02.02.2019

Best Of 2018 ° Platz 15 ° Metal Church - Damned If You Do




METAL CHURCH - DAMNED IF YOU DO


Mein Beitrag über "XI", dem letzten Metal Church Album aus dem Jahr 2016, war erstens wenig schmeichelhaft und zweitens im Rückblick auch noch ziemlich falsch. Und als ob das nicht schon reichen würde, um sich wenigstens ein bisschen zu schämen, war mein Ausblick, vermutlich kein weiteres Metal Church Album mit Mike Howe mehr zu hören, auch noch eine Fehleinschätzung. "Wrong, wrong and wrong." (Bill Maher)

Bevor ich auf "Damned If Yo Do" zu sprechen komme, darf ich kurz aufräumen: "XI" ist ein gutklassiges Metal Church- und Power Metal-Album mit überwiegend guten bis starken Songs und krankt aus meiner Sicht in erster Linie an der langen Spielzeit. Es hat etwas gedauert, bis ich das gepeilt hatte, und ich kann nicht sagen, dass der alte zynische Sack in mir, der gerne mal jede Rockmusik, die nicht älter als 20 Jahre ist, reflexartig als miesen, unterdurchschnittlichen Abklatsch 'runtersaut, dabei eine große Hilfe war. "XI" ist über Monate hinweg in meiner Gunst gestiegen und am Ende darf festgestellt werden, dass immerhin einige der neuen Kompositionen, werden sie mit den Klassikern im Rahmen eines Samplers zusammengepuzzelt, gar keine so schlechte Figur machen. 

Die früheren Anlaufschwierigkeiten blieben bei "Damned If You Do" beinahe gänzlich aus; tatsächlich wedelte ich schon beim vorab veröffentlichten Titelsong anerkennend nickend mit den Geldscheinen. Manchmal kann ich es auch nach den 41 Jahren, die ich es schon mit mir aushalte, nicht so recht erklären, wann mich etwas packt oder auf dem falschen Fuß erwischt. Aber selbst mit einer schlimmen Verengung des Frontallappens musste ich sehr zügig an die klassischen Riffs eines "The Human Factor" denken, bei "The Black Things" saust die Erinnerung an "Losers In The Games" am Langzeitgedächtnis entlang, "Revolution Underway" ist legendäres Kurdt Vanderhoof Songwriting im Stile eines "In Mourning". Angesichts der auch hier auf diesem Blog ständig vorgetragenen Verweise in die Vergangenheit, könnte jetzt freilich das große Krähen beginnen: Was sich im Jahre 2018 immer noch an alte Rotze aus den frühen Neunzigern 'ranschmeißt, wird automatisch selbst zu alter Rotze und ist daher prinzipiell zu verurteilen. Außerdem könnten jetzt wieder die Klassiker zum (immer noch und immer wieder untauglichen) Vergleich herangezogen werden, und dann wäre das hier alles sehr einfach und darüber hinaus auch schnell vorbei: lahm, langweilig, antik, irrelevant. Und es ließe sich auch darauf hinweisen, dass den alten Männern mittlerweile einfach das Feuer und die Leidenschaft fehlt. Könnte man machen, in a heartbeat. Sowas habe ich selbst schon oft geschrieben. 

Ich kann aber auch diesen ganzen Quatsch über "FRÜHER WAR'S VIEL GEILER!" in die Biotonne fliegen lassen und mich stattdessen darüber begeistern, dass es damals wie heute keine andere Band gibt, die diesen Sound so perfektioniert hat - oder ihn überhaupt immer noch spielt. Vor allem im Jahr 2018 ist ein Album wie "Damned If You Do" eine fucking Rarität. Wer klingt denn heute noch so? Wer schafft es denn, diesen ganzen "Drrrrrreck" (Georg Schramm), der sich seit 20 Jahren aus Gründen, die ich selbst mit einem dreifachen Hirnschlag nicht verstehen könnte, unwidersprochen Power Metal nennen darf, mit einer zügig durchgeschwungenen Rückhandfaust gegen die nächstbeste Wand zu schleudern? 

Ich habe mir beim Heimatlabel RatPak die US-amerikanische LP-Ausgabe bestellt. Zum einen sieht die auf 45rpm laufende Scheibe mit ihrem blau/weiß/schwarzem Splattervinyl in Verbindung mit dem Artwork fantastisch aus, zum anderen lockte das Mastering von der "Analogue Tape Source", sowie die zur Euro-LP und CD Version alternative Tracklist, die insgesamt stimmiger erscheint und sogar einen vormals eher irritierend rockigen Track wie "Monkey Finger" plötzlich in besserem Licht erscheinen lässt. Die Info-Banderole spricht davon, dass die Tracklist "specially chosen by Mike Howe" sei - ich glaube ja eher, dass die Anpassungen aus Platzgründen vorgenommen werden mussten, aber wenn's stimmen sollte, hat Howe ein glückliches Händchen gehabt. 

Ich darf also zusammenfassen: ich habe gerade viel Spaß mit "Damned If You Do". Der alte Zyniker ist derweil auf dem Gästeklo eingeschlossen. 


Pressung: +++++ (Mit einem Wort: flawless)
Ausstattung: +++++ (Sieht gut aus, riecht gut, schmeckt gut: Gatefold, bedruckte, aber ungefütterte Inlays, tolle, zum Artwork passende Vinylfarben)




Erschienen auf RatPak, 2018.

31.01.2019

Best Of 2018 ° Platz 16 ° S.Carey - Hundred Acres




S.CAREY - HUNDRED ACRES


Das schönste Coverartwork des Jahres. Ich sah Bilder von "Hundred Acres" in den Sommermonaten auf meinem Instagram-Feed und wusste sofort, dass ich es alleine wegen des Covers ungehört zum neuen Mitbewohner des Plattenregals machen muss - erst später fand ich heraus, dass es sich um das dritte Soloalbum des Bon Iver-Schlagzeugers Sean Carey handelt. Und man sieht's mir bitt'schön nach, dass ich bis hierhin weder einen Ton seiner (überaus erfolgreichen) Hauptband, noch seiner bisherigen Solowerke gehört habe. (Zu) vieles passiert dann eben doch noch unter meinem Radar, zumal ich auch nicht selten einen natürlichen Sicherheitsabstand zu populären Bands und Musikern einhalte. Hildebrandt, Fiegen, der alte Spruch. 

"Hundred Acres" erzählt in seinen Texten vom einfachen Leben, vom neu entdeckten Blick auf sich selbst, von Rückzug und Einkehr, und Careys Musik greift diese Themen mit Entschleunigung, Ruhe und Weite auf: Akustische Gitarren, ein paar Streicher, eine vereinzelt auftauchende Steel Pedal, ein Contrabass und ein bisschen Schlagzeug/Percussion tragen die sparsam arrangierten Songs mit Careys behutsamen Gesang und sanft umarmenden Gesangsharmonien durch die Welt. Seine Melodien treffen besonders in den Schlüsselmomenten "Rose Petals", "True North", "More I See" und "Fool's Gold" sofort ins Herz, womit sich der deppertgrinsende und melancholietrunkene Blick auf's gelb gefärbte Feld im August ohne jede Einschränkung einstellen kann. Die August-Analogie kommt nicht von ungefähr: Wir hörten "Hundred Acres" vornehmlich in den immer noch viel zu heißen Abendstunden des letzten Sommers zum Gute Nacht-Kaffee, den ich mir natürlich auch bei 32°C nicht nehmen ließ. Und während angesichts von "Hundred Acres" alle Welt reflexartig die geliebten Klischees vom Winter, der warmen Decke und der Kanne Tee erwähnen muss, muss ich ebenso reflexartig natürlich vom Sommer, von freier Natur, goldgelbem Nachmittags-Sommerlicht, Strohhüten und Kaffee schwadronieren. 

"Du bist so anders!" sagten mir schon vor 30 Jahren meine Rollkunstlauf-Kolleginnen, als ich zur Titelmelodie der Detektivserie "Magnum" in einem Glitzerfummel und hautengen Stretchhosen vor Erwachsenen Menschen den doppelten Rittberger tanzte.

