28.10.2014

Fuck Tradition. Fuck Religion.



When it comes to bullshit, big-time, major league bullshit, you have to stand in awe of the all-time champion of false promises and exaggerated claims, religion. No contest. No contest. Religion. Religion easily has the greatest bullshit story ever told. Think about it. Religion has actually convinced people that there's an invisible man living in the sky who watches everything you do, every minute of every day. And the invisible man has a special list of ten things he does not want you to do. And if you do any of these ten things, he has a special place, full of fire and smoke and burning and torture and anguish, where he will send you to live and suffer and burn and choke and scream and cry forever and ever 'til the end of time!

But He loves you. He loves you, and He needs money! He always needs money! He's all-powerful, all-perfect, all-knowing, and all-wise, somehow just can't handle money! Religion takes in billions of dollars, they pay no taxes, and they always need a little more. Now, you talk about a good bullshit story. Holy Shit!
(George Carlin)


Es gibt allerhand Beispiele von Tieropferungen im Rahmen besinnungslos religiösen Kladderadatschs, dieser trüben Traditions- und Kulturgut-Soße, der man auch im Jahr 2014 immer noch nicht den Stöpsel aus der Badewanne ziehen kann. Das islamische Opferfest, in dem vor allem Paarhufer - Schweine haben wenigstens in dieser Hinsicht mal ausnahmsweise Glück gehabt - geschlachtet und rituell geschächtet werden, wahrscheinlich für gute Verdauung, saubere Unterhosen und einen straff nach oben gerichteten Penis oder was weiß ich, das Judentum darf für seine fünf in der Tora erwähnten Opferarten Olah, Mincha, Sebach, Chattat und Ascham unter anderem Rinder, Schafe und Widder vollständig verbrennen oder wie im Chattat einer Ziege (!) die Sünden des Menschen per Handauflegen (!!)  übertragen, das Tier anschließend schlachten und sein Blut auf den Altar und dem Vorhang im Tempel verspritzen. In dem obszönen Märchenonkelbuch "Die Bibel", der ein oder andere hat vielleicht schon mal davon gehört, ein kräftig lasziver Schmöker voller Gewalt, Inzucht und Bananendildo-Userbewertungen, wimmelt es natürlich auch nur so von gottloser Unterbelichtung: "Die Tiere, die für Opfer verwendet wurden, waren immer Haustiere. Sie mussten fehlerlos, einjährig und männlich sein." - andernfalls wäre der als Hochstapler verurteilte Jesu S. (32, wohnhaft in Gütersloh, dritte Kloake rechts, Hotel "Die Wicherts", vier Mal klopfen) nicht wieder auferstanden oder hätte aus Wasser keinen Wein, sondern ein schönes Grützwurstrisotto mit gelbem Schmackes gezaubert.

Wer noch alle Klöppel in der Glocke hat, greift sich angesichts dieses rituellen Boheis mindestens mal schön an den Kopf und wundert sich, was Jahrtausende kompletter Vollverstrahlung mit dem menschlichen Gehirn und der Seele so alles anstellen können. Wir haben es tatsächlich ziemlich anerkennenswert sehr weit gebracht, beziehungsweise mal gerade vom Esstisch zum donnernden Klingonenfurz auf der Keramik, und es ist geradezu bedauerlich zu beobachten, dass sich vor allem der vermeintlich ideologiefreie und progressive Teil der Bevölkerung hierzulande in Sachen religiöser Hirnverknotung noch immer, und in den letzten Jahren dank Papst und Gauck erschütternderweise sogar immer mehr, mit der Bullenlederpeitsche vor den Altar und in den Beichtstuhl treiben lässt - meinetwegen gerne im übertragenen Sinne, aber wie viele dieser Rituale immer noch so wunderbar kräftig am Leben sind und mit aller Macht an selbigem erhalten bleiben müssen, ist einer modernen und aufgeklärten Gesellschaft unwürdig.

Nun zeigt ja der deutsche Kleinmümmelmannbürger gerne mal mit dem Finger auf die anderen, in erster Linie und gerade in diesen Tagen mit stetig wachsender Begeisterung auf die, die im westlichen und nicht offiziellen Kastensystem weit unter ihm selbst stehen, denn der über den ganz großen Kamm geschorene Deutsche tritt traditionell gerne nach unten und spreizt im Gegenzug für "die da oben" die Arschbacken weit auseinander; was zu verstehen ist, denn die Angst ist ein Meister aus Deutschland, und das gilt für mehr als nur eine Ebene. Auf meiner Ebene hier unten zeige ich heute mit allen elf Fingern auf Nepal und das dort Ende November stattfindende Gadhimai Tieropferfest. Obwohl das Opfern von Tieren im Hinduismus keine Regel ist, gibt es Mitglieder von einzelnen Stämmen und Clans, die einen Kübel Traditionsschlamm im Brägen herumtragen. Seit 260 Jahren werden alle fünf Jahre bis zu, Achtung festhalten: 500.000 Tiere über den Lauf eines Monats rituell geopfert, lässt man den rhetorischen Weichzeichner weg: massakriert und abgeschlachtet. Die blutgeilen, besoffenen und derangierten Sackgesichter stehen inmitten von Tausenden, teils über Tage zum Tempel getriebenen Tieren mit stumpfen Messern und köpfen Wasserbüffel, Ziegen, Hühner, Tauben, Enten und Ratten; als besonderes Spezialfeature darf man sogar seine eigenen Tiere mitbringen und vor Ort meucheln, damit ihnen die Gadhima, die "Goddess of Power" wohlgesonnen sein wird. Die Times Of India schrieb beim letzten Festival der Liebe:

The name on everyone's lips on Tuesday, when the slaughter of buffaloes started, was that of Raman Thakur, a farmer from Sitamarhi in Bihar who sacrificed 105 buffaloes to show his gratitude. The goddess, Thakur said, had answered the prayer he had made five years ago by granting him a son. 


