20.05.2016

Forever Hatröss



VOIVOD - POST SOCIETY


Früher undenkbar, heute Realität: neue Musik des kanadischen Quartetts ist nicht mehr die Nummer 1 auf meinem musikalischen Merkzettel. Seit der Veröffentlichung ihres Albums "Voivod" im Jahr 2003 hat mich keines der nachfolgenden Werke mehr nachhaltig begeistern können - in voller Anerkennung schwerwiegender Begleitumstände wie beispielsweise der Tod von Gitarrist Piggy. Die Luft ist zumindest auf der Mehrheit der Alben aus den letzten Jahren hörbar raus, auch wenn die letzte LP "Target Earth" aus dem Jahr 2013 immerhin ein Schritt in die wenigstens für mich richtige Richtung war: weniger Rock'n'Roll, mehr Science Fiction Metal. Und ich muss und kann damit leben, dass die Band stilistisch nicht mehr lichterloh brennt und Experimente der Vergangenheit angehören.

"Post Society" mit seinen vier neuen Songs und einer grässlichen Coverversion von Hawkwinds "Silver Machine" stellt mich vor das ein oder andere Rätsel. Einerseits hat der erstmals mit dem neuen Bassisten Rocky agierende Vierer im direkten Vergeich mit "Target Earth" ein paar Briketts nachgelegt und liefert zumindest bei drei neuen Kompositionen harten und typisch verdrehten Voivod-Metal ab, dessen nicht besonders einprägsame Arrangements ich mir härter erarbeiten musste als noch zuletzt. Das macht auch nach zehn Durchläufen immer noch Spaß - dass vor allem Gitarrist Chewy im teils erfreulich punkigen Titeltrack alle Register zieht und mit abgefahrenen Breaks glänzt, freut mich als Fan vertrackter Gitarrenarbeit gleich doppelt. Gleichfalls herausragend: der Chorus von "Forever Mountain" mit einer echten Hookline, sowie der Mittelteil von "We Are Connected", der mich zunächst sehnsüchtig an die für mich beste Voivod-Phase mit Sänger/Bassist E-Force, ihr zweifellos bestes Album "Phobos" und anschließend nahezu unvermeidbar an Pink Floyd denken lässt. 

Andererseits wirkt ein Song wie "Fall" seltsam lahm und unfertig, und ich kann auch nicht sagen, dass die Band an anderen Stellen durchgängig von der Muße geknutscht wurde: immer wieder gibt es Riffs oder einzelne Songpassagen, über deren Motivation ich mir nicht vollständig im Klaren bin. Als ich kürzlich die Autoanlage auf 180dB drehte und mich durch die vier Eigenkompositionen kämpfte, musste ich die Platte gar schon vor dem Einstieg in "Silver Machine" ausmachen, weil die Buben mir so hart auf den Zeiger gingen. Da wirkte nichts stimmig, sondern viel mehr hilflos aneinandergeklatscht - was hier übertrieben und kokett ist, erscheint an anderer Stelle müde und ziellos. In Interviews zur EP macht die Band indes deutlich, die Songs seien eine Art Schnellschuss und zwischen Tourbus und Bühne flott aufgenommen. Was immerhin einiges erklärt.

Der erneute Durchlauf auf der heimischen Couch versöhnte mich dann wieder ein bisschen, wie mir die im Takt mitschwingende und in die Luft gereckte Faust verriet. "Post Society" präsentiert in guten Momenten das beste Voivod-Material seit 13 Jahren. Ein Album in der Qualität des Titeltracks, "Forever Mountain" und "We Are Connected" würde ich wohl nochmal nehmen. Ganz ehrlich.





Erschienen auf Century Media, 2016.



1 Kommentar:

Simon hat gesagt…

Nur mal so: Kann das alles 100%ig nachvollziehen. "Forever Mountain" und "We Are Connected" finde ich auch sehr, sehr stark, aber in der falschen Situation kann einem die EP auch irgendwie auch auf den Sack gehen.
Mal sehen, wie das nächste Album so ausfällt...