07.07.2015

The Saint Is Back




ARMORED SAINT - WIN HANDS DOWN


Die Wiederentdeckung einer Legende. Das erste Album seit fünf Jahren scheint die Band aus Los Angeles geradewegs in jene Erfolgssphären zu führen, in welchen sie eigentlich schon seit knapp 30 Jahren zu Hause sein müsste - und das nicht nur bei zwei Handvoll "Piepels" (Schwiegermutter), die sowieso schon zur eingeweihten und loyalen Fanbase zählen. Es gibt praktisch niemanden, der "Win Hands Down" nicht wenigstens mit anerkennendem und wohlmeinendem Kopfnicken quittiert, die Regel sind indes geradewegs Begeisterungsstürme. Als hätten Metalfans jahrelang auf genau dieses Album gewartet. Ich kann es ihnen nachfühlen, aber dazu später mehr. Und selbst die Herzallerliebste protestiert bedeutend leiser, als sie es bei anderen Heavy Metal Bands für gewöhnlich tut (Nudelholz, Stabmixer, Androhung von Beischlafentzug).

Armored Saint haben sich schon vor über 20 Jahren von der Vorstellung verabschiedet, die ganz großen Erfolge zu feiern. Als der Fünfer nach ihren von Kritikern und Musikerkollegen gefeierten, aber von der breiteren Öffentlichkeit weitgehend ignorierten US Metalalben in den 1980er Jahren und vor allem der beeindruckenden Hitsammlung "Symbol Of Salvation" aus dem Jahr 1991 immer noch kein kommerziell verwertbares Bein auf den Boden bekam, nahm Sänger John Bush das lukrative Angebot der New Yorker Anthrax an, den kurz zuvor gefeuerten Joey Belladonna am Mikrofon zu ersetzen - und Armored Saint waren Geschichte. Das gute Comebackalbum "Revelation" aus dem Jahr 2000 muss im Rückblick als vermeintlich letztes Aufbäumen verstanden werden, was jedoch so schnell wie erfolglos wieder zu den Akten gelegt wurde. 

Zehn Jahre später, Bush war mittlerweile von den völlig desolaten Anthrax vor die Tür gesetzt worden, um gemeinsam mit dem Heimkehrer Belladonna der Nostalgie ein Ständchen zu blasen, erschien etwas überraschend "La Raza" - eine umwerfende und erholsam organisch produzierte Platte, die eine Band zeigte, die zwar den Drang, die großen Tofufleischtöpfe zu erreichen mittlerweile aufgab, aber dafür hörbar ohne jeden Druck groß aufspielte. Hauptsongwriter, Produzent und Bassist Joey Vera, der die Jahre zuvor unter anderem mit Fates Warning und Tribe After Tribe arbeitete, hatte seinen alten Kumpels ultralockere Metalsongs mit tonnenweise Hooklines und Feeling vorgelegt, die zu gleichen Teilen zwingend und unaufgeregt klangen. Große Teile der Szene zuckten auch für "La Raza" nur ratlos mit den Schultern, was unter dem Eindruck von klanglich heillos aufgepimpten Metalproduktionen, die die Hörgewohnheiten besonders der nachwachsenden Generation in den letzten 15 Jahren in eine phantasie- und seelenlose Ecke drängte, beinahe legitim erscheint: "La Raza" wurde vermutlich nicht nur gefühlt in Veras Schlafzimmer eingespielt und auf dem Gästeklo abgemischt, und wer seine Lauscher von dem ganzen sonstigen überproduzierten Dreck derart ausgiebig manipulieren ließ, konnte schon der Ansicht sein, dass der Platte etwas die Durchschlagskraft fehlt. Wer allerdings noch wusste, wie ein echtes Schlagzeug oder eine simpel vor sich hin brutzelnde E-Gitarre klingt, und außerdem noch die verblasste Erinnerung an Sänger hatte, die wirklich singen können, wer darüber hinaus große, offene Melodiebögen, klassisch-hochwertiges Songwriting und Groove nicht für cheesy, unnütz und veraltet hält, der warf sich für dieses wunderbare Album in den Staub. So tat's auch meine Wenigkeit, natürlich erst kerzengerade vier Jahre nach der Veröffentlichung, aber für ein solches Erlebnis hätte ich auch gerne doppelt so lange gewartet.

Fünf Jahre nach diesem Geniestreich erschien vor wenigen Wochen nun "Win Hands Down", dank einem Schippchen mehr Druck und Härte ein rassiges, zeitloses, modernes und zugleich klassisches Metalalbum, das nicht nur qualitativ zum großen Kultklassiker "Symbol Of Salvation" aufschließt, sondern auch hinsichtlich des Songwritings einige Parallelen aufweist: so ist "Muscle Memory" das "Last Train Home" des Jahres 2015, und "Dive" die moderne Variante der Ballade "Another Day". Der im Vordergrund stehende Star dieser Platte ist natürlich Sänger John Bush, der längst seine Kreise in jener Champions League Gruppe zieht, in der auch ein Bruce Dickinson, ein Ronnie James Dio und ein Ron Halford spielen. Trotzdem erscheint es falsch, nur den begnadeten Metalsänger Bush hervorzuheben, denn das siebte Studioalbum ist genau wie der Vorgänger in erster Linie eine Gemeinschaftsarbeit von fünf absoluten Könnern, die sowohl technisch als auch in der Interpretation und feiner Nuancierung ihrer Musik zu den ganz großen Ausnahmemusikern der Metalwelt zählen.