Für den Rest zitiere ich den Text der deutschen Tierrechtsgruppe Animal Equality:

Es sind Bilder, wie wir sie uns kaum vorstellen können: Hunderttausende Tiere werden auf einem Feld zusammen getrieben und von hunderten Menschen niedergemetzelt. Alle diese Tiere sterben einen langsamen, qualvollen Tod, da die Menschen, die sie töten, sehr unerfahren sind und zumeist stumpfe Messer verwenden. Zwischen toten und sterbenden Tieren stehen verstört die Tiere, die noch am Leben sind. Sie müssen zusehen, wie ihre Artgenossen vor ihren Augen sterben müssen.(...)

Mehr als 500.000 unschuldige Tiere sollen im November 2014 beim weltgrößten Opferfest in Nepal sterben. Das Gadhimai Tieropferfest folgt einer hinduistischen Tradition, die seit ungefähr 260 Jahren in Bariyapur, im Süden Nepals, praktiziert wird. Bei diesem Fest werden alle fünf Jahre über die Dauer von einem Monat hunderttausende Tiere der Göttin Gadhimai geopfert. Wasserbüffel, Ziegen, Lämmer und Tauben sind als Opfer vorgesehen - tatsächlich aber befinden sich alle Tiere in der Umgebung des Veranstaltungsortes in Gefahr niedergemetzelt zu werden.

Viele der Tiere werden in indischen Dörfern gekauft und über lange Entfernungen zum Gadhimai-Tempel getrieben. Die Besucher, bei denen circa 70% aus dem Nachbarland Indien kommen, können die von ihnen mitgebrachten Tiere auf jede beliebige Art und Weise auf dem Schlachtplatz töten. Die Tiere müssen dabei eine Tortur von bis zu zwei Stunden durchleiden, da sie mit stumpfen Messern und von unerfahrenen Personen getötet werden. Die Menschen, die an dem Tieropferfest teilnehmen, konsumieren oft große Mengen Alkohol, so dass sie betrunken sind, wenn sie die Tiere töten. Häufig sind kleine Kinder bei den Opferungen anwesend.

http://www.animalequality.de/neuigkeiten/gadhimai

Petition unterzeichnen:

http://massaker-beenden.org/


Bilder und Videos erspare ich Euch wenigstens auf meiner Seite, sonst kommt uns allen das kalte Kotzen.

"There will be Zero Tolerance."(Chuck Schuldiner)

25.10.2014

Katzen! Er mag auch noch Katzen!



BVDUB - TANTO


Vorankündigung des voraussichtlich letzten BVDUB Albums für das Jahr 2014, das am 1.12.2014 erscheint. Brock van Wey über die Hintergründe. Gefunden auf dem Webshop von N5MD. Dort gibt es auch schon Hörproben.

Alle Tränenschleusen auf.

"In 2014 I lost one of my best friends, without whom my life will never be the same - Tanto, my feline brother in arms, and not only a massive part of my life, but my music as well. We fought our hardest, for months, side by side, but in the end, everything we had was not enough.

From one of, if not the darkest times in my life, I wanted to honor a life with good and beauty, the way he deserved. The result is my first ‘live’ album, in that all tracks were done in one take, one each day for six days, recorded raw and untouched... not a story, not a narrative, but a direct account of the saddest, emptiest, most helpless days of my life, after I was forced let my brother and best friend leave this life... and everything I wish I could have told him as he slipped from my world in front of my eyes, and in my arms. But it is not entirely an album of sadness and anger... it is as much my wish to show a life of beauty and pure, unadulterated love, and my love for someone who meant the world to me. The end result is an unbridled recording that is as much joy as pain, and as much hope as despair.

100% of everything from this album will be donated to the UC Davis Center for FIP Research, in the hopes that even one life, one brother or sister, one innocent cat can be spared the horror of this cruel disease. But equally as importantly, let it serve as a tribute, and an eternal memorial to a life of loyalty, of joy, and of love. Let it serve as a tribute to life itself... about which Tanto taught me more than I can ever describe, through not only his unwavering friendship, but his unshakable bravery and strength.

For this, and what this means, Quietus is reborn. At least once... to let a life of such kindness and love live on... and to hopefully help many more friends and family stay side by side. This CD was made locally in the Bay Area, my home, and the cover hand-printed on an actual printing press, using real paper and ink - the way my family and I did for over 20 years. Thank you for your love and support, and cherish every day with those you love, and who love you." - Brock Van Wey

Erscheint auf Quietus, Dezember 2014.



22.10.2014

Let The Shyce Flow - Iron Maiden von unten (Teil 2)



Es ist kein Geheimnis, dass Harris und Dickinson allerhöchstens ein professionelles Verhältnis pflegen: auf der einen Seite der wilde, rastlose, kreative, neugierige Flummi Dickinson, auf der anderen Seite der konservative Sturkopf Harris - das wird keine Liebe mehr. Nach Dickinsons Rückkehr kittet allerdings der gigantische Erfolg wie schon vor 30 Jahren die Risse zwischen dem Sänger und dem Bassisten, weil man für ein paar Millionen Britische Pfund auch drei Monate im Jahr mal so tun kann, als sei man ganz dicke miteinander. Die restliche Band profitiert von der Geschäftsbeziehung des Trios Smallwood/Harris/ Dickinson, ist aber im Grunde mittlerweile nur noch schmückendes, wenngleich notwendiges Beiwerk - eine Änderung der Besetzung scheint mittlerweile völlig ausgeschlossen und würde neben dem Image der Band als starke Einheit in der Folge auch deren Erfolgsaussichten nachhaltig ramponieren.

