonious Monk, stammt aus dem Jahr 1955 und befand sich u.a. lange Jahre im Besitz einer nach New York ausgewanderten Stuttgarterin), die sich letzten Endes aus der Liebe für Hingabe, Leidenschaft und Kreativität speist, dient auch "The Optimist" als Geschichtenerzähler, als Zeitmaschine in eine Zeit der Unschuld und Naivität. Man hört den heute weltbekannten Kamasi Washington und seine bereits wuchernde Spiritualität, Miles Mosley's brodelndes Bassspiel (Solo-Plattentipp: "Uprising") und den allerorst gefeierten Pianisten Cameron Graves vor ihrer großen Zeit, unter Sauerstoffmangel eingesperrt in ein kleines unbelüftetes Loch in San Francisco - und wie sie alles in die Waagschale werfen, was sie bis in die hinterletzte Zelle ihres Körpers und Geistes finden konnten.
Ich glaube ja alleine schon wegen meiner eigenen Erfahrungen nicht an Sozialkompromisse wie "Geschmäcker", auf die man sich konfliktlos einigen kann und die so gerne mit schlichter Sozialisation verwechselt werden, weil's eben immer nur in Richtung des Offensichtlichen zu gehen hat und jedes Graben nach Ursachen schon wieder kultureller Linksfaschismus ist. "Jazz ist anstrengend", "Jazz ist prätentiös", "Jazz ist mir zu hoch", "Jazz ist einfach nicht mein Ding" - Ich schlage vor, dass die Schubladen heute mal geschlossen bleiben. Aber es wäre wirklich mal an der Zeit, stattdessen das Herz zu öffnen.
Pressung: +++ (Platten waren zwar trotz Originalverpackung verschmutzt, ließen sich aber mit einer OkkiNokki-Wäsche auf Hochglanz polieren. Alle drei Platten liegen flach auf dem Teller, keine Non-Fills, sehr selten kleinere Unannehmlichkeiten. Das Gefühl einer nicht ganz optimalen Pressqualität existiert, aber es gibt eigentlich keinen nachvollziehbaren Grund dafür)
Ausstattung: +++ (Ungefütterte und -bedruckte Standard-Inlays, dafür aber ein schönes Artwork, dreifach aufklappbares Gatefold, ästehetische Fotos, Linernotes, insgesamt stimmiges Design. Pappe etwas dünn. Wirkt alles etwas Low-Key, ist dafür aber vermutlich so ehrlich, wie es nur sein kann)
Erschienen auf World Galaxy Records/Alpha Pup Records, 2018.
Auf Dreikommaviernull.de ist exakt ein Beitrag zu Tocotronic zu finden, zu mehr hat es in knapp 12 Jahren nicht gereicht - und das hat Gründe. Meine Haltung gegenüber der Hamburger Indie-Institution war bisher in allerhöchstem Ausmaß mit indifferent noch sehr höflich beschrieben, und mit Ausnahme des hier rezensierten "Kapitulation"-Albums aus dem Jahr 2007 zuckte ich im besten Fall mit den Schultern. Das hat sich 2018 gründlich geändert. Die Zeit war gekommen.
Ich weilte im Dezember 2017 berufsbedingt für zwei Tage in Hamburg und lag nach dem obligtorischen Besuch bei Michelle Records und der Einnahme eines vegetarischen Burgers im Hotelbett und konnte nicht schlafen. Es folgte ein über Stunden andauerndes zielloses Herumtapsen auf dem Telefon, bis mir plötzlich die Youtube-App das neue Video von Tocotronic vorschlug. Es war der Titeltrack und damit der erste Teaser des im Januar erscheinenden neuen Albums.
Und es traf mich wie ein Blitz.
Es gibt Momente in meinem Leben, die ich mir nicht erklären kann. Momente, in denen Zeit und Raum ausgehebelt erscheinen, in denen oben plötzlich unten und unten plötzlich oben ist. Wenn alles vorher gelernte, geglaubte, fantasierte und manipulierte keinen Sinn mehr macht, das Herz schneller pocht, die Augen weit aufgerissen sind, eine Euphoriewelle nach der anderen durch den Hypothalamus schwappt und das innere Brodeln sich mit Licht und Liebe verbindet. Wenn klar ist, dass solche Momente noch in 50 Jahren glasklar vor einem liegen werden, in der strahlendsten und unauslöschbarsten Erinnerung. So wie ich mich bis heute an den Sprung von der elterlichen Couch auf die Auslegeware vor dem Röhrenfernseher erinnere, als ich zum ersten Mal "Smells Like Teen Spirit" hörte. Dieses Gefühl wieder zu erkennen, wieder zu entdecken, dass dank Lohnarbeit, Schlafmangel, Bluthochdruck und innerem Bleigießen noch nicht alles erstarrt ist - ein Seelenöffner.
"Die Unendlichkeit" war mir ab der ersten Sekunde ganz nah. Es wurde mehr als nur Musik, es wurde zur Begleitung, mehr noch: zum Lebensgefühl. Wie bereits zur "Kapitulation" wurde ihre Musik mehr als nur Klang und Worte, sie wurde zum Leitmotiv, zur Stütze, zum Ratgeber. Und ich erkannte, dass es vermutlich keine andere Band gibt, die mit ihren Texten eine derart tiefe Verbindung zu mir herstellen kann. Ich verstand sie endlich.
Ihr Intellekt, ihr Mut, ihre Verletzlichkeit und auch ihre Freundschaft untereinander waren im letzten Jahr eine große Quelle der Inspiration.
Pressung: +++++ (Tadellos)
Ausstattung: +++++ (Glow In The Dark-Coverartwork, Gatefold, bedruckte Innenhüllen)