"Win Hands Down" macht zwei für mich ganz fundamentale Punkte klar: zum einen kenne ich keine andere Band, die ihren vermeintlichen Höhepunkt vor gut 30 Jahren hatte und auch heute noch soviel Feuer, Kraft und Leidenschaft versprüht wie diese taufrisch klingende Truppe. Man kann es Armored Saint nicht hoch genug anrechnen, dass sie trotz chronischer Erfolglosigkeit noch immer derart vehement für ihre Musik brennen. Man kann also auch mit 50 noch so geil klingen - und das macht außerdem Hoffnung für die eigene Bandkarriere.

Zum anderen: schon sehr lange frage ich mich angesichts meiner andauernden Ablehnung gegenüber aktuellem Metal, ob ich einfach so scheiße geworden bin und mich so verändert habe, dass ich diesen seelenlosen, billig hingeklatschten, überproduzierten, kalkulierten, risikoarmen Dreck, der seit mindestens 15 Jahren die Szene überschwemmt und verstopft und sich trotzdem immer noch verkauft wie preisreduziertes Klopapier aus naturbelassener Jute, nicht mehr ertragen kann. Oder ist es wirklich die Musik, die sich zu diesem seelenlosen, billig hingeklatschten, überproduzierten, kalkulierten, risikoarmen Dreck entwickelt hat, der sogar aus sicherer Entfernung so unerträglich erscheint wie eine neue Talkshow für Johannes "Bumsi" Kerner - und jetzt habe ich endlich die Antwort: Es ist die verkackte Musik! ES IST DIE VERKACKTE MUSIK! 

Dafür hat es einfach nur diese umwerfende, unfassbar viel Spaß machende, mit links und einem breiten Grinsen aus dem Ärmel geschüttelte Platte gebraucht.

In diesem Sinne ein ganz ernst gemeintes: Danke, Jungs!  




Erschienen auf Metal Blade, 2015.


05.07.2015

Rain Dance @ Silent Season


Eigentlich sollte hier heute Abend etwas über die neue Armored Saint LP stehen.

Wir verschieben das mal.

Tanzt für Regen. Los jetzt.






Mixed by Silent Season

04.07.2015

Die fundierte Kulturkritik (XIV)

Wenden wir uns für dreikommaviernull Minuten etwas wirklich Relevantem zu, "denn das Leben ist doch hart genug" (Rodgau Monotones):

Der Ghostwriter, Kaffeekocher und lesbische Schwulenkommunistennazi von Deinem Lieblingsblog "3,40qm" wirft mir und Dir gerade eine wichtige Information durch die 40,3°C Raumtemperatur rüber und im Zweifel kann ich's immer noch auf die Hitze schieben, aber er sagt, das sei eine total legitime und also auf- und vor allem richtige Feststellung, und das könne man schon mal machen, damit das hier nicht allzu süßlich und blümelich (sic!) und tralala wird, vor allem auch deshalb, weil Seeed in unangemessener Weise viel zu selten gedisst und heruntergeputzt werden:

Seeed ist eine Berliner Musikgruppe, die vor allem in den Genren Reggae und Dancehall tätig ist. Sie besteht aus elf Musikern und gewann dreimal den Echo.

Viel ekelhafter kann Musik und das dazugehörige "Bisinäss" (L.Matthäus) kaum mehr werden.

Schwerter zu Ventilatoren! Dildos zu Milchaufschäumern! Bock für Gärtner (beziehungsweise: zum)!

Warm es zu ist!

30.06.2015

Freedom Throughout The Universe




BLACK FIRE! NEW SPIRITS! 
Deep and Radical Jazz in the USA 1957-82



"Der in den späten fünfziger Jahren in den USA aufgekommene Free Jazz, der später auch in Europa eine spezifische Ausprägung fand, entstand als Ausbruch aus den vorgegebenen musikalischen Konventionen und reflektierte gleichzeitig den Befreiungskampf der afro-amerikanischen Bevölkerung." (Wolfgang Sterneck) 

Diese Ende 2014 auf Souljazz Records veröffentlichte Compilation war schon längere Zeit auf meinem Zettel, und um ein Haar hätte ich bei unserem Plattenladenbummel durch die Domstadt bei Parallel Records zugegriffen - ich entschied mich dann aber doch in buchstäblich letzter Sekunde für das Debut von Gil Scott Heron. Nun liegt das schwere 3-LP Set trotzdem auf meinem Tisch und Plattenspieler, nachdem meine beiden Bandjungs in einer heimtückischen Nacht- und Nebelaktion die Herzallerliebste meine 13 virtuell verteilten Wunschzettel durchwühlen ließen und es mir zum Geburtstagsgeschenk machten. Tränen der Rührung. Echt.