Sag bloß!


Pressung: ++ (die Qualität des grünen Vinyl ist mit einigen Störgeräuschen (no fills) diskussionswürdig - insgesamt aber hörbar)
Ausstattung: ++++ (Tolles Artwork und Design, Gatefold Cover, single LP, grünes Vinyl, farbig bedrucktes Inlay mit Texten)


Ein tolles Video mit umwerfenden Versionen von "True North", "Yellowstone" und "Rose Petals" (Die Gesangsharmonien! DIE GESANGSHARMONIEN!):



Erschienen auf Jagjaguwar, 2018.


23.01.2019

Best Of 2018 ° Platz 17 ° Voivod - The Wake




VOIVOD - THE WAKE


Es wird sich zwischenzeitlich herumgesprochen haben: ich bin Voivod-Fan, großer sogar. Aber in mindestens jenem Maße, in dem ich kritiklos auf allen verfügbaren Knie herumrutschen kann, bringt es vermutlich das vermaledeite Alter mit sich, gleichfalls sehr streng sein zu können und also die Peitsche lauter knallen zu lassen, als das bei der mir völlig egalen Band Inzest-Utzelglutzel aus dem Westerwald oder woher passieren würde. Voivod waren bis nach ihrem Intermezzo mit Sänger/Bassist Eric "E-Force" Forrest, das immerhin zu einem sehr guten ("Negatron") und einem gar alles überragenden ("Phobos") Album führte, der mutige Wandel in Personalbandunion. Vorwärts immer, rückwärts nimmer, progressiv im eigentlichen Wortsinn. Die Band machte in ihrer Sturm- und Drangzeit alle ein, zwei Jahre formvollendete Entwicklungssprünge, für die andere Bands nicht mal die geistige Kapazität ihrer kompletten Karriere hätten aufbringen können. Nach der sich der E-Force Phase anschließenden Reunion mit Originalsänger Snake, dem Tod von Riffmeister Piggy 2005, einem gewohntermaßen instabilen Posten am Bass und mit halbgar noch sehr freundschaftlich bewerteten Alben wie "Infini" und "Katorz", erstarrte die Wandelmaschine Voivod. Fortan fokussierten sich die vier Helden vor allem im bereitwilligen Erfüllen von Erwartungen der übrig gebliebenen zwei Handvoll Fans, denen sehnlichster Wunsch es zu sein schien, die beiden Klassiker "Killing Technology" und "Dimension Hätröss" in Endlosschleife zu hören - das Ergebnis war das recht eindimensionale 2013er Album "Target Earth", das es seinerzeit nicht in meine Top 20 schaffte - und es auch heuer nicht schaffen würde.

5 Jahre später schafft es indes der Nachfolger "The Wake" und zwar ziemlich locker, i.S.v.: "The Wake" war nach einem Dutzend Hördurchgängen sicher gesetzt. Zwar hat sich die Band erwartbar nicht neu erfunden und bewegt sich immer noch in ihrer musikalischen Komfortzone (in der sie allerdings auch unangefochtener Alleinherrscher ist), aber sie haben sehr erfreulicherweise durchgelüftet: Komplexitätsniveau der Arrangements: rauf! Konzept und Atmosphäre: Ausgefeilt! Die Motivation: Spiellaune galore! Die stilistische Ausrichtung: endlich wieder offener. Weniger Drang zum Häffi Mettl mit Baumstamm im Pöter, dafür Überhangmandate für überraschende Ideen und Hooklines, die mir nicht mehr aus dem Kopf wollen. Dazu eine deutlich wahrnehmbare Lockerheit und Souveränität (vgl. "Spielfreude"), die ihnen so lange abhanden gekommen schien. War schon die EP "Post Society" ein Schritt in die richtige Richtung, ist "The Wake" das Ergebnis einer neu zusammengewachsenen Band, die nochmal Bock bekommen hat. Angesichts einer mittlerweile gleichgemachten Metalszene, in der "more of the same" und der unerträgliche Wille zur falsch verstandenen Loyalität seit Jahrzehnten die beiden erfolgsversprechenden Fixpunkte sind, an denen sich jeder Kuttenhorst entlanghangelt, ist die Auseinandersetzung mit "The Wake" eine reine Wohltat.


Pressung: ++++ (keine Auffälligkeiten festgestellt)
Ausstattung: +++++ (Voivod-Etching auf der D-Seite, Gatefold, Lyrics, Poster, rotes Vinyl - mehr geht nicht)




Erschienen auf Century Media, 2018. 

18.01.2019

Best Of 2018 ° Platz 18 ° Rhi - Reverie




RHI - REVERIE


"Reverie" ist das Debutalbum der mittlerweile in England lebenden Kanadierin Rhi und erschien streng genommen bereits Ende des Jahres 2017 - allerdings entschlossen sich die Macher des Tru Thoughts Labels, das Album zum letztjährigen Record Store Day erstmals auf Vinyl zu pressen. Tru Thoughts ist nicht nur Heimat solch teils bahnbrechender und sowieso fantastischer Musik von Bonobo, Quantic, Moonchild, The Seshen oder Nostalgia 77, sondern auch ein sicherer Hafen für Qualität im Bereich Hip Hop, Electronica, Downtempo, Funk und Soul. 

"Reverie" lässt keine Ausnahme dieser Regel zu: deep, hypnotisch, verhuscht, sexy, mystisch. Tiefgekühlte Hip Hop-Beats, über die mehrere Ebenen narkotisierter Melodien gespannt sind, tief pumpende Basslines und eine entrückte Stimme, die über den heißen Kessel Buntes erotisch hinweghaucht. In aller Kürze: shut up and take my money! Mit einem ganz kleinen bisschen Phantasie könnten feine Parallelen zu Jessy Lanza's Debut "Pull My Hair Back" gezogen werden, allerdings ist "Reverie" weniger experimentell und ätherisch, sondern tatsächlich song- und poporientiert. 

Sehr empfohlen für nächtliche Autobahnfahrten, Sommernächte unter freiem Himmel und Sex. Bestenfalls ließe sich all das ja auch kombinieren.    


Pressung: +++++ 
Ausstattung: +++ (keine Linernotes oder Fotos - dafür wunderbar ausschauendes Purple Vinyl)




Erschienen auf Tru Thoughts, 2018.

14.01.2019

Best Of 2018 ° Platz 19 ° Chip Wickham - Shamal Wind




CHIP WICKHAM - SHAMAL WIND


Aus mir ehrlicherweise unbekannten Gründen schaffte es das Debutalbum "La Sombra" des britischen Flötisten Chip Wickham im vergangenen Jahr nicht mal in die künstlich aufgeprotzte Liste der 30 besten Alben des Jahres. Ich weiß manchmal ja auch nicht, was mit mir los ist. 

"Shamal Wind" ist sowohl stilistisch als auch qualitativ nicht weit von "La Sombra" entfernt: Spiritual Jazz, Latin Funk, Hardbop, mal elegisch glänzend, seidig, mit viel Raum für atmosphärische Träumereien, mal mit furiosem Drive groovend und swingend. Der mittlerweile in Spanien lebende Musiker ist Teil der seit etwa fünf Jahren geradewegs explodierenden Jazzszene Englands und besonders der Keimzelle in London im Dunstkreis von Matthew Halsall und seinem Gondwana Label und dem von Tausendsassa Gilles Peterson gegründeten Brownswood Recordings mit seinen Vorzeigekünstlern Shabaka Hutchings, Maisha, Moses Boyd und Kokoroko, um nur ein paar Namen zu nennen. Wickhams Arbeiten sind stilvolle und vor allem zeitlose Exponate moderner Jazzkultur, die einerseits problemlos in den späten 1960ern und frühen bis mittleren 1970ern hätten erscheinen können, andererseits aber den Geist des Frischen und Wilden atmen und nicht mal ein Sekündchen nach tragischem Kellerclub klingen. Nach überstandener lebensbedrohlicher Krankheit hat Chip angekündigt, fünf Alben in ebenso vielen Jahren aufzunehmen - "Shamal Wind" ist Nummer 2 und ich freue mich auf die drei folgenden. Wer nicht mit seinen ollen Miles und Coltrane Alben begraben werden will, dem empfehle ich ein Eintauchen in die aktuell so pulsierende Jazzszene Englands. 


