02.10.2013

Ich habe Sex mit Rosenkohl

"Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, dass die Tür zu ist, damit ja nicht der Hund hereinkomme und das getane Werk durch die Spuren seiner Pfoten entstelle, also wachen die europäischen Denker darüber, dass ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen."
Albert Schweitzer

Fast vierzehn Monate sind's, um wenigstens halbwegs genau zu sein - eigentlich wollte ich diesen Text bereits zum einjährigen, hrrrch, Jubiläum geschrieben haben, aber das haute aus den bekannten Gründen nicht hin. Ich weiß jedenfalls noch, was das letzte Lebensmittel war, in dem Spuren von Tieren enthalten waren: ein Nutellabrot. So lautete nämlich meine Abmachung mit mir selbst. Das offene Nutellaglas wird noch leergemacht, danach ist Schluss damit. Schluss mit Käse, Milch, Joghurt. Auf Eier hatte ich schon knapp zwei Jahre zuvor verzichtet. Fleisch wurde ab 1.1.2010 vom Speiseplan gestrichen. Dass Nutella ebenfalls in den Orkus des Vergessens wanderte, ist doppelt prima: Ferrero und ihr CDU-Spendensumpf können mich seitdem mal gepflegt sonstwo. Nik-Nak.

Die Entscheidung, den wenigstens für mich logischen Schritt vom Vegetarier zum Veganer zu gehen, fällte ich in Rekordzeit, praktisch im Affekt. Und das, obwohl ich furchtbar schlecht im Entscheiden bin. Was deutlich untertrieben ist, denn Entscheidungen sind der Teufel. Ich kann soviel logisch abwägen, wie ich will, mein Herz macht mir meistens einen Strich durch die Rechnung. Diesmal hielt es erstaunlicherweise die, haha: Klappe. Ich lag also mit der Herzallerliebsten an einem Samstagnachmittag auf unserem Bett (wir hatten unsere Klamotten noch an, das nur für die Freaks unter meinen Lesern, die sowas gerne in eine Exceldatenbank einpflegen), ich sinnierte ein paar Minuten vor mich hin und plötzlich, richtigerweise von jetzt auf gleich, war ich davon überzeugt, dass ich jetzt vegan leben will. Beziehungsweise muss. Sobald dieses vermaledeite Nutellaglas leer ist, geht's los. Die Moral: wenn's wichtig wird, geht's halt auch ohne wochenlang andauernde Mehrheitsentscheidung. Die Diktatur des Herzens, ein dolles Ding.

Meine Gewissensbisse als Fleischesser waren enorm, tatsächlich wurden sie von Jahr zu Jahr größer. Aber es ist, vor allem nachträglich, verblüffend zu erkennen, zu welchen absurden Verhaltensweisen einen das eigene Bewusstsein bringen kann. Man schiebt einfach alles weg. Es ist alles egal. Solange einem die Fleischbrühe nur das Kinn runterläuft, ist alles gut. Wie es sich so lebt, in Saus und Braus, als selbstgerechtes Arschloch. Ich wusste das alles, ich wusste, wie es in Schlachthäusern zugeht, wie wir als Gesellschaft grundlegend mit Tieren umgehen, wie viele von ihnen wir knöcheltief in der eigenen Scheiße stehen lassen und dann in große Transporter einpferchen. Und je deutlicher und plastischer die Bilder in meinem Kopf wurden, umso mehr hat es mich zerrissen. Es hat so wehgetan, dass mein Kopf den "Erase All"-Schalter drückte. Was ich nicht sehe, existiert nicht. Alles ist gut, weitermachen.


Ich habe oft versucht, Earthlings zu schauen. Ich hielt es nie länger als zehn Minuten aus.


Dann wird anschließend mit traurigem Blick die eigene Katze geherzt und geknuddelt, ich bin ja schließlich Tierfreund - Was essen wir heute Abend eigentlich? Hack! Super! Und mit noch viel traurigerem Blick höre ich mich heute noch sagen:"Ich komm' einfach nicht davon los. Ich komm' von der Scheiße einfach nicht los." Und es stimmt ja auch, es ist nicht einfach, sich aus dieser hierzulande manifestierten Fleischkultur herauszuziehen. Fleisch ist immerhin ein Stück Lebenskraft. Und wer kein Fleisch isst, wird krank. Oder schwul. Am Ende gar beides, da müssen wir nochmal die CDU fragen. Oder Ferrero.

Alles ist aus Blut, Gedärm und Tier. Wenn wir Springbrunnen bauen könnten, aus denen abwechselnd Schmelzkäse und Leberwurstsaft emporsprudelt, unsere Kinderspielplätze wären voll davon. Wir würden's tun, logisch. Damit auch die Kleinen schon lernen, wie man wie die Klingonen alles vollfurzt und zukackt. Am besten fragen wir dazu mal die beiden kleinen Bälger, die in der Fernsehwerbung dem Journalistendarsteller Jörg "Fleischwurst" Pilawa (Disclaimer: Link führt zu einem Youtube-Video und zu Werbung, wenn Du das nicht sehen willst, dann klick' den Mist nicht an) an irgendeinem zugeschissenen aber irrsinnig idyllischen See entgegengerannt kommen, weil der liebe Onkel mit Süßigkeiten Frikadellen in der Plastikhdose in der Gegend rumwedelt. Vielleicht wäre es ja aber auch viel eher angemessen, Hänsel und Gretel nebst ihren Scheißeltern mal für einen Tag in einem Geflügelmastbetrieb einzuschließen und ihnen die Augenlider am Hinterkopf festzutackern, damit sie bloß nicht auf die Idee kommen, angesichts dieser abgrundtiefen Schweinereien die Matzelaugen zu schließen. Einfach mal zwei Stunden an den Schredderautomaten anbinden, in den lebende männliche Küken zu Tausenden reingefeuert werden, dann ein Leben lang eine schöne Verhaltenstherapie.