Seit der 1999er Reunion mit Dickinson und Gitarrist Adrian Smith, dem die Kohle nach einigen gefloppten Projekten (A.S.A.P. und Psycho Motel) wohl auch so langsam ausging, hat die Band vier Studioalben, fünf Livealben (u.a. das legendär miese und kurz nach einer Halserkrankung Dickinsons aufgenommene "Death On The Road", das im Studio so grotesk schlecht nachbearbeitet wurde, dass man schon einen panierten Blumenkohl im Ohr haben muss, um sowas auch nur mitleidig abzunicken), vier Best Of-Zusammenstellungen, von denen eine, "Edward The Great", sogar nur drei Jahre nach der im Jahr 2002 erschienenen ersten Ausgabe in einer aktualisierten Version neu aufgelegt wurde, und 13 Singles, fast alle in unterschiedlichen Formaten, veröffentlicht.

Hinzu kamen außerdem noch insgesamt neun(!) DVDs, bei denen auch hier "Death On The Road" auf Jahrzehnte die rote Laterne behalten wird: wer angesichts des Bildschnitts alleine die ersten zehn Minuten ohne epileptischen Anfall aushält, steht sowieso schon unter permanenter Medikation. Maiden gingen im erwähnten Zeitraum mehrfach auf Tournee, und wenn es kein Album zu promoten gab, dann gab es Resteverwertung oller Kamellen à la carte: 2003 nahm man sich die ersten vier Alben vor, 2008 ließ man unter dem Banner "Somewhere Back In Time" die "Live After Death"-Ära wieder auferstehen und beschloss den Krempel im Jahr 2012 mit "Maiden England" und der "Seventh Son"-Phase. Zu der man natürlich, man kann es sich erlauben, auch das Titelstück der schwachen "Fear Of The Dark" Scheibe von 1992 zählte.

Nicht eingerechnet sind die Wiederveröffentlichung der alten Alben sowohl auf CD als auch auf Vinyl, aber genau das war tatsächlich der Ausgangspunkt meines, äh, Ausbruchs. So veröffentlichte man nicht nur jedes Studio-, Live- und Best Of-Album als sackteure und oftmals qualitativ minderwertige Picture Disc-Pressung (Höhepunkt: die völlig vergeigte erste Seite der "The Final Frontier"-Erstauflage), man nahm sich, befeuert durch den Vinyl-Hype auch den Backkatalog vor: 2012 und 2013 gab es Picture Discs der ersten sieben Studioalben, nun legt man im Herbst 2014 nach.

In diesen Tagen sind erneut (!!) die ersten sieben Studioalben plus die 1985er "Live After Death" Doppel-LP  plus alle aus den Alben ausgekoppelten Singles als 7-inches (!) an der Reihe, dieses Mal indes auf schwarzem Vinyl. Gesammelt werden kann die Rohstoffverschwendung in einer LP-Box, die es mit dem ersten Wurf der ersten drei Alben zum Preis von knapp 60 Euro zu kaufen gibt. Die nachfolgenden Scheiben sind in der bewährten Salamitaktik bis zum Jahresende zu erstehen. Am Ende stehen also acht Platten im Schrank, Gesamtpreis mindestens 160 Euro, die Singles nicht mit eingerechnet. Angeblich ist jede Platte auf 2500 Stück "streng limitiert", aber das sieht man im Hause Maiden traditionell nicht ganz so eng: es wird seit Jahren gemunkelt, dass die auf 10000 Stück limitierte Erstpressung der "Best Of The Beast"-4LP-Box nochmal ganz streng nach oben limitiert wurde, nachdem der erste Schwung ausverkauft war.

Jetzt könnte man mir natürlich den üblichen "Du musst es ja nicht kaufen"-Reflex an den Kopf werfen, und läge damit grundlegend auch völlig richtig. Es dürfte auch kaum verwundern, dass ich mir die Wiederveröffentlichung der Wiederveröffentlichung der Wiederveröffentlichung der Wiederveröffentlichung nicht ins Regal stellen werde. Ich halte es allerdings immer öfter für tragisch, dass eine der ehemals besten Metal-Bands aller Zeiten so durchschaubar die immer wieder kolportierte Fan-Nähe torpediert - absurderweise in dem sie angebliche Fan-Nähe demonstriert.

Iron Maiden Platten sind mittlerweile die Musikentsprechung zu Klamotten von KiK oder Primark. Oder zum Essen von fucking McDonalds. Künstlerisch muss man schon lange keine Bäume mehr ausreißen oder sich mal wieder einen Funken anstrengen. Sie müssen niemanden mehr überzeugen, sie müssen nur noch regelmäßig Platten abliefern. Und Konzerte abspulen. In diesem Zusammenhang ist die immer wieder derart penetrant in den Vordergrund geschobene Exklusivität und die vermeintlich hohe, wertige Qualität und die unausweichliche "Fan-Nähe", dieser "Value For Money"-Gestus und dieses Underdog-Blabla noch perfider.


Wie hart mich dieser verlogene Konsumterrordreck mittlerweile am Arsch lecken kann.


