JIM SULLIVAN - U.F.O.
Bei professionellen Musikjournalisten sollte man grundlegend immer zwei, drei Gedanken Sicherheitsabstand einnehmen; bei einem, der für Bild Spiegel Online schreibt, Burzum in seinen Playlists führt und hinterher geradewegs erbärmlich über die Doppelmoral jener Kritiker wimmert, die den Faschozottel Vikernes nicht uneingeschränkt megasuper finden, können es auch vier oder viertausend Gedanken werden, um sich vor ähnlichen Krämpfen im Dachgeschoss zu schützen.
Ab und an scheint sich aber auch Jan Wigger ein Fässchen entkrampfenden Franzbranntweins hinters Gesichtsgekröse zu kippen, denn seine über vier Jahre alten Zeilen über Jim Sullivans Debut "U.F.O." sind nicht nur richtig, sie sind auch bis heute aktuell. Das meinerseits schon mehrfach lobend erwähnte Light In The Attic-Label hat dieses lange vergessene Album aus dem Jahr 1969 ausgegraben und im November 2010 wiederveröffentlicht und darüber hinaus an eine Geschichte erinnert, die zu gleichen Teilen tragisch und mysteriös ist.
Der Sänger und Gitarrist Jim Sullivan verschwand im Jahr 1975 spurlos. Kurz zuvor entschied er sich zum Umzug von Los Angeles nach Nashville - nach zwei erfolglosen und völlig unbekannt gebliebenen Alben versprach er sich dort größere Erfolgsaussichten für seine Musik. Auf der Fahrt nach Nashville machte Sullivan Rast in Santa Rosa, New Mexiko. Zwei Tage später fand man seinen verlassenen VW Käfer in der Wüste, einige Meilen außerhalb der Stadt. Jim Sullivan wurde seitdem nie wieder gesehen.
Dieser Kurzfilm fasst seine Geschichte zusammen:
"U.F.O." ist ein universeller Klassiker. Seine Songs atmen zeitgleich luftiges Westküstenflair mit unbeschwertem savoir vivre und blasse Melancholie, die, wenn doch nicht konkret greifbar, sich mit schwachem, aber immerhin permanentem Grundrauschen zeigt. Sie sind melodisch opulent und vielschichtig; vor allem nachzuhören in blütenweißen Arrangements wie in "Jerome" oder "Highways", die sich wie ein aufgerissener Himmel mit allen damit einhergehenden Lichtreflexionen präsentieren.
"U.F.O." ist eine jener Platten, über deren Wichtigkeit und Schönheit man sich bereits nach wenigen Sekunden bewusst wird. Es ist etwas in dem Klang, vielleicht auch in der unzertrennlich erscheindenden Verbindung zwischen Stimme und Musik, über deren Ausmaß ich mir bis heute nicht im Klaren bin. Vielleicht sind es auch Erinnerungen, die wachgeküsst werden und die so viele gute Gedanken auslösen - und sei es nur an Papas Nach-Italien-In-Den-Urlaub-Fahr-Kassette, die in der vierzehnstündigen Fahrt an die Adriaküste mehr als nur ein Mal lief.
Erschienen auf Monnie, 1969.
Re-Issue erschienen auf Light In The Attic, 2010.
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