Warum nicht mit "Shamal Wind" starten?


Pressung: +++ (ein paar non-fills auf dem ersten Track der B-Seite, die mich nicht sonderlich stören, ansonsten zufriedenstellend. Angaben beziehen sich auf die Standardversion, die auf 390 Stück limitierte 180g Ausführung kenne ich nicht)
Ausstattung: ++ (tolles Coverdesign, gefütterte Innenhülle, Danksagungen auf dem Backcover, aber keine Linernotes oder zusätzliche Features)




Erschienen auf Lovemonk, 2018.

12.01.2019

Best Of 2018 ° Platz 20 ° Jazzanova - The Pool

Geht ja prima los - so spät war ich ja noch nie dran. Stellt Euch für die Nummer 1 besser mal auf Juli ein, es ist ein Trauerspiel. 

Um trotzdem wenigstens ganz kurz ganz positiv zu werden und wie außerdem bereits geschrubt: 2018 wird es wieder nur 20 Aufsätze zu meinen Top-Alben zu begähnen geben - und damit also zehn weniger als noch im letzten Jahr. Das liegt weder an der Qualität noch Quantität neuer Musik oder dem damit verbundenen Deppensatz "Das war ja nicht so ein starkes Jahr wie...", sondern in erster Linie daran, dass ich mich im vergangenen Jahr schon beim Schreiben beinahe selbst langweilte. Wie unerträglich muss das dann erst für meine Leser gewesen sein?! 

Außerdem gibt es eine kleine Neuerung: Dreikommaviernull bewertet jetzt auch die Pressungen und Aufmachungen/Ausstattungen von Schallplatten. Mir fiel auf, dass ich 2018 keine einzige CD und kein MP3 Album kaufte. Alles Schallplatten. Das ist Premiere. Und warum dann nicht aus Gründen der, "äh, consistency" (Andi Brehme) einfach noch mehr prätentiösen Scheißdreck schreiben? 

Frage ich Sie! 

Beziehungsweise nicht. 

Wir starten in 3...2...1......*puff*





JAZZANOVA - THE POOL


Das neue Album des Berliner Kollektivs Jazzanova hat mein Leben im vergangenen Jahr um einige lohnenswerte Gedanken und Erlebnisse bereichert. Ich habe die Platte oft gehört und es zog mich über Wochen, gar Monate immer öfter zu "The Pool" hin. Das passiert mir heute ehrlich gesagt nicht mehr all zu häufig - und erst recht nicht mit jeder dahergelaufenen Platte, die bei drei noch nicht im Regal verschwunden ist. Gerade vor diesem Hintergrund war es ungewöhnlich, trotz solch ausführlichen Begegnungen nur wenig im Hirnsieb auffangen zu können. Sogar Songs wie die mit künstlerisch feinem Video ins Rennen um Clicks geschickte erste Single "Rain Makes The River" mit der Sängerin Rachel Sermanni, besonders atmosphärisch eigentlich wie gemacht für eine tiefere Verinnerlichung, verweilten für diesen einen Moment mit allerlei ausgerufenen Lobeshymnen meinerseits in der Realität - und verschwanden danach flugs im Getöse des Alltags. Nur, warum ist das so? Nicht, dass ich diesen Umstand als besonders negativ betrachte, ganz im Gegenteil: Ich kenne dreikommavierfuckzillion Alben, die erst nach scheinbar unerträglich langer Zeit plötzlich zündeten. Die erst nach grotesk langem Eingraben, völligem Versinken gar, und der sich dazwischen immer wieder zeigenden Verzweiflung darüber, es wieder nicht geschafft zu haben, unverhofft zur prachtvollsten und wichtigsten Musik allen Lebens wurden. 

Was all jene Beispiele von Psychotic Waltz ("A Social Grace") bis Tool ("Aenima") und King's X ("Faith Hope Love") eint: irgendwas zog mich immer wieder zu ihnen hin und flüsterte mir "Bleib' dran!" zu. Womit wir wieder bei "The Pool" sind. 

Ein Album, in dem eine seltsame Ambivalenz ihr Unwesen treibt. Subtil, multidimensional, komplex - aber dabei sollte das alles hier doch Pop sein?! Das ganze Rudel von Gastsängerinnen und Gastsängern, mit Oddisee, Jamie Cullum und dem alten Bekannten Ben Westbeech! Den aufs erste Hören fluffigen Arrangements, der gewollten Eingängigkeit. Das beißt sich ja schon beim Lesen. Um das endgültig zu verstehen, brauchte es das Livekonzert der Band im Frankfurter Zoom, in dessen Verlauf diese Ambivalenz auf "The Pool" deutlich wurde. Ein wahnsinniger Groove, ungeschlagene Virtuosität, Hingabe, Leidenschaft, dicke Beats, Tanzerei, Hände zum Pimmel, Darmspiegelung mit Cocktailschirmchen. All das findet im leicht handgebremsten Pop-Kosmos statt, der in der Livesituation fast völlig ausgeblendet wird und sich erst dann wieder zeigte, als ich mich für das erneute Eintauchen in "The Pool" (ihr glaubt doch nicht, dass ich für eine Platte mit dem Titel "The Pool" auf die "Eintauchen"-Metapher verzichte; wer bin ich, Diederichsen?) auf dem Tigerfell vor dem prasselnden Kamin mit vor sich hin schmurgelnden Foo Fighters Platten räkelte. 

Ich glaube mittlerweile, die beiden Produzenten Axel Reinemer und Stefan Leisering wollten eigentlich ein reines Popalbum produzieren und haben mittendrin gemerkt, dass sie das gar nicht können. Herausgekommen ist ein Zwischenwesen mit überragenden, subtilen, emotionalen Kompositionen, begleitet von großen Stimmen, eingebettet in tiefgechillte Stimmung. Auf einem anderen Planeten im Vergleich zu ihren vorangegangenen Arbeiten ("The Pool" ist ihr erstes Studioalbum seit 2008), was die alte Fanbase reflexartig zu allerlei Online-Motzereien provozierte, aber es wird dadurch ja nicht weniger außergewöhnlich. 

Wenn mich Musik derart zum Nachdenken bringt, kann das nur ein gutes Zeichen sein. 

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Pressung: ++ (Der Klang ist einwandfrei, aber schon beim ersten Abspielen zeigte sich an leisen Stellen ein signifikantes Rauschen und Rascheln, immerhin keine non-fills. Die Angaben beziehen sich auf das schwarze Vinyl, die weiße Version kenne ich nicht)

Ausstattung: + (Der Preis für das bekloppteste Schallplattensleevedesign geht an das Sonarkollektiv für die Veröffentlichung einer Doppel-LP ein einem glossy Gatefold-Sleeve, bei dem nur eine Öffnung für dann auch nur eine Platte gegeben ist. Was man mit der anderen LP machen soll, weiß der Himmel. Oder mein Hund. Und eine Doppel-LP ist bei der Laufzeit auch Kappes. Kinnerskinnerkinners, srsly?)




Erschienen auf Sonarkollektiv, 2018.