Der Autor: Florian E., 37, verheiratet. Mit 9 Jahren zum Maiden-Anbeter geworden, nachdem er die letzten 15 Minuten des "Live After Death" Videos sah. Von 1986 bis 2006 ausdauernder und unterwürfiger Sammler von Maiden-Artikeln (Bootlegs, T-Shirts, Schweißbänder, Konzertkarten, LPs, CDs). Von 2006 bis 2009 im Status "Kritischer Fan" verweilend. Im Mai 2009 Empfänger einer Abmahnung seitens der von Iron Maiden Holdings  beauftragten Anwaltskanzlei Sasse und Partner(*). Mit einer Zahlung von 1700 Euro freigekauft. Seitdem bisweilen harter Kritiker mit problematischem, ambivalentem Verhältnis zur Band, der der ganzen Blase in schwachen Momenten gerne eine Backpfeifenpolka (12-Inch, Extended Version, Repeat-Modus) vorspielen würde, sich allerdings ihre guten Momente immer noch mit großer Freude anhören kann. Zu Steve Harris' berühmter Bootlegsammlung sollte er indes niemals unbeaufsichtigt mit einer Kettensäge Zutritt erhalten. Und "Killers" ist ihre geilste Platte. So.

(*): Heise.de schloss den damaligen Artikel zur Abmahnwelle übrigens mit folgendem Absatz:


Weil dieser abmahnende Anwalt sowohl gegenüber Telepolis als auch gegenüber dem Spiegel darauf hinwies, dass jemand, der "sicher gehen" wolle, "im Zweifelsfall einfach gar keine alten Iron-Maiden-Produkte verkaufen" solle, vermutet der Ettlinger Heavy-Metal-Fan, dass die Abmahnungen auch dem Zweck dienen könnten, Personen, die ihre alten CDs verkaufen möchten, zu verunsichern, um so das Gebrauchtangebot an legalen Tonträgern zu verknappen, damit potentielle Käufer eher zu Neupressungen greifen, an denen die Band und die Rechteverwerterindustrie nochmals Geld verdienen.

"Mehr hab' ich nicht hinzuzufügen."(G.Polt)

19.10.2014

Let The Shyce Flow - Iron Maiden von unten (Teil 1)



Die New Wave Of British Heavy Metal-Legende Iron Maiden, seit ihrer Reunion mit Leadsänger Bruce Dickinson wieder dick im Geschäft, um nicht zu sagen dicker denn je, macht zumindest unter dem kritischeren Teil der Anhängerschaft, also weltweit immerhin circa 7 Personen, seit mehreren Jahren in erster Linie mit einer zweifelhaften Veröffentlichungspolitik Furore - mehr jedenfalls als mit neuer Musik oder Tourneen: das letzte Scheißalbum "The Final Frontier" war vor allem ein Scheißalbum, und die Liveauftritte sind angesichts des Stellenwertes der Band einerseits und im Vergleich mit den Showelementen anderer Größen wie Rush, AC/DC oder auch Metallica andererseits, allenfalls solide. Wie ein Abend im Pub mit Labberbier aus dem Eigenurin-Katheterbeutel oder Pommes rot/weiß. Man weiß eben, was man bekommt: eine meistens gähnend-sacköde Setlist, seit Jahren/Jahrzehnten altbekannte Backdrops, eine Lightshow wie 1985 aus der Long Beach Arena geplumpst und ein drei Meter großes Modell von Maskottchen Eddie, das drei Minuten über die Bühne stakst. Es überrascht in diesem Sinne nur die übersichtlich talentierten Maiden-Fans, dass die Band, obwohl sie sich immer entsprechend in Szene setzten, aus technologischer Sicht niemals Vorreiter war. Zur Unterstützung der These schauen wir auf drei Stationen ihrer Karriere:

Erstens: 1996 wurde das Videospiel "Melt" monatelang mit überschwänglichem Tam-Tam angekündigt, anschließend bis auf zwei Sätze und damit praktisch kommentarlos ("It was crap. Maiden want to give their fans something to blow them away.") eingestampft und später durch "Ed Hunter" ersetzt; ein Spiel, das schon 1996 wirkte, als hätte es ein Commodore Amiga 500-Entwickler als Hobby zwischen zwei Valiumtrips an Weihnachten 1987 ersonnen - was Steve Harris selbstverständlich nicht davon abhielt, folgendes zu Protokoll zu geben: "It's the most amazing thing I've ever seen. I don't get shocked very often, but Ed Hunter was so good." Es soll Menschen geben, die heute noch darüber lachen. Über das Spiel. Und über Steve Harris. 


Zweitens: das Album "Dance Of Death", nicht nur eine musikalische ("Wildest Dreams") und textliche ("Age of Innocence"), sondern auch visuelle Unverschämtheit, die mit der dazu passenden Hintergrundgeschichte gar zu einer tragischen Angelegenheit wird:

"Der erste Entwurf zeigte Eddie als Sensenmann mit vier Mönchen im Hintergrund. Um dem Cover etwas Pep zu verleihen, beauftragte Rod Smallwood, der Manager der Band, einen Mitarbeiter von ironmaiden.com, die Charaktere um Eddie herum auszuarbeiten. Der Entwurf wurde an Patchett zurückgesandt. Da dieser mit dem Resultat nicht zufrieden war, bat er darum, nicht im Booklet erwähnt zu werden. Als das Cover im Internet veröffentlicht wurde dachten viele Fans, dass die Band ihnen einen Streich spielen wollte." 
(http://de.wikipedia.org/wiki/Dance_of_Death_(Album)#Hintergrund). 

Sowas passiert also, wenn Maiden mit "neuer" CGI/3-D-Computergrafik experimentieren. 


Drittes Zeugnis von der ziemlichen Komplettahnungslosigkeit, wie es im nicht mehr ganz so neuen Jahrtausend läuft, ist das Video des Titeltracks von "The Final Frontier", zusätzlich auch noch der Song mit der beknacktesten Textzeile des gesamten Backkatalogs, überraschenderweise noch vor "Bring your daughter to the slaughter": 

"But I wish I could talk to my family and tell them one last goodbye"

Wie miteinander verwachsen natürlich mit einer irrsinnig miesen Melodyline kombiniert. 