“I don't mean to sound bitter, cold, or cruel, but I am, so that's how it comes out.”
(Bill Hicks)

Der Auslöser, zu Beginn des Jahres 2010 endlich auf Fleisch zu verzichten, war eine Verkehrsdurchsage im Radioprogramm des Hessischen Rundfunks. Es war ein Freitagabend im Dezember 2009, und ich kann mich noch daran erinnern, ziemlich lange im Büro gewesen zu sein. Auf der Heimfahrt berichtete die Frau im Radio über einen Stau auf irgendeiner Autobahn, es sei ein Viehtransporter verunglückt. Bis hierhin nimmt man das vielleicht noch bräsig-dampfend hin, ohne sich in die nächste Familienpackung Rasierklingen zu stürzen; wie gesagt, das Hirn kann ganz schön viel wegstecken, im wahrsten Sinne des Wortes.

Dann fuhr die Stimme aber fort:"150 Kälber überlebten das Unglück, 150 Kälber wurden getötet." Der Tag war lang, wahrscheinlich war er auch gar nicht so erfüllend, und ich war im Grunde auch gar nicht mehr aufnahmebereit, für was auch immer. Aber die Information konnte ich dann glücklicherweise noch verarbeiten: 300 Kälber. Dreihundert Kälber? Auf einem LKW? Etwa zwanzig Minuten später schloss ich die Wohnungstür hinter mir und mein erster Satz zur Herzallerliebsten lautete:"Ich höre auf mit Fleischessen." Und dann wurde ich krank. Und schwul. Wenn nicht gar beides. Und ich treibe es mit Rosenkohl.


Was ich eigentlich mit all dem sagen wollte: von mir wird es kein "Mir geht's so gut wie noch nie!" geben, ich laufe neuerdings auch nicht nackig durch die Straßen und schmeiße mit Räuchertofu um mich, und ich gebe mir auch Mühe, Fleischesser nicht in die moralische Strafecke zu stellen, jedenfalls solange sie nicht immer noch die Grünen wählen. Mein Körperbewusstsein hat sich nicht so irrsinnig geändert, auch wenn ich seit der Umstellung von vegetarisch zu vegan knappe neun Kilo abgenommen habe. Der geistige Wandel ist indes viel deutlicher zu spüren, und das ist mir bereits nach wenigen Tagen aufgefallen. Es mag sich nach der Verarbeitung eines bösen Klischees anhören, aber ich empfinde unseren gesellschaftlichen Umgang mit Tieren aus ethischer Sicht, inklusive der ökonomischen Potenz der Massentierhaltung, des Konsums und der medialen Aufbereitung durch Werbung, Redaktionen und auch politischer Meinungshoheit praktisch mit jedem Tag abstoßender, bizarrer, verantwortungsloser und inakzeptabler. Franz Alt, zugegebenermaßen keine gute Quelle für allzu Hellsichtiges, sagte mal, dass er der festen Überzeugung sei, es käme der Tag, an dem sich die Menschheit kollektiv bei den Tieren entschuldigen würde. Ich weiß nicht, ob ich diesen Tag noch erlebe, auch wenn ich gleichfalls daran glaube, dass er auf jeden Fall kommt.

Aber ich stände mittlerweile vermutlich in der ersten Reihe.

16.09.2013

Last Exit Sossenheim




Das dürfte so ziemlich der längste August aller Zeiten gewesen sein, aber es kommt eben doch so einiges anders, als man das fürs Erste voraussehen kann. Der Plan, nach dem vollzogenen Umzug in die neuen Räumlichkeiten sofort wieder mit dem Hören und Schreiben zu beginnen, fiel angesichts der Mammutaufgaben "Renovieren, Auspacken, Kochen, Sortieren, Essen, Einräumen, Bumsen" grandios ins Wasser, und just als das Licht am Ende des Tunnels eine dreiviertel Lumensekunde heller wurde, und ich also schließlich noch drei freie Tage vor mir hatte, hat mir die olle Körper-Mistsau noch eine wunderbare Erkältung auf den wortwörtlichen Hals gehetzt, die mich für eine gute Woche außer Gefecht setzen sollte.

Alles keine guten Voraussetzungen, um mal Durchzuatmen, und wenn es auch noch so nötig gewesen wäre. Es scheint sich indes zur Routine zu entwickeln, dass ich in Phasen, in denen wenigstens mein Geist ausnahmsweise mal im Begriff ist sich langsam zurückzulehnen, für die nächsten Tage das Krankenbett hüten darf. Ich finde das ja ehrlich gesagt ein wenig beängstigend, sacknervend sowieso, aber das macht auch nicht gerade den Eindruck, als könnte ich daran mit einem Fingerschnippsen etwas ändern. Was es an schlechten Tagen sogar noch eine Spur beängstigender macht.