In Ermangelung technischer Kenntnisse über Jazz und der ipso facto ausbleibenden hysterischen Schreie über Tonleitern, Harmonielehre oder Geschwindigkeitsexzesse blieb mir ab meiner ersten Jazzerleuchtung via Coltranes "A Love Supreme", und man läute jetzt bitte hektisch die Klischeebimmel, nicht viel mehr als Atmosphäre, Zusammenspiel, Klang, Tiefe und für den Kontext: das Leben der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA der sechziger Jahre, die Civil Rights Bewegung, Black Panthers und Dr.Martin Luther King.

"During this phase of its history, jazz music was in a state of revolution. The music and lives of African-American artists radicalised at the start of the 1960s by the civil rights movement, Black Power and a new spiritual awakening, the consequences of which would be felt for many years." (S.Baker in den Liner Notes)

"Black Fire! New Spirits!" verteilt auf zwei CDs oder drei LPs insgesamt vierzehn Tracks aus den turbulenten Jahren der amerikanischen Jazzmusik und hält dabei eine gute Balance zwischen bekannteren Musikern wie Archie Shepp (hier zusammen mit Jeanne Lee), Yusef Lateef, Don Cherry, Joe Henderson und Grachan Moncur III und den obskuren und vergessenen Künstlern wie Tyron Washington, David Lee Jr. oder Pheeroan Aklaff. Die wie von Souljazz gewohnt ausführlichen Liner Notes zu jedem einzelnen Musiker setzen Stein für Stein das Mosaik der damaligen Zeit (und auch dieser Compilation) zusammen.

Es mag in diesem Zusammenhang überraschen, dass viele vertretene Musiker aus Detroit stammen. Baker schreibt dazu, dass die Motor City eine wichtige Rolle in der Radikalisierung des Jazz spielte. Angetrieben durch den experimentell ausgerichteten Detroit Artists Workshop in den 1960er Jahren wurden nicht nur Musikerkollektive und Plattenlabels wie Strata oder Tribe gefördert, der vom Jazzkritiker, White Panther-Aktivisten und späteren Manager der skandalträchtigen Rockband MC5 John Sinclair organisierte Free Jazz/Hard Rock Workshop brachte außerdem einige merkwürdige, aber interessante Zusammenstellungen ans Tageslicht: So war beispielsweise der Jazztrompeter Charles Moore für einige Zeit Bandmitglied bei den MC5.

Das intensivste Stück von "Black Fire! New Spirits!" ist sicherlich "Universal Spiritual Revolt" von Tyron Washington. Ein zunächst ausgelassen beginnender funky Jazztune, der urplötzlich in einen wilden Orkan mit Glocken, irrem Gebläse und "Freedom!, Freedom!" Geschrei umschlägt und am Ende wieder beschwingt in das Eingangsthema wechselt, als wäre nichts geschehen. "Universal Spiritual Revolt" hat eine unbändige Kraft, laut abgespielt kann man während dieser neun Minuten kaum stillsitzen. Washington nahm Ende 1967 sogar eine Platte für das Blue Note Label auf ("Natural Essence"), spielte Sessions mit Jackie McLean, Woody Shaw und Herbie Hancock - wenngleich die "Train Wreck Sessions" genannten Aufnahmen mit letztgenanntem nie offiziell veröffentlicht wurden - und verließ nach seiner letzten, 1974 erschienenen Platte "Do Right" und der Konvertierung zum Islam die Musikwelt.

Es sind solche Geschichten, die mich magisch anziehen. Und es sind auch solche Platten wie von Washington, dem Creative Arts Ensemble oder von Lloyd McNeill und Marshall Hawkins ("Tanner Suite", demnächst mehr), die mich faszinieren und mich in die Plattenläden treiben, sowohl die virtuellen als auch die letzten Überlebenden in unseren Städten.

"Kennzeichnend für einen beträchtlichen Teil der MusikerInnen war ein systemkritisches Bewußtsein. Schon der Free Jazz als musikalische Stilform an sich, setzte die Bereitschaft voraus, aus den gängigen gesellschaftlichen Konventionen auszubrechen und sich einer freieren, undogmatischen Ausdrucksform zu öffnen. Darüber hinausgehend kam oftmals es zu einem klaren Bekenntnis zu revolutionären Positionen. Der Saxophonist Archie Shepp faßte diese Haltung 1968 in einer plakativen Weise zusammen: ”Der Jazz gehört zu den gesellschaftlich und ästhetisch wichtigsten Beiträgen Amerikas. Er ist gegen den Vietnam-Krieg; er ist für Kuba; er ist für die Befreiung aller Völker. Das ist die Natur des Jazz, ohne daß man da allzu weit zu suchen brauchte. Warum? Weil der Jazz selber eine Musik ist, die aus der Unterdrückung, aus der Versklavung meines Volkes hervorgegangen ist.” (Wolfgang Sterneck)


Es gibt noch viel zu tun. Und viel zu hören. Und viel zu lernen.