Bon, Maiden-Videos waren niemals Sternstunden der Kreativität, sehr oft sogar ziemlich hell strahlende Intelligenzdetonationen, und dazu muss ich nicht nur auf den unfassbaren und peinlicherweise offiziellen "Wildest Dreams"-Clip verweisen, auf den ich nicht mal verlinken kann, weil es wahrscheinlich selbst für Youtube zu beschämend war, das Ding zu hosten. Oder auf das "Holy Smoke"-Video. Oder - Alex Meier Fußballgott steh' mir bei - auf "Virus", konsequenterweise auch der nicht nur vielleicht furchtbarste Maiden-Song aller Zeiten, trotz gummiharter Konkurrenz von "The Angel And The Gambler". Aber können sich die Typen nicht mal wenigstens ein bisschen anstrengen? Es gibt so viele kreative, junge Menschen, warum muss man sich diese fremdschamverursachenden Hilflosigkeit von Harris' Gärtner oder künstlerischen Dinosauriern wie Smallwood einflüstern lassen? Mein lieber Herr Gesangsverein. 




Normalerweise macht man sich damit zum Gespött der Leute, bei Maiden klingelt immer noch und wieder die Kasse. Dazu gibt's auf der Bühne die gleichen Ansagen, die gleichen Posen und die selbe kumpelhafte Anbiederei seit 35 Jahren. "Wir sind Maiden, ihr seid die Besten und wir wären nichts ohne Euch!". Damit ist die Band immerhin nicht alleine, und wer sich zumindest ein bisschen im via der "Early Years" DVD öffentlich ausgebreiteten Gedankenkosmos von Bassist Steve Harris und Manager Rod Smallwood auskennt, seit jeher die beiden Kapitäne im Millionen-Euro-Dampfer Iron Maiden Ltd., dürfte von der Sucht nach Publicity und Anerkennung dieser beiden Alphatiere auch nicht wirklich überrascht sein.

Nach jahrelanger und tatsächlich sehr harter Arbeit beim Aufbau einer kleinen englischen Pub-Kapelle zu einer der erfolgreichsten Metal-Bands aller Zeiten in den achtziger Jahren, war der durch sinkende Relevanz in Folge des Sängerwechsels von Aushängeschild Bruce Dickinson hin zum bemühten, aber überforderten Ersatz Blaze Bayley ausgelöste Schmerz beim Duo Harris/Smallwood am Ende sogar so unaushaltbar, dass man sich nach dem Abschluss der "Virtual XI"-Tournee 1999 mit dem ehemals zur persona non grata erklärten Dickinson versöhnte - und die Kulissen der "Truman-Show" wieder in die Szenerie rollen konnte.

Dazu gibt es mehr in der zweiten Folge zu lesen. 

17.10.2014

Karmanacht



SEVERENCE - HIDDEN CEILINGS



Wer sich an der Schnittmenge von Dub Techno und Ambient erfreut, musste im Jahr 2013 früher oder später über dieses Album stolpern. In meinem Falle war es spektakulärerweise und völlig unvorhersehbar eher später, denn als ich, wie ich meinem last.fm-Profil entnehmen kann - es ist schon alles ein verrückter Scheiß - am 18.Oktober, also praktisch fast genau vor einem Jahr, "Hidden Ceilings" zum ersten Mal hörte, konnte ich mich bis zum Jahresende schlicht nicht entscheiden, ob es Bestandteil der Jahresendabrechnung werden soll, oder nicht. Die aufmerksamen Leser werden es jetzt in die Welt, oder zumindest in die Kloschüssel herausschreien:"NEIN! ES WAR NICHT BESTANDTEIL DEINER BEKNACKTEN TOP 20-LISTE, WIEHER!". Was einwandfrei richtig ist. 

Ich entschied mich schlussendlich gegen das Werk von Eliot Denmark, und es kann nur ein kurzer Tagesaus-, beziehungsweise unfall gewesen sein, der mich dazu zwang, vielleicht war es auch die starke Konkurrenz oder ein langjähriges Frisurenleiden, ich weiß es nicht. Dabei wäre eine Platzierung locker, Achtung, ein Plusquamperfekt: zu vertreten gewesen; eine Bewertung, die jetzt im neuerlichen Herbst, also in dem des Folgejahres, mehr Sinn denn je macht. Denn Denmarks Musik ist keine für den Sommer oder den Frühling, sie ist keine seichte Untermalung von im Sonnenwind wehenden Kleidern, Haaren und Pimmeln, es ist keine entspannende Hintergrundberieselung für Studenten-WGs nachts um 4. "Hidden Ceilings" ist nicht cool - denn Denmark vermeidet jedes Klischee. Dunkel, lebensfeindlich, manchmal bedrohlich. Keine Bange, das passiert nur, wenn sich die falschen Bilder im Kopf ausrollen. Außerirdische, fremde Planeten, tödliche Strahlung, Alufolienhut, Markus Lanz. Oder ein verlassendes Hallenbad auf dem Saturn. Die öffentlichen Mittel haben halt auch dort gefehlt. Die Bibliothek ist auch geschlossen, sagt man.

Der gebürtige Londoner, den es im Jahr 2001 ins spanische Murcia verschlagen hat, hat mit seinem Debut auf dem deutschen Bine-Label ein bemerkenswertes, weil mit ästhetischer Balance komponiertes Album produziert, das sowohl die Stille, die Dunkelheit und das Introvertierte, als auch die subtile Gefahr, das Lauern und den Schmutz auf eine impulsive, dringliche Art herausarbeitet. 