Nun hat mich seit zwei Wochen das heiß und fettig geliebte Arbeitsleben wieder und ich kann nicht behaupten, dass sich seitdem an meinem leicht aus dem Rahmen geplumpsten Leben etwas geändert hat. Nach elf Jahren Wiesbaden fällt es mir alten Sicherheitsfanatiker offenschtlich nicht so irrsinnig leicht, die neue Umgebung mit einem satten Schmatzer und einer Büchse Konfetti zu begrüßen. Noch ist alles so furchtbar neu, die Wege sind noch so schrecklich ungewohnt und tatsächlich habe ich sogar noch nie in einer Wohnung gelebt, in der es statt Teppichboden einen (zugegebenermaßen schicken) Laminatboden gab. Und der gar nicht mal so kleine Kirschlorbeerbaum vor der Tür trug noch vor wenigen Tagen fast genausoviele Blätter wie Wespen, die sich an seinem Saft labten - sie ließen mich zwar weitestgehend in Ruhe, aber darum geht es meinem kleinen Hirnschiefstand im Dachgeschoss ja auch nicht. Kurz: meine sich jedes Jahr stärker ausgeprägt zeigende Wespenphobie tanzte den eingesprungenen Kasatschok. Mittlerweile sind die Wespen weg, dafür lässt der Kamerad seit ein paar Tagen seine Beeren auf die Erde fallen und ich bräuchte dann mal jemanden, der unserem Fibbel-Hund mitteilt, er möge die kleinen schwarzen Dinger nicht fressen, weil er sich sonst eine schöne Vergiftung mit Blausäure einfängt. Dühüüüses Läben - es ist schon eines der Verrücktesten.

Trotz all dieses banalen Scheißdrecks, der mich nun seit Mitte Juli auf Trab hält, habe ich natürlich das Musikhören nicht aufgegeben. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: ich habe sogar sehr ausgiebig Musik gehört, aber ich kam ums Verrecken nicht zum Schreiben. Was gibt's also Neues?

Zunächst wäre da meine erneut entflammte Sucht für alten Thrash Metal erwähnenswert. Es hagelte neue alte Scheiben von Flotsam And Jetsam, Assassin, Fear Of God (Yeah!), Tankard, Obituary, Sacrosanct, Paradox, Assorted Heap (Doppelyeah!) - was mich unter anderem auch daran erinnert, dass meine Top 20 des Thrash immer noch darauf wartet, auf den Blog gewuchtet zu werden. Es wird kommen. Noch in diesem Jahr.

Dazu gab es einige schöne Jazz-Klassiker. Thelonious Monks legendäre "Monk"-Aufnahme für Columbia aus dem Jahr 1964 versüßte der Herzallerliebsten und mir das ein oder andere Urlaubsfrühstück, Jackie McLeans "Bluesnik" wurde für einige Wochen Stammgast auf dem Plattenteller, das neue Gregory Porter Werk ist trotz der zu erwartenden Tendenz in Richtung des Jazz Mainstreams (EMI/Blue Note, q.e.d.) eine vor allem klangliche Sensation und im Stuttgarter 2nd Hand Records fand ich eine alte Zusammenstellung des Impulse-Labels, auf der mein Liebling Grachan Moncur III mit einem bislang unveröffentlichten Track  "The Intellect" zu finden ist. Freude.

Gleichzeitig wächst die Gil Scott Heron-Sammlung unaufhaltsam weiter. Neben der schon lange gesuchten und endlich von Freund Jens für mich geschossenen "Reflections" Platte von 1981 konnte ich noch "1980" von - Riesenüberraschung! - 1980 auftreiben, die mich allerdings vor einige Rätsel stellt. Weniger musikalisch - es ist die letzte Aufnahme mit Scott-Herons altem Sidekick Brian Jackson, bevor das Duo die Zusammenarbeit aufkündigen sollte - die Platte gehört sicher zu den besseren Werken des 2011 verstorbenen Sängers, aber ich habe es noch nicht erfasst, wie mir "1980" bis vor zwei, drei Monaten noch völlig unbekannt sein konnte. Ich suche nun schon seit Jahren nach seinen alten Aufnahmen und bin eigentlich so schlecht nicht informiert, aber "1980" hatte ich bis dato noch nicht mal irgendwo gesehen. Ganz zu schweigen gehört. Was nun noch zur Komplettierung der Sammlung aussteht: "Bridges", "Real Eyes" und "Secrets". Nicht, dass ich ohne diese drei Platten nachts nicht mehr ruhig schlafen könnte, aber. Punkt.

Ernstzunehmende Kandidaten für die Jahresbestenliste flatterten mir außerdem von Stephan Mathieu in den neuen Wespenbau. Seine Kollaboration mit David Sylvian "Wandermüde" und die Doppel-LP "The Falling Rocket" unter eigenem Namen sind zwei der schönsten Platten des laufenden Jahres. Und wo das gesagt ist gibt's noch einen fast exklusiven Tipp von mir für euch: Die Absolute Boys aus Australien haben mit "Heavy Flow" meine Sommerplatte des Jahres 2013 geschrieben. Ist für alle total super, die auf einen schwül-fiebrigen Young Marble Giants-Shoegaze-Indiestoner abrumpeln. Außerdem sieht die Platte "totally like" (Miley Cyrus) wunderbar aus.