Erschienen auf Souljazz Records, 2014.

27.06.2015

Üntergründ



AUDESSEY & A CAT CALLED FRITZ - 
BEATS PER MINUTE


Wäre "Beats Per Minute" nicht schon Ende 2013 digital, beziehungsweise im September 2014 auf Vinyl veröffentlicht worden, würden wir dieser schnuckligen LP ganz bestimmt in meinen Jahrescharts 2015 erneut begegnen. So darf ich erst hier und heute, ganz lässig und dennoch leicht erregt, auf eine Platte hinweisen, die das Zeug hat, sich zu einer primaguten Sommerplatte zu entwickeln.

Die Zusammenarbeit zwischen dem MC Audessey (u.a. Soundsci) und dem in Paris arbeitenden Produzenten A Cat Called Fritz konnte im Hip Hop Underground durchaus einigen Staub aufwirbeln und bietet klassischen, jazzigen Hip Hop mit dusty Vibes, verhuschten Beats und einem Audessey mit kristallklarer und punktgenauer Performance am Mic. Musikalisch erinnert das bisweilen an eine tiefenentspannte und leicht zugegraste Version des immer noch blendend funktionierenden "First Serve" Albums der beiden De La Soul MCs und der ebenfalls französischen Beatschnippler Chokolate und Khalid - in erster Linie, weil sich die Leichtfüßigkeit und Unaufgeregtheit des Sounds mit dem Drive und dem Flow der Beats und Rhymes ähnlich miteinander verbrüdern. 

Kein neumodisches Gebritzel, keine störenden Experimente - einfach sehr, sehr guter Hip Hop, der gleichzeitig nicht über Gebühr den Rückwärtsgang eingelegt hat, um sich bei alten Helden beziehungsweise deren Fans zu bedienen. 





Erschienen auf Slice Of Spice, 2013/2014.

24.06.2015

Four Tet - Morning / Evening




FOUR TET - MORNING / EVENING


Uuuuund der nächste heiße Kandidat für die Jahresbestenliste - was ist denn nur dieses Jahr los? - Kieran Hebdens Alter Ego Four Tet mit dem ersten Album seit dem 2013er "Beautiful Rewind"- Stahlwollenklumpen aus feinster geschlagener Jazz-Schlagsahne mit Sauerkrautdressing.

Hebden kokettiert ja nicht selten mit seinem selbstauferlegten Exil der virtuellen Vermarktung, andererseits: wer könnte es ihm übel nehmen? Der Mann ist seit Jahren als gefragter DJ nicht undick im Geschäft, während seine Platten auch nicht gerade wie drei Wochen alter Delfinsalat in den Regalen liegen - immerhin geschieht  das alles ohne den ganzen virtuellen Firlefanz aus Youtubehausen, Spotifykloake und iTunesirrsinn. Da kann man schon ein bisschen neidisch werden, ganz bestimmt lässt sich aber galant der Hut zu einem geplerrten "Chapeau!" lupfen. 

"Morning / Evening" ist spirituelles Four Tet-Futter für die immer noch stetig wachsende Fangemeinde, wie immer mit deutlichem Krauteinfluss unter dem (überraschend straighten) Technobeat, wie immer in der Gesamtanlage ein schräges Erlebnis und supergut dazu geeignet, den Home Office-Arbeitsraum mit Licht zu fluten, höre "Morning" mit seinen schlappen 20 Minuten Laufzeit. Die bösen Geister am Abend werden mit "Evening" vertrieben, die gerade mal eine halbe Minute kürzere B-Seite. Und trotz dessen, dass da oben skandalöserweise sogar zwei Mal "wie immer" steht, ist bei der gebliebenen Konsequenz alles ein bisschen anders, ein bisschen breiter, ein bisschen aufgeschlossener, ein bisschen tiefer. Vielleicht aber auch bloß noch ein bisschen zentraler auf dem Planeten Hebden platziert.

40 Minuten Seelenmassage. Für 6 Euro auf seiner und Deiner Lieblings-Ich-Unterstütze-Den-Musiker-Direkt-Auf-Bandcamp-Seite.


21.06.2015

This was your life





FELIX LABAND - DEAF SAFARI



Das Cover von Felix Labands erstem Album seit viel zu langen zehn Jahren hat mit einem bedeutungsvollen Nicken in Richtung des Artworks seiner 2005 erschienenen Platte "Dark Days Exit" zwar ordentlich Corporate Identity übergebügelt bekommen, sorgt im Hause Dreikommaviernull, und hier ganz besonders bei der Herzallerliebsten, für verstörte Blicke und deutlich wahrnehmbare atmosphärische Spannungen - und die LP-Version mit folgerichtig riesigem Cover kann dabei helfen, verstärkt auf die Plattenhygiene im Wohnzimmer zu achten, soll es nicht noch schlimmer werden.

