METAL CHURCH - DAMNED IF YOU DO
Mein Beitrag über "XI", dem letzten Metal Church Album aus dem Jahr 2016, war erstens wenig schmeichelhaft und zweitens im Rückblick auch noch ziemlich falsch. Und als ob das nicht schon reichen würde, um sich wenigstens ein bisschen zu schämen, war mein Ausblick, vermutlich kein weiteres Metal Church Album mit Mike Howe mehr zu hören, auch noch eine Fehleinschätzung. "Wrong, wrong and wrong." (Bill Maher)
Bevor ich auf "Damned If Yo Do" zu sprechen komme, darf ich kurz aufräumen: "XI" ist ein gutklassiges Metal Church- und Power Metal-Album mit überwiegend guten bis starken Songs und krankt aus meiner Sicht in erster Linie an der langen Spielzeit. Es hat etwas gedauert, bis ich das gepeilt hatte, und ich kann nicht sagen, dass der alte zynische Sack in mir, der gerne mal jede Rockmusik, die nicht älter als 20 Jahre ist, reflexartig als miesen, unterdurchschnittlichen Abklatsch 'runtersaut, dabei eine große Hilfe war. "XI" ist über Monate hinweg in meiner Gunst gestiegen und am Ende darf festgestellt werden, dass immerhin einige der neuen Kompositionen, werden sie mit den Klassikern im Rahmen eines Samplers zusammengepuzzelt, gar keine so schlechte Figur machen.
Die früheren Anlaufschwierigkeiten blieben bei "Damned If You Do" beinahe gänzlich aus; tatsächlich wedelte ich schon beim vorab veröffentlichten Titelsong anerkennend nickend mit den Geldscheinen. Manchmal kann ich es auch nach den 41 Jahren, die ich es schon mit mir aushalte, nicht so recht erklären, wann mich etwas packt oder auf dem falschen Fuß erwischt. Aber selbst mit einer schlimmen Verengung des Frontallappens musste ich sehr zügig an die klassischen Riffs eines "The Human Factor" denken, bei "The Black Things" saust die Erinnerung an "Losers In The Games" am Langzeitgedächtnis entlang, "Revolution Underway" ist legendäres Kurdt Vanderhoof Songwriting im Stile eines "In Mourning". Angesichts der auch hier auf diesem Blog ständig vorgetragenen Verweise in die Vergangenheit, könnte jetzt freilich das große Krähen beginnen: Was sich im Jahre 2018 immer noch an alte Rotze aus den frühen Neunzigern 'ranschmeißt, wird automatisch selbst zu alter Rotze und ist daher prinzipiell zu verurteilen. Außerdem könnten jetzt wieder die Klassiker zum (immer noch und immer wieder untauglichen) Vergleich herangezogen werden, und dann wäre das hier alles sehr einfach und darüber hinaus auch schnell vorbei: lahm, langweilig, antik, irrelevant. Und es ließe sich auch darauf hinweisen, dass den alten Männern mittlerweile einfach das Feuer und die Leidenschaft fehlt. Könnte man machen, in a heartbeat. Sowas habe ich selbst schon oft geschrieben.
Ich kann aber auch diesen ganzen Quatsch über "FRÜHER WAR'S VIEL GEILER!" in die Biotonne fliegen lassen und mich stattdessen darüber begeistern, dass es damals wie heute keine andere Band gibt, die diesen Sound so perfektioniert hat - oder ihn überhaupt immer noch spielt. Vor allem im Jahr 2018 ist ein Album wie "Damned If You Do" eine fucking Rarität. Wer klingt denn heute noch so? Wer schafft es denn, diesen ganzen "Drrrrrreck" (Georg Schramm), der sich seit 20 Jahren aus Gründen, die ich selbst mit einem dreifachen Hirnschlag nicht verstehen könnte, unwidersprochen Power Metal nennen darf, mit einer zügig durchgeschwungenen Rückhandfaust gegen die nächstbeste Wand zu schleudern?
Ich habe mir beim Heimatlabel RatPak die US-amerikanische LP-Ausgabe bestellt. Zum einen sieht die auf 45rpm laufende Scheibe mit ihrem blau/weiß/schwarzem Splattervinyl in Verbindung mit dem Artwork fantastisch aus, zum anderen lockte das Mastering von der "Analogue Tape Source", sowie die zur Euro-LP und CD Version alternative Tracklist, die insgesamt stimmiger erscheint und sogar einen vormals eher irritierend rockigen Track wie "Monkey Finger" plötzlich in besserem Licht erscheinen lässt. Die Info-Banderole spricht davon, dass die Tracklist "specially chosen by Mike Howe" sei - ich glaube ja eher, dass die Anpassungen aus Platzgründen vorgenommen werden mussten, aber wenn's stimmen sollte, hat Howe ein glückliches Händchen gehabt.
Ich darf also zusammenfassen: ich habe gerade viel Spaß mit "Damned If You Do". Der alte Zyniker ist derweil auf dem Gästeklo eingeschlossen.
Pressung: +++++ (Mit einem Wort: flawless)
Ausstattung: +++++ (Sieht gut aus, riecht gut, schmeckt gut: Gatefold, bedruckte, aber ungefütterte Inlays, tolle, zum Artwork passende Vinylfarben)
Erschienen auf RatPak, 2018.