Das war also der kurze Rundflug durch das neue, frische, tolle Plattenregal, das übrigens immer noch wie Kraut und Rüben aussieht. Ich versuche mich bislang erfolgreich vor der Aufgabe zu drücken, das Alphabet als ordnungsstiftende Maßnahme einmarschieren zu lassen. Ich muss es tun, weil's mich so ein klein bisschen wahnsinnig macht, andererseits ist's ja nun im Prinzip auch schon scheißegal.

Immer diese Zwiespalte. Immer dieses Leben.

"Es geht weiter, Weiter, immer weiter." (Oliver "Ich habe das Wurstabitur" Kahn)

23.07.2013

Sommerloch

Es ist in den letzten drei Wochen etwas still hier geworden, und ich glaube, es ist angemessen, mich mal flott in den Blogurlaub zu verabschieden. Der feine Herr Dreikommaviernull zieht nämlich um, also von Stadt A nach Stadt B; ich kehre der Hessen-Hitler-City den Rücken, der Stadt der Adlerträger also den Pimmel (wieder) zu, und zwischen zusammengeschobenen Kisten, Möbeln, Baustoffen, Farbeimern und Haustieren auf der einen, und einem nach wie vor nicht still vor sich hin dämmernden, sondern im Gegentum ausgesprochen lebhaft agierenden Arbeitshandy auf der anderen Seite, lässt es sich nicht gut Musik genießen - und noch viel weniger darüber schreiben.

Anfang August ist der ganze Irrsinn vorbei, und da mich im Anschluss volle drei Wochen Urlaub angrinsen, freue ich mich jetzt schon auf viele um die Ohren geschlagene Nächte, tolle neue Platten und einen wachsweichen Restsommer in Chlodwig Poths ehemaligem Kiez. Es dauert nicht mehr lange und ich freue mich darauf.

Wir lesen uns wieder im August.

"Bleibt so schön!" (Wayne Lovett)

06.07.2013

End Of An Age



METAL CHURCH - HANGING IN THE BALANCE

"Ich werde ja oft gefragt...eigentlich werde ich oft gar nichts gefragt, aber ich muss sagen, ich werde oft gefragt, sonst geht's nicht weiter." (Harald Schmidt)


Ich werde ja oft gefragt, ob es in den 90er Jahren eigentlich noch gute Metalalben gab. Metalalben, die abseits des Grunge, des Crossover und des langsam aufkommenden Metalcore existieren konnten, und die das vielleicht letzte Ausrufezeichen eines Genres setzen konnten, das heute wie vom Erdboden verschluckt erscheint: Power Metal. Ein Sound, der von Bands wie Sanctuary, Lethal, Vicious Rumors, Jag Panzer, Armored Saint, Heretic, Metal Church oder den frühen Virgin Steele und Iced Earth geprägt wurde. Oft an der Grenze zum Speed und Thrash Metal, aber eben auch mit einem Bein in der Welt des Melodic Rock oder des ganz klassischen Hardrocks der 70er und frühen 80er Jahre. Trotz der nahezu vollumfänglichen Auflösung dieser Spielart kann ich meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage nur positiv fomulieren. Ja, es gab noch großartige Metalaben in den neunziger Jahren und "Hanging In The Balance" ist eines davon; genaugenommen ist es möglicherweise sogar eines der zehn besten Metalalben aller Zeiten.

Metal Church litten ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debutalbums an einem grundsätzlichen Phänomen, von dem nicht nur Bands wie Mr.Big oder Extreme, unter entgegengesetzten Voraussetzungen aber auch Slayer oder Metallica ein Liedchen singen können. Wenngleich die beiden letztgenannten Kapellen angesichts der angezeigten Nullen auf dem Bankkonto vermutlich vor Lachen vom vergoldeten Scheißhaus 'runterplumpsen, werden sie von der eingeschworenen, sich dem Mainstream vermeintlich entziehenden Fangruppe der "Early Birds" (ein Fachausdruck aus der Mykologie, Google hilft, oder eben auch nicht) immer und vor allem: FÜR IMMER (Hallo Doro! *stöhn*) an ihren frühen Werken gemessen, die allesamt soviel größer, geiler, wahnsinniger, jaleckmichamarschwiegeildiemalwaren sind als der ganze "angepasste", "weichgespülte" oder "kommerzielle" Mist, der danach kam. Mr.Big und Extreme sind nach ihren One Hot Wonders an ebenjener "Kommerzialität" gescheitert, denn wenn die Industrie dank eines schmusigen Schnulzenknallers mal schnell zehn Millionen Platten verkauft, dann schleift der Major-Boss bei den lumpigen drei Millionen des Nachfolgers mal fröhlich die Axt. Und weil sich genau dieser Typ um Qualität und Anspruch soviel schert wie unser Innenpudel Friedrich um Intelligenz, Logik und saubere Unterhosen sind ihm die leisen Proteste, die ihm zur Tante Araya und Onkel Hutfeld aus der Trinkhalle Essen-Karnap entgegenplärren aufs Geradewohl heraus latte, bums, schietegal, denn hier richtet es dann eben der Mainstream im Sinne der Industrie, der Anklage und des Künstlers. Alle Wege führen nach Rom, beziehungsweise in die Bedeutungslosigkeit - bei den einen in die künstlerische, bei den anderen in die soziale.