Zu meiner eigenen Überraschung werden die erwähnten Differenzen beim Durchhören des Albums nicht nur nicht kleiner, sie werden beinahe zu einer echten Herausforderung. Ich twitterte es neulich bereits: beim epischen "The Devil Threatens Me" zeltet die Mitbewohnerin mental vor der Klagemauer und wirft mir alle paar Minuten ein "Was ist das denn für ein Scheiß?" vor meine qualmenden Ohren - hier könnte ich zur Verbesserung des Klimas glatt "Decade Of Aggression" der Thrashopas von Slayer auf den Player betonieren und die Anlage derart aufdrehen, dass die Bevölkerung in Uruguay noch etwas davon hätte.


"Deaf Safari" ist tatsächlich kein Easy Listening für den Sommer. Der südafrikanische Produzent ist hinsichtlich der kulturellen Verschmelzung elektronischer Tanzmusik mit der Musik und Kunst vor seiner Haustür, um das große Bild zu verwenden: seines Lebens, den berühmten Extraschritt nach vorne gehopst und nach eigener Aussage endlich in seiner Mitte angekommen. Laband hat mit Musik- und Sprachsamples aus seiner Heimat eine musikalische Collage kreiert, die zwar fast immer auf dem berüchtigten 4/4 House-Beat basiert, aber mehr als nur Flashbacks aus afrikanischer Tradition provoziert. Laband verweist hier besonders auf den Kwaito-House Südafrikas, einem Musikstil, der sich in den 1990er Jahren entwickelte und zum Symbol für die Veränderungen zwischen den Apartheid- und Post-Apartheid-Generationen wurde. Diesen zwischen Schwerelosigkeit und aufgeheiztem Bewegungsdrang umhertaumelnden Sound verziert Laband sehr prominent mit fast schmerzhaft intensiven Spachsamples aus Nachrichtensendungen, rituellem Zulu-Gesang und wildem Schamanistengeschrei, mit großer Perfektion ausgewählt und sorgfältig auf jeden passenden Beat getupft. Auffällig ist die Schwere, die die oftmals leichtfüßige Musik damit erhält, und wie stark sich der Fokus auf die Stimmen und die Worte konzentriert.

"Deaf Safari" ist Instrumentalmusik, nur mit Worten.    







Erschienen auf Compost, 2015.


14.06.2015

"Ist das ein ausländisches Shirt, Howard?"




MOTÖRHEAD - BASTARDS



"Bastards" ist ein auf mehreren Ebenen interessantes Motörhead-Album - ein musikalisch überdurchschnittliches noch dazu. Das kommt, zur besseren Einordnung, immerhin von einem Typen, der nicht gerade als der allergrößte Motörhead-Fan gilt und darüberhinaus die Vergötterung eines alten, kranken Mannes inklusive der Heroisierung seines Verfalls nicht so richtig verstehen mag. Und der nicht mal im Ansatz schnallt, was zur Jahrtausendwende passiert sein muss, um die Band aus dem kommerziellen Koma zu holen, in dem sie bis zum 2000er Album "We Are Motörhead" vor sich hin dämmerte. Ganz besonders zwischen 1993 und 1999 krähte fast kein Hahn nach neuer Musik des Trios, und plötzlich schoss man mit dem sechzehnten Studioalbum geradewegs durch die Decke. Ein Erfolg, der übrigens bis heute anhält.

"Bastards" erschien nach dem bitteren und von dem damaligen Label EPIC mutwillig herbeigeführten Flop "March Ör Die" auf ZYX Records, einem zu jener Zeit auf Dance und Techno spezialisierten Label aus dem hessischen Merenberg. Die Umstände dieses Deals sind in Lemmys Autobiografie zum Heulen schön beschrieben; wie es möglicherweise zu erwarten war, endete die Zusammenarbeit jedoch in einer Katastrophe. Zwar wuchteten ZYX eine satte halbe Million Dollar für die Aufnahme über den großen Teich, dafür verstanden die Labelmanager weder etwas vom amerikanischen Markt noch vom Vermarkten einer Motörhead-Platte. "Bastards" war außerhalb Deutschlands praktisch nicht erhältlich, erst später wurde das Album zusätzlich für den japanischen Markt lizenziert.