04.01.2019

Jetzt lass mich doch auch mal was sagen, Bumshase! (3)

Simon, Schlagzeuger für die Roland Kaiser Tribute Band Blank When Zero, schreibt u.a. für das Ox Fanzine











Vinyl-Repress:

Während Punk wie eine Zitrone ausgepresst wurde und in regelmäßigen Abständen die üblichen Verdächtigen wieder veröffentlicht werden, gibt es im Powerpop/Garage-Bereich viele, (von mir teils immer noch) unentdeckte Juwelen, die seit Jahren nur von einer kleinen Schar Die-Hard-Fans beobachtet werden. Neben den wenigen "Größen", deren "Hits" immer mal wieder zu unverschämten Preisen in kleinen Auflagen zu bekommen sind, gibt es aber auch noch die Bands, die die ganz großen Deals in einer eh schwierigen Zeit verpasst haben und heute kaum noch Beachtung erfahren. Geschweige denn, dass man deren Platten neu auflegen würde. Powerpop/Garage war seinerzeit (1976 - 1985) für Punks zu poppig und für Popper zu punkig, weder Fleisch noch Fisch.
Mal abgesehen von der mehr oder weniger offiziellen Powerpop-Reihe "Powerpearls", die in Anlehnung an die Punksampler "Killed By Death" zwischen 1998 und 2003 veröffentlicht wurde, für die diverse großartige, aber auch obskure und belanglose Stücke ausgegraben wurden und deren Bandauswahl und Qualität durchaus diskussionswürdig ist, würde ich mich in diesem Genre über folgende Rereleases freuen, die allerdings aufgrund kleiner Auflagen auch nicht günstig sein werden:
CANDY - Whatever Happened To Fun.
THE QUICK - s/t
THE SHIVVERS - s/t



Mein Wunsch-Vinyl:

Tagtraum: man könnte sich sein ganz individuelles Vinyl zusammenstellen und wäre nicht von den Entscheidungen der Band oder irgendwelchen Typen einer Plattenfirma abhängig, welche Stücke auf Vinyl gepresst werden. Aber das bleibt wohl meine ganz persönliche Utopie, ganz unabhängig von der rechtlichen Seite und der Realität, wie Vinyl hergestellt wird. Das könnte solche Unikate relativ schnell in einen vierstelligen Bereich katapultieren.
Also bleiben wir in der Realität, allerdings drehen wir die Uhr dreißig, vierzig Jahre zurück. Ende der 80er, Anfang der 90er gab es eine Reihe ziemlich cooler Skapunk/corebands aus den USA. Das meiste davon gab es, wie so oft zu dieser Zeit, leider nur auf CD. OUT OF ORDER, eine Skacoreband aus Kalifornien, für mich die Speerspitze des Genres, veröffentlichten leider nur ihre letzte Platte "Eye Caramba" auf Vinyl. Die ersten beiden Veröffentlichungen, alle übrigens auf Theologian Records, gab es leider nur auf CD. Und ich will es jetzt bei diesem einen Beispiel belassen und komme zurück zu meinen ganz eigenen Wurzeln.

Ich mache mir nichts vor. Es wird sich niemand die Mühe machen, die Pop/Rock-Szene der Oberpfalz in den 80er und 90er Jahren aufzuarbeiten. Es gab überhaupt nur wenige Bands, die ihre Stücke auf Demo-Tapes veröffentlichten, von wirklich guten Aufnahmen ganz zu schweigen. Ich habe dort unzählige, längst vergessene Bands gesehen, und die Tapes leiern wahrscheinlich bereits, wenn die Bänder nicht längst gerissen sind und eh alles bereits im Müll verschwunden ist. Bei fast allen hätte ich mir gewünscht, jemand hätte sich dem einen oder anderen Song professionell gewidmet. Ich bin so oft überrascht, was nach professioneller Bearbeitung aus einem Demo wurde. Warum wurde aus der Techno-Thrash-Band METALAXE nie etwas? Das Demo "Depressive Vision", vor allem der Song "Chaos Theory". Großartig! - Die Punks ZENSIERT oder J.U. oder SUBZERO (ein Bandname, der wohl in jedem Land hundert Mal verwendet wurde). Oder die eigenen Songs von DODDAL DANEM, Mundart-Bluesrocker. Oder die Liedermacher MÄRZ. Letztere hatten sogar Vinyl aufgenommen, aber das waren weder gute Aufnahmen, geschweige ihre besten Songs, so dass der Großteil der Pressung tatsächlich vernichtet wurde, weil sich das Trio kurz nach Veröffentlichung auflöste. Oder die Speedmetalband EVIL SEED. Einmal live gesehen. Großartig. Aber es gab keinerlei Aufnahmen, zumindest mir nicht bekannt... - selbst die zwei, drei Eigenkompositionen der ersten Band, in der ich Ende der 80er selbst spielte, tja...



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Marek, Bassist der Glam-Sleaze-Superstars von Blank When Zero, sexuelle Affinität zu Lampenschirmen











Kategorie: Gab es noch nie, sollte es geben!





PRIMUS - RHINOPLASTY


Primus, Rhinoplasty (1998) muss es geben. Jetzt wird sich der kritische Verbraucher natürlich fragen weshalb man eine Scheibe auf Vinyl veröffentlichen sollte, die neben eines Remix und zwei Live-Nummern älterer Songs nur aus Covern besteht. Na na? wer weiß es? Richtig, es gibt keinen! Aber den braucht es manchmal auch nicht. SUVs braucht auch kein Mensch und trotzdem fahren genug davon rum. Außer vielleicht, wegen der dritten Nummer. Sorry Stanley, aber die Version deines großartigen Songs Silly Putty ist von Les Claypool einfach besser.

Anmerkung der Redaktion: "Rhinoplasty" wurde am 14.12.2018 erstmals auf Vinyl veröffentlicht. Marek, Dein Wunsch wurde erhört!


Kategorie: Hätte ich gerne, wenn sie nicht so kackteuer wäre!





TOOL - AENIMA



Ganz klar: Tool, Aenima (1996). Das Album ist einfach nur gut. Und derzeit auf Vinyl leider viel zu teuer, sehr schade. Denke ich an Tool, muss ich sofort an eines der besten Konzerte denken, die ich je sehen durfte. Noch nie habe ich eine bessere Band live hören dürfen. Der Sound war einfach nur großartig, und als die Band auf die Bühne kam warf ich mich wie einst Wayne und Garth vor Alice Cooper im ersten, und vor Steven Tyler im zweiten Wayne’s World Film auf den Boden “ich bin unwürdig!“. Alles Dufte, das Album, die Band und natürlich auch Wayne’s World. Gibt’s eigentlich Wayne‘s World als Hörspiel auf LP? Vielleicht sollte ich meinen ersten Wunsch ändern…



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Ich darf mich an dieser Stelle nochmals bei allen Mitschreibern bedanken, die diese Serie mit ihren eigenen Eindrücken, Worten und Wünschen veredeln konnten. "You Rule!"(Paul Baloff)


Und damit beenden wir das Abtauchen in den Sumpf aus romantischer Verklärung und Ewiggestrigem - und stürmen gen Zukunft, beziehungsweise wenigstens in die Gegenwart...oder naja, eigentlich doch wieder in die Vergangenheit:

Die besten 20 Alben des Jahres 2018 warten auf ihr Review und wenn ich mich anstrenge, sind wir im Mai 2019 damit durch. Immerhin ist die Liste mit der Reihenfolge (Alphabet- und Garkeine-Sortierer leave the hall) seit ein paar Tagen fertig - und es gilt immer noch: Wenn Du Deine Jahresliste Ende November präsentierst, weil Du unbedingt die Nummer 1 sein willst: get a fucking life!


Schöne Bescherung!







30.12.2018

Jetzt lass mich doch auch mal was sagen, Bumshase! (2)

...und hier kommt der zweite Teil.



Andreas, Schlagzeug und alles andere spielende Tausendsassa,, u.a. Aushilfsbassist bei Blank When Zero (Abb. ähnlich)











Der Herr wünscht sich ausschließlich: Voivod.