Metal Church aus dem US-amerikanischen Seattle mussten mit ihrer Auflösung im Jahr 1995 zunächst das soziale Nirwana in Kauf nehmen, bevor es nach der komplett missglückten Reunion mit Originalsänger David Wayne vier Jahre später auch künstlerisch begeisternd rasant bergab ging. Der weitere Versuch mit Sänger Ronny Munroe ist und war gleichfalls nicht von Erfolgen gekrönt, zumal das Line-Up mittlerweile mehr als nur ausgedünnt ist: Graig Wells und John Marshall haben ihre Gitarren schon lange an den Nagel gehängt, der zuckerkranke Kirk Arrington bekam das Touring  nicht mehr zusammen und was aus Basser Duke Erickson geworden ist, weiß nur der Wind. Einzig Songwriter und Gründungsmitglied Kurdt Vanderhoof ist noch (oder besser: wieder) an Bord. Über die Qualität der späteren Platten darf man ruhigen Gewissens den Mantel des Schweigens legen.

Was das Quintett jedoch nach 1985 auch anpackte, die Reaktionen waren schon aus der Ferne deutlich zu vernehmen.

"So geil wie das Debut wird's wohl nicht mehr werden."

Bei jeder neuen Platte, in jeder Rezension dasselbe Spiel.

"Gute Platte, kommt aber nicht an die Genialität des Erstlings heran."

Damit waren die Weichen gestellt und es sickerte so langsam in jedes verpickelt-pubertäres Kinderzimmer, dass es die Band einfach nicht mehr bringt. Die hatten eben ihren Höhepunkt mit der ersten Platte.

"Da kommt nicht mehr viel."(Antitainment). 

Das ist und war bei aller prinzipiellen Irrelevanz der Diskussion inhaltlich natürlich alles kompletter Quatsch - "The Dark" und vor allem die beiden mit Neusänger Mike Howe eingespielten Alben "Blessing In Disguise" und "The Human Factor" sind Power Metal Alben aus dem vielzitierten Bilderbuch, die, bei selbst bei gedimmten Licht betrachtet, keinen Zentimeter hinter dem freilich beeindruckenden Debut stehen. Aber so ist es keine Überraschung, dass die Verkaufszahlen hinter den berühmten Erwartungen blieben und Epic Records als Konsequenz die Reißleine zogen. Metal Church verloren nach dem fantastischen "The Human Factor" und einer stellenweise katastrophal besuchten "Operation Rock'n'Roll"-Tour (u.a. mit Judas Priest, Alice Cooper und Motörhead) ihren Plattenvertrag, immerhin ein Majordeal. Da schlackert man heute auch mal schön mit dem Kirschkernkissen - solche Bands bekamen mal Majordeals. Von dem Aufprall, den Metal Church oder auch Vicious Rumors nach dem Rausschmiss hinnehmen mussten, erholte sich so schnell niemand mehr.

Es waren die Damen und Herren von Blackheart Records, das Label von Joan Jett, die den fünf Helden einen Anschlussvertrag anboten, um "Hanging In The Balance" zu veröffentlichen, 1993 zunächst in Japan, ein knappes halbes Jahr später in Europa. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich im Februar/März 1994 mit einer Erkältung flach lag und meine Eltern darum bat, dass sie mir von ihrem Frankfurter Einkaufsbummel eine CD mitbringen - es war "Hanging In The Balance". Ich brauche außerdem kein überbordendes Erinnerungsvermögen, um ohne jede Übertreibung festzustellen, dass ich diese Platte für mindestens ein komplettes Jahr fast täglich mindestens ein Mal hörte. Ich weiß das nicht nur deshalb so genau, weil ich als 16-jähriger dank langsam einsetzender Pubertät, Grunge-Wahn, den ersten durchgefeierten Nächten und immer länger werdenden Haaren eine sehr intensive Zeit verlebte, sondern auch darum, weil ich schon damals so bekloppt wie heute war und Woche für Woche meine (meist)gehörten Platten in einen karierten Schreibblock reinkritzelte. "Hanging In The Balance" war dort Stammgast, bis ich damit aufhörte - und das muss etwa im Frühling 1995 gewesen sein. Außerdem wuchs dann "Dopes To Infinity" von Monster Magnet gerade über sich selbst hinaus. Aber das ist vielleicht eine Geschichte, die ich mir für einen späteren Zeitpunkt aufhebe. Ich kann mich aber auch deshalb noch so gut daran erinnern, weil ich selbst heute noch jedes Wort mitsingen kann.

Alles an dieser Platte ist pures Gold. Ausdrücklich auch das Cover, über das die Hirnniedrigwasser-Gemeinde des Heavy Metal seit jeher Kübel voller Hohn und Spott ausschüttet. Jeder Song ist eine Sternstunde des Power Metal, geschrieben von einem der damals besten Songwriter, gespielt von zwei "Mega-Gitarristen" (Götz Kühnemund), einem Monsterdrummer und einem legendären Bassisten, gesungen von einem der besten Metal-Sänger aller Zeiten: Mike Howe, der nach dem Rausschmiss von David Wayne so böse damit zu kämpfen hatte, die Puristen von seinen Qualitäten zu überzeugen. Der sich nach der zwischenzeitlichen Auflösung der Band komplett aus der Musikszene verabschiedete und seitdem mit seiner Familie auf einer Farm in Tennessee lebt und nicht mal mehr gesichtet wurde. Er singt auf dieser Platte perfekt.