""Bastards" war eines der absolut besten Alben, die wir je machten, und es verschwand einfach im Nirgendwo." (Lemmy)

Aus musikalischer Sicht ging dem ein oder anderen wirklich etwas durch die Lappen, denn auch wenn "1916" mein Favorit der Quartettbesetzung ist und bleibt, läuft "Bastards" ziemlich knapp dahinter ins Ziel. Das Album überrascht vor allem mit den untypischen und melodischen Songs wie "Devils" "We Bring The Shake" oder "Lost In The Ozone", und natürlich mit der Ballade über Kindesmissbrauch "Don't Let Daddy Kiss Me", die Lemmy im Vorfeld schon Lita Ford und Joan Jett anbot, deren Managements aber kalte Füße bekamen. Auch die Stangenware enttäuscht nicht: der typische Motörhead Opener "On Your Feet, On Your Knees", das Doublebassungetüm "Burner" und der unvermeidliche Hit "Burn To Raise Hell" wirken etwas frischer und zwingender als üblich. Einen nicht zu kleinen Anteil daran dürfte auch die knackige Produktion Howard Bensons haben, der in den kommenden Jahren noch öfter mit der Band zusammenarbeiten sollte. Ein weiterer Aspekt, den man nicht zwangsläufig unter den Tisch fallen lassen muss: "Bastards" war das erste Album, bei dem der neue Drummer Mickey Dee am Songwriting beteiligt war. Dee spielte zwar schon den Großteil des Vorgängers ein, stieß aber erst zur Band, als die Songs bereits geschrieben waren.

"Bastards" ist qualitativ über weite Strecken bedeutend besser als die Alben, die davor erschienen - und besser als vieles, was danach kam sowieso.

Erschienen auf ZYX Records, 1993.

12.06.2015

BVDUB - A Step In The Dark




BVDUB - A STEP IN THE DARK


Hallo, hallo, hallo! Ihr seid auf dem inoffiziellen Werbeblog für Brock van Wey aka BVDUB und meine lilafarbenen und in die Hose gesteckten Olymp-Hemden flattern in der Flatulenz eines Riesenwarans. Der Grund: Weil! Und weil es eine neue Platte gibt. 

Das erste musikalische Lebenszeichen van Weys im Jahr 2015 und damit seit seinem letztjährigen "Tanto"-Meisterwerk, für das er übrigens kürzlich den eingenommenen Betrag von 2005,00 US-Dollar gleich wieder an Organisationen spendete, die an einem Heilmittel für die tödlich endende Katzenseuche FIP (Feline Infektiöse Peritonitis) arbeiten, an der seine Katze starb:
i'm extremely proud and grateful to have been able to make a $2,005 donation in Tanto's name to SOCK FIP and the UC Davis Center for FIP Research. all of this was made possible by all your amazing kindness and support of the album, the cause, and real and true love. as promised, 100% of my costs were also donated, i haven't taken or recouped a penny, and i never will. any and all future sales of the album, both physical and digital, will be donated as well. 
i would also like to add my thanks and respect to SOCK FIP (a completely non-profit volunteer organization who works with UC Davis solely on researching a cure for FIP) for their promise that 100% of the donation will go directly to research for a cure, rather than other, though necessary, satellite costs. 
thank you all for helping make this happen, and for honoring Tanto in the amazing way you have made possible. i'm forever in your debt. 
brock

"A Step In The Dark" erscheint offenbar exklusiv auf dem japanischen ANAY Label, auf dessen Website man das Album in der CD-Version inklusive Download, oder nur als Download sehr unkompliziert bestellen kann. Ich freue mich sehr darüber, denn es ist (natürlich) wieder großartig.

Einige Samples (grrrr) lassen sich auf Soundcloud finden - oder eben genau und jetzt: hier.





Erschienen auf ANAY, 2015.

10.06.2015

Beam me Jimmy one more time



JIM SULLIVAN - JIM SULLIVAN


Ein schneller Nachschlag über das gleichfalls verschollene zweite Album des US-amerikanischen Singer/Songwriters Jim Sullivan. Für alle Interessierten und so. 

"U.F.O." ist, wie angedeutet, nicht das einzige Album Sullivans. Drei Jahre nach dem Debut erschien das selbstbetitelte zweite Werk auf Playboy Records, dem zu Hugh Hefners Playboy-Konzern gehörenden Plattenlabel. Light In The Attic ist hier noch nicht mit einer weiteren Wiederveröffentlichung tätig geworden, was einerseits daran liegen könnte, dass die Sony mittlerweile über ihre Tochter Legacy Records den Playboy-Backkatalog verwaltet, und die Vertragssituation im besten Fall unübersichtlich ist, andererseits ist der Run auf das Original aus den siebziger Jahren nicht mit der Hysterie vergleichbar, die das Debut bei den Plattensammlern auslöste (und weiterhin auslöst). 

Auf Youtube ist das Album indes in voller Länge zu finden und überrascht mit einer etwas rockigeren Ausrichtung. Größtenteils lassen sich auch hier atemberaubende Songperlen finden ("Don't Let It Throw You", "Lonesome Picker", "Amos" und "I'll Be There"), manch anderes ist auf das erste Hören etwas ungewohnt, beispielsweise die beiden Remakes seiner Debutsongs "Sandman" in einer swingenden Barmusikversion mit Bluegrasseinflüssen und "Plain To See", das durch die Beatverschiebung irritierend viel Punch und Attack abbekommen hat. 

Irgendwie hat man das Gefühl, Sullivan wusste mit seinem zweiten Album aus musikalischer Sicht nicht so recht wohin; fast hat es den Anschein, als sei das nicht "sein" Werk. 