VOIVOD - PHOBOS


Die kanadischen Sci-Fi-Thrasher Voivod hatten nach ihrem kommerziellen Höhepunkt Anfang der 90er Jahre mit dem zeitweisen Abgang mehrerer Originalmitglieder (Sänger Denis "Snake" Bélanger sowie Bassist Jean-Yves "Blacky" Thériault) sowie einem schleichenden Verlust an Relevanz zu kämpfen. Vielleicht auch als „jetzt erst recht“-Reaktion darauf, lehnen sich Voivod auf dem 1997 erschienenen „Phobos“ - dem zweiten Album mit Sänger/Bassist Eric Forrest - derart konsequent weit aus dem Fenster, dass es als die musikalische Apoapsis der Band gelten kann. Die meisterhaft arrangierten und gleichermaßen aggressiven wie verschrobenen Songs setzen mit „Otto Normalmetaller“ und „Progbert von Schönklang“ gleich zwei potentielle Voivod-Zielgruppen kurzerhand an der Weltraumraststätte aus und warten mit einem Sound auf, der zufällig in Hörweite anwesenden Geigerzählern die eine oder andere Erektion abnötigen dürfte. Angesichts der niedrigen Verkaufszahlen von „Phobos“, der stiefmütterlichen Behandlung der Songs in aktuellen Konzert-Setlisten sowie der wechselhaften Labelgeschichte Voivods („Phobos“ ist das einzige Album der Band, das auf Hypnotic Records erschienen ist) scheint eine Vinyl-Veröffentlichung recht unwahrscheinlich zu sein. Dabei ignorieren wir höflich die 2010 erschienene Zusammenstellung „Negatron/Phobos“, die sich auf eine Songauswahl aus den beiden Alben mit Eric Forrest beschränkt. Mein Wunsch für eine „richtige“ Vinyl-Erstausgabe: die beiden etwas überflüssig wirkenden Bonustracks „M-Body“ sowie das (für sich genommen schmissige) King Crimson-Cover „21st Century Schizoid Man“ entfallen oder werden als Single beigelegt, vor allem wenn sich das Album dadurch und mit etwas Fingerspitzengefühl auf eine einzelne Vinylplatte pressen ließe.



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Simon, Schlagzeuger, Blogger bei Krach und so 


Repress Now, Mofo:




VOIVOD – THE OUTER LIMITS


In meinem eigenen Blog hatte ich über dieses Album einer meiner absoluten Lieblingsbands, die ich mit dem Verfasser dieses Blogs teile, anlässlich des 25sten Jubiläums im Sommer schon mal was geschrieben, auf das man an dieser Stelle einfach mal verlinken kann anstatt sich groß zu wiederholen. 2017 erschienen bekanntlich Reissues der drei Noise Records VOIVOD Alben "Rrroooaaarrr" (1986), "Killing Technology" (1987) und "Dimension Hatröss" (1988). Umso heißer wartet so mancher Fan dafür jetzt allerdings auf Neupressungen der MCA Records Werke "Nothingface" (1989), "Angel Rat" (1991) und eben "The Outer Limits". Gerade für letzteres, das damals wohl in einer geringeren Stückzahl als LP erschien, werden nämlich mitunter schon Sammlerpreise in Monatsmietenhöhe aufgerufen. Ach ja, bevor es untergeht: Für die Kategorie der erstmaligen Pressung auf schwarzem Gold würde sich im Grunde genommen übrigens auch VOIVOD’s "Phobos" in richtig* als Wunschkandidat anbieten (*über diese komische Compilation-2LP von 2010 reden wir erst gar nicht), aber das nur nebenbei.



First Time Now, Schnakenhals:





THE YOUNG GODS  - SUPER READY / FRAGMENTÉ


Dass die Frühwerke von THE YOUNG GODS in den Spätachtzigern und Frühneunzigern mächtig Eindruck bei anderen Künstlern von Mike Patton über The Edge (U2) bis zu David fuckin‘ Bowie hinterlassen hatten, das ist inzwischen ausreichend dokumentiert.  Dass die Schweizer allerdings in den Jahren 2000 und 2007 mit "Second Nature" und "Super Ready/Fragmenté" noch mal zwei wirklich sehr, sehr gute Alben veröffentlichten, die ihren Signature-Stil, eine äußerst organisch pumpende Rhythm-Section mit Sampler-Sounds zu elektrischen Rocksongs zusammenzuführen, auf der Höhe der Zeit hielt (und sie außerdem nach wie vor eine wirklich geile Live-Band sind), das wurde an vielen Stellen der damals noch relevanten Musikpresse mal wieder eher verpennt.

Vom 2000er "Second Nature" gab’s zum fünfzehnjährigen Jubiläum des Teils immerhin ‘ne Picture-Disc-Version in normaler und Luxusausführung (plus Bonus-Disc) und auch das musikalisch zahmer ausgerichtete "Everybody Knows" von 2010 existiert als 2LP. "Super Ready/Fragmenté" jedoch erschien bisher nur als CD. Eine Lücke im Plattenregal, die man ja eigentlich gerne schließen können würde…



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Olli, Gitarrist bei Thyranay, Sieger im Kirk Windstein Lookalike Contest












Neuauflage bitte:





DJ KRUSH & TOSHINORI KONDO - KI-OKU


Kollaboration von DJ Krush (japanischer Hip-Hop Produzent und DJ, der ab Anfang der 90er zuerst bei Mo Wax überwiegend instrumentale Platten veröffentlichte) und dem japanischen Jazz-Trompeter Toshinori Kondō. Was gibt es zu hören? Verkürzt gesagt: Hip-Hop Beats mit Jazz-Trompete, böse Menschen bezeichnen das hier als Chill-Out, Downbeat und nutzen andere generische End-90er Begriffe, bei dem ein nicht unwesentlicher Teil der Mitmenschen mittlerweile (zu Recht) Brechreiz bekommt, da man dabei eher an minderbemittelte Fahrstuhl meets Ibizza-Musik denken muss. Während bei 99,99% der sonstigen Alben einfach billige Beats genommen wurden und der Schwippschwager aus dem Blasmusikverein genötigt wurde ein paar krächzende Töne einzuspielen, gibt es hier eine echte Kollaboration von "Könnern" (Alternativ geht auch eine der anderen diesbezüglichen Rezensionsplatitüden) zu hören, die gerade durch ihren Minimalismus zu begeistern weiß. Keine opulenten Jazz-Arrangements, stattdessen eher weite, eher karge Klanglandschaften inklusive eines sogar für mich funktionierenden Bob Marley-Covers. Um die LP scharwenzel ich immer wieder herum, allerdings liegt der Preis, je nach Erhaltungszustand bei mittlerweile rund 70-100€. Es soll 2014 einen Repress gegeben haben, aber der ist nicht einmal bei Discogs gelistet, weshalb ich daran meine Zweifel habe. Daher: Einmal Repress, bitte!



Noch nie auf Vinyl veröffentlicht:





UNIDA - SECOND ALBUM


Bei diesem Album muss man (leider) auch schreiben: überhaupt noch nicht offiziell veröffentlicht. Es existieren davon zwar (relativ hässliche und soundtechnisch eher durchwachsene) Bootlegs, die von CDs gezogen wurden, welche auf der letzten Unida-Tour verkauft wurden, aber das Album selbst wurde seitens des Labels nie veröffentlicht und verbleibt bis heute dort im Giftschrank. Warum. wieso, es bleibt für mich ein Rätsel. Insgesamt bleibt dieses Album, rein auf Garcia und seine Stimme bezogen, der Höhepunkt seiner Veröffentlichungen. Um so unverständlicher, dass sich an diesem Zustand bis heute, wo so gut wie jeder D-Klasse Dreck rereleased wird, weil "Kult", daran nichts geändert hat und wohl auch nichts ändern wird.
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26.12.2018

Jetzt lass' mich doch auch mal was sagen, Bumshase! (1)




Warum nicht mal die anderen die ganze schöne Arbeit machen lassen? Warum nicht einfach mal ein paar Musiknerds, die einen im und durchs Leben begleiten, nach ihren geheimsten Wünschen und wildesten Träumen fragen, welche Platten sie am liebsten in einer Vinylversion in den Händen halten wollen? Gastbeiträge sind ja eigentlich die schönsten Beiträge - und das nicht nur, weil ich selber auf der faulen Haut liegen und das literarisch-audiophile Schauspiel aus der Ferne betrachten kann. Es bedeutet auch: Umarmung, Inklusion und gleichzeitig: Öffnung - immerhin Begriffe, die mir seit geradewegs Jahrzehnten völlig fremd sind. Und gäbe es einen besseren Zeitpunkt als den aktuell so besinnlichen und außerdem besinnungslosen Jahresausklang, um also die Pforten jenes Sossenheimer Allerlei weit aufzustoßen (Veganer Rollbraten, Rotkohl, Mango Lassi)? Und gab es jemals einen Absatz auf diesem Blog, der noch mehr Suggestivfragen zu stellen vermochte?