Alle spielen perfekt. Die Tracks sind perfekt. Makellos. Unglaubliche Riffs. Unglaubliche Melodien. Unglaubliche Power. Komplexe, leicht progressive Epen wie "Little Boy" und "End Of The Age" (Großer Gott!), straighte Power Metal Granaten wie "Conductor" oder "Down To The River", dazu mit dem düsteren und groovigen Opener "Gods Of Second Chance" (inklusive Gitarrensolo von Alice in Chains-Gitarrist Jerry Cantrell) und den filigranen Rockern "Losers Of The Game" und "A Subtle War" - Metal war danach nur ganz selten wieder so unfassbar großartig.

Erschienen auf Blackheart Records, 1993

04.07.2013

...and Jean-Luc says: do not engage!

Vor fast exakt drei Jahren hatte ich schon mal einen Mix von Northern Shore hier auf Dreikommaviernull veröffentlicht - damals wie heute habe ich keinen blassen Schimmer, wer sich hinter diesem Namen verbirgt, aber immerhin lässt sich die Selbstbeschreibung nachlesen:

"My project is about deep journeys into electronic music. Deeply influenced by the kinds of Echospace, Intrusion, DeepChord & Bvdub these journeys are mainly created for home listening and escaping everyday life. My mixes focus on Deep Hypnotic Techno but also on the ambient and experimental part of electronic music and try to create the image that the listener walks alone over an empty long Northern shore while listening to the soundscapes... Don't expect technical perfection as I'm a bedroom mixer who just does this for fun..."

Nun dürfte meine Vorliebe für die Musik eines Brock Van Weys (aka BVDUB) meinen Lesern mittlerweile geläufig sein, also muss ich alleine wegen dieser Erwähnung ziemlich reflexartig die Ohren spitzen. Und ich sollte es aus gutem Grund tun, denn der aktuelle Mix "Lighthouse Arrangements VII" ist erneut ein Seelenöffner. Ein Wachmacher, ein der dein drittes Auge mit Spiritus und Rosenwasser klärt. Wie sonnenklar das hier alles sein kann...

Die Tracklist:

01 Steve Roach - Cloud Cover
02 Thom Brennan - Raingardens
03 cv313 - Beyond the Clouds
04 Tobias Hornberger - Unknown
05 Ohrwert - Mistral
06 Stefan Gubatz - Cologne
07 Michael Mantra - Mountain Version III (Djorvin Clain Version)
08 S/EXP - Distant Horizon
09 Sven Weisemann - Light Sway
10 Deepchord - Spiral 2
11 Deepchord pres Echospace - BCN Dub
12 S.A.M. - Nangijala
13 Deepchord pres Echospace - Rippling (Live)
14 Ian Hawgood - Red Rugs of Infinite Grass (bvdub's Titans of Dahlia Hold You To The Sky - For Ian)


Zu finden (und downzuloaden) ist die Zusammenstellung auf Northern Shores Soundcloud-Seite - und natürlich hier:







Wer nach diesem Irrsinn noch klar denken kann, kann sich durch die beiden BVDUB-Tributes "Bvdub Against The Vanity Of Our Kingdom I +II" durchwühlen, die gleichfalls zum Download angeboten werden:









Und jetzt? Jetzt einfach mal bis zum kommenden Wochenende abwarten, Freitagabend zwei, drei Kannen Grüntee kochen, das verkackte Telefon gegen die Wand schmeißen, die Türklingel anzünden, den Internetrouter in fünf Liter kochendes Wasser legen, den Computer in der gefüllten Badewanne versenken, die Fenster verrammeln, frisches Klopapier kaufen und vor Montagmorgen nicht mehr das Haus verlassen. Einfach nur mal für zweieinhalb Tage stumm rumliegen und die knappen sechs Stunden Musik auf Endlosrepeat laufen lassen. Tag und Nacht.

Es reinigt. Es heilt. Es heilt den Wahnsinn in uns, unser Streben, immer vorne dabei sein müssen. Es heilt unseren Konsumwahn. Es heilt Gürtelrose und juckende Ekzeme. Es heilt den Wortsalat in unseren Köpfen, unsere Geschäftssucht. Es bringt uns Luft, Tiefe und Weite. Irgendwie....irgendwie bringt es das Leben zurück.

Erschienen 2011 (BVDUB) & 2013 (Lighthouse Arrangements VII)


NORTHERNSHORE


30.06.2013

Segue - Pacifica

Kumpel Oli machte mich kürzlich auf eine Platte aufmerksam, die überaus gute Chancen hat, am Ende des Jahres auf meiner berühmten Top 20 Liste zu stehen:


Dabei war es bis vor kurzem gar nicht so einfach, an Segue's "Pacifica"-Platte ranzukommen. Das Silent Season Label hatte sich zwar eine gar wunderbare Behausung für die CD-Version des Albums ausgedacht und diesem Dub-Techno Juwel ein handgemachtes Artwork auf den Leib geschneidert, die Auflage allerdings bei schlanken 300 Stück gehalten. Und diese 300 Exemplare waren in Windeseile ausverkauft.

Die Mädels und Jungs bei Silent Season waren nach eigener Aussage extrabaff über die Geschwindigkeit, in der ihnen "Pacifica" aus den Händen gerissen wurde und entschieden anschließend, eine Sonderauflage auf Doppelvinyl zu veröffentlichen. Die LP ist mittlerweile erschienen und kann bei einschlägigen Mailorders bestellt werden - es ist auch hier anzunehmen, dass man sich nicht allzu viel Zeit lassen sollte.