Erschienen auf Playboy Records, 1972.

07.06.2015

Purl - Stillpoint

2015 ist bislang ein ganz außerordentliches Jahr für neue Musik, und im Prinzip könnte ich nicht nur wegen der gegenwärtigen Temperaturen bis weit in den Oktober hinein auf eine Hose verzichten. Die kanadischen Spezialisten für Dub Techno und Ambient von Silent Season zerren, um beim Bild zu bleiben, momentan ganz kräftig am Beinkleid.

Es gibt traditionell nur Höhepunkte auf dem Imprint von Labelgründer Jamie McCue: naturverbundene, inspirierende Tonkunst, veröffentlicht in handgemachter, liebevoller Verpackung - und in der Regel schneller ausverkauft, als sich Herr Dreikommaviernull die Hose wieder hochziehen kann.

Womit die Tragik schon angemessen beschrieben ist, denn eine der wunderschön designten CDs zu ergattern - LPs gibt es nur in Ausnahmefällen, siehe zum Beispiel Segues "Pacifica" Meisterwerk - ist nahezu unmöglich.

Aktuell verdreht mir "Stillpoint" von Purl schwer den heuschnupfgeplagten Kopf: eine außergewöhnlich bildhafte, opulente Musik vom schwedischen Produzenten Ludvig Cimbrelius (Bandcamp).





Stillpoint
At the center of us is a focal point of consciousness
Perfectly still, yet vibrant with life
This is our natural state
Ever at peace, yet ever expanding
Ever at peace 
In knowing that being can never cease to be
Thus there is no death
Only eternal life
Ever expanding 
In knowing that eternity is never done
We are in continuous motion towards what lies beyond
Across endless new horizons

~ Ludvig Cimbrelius 2015 ~

Erschienen auf Silent Season, 2015.

06.06.2015

Beam me up, Jimmy!



JIM SULLIVAN - U.F.O.


Bei professionellen Musikjournalisten sollte man grundlegend immer zwei, drei Gedanken Sicherheitsabstand einnehmen; bei einem, der für Bild Spiegel Online schreibt, Burzum in seinen Playlists führt und hinterher geradewegs erbärmlich über die Doppelmoral jener Kritiker wimmert, die den Faschozottel Vikernes nicht uneingeschränkt megasuper finden, können es auch vier oder viertausend Gedanken werden, um sich vor ähnlichen Krämpfen im Dachgeschoss zu schützen.

Ab und an scheint sich aber auch Jan Wigger ein Fässchen entkrampfenden Franzbranntweins hinters Gesichtsgekröse zu kippen, denn seine über vier Jahre alten Zeilen über Jim Sullivans Debut "U.F.O." sind nicht nur richtig, sie sind auch bis heute aktuell. Das meinerseits schon mehrfach lobend erwähnte Light In The Attic-Label hat dieses lange vergessene Album aus dem Jahr 1969 ausgegraben und im November 2010 wiederveröffentlicht und darüber hinaus an eine Geschichte erinnert, die zu gleichen Teilen tragisch und mysteriös ist. 

Der Sänger und Gitarrist Jim Sullivan verschwand im Jahr 1975 spurlos. Kurz zuvor entschied er sich zum Umzug von Los Angeles nach Nashville - nach zwei erfolglosen und völlig unbekannt gebliebenen Alben versprach er sich dort größere Erfolgsaussichten für seine Musik. Auf der Fahrt nach Nashville machte Sullivan Rast in Santa Rosa, New Mexiko. Zwei Tage später fand man seinen verlassenen VW Käfer in der Wüste, einige Meilen außerhalb der Stadt. Jim Sullivan wurde seitdem nie wieder gesehen.

Dieser Kurzfilm fasst seine Geschichte zusammen:






"U.F.O." ist ein universeller Klassiker. Seine Songs atmen zeitgleich luftiges Westküstenflair mit unbeschwertem savoir vivre und blasse Melancholie, die,  wenn doch nicht konkret greifbar, sich mit schwachem, aber immerhin permanentem Grundrauschen zeigt. Sie sind melodisch opulent und vielschichtig; vor allem nachzuhören in blütenweißen Arrangements wie in "Jerome" oder "Highways", die sich wie ein aufgerissener Himmel mit allen damit einhergehenden Lichtreflexionen präsentieren. 


"U.F.O." ist eine jener Platten, über deren Wichtigkeit und Schönheit man sich bereits nach wenigen Sekunden bewusst wird. Es ist etwas in dem Klang, vielleicht auch in der unzertrennlich erscheindenden Verbindung zwischen Stimme und Musik, über deren Ausmaß ich mir bis heute nicht im Klaren bin. Vielleicht sind es auch Erinnerungen, die wachgeküsst werden und die so viele gute Gedanken auslösen - und sei es nur an Papas Nach-Italien-In-Den-Urlaub-Fahr-Kassette, die in der vierzehnstündigen Fahrt an die Adriaküste mehr als nur ein Mal lief.