Wo auch immer wir uns hier in diesen 72 Minuten befinden, es ist stets die süße, zerstörerische Realität.




Erschienen auf Bine Music. 2013. 

12.10.2014

Spanish Venus



ROB MAZUREK PULSAR QUARTET - STELLAR PULSATIONS

Es gibt locker drei Handvoll Jazzplatten in meinem frisch sortierten Plattenschrank, die teils seit Jahren auf einige wohlwollende Worte in diesem virtuellen Raum warten. Damit sind sie nicht alleine, denn auch Platten anderer Genres stehen schon längst in der Warteschlange. So viel wunderbare Musik, so wenig Zeit. Heute will ich dennoch ein ganz besonderes Album hervorheben, nicht zuletzt, weil es mir im neulichen regalistischen Alphabetisierungswahn wieder in die Hände fiel, nachdem es für eine verblüffend lange Zeit immer griffbereit in der Nähe des Plattenspielers zu finden war und erst vor wenigen Monden in die Schrankwand wanderte.

Über das Pulsar Quartet von Kornettist Rob Mazurek wollte ich schon nach den ersten Durchgängen schreiben. Die Ausflüge Mazureks mit Bill Dixons Exploding Star Orchestra hatte ich früher genauso gelobt wie jene Werke, die er gemeinsam mit Schlagzeuger Chad Taylor unter dem Banner des Chicago Underground Duos aufnahm. Ich verstand Mazurek bis dato immer als einen Avantgardisten, der selbst in freier, komplexer und chaotischer Umwelt den Fokus auf strukturgebende Melodie setzt: Das Chicago Underground Duo werkelt  bisweilen in einem windschiefen und nur von wenigen brüchigen Stützpfeilern zusammen gehaltenen Musikkosmos herum, in dem Mazurek es immer wieder versteht, an exponierter Stelle gegen das Spröde und Zerfaserte anzuspielen und somit als Bindeglied zwischen Phantasie und Erzählung zu dienen. Das tosende Meer des Exploding Star Orchestras hingegen braucht keinen Halt mehr - es reicht, ein paar ordnende Bojen im Ohr zu behalten, die zappelnd und sisyphosgleich versuchen, Grenzen zu ziehen. 

Für sein Pulsar Quartet holte sich der Komponist Tortoise-Drummer John Herndon und Bassist Matthew Lux ins Boot, am Piano sitzt Angelica Sanchez, die bereits ebenfalls mit dem Exploding Star Orchestra und außerdem mit Wadada Leo Smith und Chad Taylor spielte. "Stellar Pulsations", dessen Liner Notes übrigens von Tortoise-Gitarrist Jeff Parker verfasst wurden, ist für mich deswegen so besonders, weil es wie eine langerwartete Weiterentwicklung des Hard Bops erscheint, dem sich Mazurek ja besonders zu Beginn seiner Karriere annahm. Expressiven und energischen Ausbrüchen, in denen die vier Musiker wie sprühender Goldregen die Umgebung erkunden und sich als Kollektiv immer weiter von der Komfortzone entfernen, stehen geerdeten Momenten mit enormer lyrischer Kraft gegenüber. Dazwischen sind die Grenzen beinahe völlig verschwommen und das ist beeindruckend: wie vor allem Angelica Sanchez in der fantastischen Ballade "Magic Saturn" mit Mazureks Kornett so wunderbar harmoniert und damit eine bemerkenswerte Weite erschafft, oder wie sich im brodelnden "Twister Uranus" die Rhythmusabteilung gegenseitig antreibt und hochschaukelt, während Mazurek die Käfigtür von außen zuschließt, bevor sie allesamt im abschließenden, fast meditativen "Folk Song Neptune" gemeinsam abkühlen, ist das Eine. Das Andere ist die Fähigkeit der vier Musiker, "Stellar Pulsations" in einer Art Zwischenwelt zu halten, um es an kaum hörbaren Fäden hängend zu erforschen, es durchgehend von immer unterschiedlichen Blickwinkeln zu beobachten und damit zu spielen. Kompositorisch ist das Werk mit dem im Detail kaum wahrnehmbaren Pendeln zwischen Tradition und Innovation eine kleine Sensation, im Kollektiv eine besonders anschauliche Darstellung von modernem, einheitlichem Improvisationstalent. 

Erschienen auf Delmark Records, 2012.



07.10.2014

Wärmflasche



SECRET PYRAMID - MOVEMENTS OF NIGHT

Es ist Freitag der 26.September 2014. Ich habe seit vier Tagen Urlaub und das ist der erste Moment, in dem ich ihn wirklich spüren kann. Ich sitze mit einer Kanne Jasmintee auf der Couch, neben mir liegen Schnuffel und Kleini, zwei unserer Mitbewohner. Meine Welt ist ruhig. Ein Sandelholz-Räucherstäbchen nebelt das Wohnzimmer und die 3,40qm große Ecke aus Luft, Liebe und Musik ein, aus der ich seit über sieben Jahren geschwungene Wortklumpen herausstampfe, und ich höre mich endlich durch den Stapel der seit Tagen noch verschweißten LPs. Sortiere die nächsten Blogposts. Räume die digitale und analoge Musikbibliothek auf. Recherchiere. 

Lege "Movements Of Night" auf den Plattenteller. 

Und alles ist Herbst. Und salzig, erdig, rot-braun. Elementar. 

Es folgt der sich nur selten bahnbrechende Reflex, zu dieser Musik sofort etwas zu schreiben. Bevor der Alltagssturm wieder kommt und ich wieder den Halt verliere. 