Als Download ist das Album nachwievor auf legalem Wege nicht zu erhalten. Weil das so ein kleines bisschen schade, und angesichts der vermuteten und hausgemachten Exklusivitätswichse des Labels sogar ein wenig ärgerlich ist, möchte ich auf das unten verlinkte Set hinweisen, das im Rahmen des "A Motion to Stillness" Festivals am 21.12.2012 mitgeschnitten wurde. Und ja, man kann es downloaden.

Einige der "Pacifica"-Stücke sind hier erhalten, also hop-hop, bevor das auch wieder verschwindet.




Ein Satz noch zur Qualität: erinnert sich noch jemand an das großartige Voices From The Lake Album aus dem vergangenen Jahr? Das hier ist sein legitimer Nachfolger. Und jetzt looooooooos!

Erschienen auf Silent Season, 2013.

29.06.2013

Arme Ritter



IMPERMANENCE TRIO/TRICKO-TARECO
Ich muss zugeben, dass ich den Anschluss an neue Veröffentlichungen aus dem Jazz in den letzten Jahren zwischen den ganzen hippen Elektroheinis, Soulfiffies, Funkuschis und Thrasheumels verloren habe. Kritiker könnten nun argumentieren, dass ich ihn sowieso noch nie gefunden, sondern mich immer an den alten Schinken orientiert habe, und ich könnte den Vorwurf, wenn's denn als solcher gemeint ist, nur schwerlich zurückweisen. Dabei ist das gar nicht per se so geplant, denn ich stehe wie der Holzlöffel in der Buttermilch, wenn ich über interessante Sachen stolpere. Gestolpert bin ich auch über die hier und heute vorliegende Split-LP aus dem Hause Impossible Ark. Das Impermance Trio mit Matthew Bourne am Piano, Riaan Vosloo, Schlagzeug und Tim Giles am Bass spielt freie Interpretationen von Sun Ra und Duke Ellington und zieht dabei alles auseinander, was vorher schon nicht so irrsinning eng miteinander verwoben war. Ihre Musik erscheint wie ein Mobilee im Kinderzimmer, das sich selbst vom Flügelschlag einer Fruchtfliege in Bewegung setzen lässt; freie Radikale, und das Schlagzeug klingt wie ein zusammenstürzender Turm von Legosteinen. Ein sehr überlegtes, dunkles und nachdenkliches Set.

Kit Downes sagt über sein Projekt Tricko-Tareco:"Tricko Tareco enjoys simple things put in weird ways." - "weird" ist seine Musik allerhöchstens im Vokabular einiger Jazz-Granitköpfe, die auch beispielsweise beim Auftritt von Nik Bärtsch's Ronin im Innenhof des Frankfurter Historischen Museums mit den Worten "Nächsten Sonntag gibt's auch wieder richtigen Jazz zu hören." besänftigt werden mussten. Tricko-Tareco, neben Downes sind Cellistin Lucy Railton und Soundspezialist Alex Killpartrick mit von der Partie, erscheinen im Vergleich mit dem Impermance Trio klassischer, vielleicht auch starrsinniger in ihrem Ansatz. Vor allem ihr permanenter Drang zur Auflösung der Gegensätze aus moderner, freier Interpretation und einem hinsichtlich ihrer Melodien fast schon barocken Edelstil ist auffällig sorgsam ausgearbeitet. Auch hier überrascht die Souveränität und Ruhe, die von ihren Kompositionen ausstrahlt - ich möchte nicht sagen, dass es sich um niedergeschlagene Musik handelt, aber an einem sonnigen Sonntagmorgen würde ich ehrlich gesagt zu anderer Musik greifen. Für die Nacht indes - eine perfekte Platte.

Erschienen auf Impossible Ark, 2013.

23.06.2013

Suck Satan's Cock!

"Here's the deal, folks: you do a commercial, you're off the artistic roll call forever. End of story. Okay? You're another corporate fucking shill, you're another whore in the capitalist gangbang, and if you do a commercial, there's a price on your head, everything you say is suspect and every word that comes out of your mouth is now like a turd falling into my drink."

22.06.2013

Kartoffelsalat & Architektur



CHICAGO UNDERGROUND DUO - AGE OF ENERGY

"Grauer Wollpullover. Dünner Stoff, ziemlich eng anliegend. Darunter ein weißes Hemd, der Kragen schaut oben raus. Unten sieht man die linke Hälfte des Stoffs rausschauen. Lässig. Aber glasklar strukturiert. Wie in Kunstharz eingegossen. Dazu passend die schmale, rahmenlose Brille, die Haare etwas länger als sie wenigstens meine Oma zu akzeptieren bereit wäre. Leicht zerzauselt, aber Barbara Schöneberger würde für ihn die absurde und kriminell zugerichtete Kartoffelpampe aus der Plastikschale stehen lassen, für die sie offensichtlich noch immer Werbung macht. Vor allem, weil er keine Hose trägt. Und sie, die Schöneberger, übrigens auch nicht. Ich natürlich auch nicht." Juli Zeh hätte für diese Textpassage den Nobelpreis für die erotischste Erzählung seit Didi Hallervordens Drehbuch zu "3 heiße Hexen auf dem Elektro-Tischgrill" bekommen (der ihr zweifellos zusteht). Ich bekomme dafür eine Tracht Prügel (die mir ebenso zusteht) --> Win-Win. Apropos Grillen (die Aktivität, nicht das Insekt): geht's hier auch nochmal um Musik?