Nun haben sich ein paar nette Menschen also nicht nur Gedanken darüber gemacht:

1. Welche Platte braucht ganz dringend eine Wiederveröffentlichung auf Vinyl?

und

2. Welche Platte sollte es ganz dringend endlich und erstmals überhaupt auf Vinyl geben?


NEIN! Sie haben sogar noch etwas dazu geschrieben. Und das kann man jetzt hier sogar nachlesen.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen für die Mitarbeit bedanken. It means a lot.

(Zur besseren Lesbarkeit werden die Beiträge separiert und hier als Serie in den kommenden Tagen peu à peu veröffentlicht)




Al. Herzallerliebste. Est.1999. She Is Love. 












Al hat sich für gleich zwei Vinylpremieren entschieden:




THE TEA PARTY - TRIPTYCH


Diese Band wird immer einen Platz in meinem Herzen finden, selbst wenn die letzten Releases so gar nicht mehr meinen Geschmack treffen. TRIPtych hat im Jahr 1999 in den Irrungen und Wirrungen der beginnenden Liebe zu dem unvergleichlichen Inhaber dieses Blogs einen Soundtrack geliefert, der es in sich hat. „These Living Arms“ wurde sogar als Tanzflächen-Opener auf unserer Hochzeit gespielt. Nicht dass wir nach der letzten Krebs-OP des Angetrauten dazu effektiv hätten tanzen können, aber darauf kam es wirklich nicht an. Der Weltklasse- und Weltmusik-Rock der drei Kanadischen Buben hat in Europa nie richtig Fuß fassen können. In Australien und Kanada ist das Following deutlich größer und loyaler - auch nach Auflösung und anschließender Reunion. Im kommenden Jahr wird eine ausführliche Tour durch Kanada rollen, mit kleinen Abstechern in US-amerikanische Gefilde. Im Vergleich zu den schwergewichtigen Vorgängern wirkt TRIPtych heller und leichter, weniger dicht instrumentiert. Naturverliebte, bluesige Sommerwanderungen im dramatischen Untergang der „Splendor Solis“ waren vorgestern, die mystischen „The Edges of Twilight“ sind verblasst und die drogenverseuchten, schwarzledernen Tage von „Transmission“ sind nunmehr duftigen, weißen Leinenhosen gewichen (höre: „Taking Me Away“ und  „Gone“). Natürlich blitzt die schwarze Magie der alten Tage noch in einigen Tracks durch („Touch“). Mein persönlicher Favorit ist und bleibt die Intensitätswalze „The Halcyon Days“, die in meinen Augen viel von dem vereint, was The Tea Party zu bieten hat. Orientalische Instrumentierungen, detailverliebtes Songwriting und glanzvolle Poesie. Alles gepaart mit musikalischer Handwerkskunst, die ihresgleichen sucht.

Wäre doch schön, wenn wir dieses Album zu unseren Hochzeitsmemorabilien hinzufügen könnten.







IAMX – KINGDOM OF WELCOME ADDICTION


Sex, Drugs and Drama. Dieses Stückchen schwarze Glittermasse von 2009 hat genau DAS und genau so, wie ich es mag. Heiß, emotional und tanzbar. Chris Corner schwitzt kokett die dunkle Verzweiflung treffend in fließende Sounds und ich fühle mit ihm. Jedes Mal. Au. Masochismus im Audioformat. Seine Devotees lieben ihn nicht zuletzt wegen seiner unnachahmlichen Art, Realität und Traumbilder verschwimmen zu lassen. Das Verschwinden von Gendergrenzen, die Welt ist ein chaotischer Zirkus und das Leben eine obsessiv gearbeitete Kunstform. Die Sehnsucht nach Liebe, Schutz und der Erfüllung der geheimsten Wünsche schwingt immer mit und entlockt wenigstens mir schon wieder ein leises Stöhnen.

„Desire is a gift in life.”

Sollte dieses Teilchen jemals auf Vinyl veröffentlicht mein Haus erreichen, werde ich es persönlich ablecken und sorgsam auf dem Plattenteller in Form streicheln.



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Jens. Schlippo. BFF. Macht Bilder von Schallplatten.












Zum gemeinsamen Trip die memorierte Linie hinab schart Herr Dreikommaviernull handverlesene Nutzer seiner audiophilen Literaten-Heimseite um sich - und (fast) alle machen mit. Schön. Da will ich auch mitmarschieren. Denn: Geili-Eili ist der beste Mann und außerdem hält Memorieren die Murmel frisch. Sagt man. Wenn die Erinnerungsorgie für Lausch-Geronten zudem charmant als Re- bzw. Firstpress-Hörsportaufgabe kaschiert wird, herrlich. Wie man hört, soll außerdem früher alles besser gewesen sein. Das ist natürlich völliger Blödsinn, aber zumindest war ich früher Student und in dieser Funktion ein halbes Jahr in der irischen Hauptstadt Dublin stationiert. Sie ahnen es, liebe Leserin, für diesen Text (auch: Stück) möchte ich den momentan äußerst populäre Storytelling-Ansatz wählen, um Sie aufs Herrlichste zu unterhalten und - weil’s so schön ist - gleichzeitig zu informieren. Alte Schule, große Kunst. Liest noch jemand mit? Nein? Egal. Also, Folgendes: Die Wintermonate in Irland (September bis Juli) sind nass, kalt und dunkel - und manchmal auch dunkel und nasskalt. Was hilft? Musik und Alkohol. Wissen die Iren seit Jahrhunderten und ich seit 1997. Kommen wir zur Sache: 


1. Firstpress 'em all





THE DEVLINS - WAITING


Mit Bandnamen ist das so eine Sache. Ich persönlich würde meine Band eher nicht „The Devlins“ nennen. Klar, mein Familienname ist nicht Devlin und außerdem habe ich keinen Bruder. Colin und Peter Devlin schon. Jetzt könnte man sagen, dann macht ja alles Sinn und besser „The Devlins“ als „The Devlin Brothers“ oder auch „The Devlin Family“ - wäre Iren alles zuzutrauen. Tut aber eigentlich nichts zur Sache, denn auf die Musik kommt’s an und die ist - bitte schnallen Sie sich an - fabulös! 1993 haben die Gebrüder Devlin zusammen mit Mark Murphy und Guy Rickarby ihr hervorragendes (von Daniel Lanois produziertes) Debütalbum „Drift“ veröffentlicht. Vier Jahre später - als ich gerade im düsteren irischen Winter saß - erschien „Waiting“. Und auch wenn mir dieses wunderbare Album nicht das Leben gerettet hat (Claas Retolius würde speien), so ist es seither doch ein treuer Begleiter. Colin Devlins Stimme ist wie eine heiße Badewanne, wenn bei anderthalb Grad Außentemperatur der Regen gegen das Badezimmerfenster peitscht. Mitbürger mit Ohren, großen Herzen und einem Sinn für feines Songwriting dürfen gerne mal reinlauschen. Es lohnt - immer noch. Inzwischen gibt es „The Devlins“ nur noch ab und an. Bevorzugt an Weihnachten, wenn Colin Devlin, der inzwischen in LA lebt, die Familie besucht und zusammen mit Peter und den Buben in einem kleinen Pub in Dublin konzertiert. Vor vier Jahren hat er zwei Solo-Konzerte in Deutschland gegeben. Aber es war kalt und nass, mein Sofa zu gemütlich und der Weg nach Karlsruhe zu weit. Ich beiße mir seither in regelmäßigen Abständen in den Hintern. Aber es gibt Hoffnung: in diesem Jahr hat Colin Devlin ein Soloalbum veröffentlicht  - und mir (zumindest auf Instagram) versprochen, auch mal wieder in Deutschland vorbeizuschauen. Ach ja, „Waiting“ hätte ich gerne auf Vinyl. Gab es nie - und wird es vermutlich nie geben. 


2. Nachschlag, bitte:





MORCHEEBA - WHO CAN YOU TRUST?


