ODDISEE - THE GOOD FIGHT
Gemessen an den neuerdings eingeführten Statistiken von Last.fm, habe ich im abgelaufenen Jahr kein anderes Album so oft gehört wie "The Good Fight" von Amir Mohamed el Khalifa aka Oddisee. Natürlich sind die Zahlen verfälscht, da die Vinyl- und CD-Umdrehungen in meinen dreikommaviernull Quadratmetern logischerweise nicht mitgezählt werden, und der Preis für das meistgehörte Album 2015 demnach auch an andere Kandidaten vergeben werden könnte. Trotzdem ist das schon ein eindrückliches Zeichen, zumal der Abstand zu und im Vergleich mit den Abständen der folgenden Plätze immens ist.
Seit "People Hear What They See" aus dem Jahr 2012 habe ich einen Narren an seiner Musik gefressen; für die beiden Nachfolger "The Beauty In All" (Instrumental) und "Tangible Dream" habe ich auf diesem Blog folgerichtig ebenfalls schon die Konfettikanone gezündet, und die beiden Gigs, denen ich beiwohnen durfte, waren angesichts der umwerfenden Musikalität, der positiven Kraft und Leidenschaft echte Sternstunden meiner Karriere als Konzertgänger.
"The Good Fight" ist einerseits noch songorientierter und kompakter als "People Hear What They See", andererseits ist es bei Licht betrachtet stilistisch noch schwerer zu verorten als seine früheren Arbeiten. Es geht nicht wirklich um Schubladen, denn natürlich kann das alles noch unter Hip Hop einsortiert werden, und es ist auch keine Überraschung, dass sich Oddisees Roots in der Wolke, der Aura dieses Albums finden lassen. Was er dann aber letzten Endes aus diesen Songs macht, geht viel, viel weiter als das, was in den letzten 20 Jahren in diesem Genre passiert ist - was ausdrücklich all den avantgardistischen Krempel einschließt. Im Grunde konserviert er die Musikalität seiner Liveband Good Company auf diesen Songs, die so vielschichtig, deep, melodisch, smart und kreativ zusammengebaut wurden, dass es schon eine Reihe extraguter Musiker braucht, um sie in und mit einem Bandgefüge auf eine Bühne zu bringen. Dazu kommt ein Überbau aus Intellektualität und Urbanität und aus der Freude am Leben, der offensichtlich kaum wahrnehmbar ist, dafür aber in den tiefer liegenden Schichten diesen ganz besonderen Vibe zum Schwingen bringt.
Und wie er am allerschönsten schwingt zeigt dieses Video von niederländischen Into The Great Wide Open-Festival, das hier auch stellvertretend und kommentarlos mit meinem Roman hätte ausgetauscht werden können: vom fünf- bis sechzigjährigen tanzt, lacht, singt und klatscht hier jeder, der noch gerade stehen kann. Ab der Mitte des Songs sogar im strömenden Regen.
Erschienen auf Mello Music Group, 2015.
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