"Movements Of Night" ist gleichermaßen subtil und kraftvoll, überlegt, mit großer Weite und Tiefe. Eine dieser Platten, die mich schon nach den ersten Sekunden in ihren Bann ziehen, weil Ihr Klang, ihre Töne so einzigartig sind. Und weil hier etwas im Subklang zu hören ist, das nur ich hören kann. Das ist kein elitäres Geschwätz, aber dafür  universell für jeden, der zuhört und sich erinnern kann. Denn es sind die eigenen Bilder, die eigenen Erinnerungen, die eigenen Erfahrungen, die sich wie die Rose von Jericho entfalten können, weil sie von dieser Musik getränkt und damit wiederbelebt werden.

All das, was hier gerade ist, auf der Couch mit Jasmintee, Katzen, Räucherstäbchen und Kerze, fühlt sich wie 37 Jahre Leben an. Das Getöse vor der Tür wird nicht verschwinden, aber es ist für den Moment einfach nicht wichtig. 

Erschienen auf Students Of Decay, 2013.



05.10.2014

Von der Freiheit...


Oder: wie sich der mündige, aufgeklärte Konsument, der einen fleischfreien Kantinentag als Einschränkung seiner Freiheit bewertet, ganz mündig und aufgeklärt: verarschen lässt.










Full disclosure: The speaker in this video is actually an actress named Kate Miles, but the facts about produce and its marketing are 100% real. The audience is also real, and thus the looks of disgust are totally real too.

Original video by Catsnake Film

Mehr gibt's hier.

03.10.2014

The Life And Times - Lost Bees



THE LIFE AND TIMES - LOST BEES

Völlig überraschend hat eine meiner erklärten Lieblingsbands - und darüber jetzt noch mehr Worte zu verlieren würde wirklich bedeuten, die vielzitierten Eulen nach Athen oder Hannover zu tragen - im vergangenen August ihr viertes vollständiges Album veröffentlicht. "Völlig überraschend" ist in diesem Zusammenhang natürlich nur die halbe Wahrheit, denn das Trio aus Kansas City weilte, qua Berichterstattung via Twitter, bekanntermaßen Anfang des Jahres im Studio. Die tatsächliche Veröffentlichung  lief allerdings komplett an mir vorbei. Was der erste Skandal ist.

"Lost Bees" erscheint dabei erstmals in der Bandkarriere nicht als Schallplatte, was, tätätätäerää, der zweite Skandal ist, bietet darüber hinaus aber schon wieder den besten Indierock, im weitesten Sinne, den ich mir vorstellen kann. Die Band klingt auch neun Jahre nach ihrem Debut "Suburban Hymns" nicht nur immer noch völlig einzigartig, sie verfeinert diese Exklusivität sogar mit jeder weiteren Platte auf einem nur selten erlebten Niveau. Die Songs auf "Lost Bees" erscheinen im Vergleich zum arg blickdichten Vorgänger "No One Loves You Like I Do" in der Gesamtanlage etwas entstrüppt, gleichzeitig wirken Kompositionen wie "Bored To Death", das fantastische "Ice Cream Eyes" und die Single "Passion Pit" (höre unten) zugleich kompakter als auch vielschichtiger. Die unnachahmliche Mischung aus dem nach wie vor tollultramgealschönstklingenden Schlagzeug des Rock, einem Bass, der sich lieber über das definiert, was er weglässt, einer effektbeladenen Gitarre, die sich mit jeder gespielten Note tiefer und tiefer in den Klang und das Leben eindreht und den nochmals verbesserten Gesangsarrangements von Meisterphilosoph Allen Epley, wird ganz bestimmt zu einem ziemlich unschönen Hauen und Stechen bei der Jahresendabrechnung führen.

Es gibt kaum bessere Musik für den anstehenden Herbst. Für Waldspaziergänge. Oder auch nur den Blick aus dem Wohnzimmerfenster auf eine feuchte, neblige Hofeinfahrt an einem Sonntagmorgen um halb neun.




P.S.: Wenn der vierte Track auf der Scheibe, "Maserati", keine bewusste Verbeugung vor der gleichnamigen Post-Postrock-Psychedelic-Kapelle ist, fress' ich einen Besen (mit veganer Mayo).

30.09.2014

Slow Magic - How To Run Away



SLOW MAGIC - HOW TO RUN AWAY


"Keine Posts stimmen mit Suchanfrage Slow Magic überein."
Angesichts des 2012 erschienenen Debuts und der damit ausgelösten Begeisterung im Hause Dreikommaviernull, ist das schon ein kleines bisschen überraschend. Denn "Triangle" gehört für mich zu den erfreulicheren Alben der 10er Jahre: diese kleine, feine Platte hat dabei nicht sensationell viel Staub aufgewirbelt, eher ist es die Langzeitwirkung und die Nachhaltigkeit ihrer Stimmung und ihrer Aura, die mich jubeln lassen. 

"Triangle" war und ist wärmendes Licht, durch und durch. Sonnendurchfluteter, futuristischer, schwüler, mit positiver Kraft aufgeladener, leicht swingender und eskapistischer Elektropop. 




Das neue Album der Figur Slow Magic heißt "How To Run Away" und erscheint dieser Tage auf Downtown Records. Der Albumstream findet sich hier:






Die ersten Durchgänge zeigen die Musik der stets mit einer indianisch anmutenden Maske auftretenden Person (über die man folgerichtig auch nichts bis fast nichts weiß) im Vergleich zum Debut etwas weniger verträumt, dafür etwas schmissiger und clubtauglicher. Geblieben ist indes die großartige klangliche Nähe zu allem, was unsereins zum Sommer einfällt. "How To Run Away" ist hell, relaxed und poppig - und dennoch introvertiert genug, um nicht als Soundtrack für die Promille-Horden am Ballermann zu enden. 