Auch Morcheeba sind eine Badewanne. Und was für eine. Whirlpool, mindestens. Auf der Tour zu ihrem famosen Debütalbum „Who can you trust?“ machten sie in einer der schönsten Konzert-Locations dieser Erde halt: dem Olympia Theater in Dublin. Ein altes, plüschiges Theater - viele Balkone, überschaubar groß, wie gemacht für den lasziven Trip-Hop von Morcheeba. Die Band war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Ich ließ mich von der Schwester einer Mitbewohnerin mitschleppen. Dafür gebührt ihr noch heute großer Dank. Auch wenn ich in den 20 Jahren seither einige Bands live gesehen habe, so beeindruckend schön war kaum ein Konzert. „Who can you trust?“ habe ich mir am nächsten Tag bei Tower Records geholt. Natürlich (und aus heutiger Sicht: leider) auf CD. In kleiner Stückzahl wurde damals eine Vinyl-Auflage gepresst, bei der allerdings das Cover-Foto der CD (huch, eine Cannabis-Blüte) entfernt und durch ein schmuckloses schwarzes Cover ersetzt wurde. Heute zahlt man für diese - bislang einzige - Vinyl-Version des Albums auf Discogs um die 70€. Morcheeba haben seither noch einige tolle Platten veröffentlicht. Vor allem „Big Calm“ und „Charango“ kann ich wärmstens empfehlen. So schön wie damals wurde es allerdings nie wieder. Früher war eben alles besser.  


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Tobi, Blogger und Betreiber der Thekenumschau. Zwitschert.













Kategorie: Sollte endlich mal wieder auf Vinyl kommen:




TOOL - LATERALUS


In dem Fall hatte ich ziemlich schnell, quasi sofort, eine Assoziation, und bei der ist es dann auch geblieben: „Lateralus“ von TOOL. Zum Album an sich muss man sicher nicht mehr allzu viel schreiben. Für mich fest steht, dass es ist nach wie vor eines der besten fünf Alben ist, die in diesem Jahrtausend erschienen sind. Vor X Jahren hat es hier mal eine Vinyl-Veröffentlichung gegeben, im fancy Hologramm-Cover in Hochglanz-Optik, die schon vom bloßen Angucken Fingerabdrücke bekommt. Und vor allem: Als Picture Disc. Das mag bei dem Artwork zwar Sinn ergeben, geht aber wohl dermaßen zu Lasten des Klangs, dass diese an sich ja perfekt produzierte Platte auf LP zahlreichen Reviews zufolge eher klingt wie ein Venom-Demo aus dem Proberaum von Bathory. Braucht also niemand, zumindest niemand der Platten auch hört und nicht nur angucken möchte. Dementsprechend (halbwegs) erschwinglich ist diese Version sogar noch gebraucht erhältlich – allein, wem nützt es? Mir jedenfalls nicht. Hocherfreut wäre ich daher, wenn „Lateralus“ (oder die Alben der Band mal ganz allgemein, for that matter) in einer vernünftigen Vinylversion veröffentlicht würde. 2019 kommt ja das neue Album (Hahaha, als ob…) - vielleicht wacht in diesem Zuge ja irgendein findiger Mensch mal auf.



Kategorie: Hier wäre eine Vinylversion überhaupt mal schön:




ARCHIVE - CONTROLLING CROWDS


Hier habe ich zwar etwas länger überlegt (also so 10 Minuten) und dabei festgestellt, dass das ein oder andere Album, das mir in den Sinn kam, inzwischen längst (wieder) auf Vinyl veröffentlicht wurde – letztlich lege ich mich hier aber fest auf „Controlling Crowds“ von ARCHIVE (2009). Eigentlich verwunderlich, dass es das offenbar wirklich nicht zu geben scheint, denn die späteren Alben der Band wurden ganz selbstverständlich sowohl auf CD als auch LP veröffentlicht. Dieses aber nicht. Eigentlich ist „Controlling Crowds“ kein ‚typisches‘ Vinyl-Album. Es ist ultralang, es verfügt über eine sehr unterkühlte, distanzierte und irgendwie modern-urbane Atmosphäre. Und dennoch wäre es für mich ein perfekter Kandidat für eine richtig schicke Doppel-LP, oder meinetwegen auch im Dreier-Verbund mit dem Nachfolger „Controlling Crowds Part IV“, den ich zwar auch mag, aber den ich trotzdem irgendwie eher als das Anhängsel wahrnehme, das er vermutlich auch ist. „Controlling Crowds“ hat Einflüsse aus Trip Hop, Art Rock, Pop, Progressive Rock, Hip Hop und was weiß ich noch allem, und es ist komplett großartig. Wie gesagt ist es ein sehr kühles und oft fast maschinell wirkendes Album – aber es hat eben auch eine menschliche Seite, die besonders durch die Performances der verschiedenen Sänger und Sängerinnen erzeugt wird und die einen wunderbaren Kontrast zur Musik bildet. Der Gesänge von Pollard Berrier, Dave Pen oder Maria Q sorgen oft für eine sehr persönliche, fast heimelige Atmosphäre und bringen die Emotionen in dieses Album. Denn wenn man hinhört, ist es eben dann doch nicht der glattkalte Monolith, der es auf den ersten Blick zu sein scheint, sondern es ist introvertiert, in sich gekehrt und wirkt teilweise sehr persönlich. Auch das schöne Artwork verdient endlich mal ein größeres Format als die lumpigen 12x12cm. Und darum wähle ich in dieser Kategorie das Meisterstück von ARCHIVE. Aber bitte nicht als fuckin‘ Picture Disc, zur Hölle!
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...TBC...

23.12.2018

Repress Now, Mofo! (2)



GRACHAN MONCUR III - SHADOWS


Ich hatte es ja gleich zu Beginn geschrieben: das hier ist ein Wunschkonzert. Und keine andere Platte kommt dieser Ankündigung so nahe wie "Shadows" des US-amerikanischen Posaunisten Grachan Moncur III. Wunschkonzert, weil ich zu der Platte kurioserweise gar nichts sagen kann, denn: Ich habe sie nie gehört. Sie ist unter den gängigen Quellen, oder besser: jenen, die für meine Wenigkeit sowohl gängig als auch zugänglich sind, nicht zu finden, erschien niemals auf CD oder gar Tape und ist aktuell lediglich als illegaler Download auf einem Jazzblog verfügbar. ABER! Ich habe mir vor Jahren die Herausforderung auferlegt, so viele Alben wie möglich von Grachan Moncur zu sammeln, sei es als Leader oder als Sidekick. Moncur ist einer meiner Lieblingsjazzer, weil er es wie außer ihm "höggschdens" (Bundesjogi) noch Jackie McLean in den 1960 Jahren verstand, zwischen freiem, sowie modalem Hardbop außergewöhnliche und teils bizarre Bilder aus Noten zu malen und Grenzen verschwimmen zu lassen. Seine Alben als Leader sind bisweilen irritierend progressive Juwelen, und selbst sein Spätwerk aus den nuller Jahren lebt von der einzigartigen Spielweise des mittlerweile verstummten (aber offenbar noch lebenden) 83-jährigen Amerikaners. "Shadows" erschien 1977 lediglich (i) in Japan und (ii) auf Vinyl auf dem mittlerweile gelöschten Label Denon Jazz und wurde in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch nicht für einen CD-Release in Betracht gezogen, als A&M Records kurzzeitig den Vertrieb für die Japaner übernahmen. Die Original-LP kostet in gutem Zustand um die 100 Euro - und ich bin ja nicht bescheuert. Also: es erbarme sich bitte jemand. Zum Schluss noch ein Hinweis für Jazznerds: Marion Brown am Saxofon, Dave Burrell am Piano. "Mehr habe ich nicht hinzuzufügen." (Polt)


Wahrscheinlichkeit 1/5


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SANDWELL DISTRICT - FEED FORWARD