Erschienen auf Monnie, 1969.
Re-Issue erschienen auf Light In The Attic, 2010.

30.05.2015

Think for yourself! Question authority!



LEE REED - THE BUTCHER, THE BANKER, 
THE BITUMEN TANKER


Es ist alles so leise. Jeder Widerstand längst zum Selbstzweck verkommen. Rituale. Karneval. 

Deine alten Lieblingsmusiker sind handzahme alte Männer geworden, die auf Werbeveranstaltungen von Großkonzernen auftreten. Die jungen Wilden sind so wild wie eine Schüssel Cornflakes und singen im in die neue Jeans gesteckten und oben geschlossenen Olymp-Hemd (lila) über Bienchen und Blümchen. Es bleibt alles so leise. Die für gewöhnlich nicht gerade für politische Kampfansagen bekannte Thievery Corporation sagte vor einigen Jahren, dass Du als Künstler nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verantwortung dafür hast, deine Stimme zu erheben. "Und wann, wenn nicht jetzt?" - wenn die Kunst durch die erdrutschartigen Veränderungen im Konsumverhalten einer Gesellschaft in erster Linie ökonomischen Regeln folgen muss, und Ecken und Kanten nur dann legitim sind, wenn sie angemessen, und das heißt: gewinnbringend, vermarktet werden können, dann darf man sich über den aktuellen Zustand populärer Musik nicht wundern, sondern viel mehr fröhlich ihren Untergang mitverfolgen. Während man sich selbst endgültig in Richtung des Teils des Undergrounds verabschiedet, der sich nicht etwa von den Verlockungen des Mainstream korrumpieren lässt, sondern der existiert, weil er existieren muss.  

Wer dieser Maxime folgt und im besten Fall integer ist, ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein Außenseiter. Wer kerzengerade stehenbleibt und sich den schlimmsten Sauereien, die eine an Sauereien nicht gerade arme Branche bereithält, verweigert, ist whacky. Wer nicht mitspielt, darf eben nicht mehr mitspielen. Schon leise Kritik am Mainstream und die Abweichung von ebenjenem führt zu einer völlig unverhältnismäßigen sozialen Ablehnung und Ausgrenzung, während zeitgleich die immanente Rücksichts- und Gedankenlosigkeit und die Konsumsucht einer Erste-Welt-Generation, die so viel wie keine andere vor ihr auf Kosten der ärmsten Regionen dieser Welt lebt, unreflektiert und ohne jeden Widerspruch geduldet, gefördert und belohnt wird. Wann genau hat sich das alles so gedreht? Wann genau haben wir eigentlich den Moment verpasst, an dem alles in die falsche Richtung ging?

"Du hast so komische Gedanken. Ich habe heute Morgen in der Süddeutschen Zeitung gelesen, dass..."

Es ist unbequem, sich die ganze Zeit die Übel der Welt ins Gesicht schreien zu lassen. Und es ist in diesem Zusammenhang viel angenehmer, Max Herre zu hören, bei dem es im übertragenen Sinne um nicht viel mehr geht, ob der Spargelpreis am Wochenende unter 5 Euro pro Kilo fällt. Oder wir lassen den neuesten süßen Indieschmeichler unter die Bettdecke kriechen, lesen dabei die volkstümliche Unterhaltung im Spiegel und stricken weiter am Märchen von der demokratischen Agenda einer aufgeklärten Gesellschaft, der Trennung zwischen Kirche und Staat, extremer Männlichkeit durch 3 Kilo Rindersteak (auch prima für Frauen!) und der Illusion der eigenen Freiheit. Und wir grillen. Grillen ist ganz wichtig geworden.

"Das ist keine Fehlentwicklung, das Schiff ist auf Kurs." (Lothar Dombrowski)

Lee Reed hört glücklicherweise nicht damit auf, laut und unangenehm zu sein. Sein neues Album "The Butcher, The Banker, The Bitumen Tanker" klatscht mir jedes gerappte Wort mitten ins Gesicht, gnadenlos und mit Karacho, denn "my microphone is a weapon". Es ist eine große Anklage, zornig, wütend, angriffslustig, respektlos und ohne jede Scheu vor Autoritäten. Es hat mehr als jemals zuvor den Anschein, als sei die Musik lediglich das Vehikel für seine Message. Für mich treten die Beats und die spärlich gesäten Melodien und Jazz-Basslinien fast vollständig in den Hintergrund, sie helfen allenfalls dabei mit, das Album atmosphärisch entweder weiter zu verdunkeln oder in ein psychedelischeres Licht als früher zu tauchen - ein Licht, in dem manches Mal sogar ein (Sauer)Krautrocktopf an einem vorbei schwebt.

Kanadian HipHop's oldest and grumpiest radical-lefty loudmouth. 12 tracks of state-smashing, bank-crashing, boom-bapping, mic-wrecking insurgency.

Und es ist wichtig, dass es solche Typen noch gibt. 


Support the underground, motherfucker!


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Erschienen auf RHYMETHiNK, 2015