Erschienen auf Downtown Records, 2014.

27.09.2014

The Dub In BVDUB



SAIMON SAIMONSE - THE DUB IN BVDUB


Mein Sommer des Jahres 2014 war einer der Mixtapes, und Saimon Saimonse hat sich für seinen Podcast aus dem Mai 2014 einen Künstler ausgesucht, der auf 3,40qm mehr als nur einmal als wandelnden Heiligenschein geadelt wurde: Brock van Wey aka BVDUB. Ich habe die letzten vier Monate mit diesem 90-minütigen Mix verbracht, habe mich damit ein- und wieder ausgegraben, bin darin versunken und wieder aus ihm aufgetaucht.

Mein Sommer 2014 war in diesem Zusammenhang auch einer der skurrilen Momente, insgesamt auch einer, der bedeutend mehr Tiefen als Höhen zu bieten hatte. "The Dub In BVDUB" konnte in jedem Augenblick als ausgleichendes Element dienen. Und selbst in Situationen, in denen es völlig undenkbar erschien, Musik zum Bestandteil des erlebten und zu erlebenden Wahnsinns um mich herum zu machen, hielt Saimonses Mix die Fackel der Orientierung und des Lichts empor.

Es scheint mir grundsätzlich immer wichtiger zu werden, den Sicherheitsabstand vor Gefahren für Körper und Geist, den medialen Fata Morganas, dem Sensationsgetöse nicht nur einzuhalten, sondern ihn immer größer werden zu lassen - und sich stattdessen introspektiv auf das Echte, Schöne und wirklich Wichtige zu besinnen.



26.09.2014

Sehnsucht & Ohnmacht



GODHEADSILO - SKYWARD IN TRIUMPH

"SubPop? 1996? Vinyl? Na logo kauf' ich die."
(Florian E., nicht nur gedacht, sondern sogar laut ausgesprochen, 6.9.2014)

Beim letzten Besuch in der Frankfurter Institution für allerlei Punk und Rock'n'Roll, Sickwreckords in Sachsenhausen, stieß ich auf dieses Schätzchen aus den neunziger Jahren - der Bandname ließ ein winziges Glöckchen im Hinterbrummschädel aufgeregt vor sich hin bimmeln; hinsichtlich möglicher Erinnerungen an die tatsächliche Musik herrschte indes die übliche Ödnis im oberen Glockenturm. Und ich tat etwas, was ich praktisch nie in Erwägung ziehe: ich hörte mir die Platte an. Im Laden. Freund Simon hat auch schon komisch geguckt. 

Es brauchte indes keine zwei Minuten, bis sich die Entscheidung glasklar als Pipifleck in der Cargo (schwarz, mit Bändchen am Bein) abzeichnete. Das Duo Mike Kunka am Bass und Schlagzeuger Dan Haugh fuzzen sich grobkörnig durch bratzigen, ausgedehnten Noise, über Stoppelfelder von künstlerisch aufgeheiztem Pre-Postrock, epischen Nerventramplern, introvertiertem Minimalismus und exaltiertem "Fuck you"-Indie-Sludge. Aus heutiger Sicht könnte glatt die Einschätzung die Oberhand gewinnen, das Duo sei mit dieser Musik ein paar Jahre zu früh dran gewesen - ein ungewöhnliches Urteil für eine Band aus den neunziger Jahren, aber eben doch ein ziemlich richtiges: "Skyward In Triumph" ist in Teilen überraschend zeitlos und bei Weitem besser gealtert als besonders die Mitt- und Endneunziger Platten musikalisch vergleichbarer Konkurrenz. Welche man, das sei am Rande erwähnt, auch eher mit der Lupe suchen darf. 

Ich legte die Platte übrigens nach dem Erwerb zum ersten Mal am ersten folgenden  Sonntag auf, als ich mich dem Sortieren meines Plattenregals widmete (die Älteren werden sich an die Strebertweets erinnern). Nun steht der linke Lautsprecher auf jenem Plattenregal und der Herr Dreikommaviernull eben davor, und als der fünfzehnminütige Epic-Avantgarde-Fuzz-Doomer "Guardians of The Threshold" also bei Minute 3:45 in ein zunächst nerven-, später dann auch ohrenzerfetzendes, und außerdem sage und schreibe sechs Minuten langes, eintöniges (im Wortsinn! IM WORTSINN!!!) Bass-Intermezzo gleitet,  das nicht nur kein Ende finden will, sondern im Gegentum für eine gefühlte Ewigkeit im Sackquadrat jeden Funken Menschlichkeit aus Dir 'raussuppen lässt, und der Herr Dreikommaviernull, weil er ja der härteste und aber auf jeden Fall bekloppteste Stecher unter Benjamin Blümchens Sonne ist, natürlich auch niemals auf die Idee kommen würde, den absurd weit aufgerissenen Lautstärkeregler in wenistens erträgliche Schranken zu weisen und stattdessen lieber im Abstand von gerade mal 30cm vor dem schneeweißen Lautsprecher herumturnt, um seine verfickten Scheißplatten zu sortieren, und die Ohnmacht so derbe am Gleichgewichtsgefühl herumsägt, dass man sich vorkommt, als hätte man ein Tässchen Dormicum zum Frühstück durch einen drei Meter fuffzich langen Ringelstrohhalm aus getrocknetem Fliegenpilz gesaugt, dann war das eine total schöne, geradewegs kathartische Erfahrung. 

Immerhin hatte ich den Stadtteil dann für mich alleine. 


Erschienen auf SubPop, 1996.