Das vielleicht beste Techno Album aller Zeiten kommt vom Produzenten-Duo Sandwell District - und es kam sogar mal ganz kurz auf Vinyl heraus: wer im Jahr 2011 schnell und schlau genug war, konnte ein ordentlich herausgeputztes Exemplar für gerade mal 30 Euro abgreifen. 30 Euro waren allerdings meine damalige Schallmauer für 2nd Hand Platten, und selbst dieses Kleingeld nahm ich praktisch nie in die Hand, weil die meisten für mich interessanten Titel noch deutlich darunter lagen. Für Neuveröffentlichungen hingegen waren 30 Euro vor sieben Jahren völlig inakzeptabel. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, aber ich vermute, dass ich trotz regelmäßiger Bestellung beim englischen Boomkat Mailorder in erster Linie wegen der Preisgestaltung für "Feed Forward" nicht tätig wurde. Heute kostet die Platte in der Regel mindestens 200 Euro. Ein Repress ist nicht in Sicht, da sich das Duo seitdem sehr rar gemacht hat und wenigstens unter dem Namen Sandwell District keine weitere Musik veröffentlichte. Etwas obskur sind nicht nur die für jedes Medium, also für LP, CD & Digital, unterschiedlichen Songreihenfolgen, womit keine einheitliche Version zu finden ist, obskur ist auch die Musik: dunkel pumpend, atmosphärisch unter Null, desolat - aber gleichzeitig ein Drive, wie ich ihn selten gehört habe. Ein außergewöhnliches Werk, das Dich spätestens nach dem zweiten Track zerkleinerte Spülitabs durch die Nase ziehen lässt. Imfuckingpressive. 


Wahrscheinlichkeit 1/5





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MOTHER TONGUE - STREETLIGHT


Über die bewegte Geschichte dieses kalifornischen Quartetts ließe sich ein ganzer Roman schreiben, aber so war das hier ja nicht gerade gedacht. Daher in aller Kürze: 1994 mit dem Major-Debut und riesigen Hoffnungen gestartet, kurz danach vom Label humorlos gedroppt, Auflösung 1996. 2002 dann das überraschende Comeback mit "Streetlight", nur ein Jahr später der Nachfolger "Ghost Note", ausverkaufte Deutschland-Tourneen, mitreißende und denkwürdige Konzerte, die Visions macht die Band im Liebesrausch praktisch zur inoffiziellen Redaktionsband, bevor der Kontakt erneut abreißt: Pause. 2008 dann das bis heute letzte und ohne Unterstützung eines Labels aufgenommene und veröffentlichte Album "Follow The Trail", gefolgt von einer erneuten Deutschlandtournee, die trotz der langen Pause erneut volle Häuser für die Band bereit hält. Seitdem darf davon ausgegangen werden, dass Mother Tongue mittlerweile final den Deckel auf die Karriere nagelten. "Streetlight" wird im Falle des (Wieder)Entdeckens auch meine Leser reich belohnen: emotional kraftvoller Blues/Alternative Rock mit Soul, Funk und Stonereinflüssen, so locker groovend aus der Hüfte geschossen, als hätten sie's auf der linken Arschbacke ausgedacht und aufgenommen. "Streetlight" brodelt und glüht, ist hedonistisch, wild, juvenil. Es ist ein vermaledeiter Deppensatz, aber er muss sein: diese Musik MUSST Du auf Vinyl hören. Jetzt das Problem: Die Originalausgabe ist entweder gar nicht mehr, oder nur für sehr viel Geld (ca. 100 - bis 140 Euro) zu haben und angesichts einer nicht mehr real existierenden Band ohne Label, die dafür immerhin mit einem kleinen Häufchen loyaler Die Hard Fans in Deutschland ausgestattet ist, wird sich wohl niemand auf ein finanzielles Himmelfahrtkommando mit einem Rerelease einlassen. Die Band galt lange Zeit als Stehaufmännchen - es wird Zeit, dass sie es nochmal beweisen. 


Wahrscheinlichkeit 1/5






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THE LIFE AND TIMES - SUBURBAN HYMNS



Ich erhielt das Debut von The Life And Times Mitte der nuller Jahre im Rahmen meines Engagements beim Hamburger Webzine Tinnitus als Promo-CD, und damit zu einer Zeit, in der ich das Schallplattenkaufen wenigstens für neue Releases praktisch komplett eingestellt hatte. Einerseits tastete ich mich musikalisch gerade in elektronisch-abstrakte Gefilde vor, in denen kein großer Wert auf Vinyl gelegt wurde und zweitens befanden wir uns, wenn auch knapp, erst kurz vor dem Auftürmen der Comebackwelle der schwarzen Scheiben, weshalb es die meisten Titel erst gar nicht ins Presswerk schafften. Das Power Trio aus Kansas City war indes seit seiner Gründung immer auf der Seite des Vinyls, und das gilt auch für "Suburban Hymns" - aber ich schlief. Und ich schlief lange. Verdammt lange. Noch vor drei, vier Jahren wäre es kein Problem gewesen, die Vinylversion für schlappe 15 Euro zu bekommen. Und plötzlich machte es mir nichts Dir nichts *klick* und sie war verschwunden. Nicht mehr aufzutreiben. Man wird ja wahnsinnig. Aber es wird noch "doller": Den speziell für eine US-Tour und in kleiner Auflage (77 Stück) gepresste Rerelease mit "screen printed cover" gibt's mittlerweile nicht mehr unter 200 Euro. Ich habe mittlerweile alles von dieser tollen Band auf Schallplatte, inklusive der 7"s und 10"s. "Suburban Hymns" fehlt, und das kann so nicht bleiben. Was ebensowenig bleiben kann: Europa stand noch nie auf ihrem Tourplan. Gehört streng genommen nicht in diesen Text, aber ich bin hier Scheff, also suck it up. 



Wahrscheinlichkeit 3/5





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DANZIG - DANZIG III - HOW THE GODS KILL



"Mother" hin, "Schinkengott" her - "How The Gods Kill" ist die beste Danzig Platte. Ich habe sie extra für diesen Text nochmal auf voller Lautstärke gehört ("WILLST DU VIELLEICHT NICHT NOCH EIN BISSCHEN LAUTER MACHEN? ICH GLAUBE MAN KANN ES NOCH NICHT HÖREN...IN URUGUAY!" - Die Herzallerliebste) und ich bleibe dabei: nie war das Songwriting so flüssig und variabel, die Produktion so fleischig und druckvoll, die Atmosphäre so eindringlich. Aber: es herrscht Ebbe in Vinylhausen. Weil die Originalpressungen nicht nur schwer zu finden, sondern üblicherweise auch noch sehr teuer in der Anschaffung sind - "How The Gods Kill" liegt mittlerweile bei 100 Euro plus/minus X - tauchten vor einigen Jahren Bootlegs zu den ersten vier, und damit klassischen Alben des Muskelbonsais auf. Über die optische Aufmachung konnte man ob der guten Qualität der Drucksachen (Gatefold-Sleeves, glossy print, Artwork gestochen scharf) nur erstaunt sein, hinsichtlich des Sounds mussten jedoch, vor allem hinsichtlich der Lautstärke, Abstriche gemacht werden - alles andere als ein CD-Rip als Grundlage würde mich überraschen. Ich selbst konnte das Debut in einer Bootlegversion ergattern ("Lucifuge" stehlt als im Original im Schrank), brenne aber wie verrückt auf "How The Gods Kill": "Godless", "Anything", "Sistinas", "Dirty Black Summer" und der Titeltrack: holy fucking shit, besser war der Schinken nie. Und wie bei so manch anderer sehr populären Band fragt man sich auch hier: warum kommt niemand auf die Idee und haut den ganzen Kram offiziell und in guter Qualität nochmal raus? Das waren ja immerhin und beinahe Millionenseller, für die es auch heute immer noch eine Nachfrage gibt. Sind's wirklich die Anwälte? Die Bands? Die Kohle? Die Verträge? Die Labels? Kann das mal jemand aufklären?


Wahrscheinlichkeit 2/5







Damit beendet die 3,40qm-Redaktion die kleine Serie zum Schallplattenkonsumrauschen und tänzelt nun frohlockend in ein Novum dieses Blogs: die anderen sprechen jetzt. Nämlich. Oder schreiben.

Demnächst hier.


Bleiben Sie dran, ich zähl' solange.