Aus den Lautsprechern fließt ein leises Zischen, das sich nach wenigen Augenblicken in ein Brummen, ein Brodeln verwandelt. Die Melodie will sich neue Freunde besorgen, es ist immerhin Frühling. Die Bäume haben sich von Claudia Roth höchtpersönlich grün anmalen lassen und durch das Fenster zieht der Duft des sich anschleichenden Heuschnupfens herein. "Vielleicht einfach die Nasenlöcher zubetonieren, wär' auch total crazy und die Weiber stehen vielleicht drauf." Er trägt den Kaffeepott nicht am Henkel durch das Zimmer, das wäre viel zu konventionell, aber dafür am oberen Tassenrand. Der Tag kann kommen. Wie man so langsam an den Sekunden und Minuten entlangfließt, ohne sie wirklich wahrzunehmen.

Dies ist nicht der Beipackzettel zu einer Randvoll gefüllten Flasche Lachgas, sondern in Wirklichkeit ein kleiner Ausschnitt eines Einblicks in einen ganz typischen Tagesbeginn meines extra abgefahrenen Lebens. Bis auf die Sache mit dem grauen Pullover, der Brille, der Schöneberger und dem Beton in der Nase. Und ich würde auch niemals "Weiber!" sagen, dramaturgisch war es aber nötig. Und ob Didi Hallervorden wirklich dieses besondere Drehbuch geschrieben hat - naja. Ich wäre ja "zumindestens" (Pudel Friedrich) skeptisch. Bevor es nun allerdings allzu doll in die eh schon prallgefüllte Schwachsinnskiste des Musikjournalismus (oder des Wahnsinns - was praktisch dasselbe ist) abgleitet: "Age Of Energy" ist Musik für Architekten mit Kuschelfimmel. Wie aus dem Klischeebilderbuch rausgehüpft. Nun bin ich kein Architekt, aber Kuscheln finde ich total prima.

Was sich auf das erste Anhören wie ein durchgestyltes Stahlgerüst anfühlt (sic!), ein kunstvoll drappiertes meinetwegen, aber nicht besonders einladendes oder anziehendes, ergibt bei der weiteren Auseinandersetzung eine Entwicklung in Richtung eines organischen Freejazz-Entwurfs, dem es weniger um Technik, sondern tatsächlich um Emotionen geht. Es ist der größtmögliche Kompromiss, den Chad Taylor und Rob Mazurek im fünfzehnten Jahr ihres gemeinsamen Musizierens unter dem Banner des Chicago Underground Duos eingehen mögen, und er zeigt sich, gar nicht mal so schlecht versteckt, unter den kraftvollen und ästhetisch zusammengestellten Ebenen ihrer Improvisationen, die durchweg den Weg als Ziel ausgeben ohne dabei ziellos zu sein. "Age Of Energy" balanciert auf der dünnen Linie zwischen glasklarer Anordnung von Elementen auf der einen, und der direkten Ansprache und einem euphorisierten Gefühl der Lebensfreude auf der anderen Seite. Mal geht ein Schritt daneben, aber das ist eben das Risiko, das diesen Ansatz so reizvoll macht. Womit die Analogie zum Leben an sich auch hergestellt ist.

Juli Zeh würde kotzend applaudieren.


Erschienen auf Northern Spy, 2012.


18.06.2013

Todeszungen aus Engelslava



VESTALS - FOREVER FALLING TOWARD THE SKY

Der eine nennt es "kreativen Ausbruch", der andere, also ich, "Rückkehr ins Leben mit kreativem Auswurf" - es flutscht heute obenrum ganz gut, mag an dem Kaffee gelegen haben - und deshalb nehmen wir nochmal flott die Abfahrt ins Shoegaze- und Dream Pop-Land: wer "Forever Falling Toward The Sky" zum ersten Mal hört, schwört Stein und Steißbein, dass sich da eine Band verträumt an den Genitalien herumspielt, aber falsch geschwört, drei Mal schwarzer Kater: Vestals ist das Soloprojekt von Lisa McGee, der einen Hälfte von Higuma. Die andere Hälfte hört am Wegesrande auf den Namen Evan Caminiti und ist meinen Lesern spätestens seit meinen Einlassungen zu dessen "Night Dust" Platte wenigstens namentlich geläufig.  Rämmpämmpämmpämm.

Die fünf Songs auf dieser ganz wunderbaren EP sind hochmelodische Shoegaze-Tortenheber, ungeschliffen und dabei trotzdem himmelhochjauchzend poppig. Selbst das Kratzen der im Hintergrund herumgrummelnden Noise-Gitarre wird von den traumhaft perlenden Gesangs- und Gitarrenarrangements gezähmt. Es regiert die schwüle Sommernacht, der leise Vulkanausbruch mit ausgespuckten und in Äther getauchten Wattebällchen, das glühende Rot hält das Zepter in der Hand, in der Ferne flirrt die Luft, die Augen schließen sich und wollen am liebsten nie wieder geöffnet werden. Genug Klischees und bescheuerte Bilder verbraten? So einen Mist liest man ja ansonsten nur in der Intro. Oder bei, haha: Plattentests. Ich hatte es eingangs erwähnt: Auswurf. Gelber Auswurf. Oder "Schmackes" (G.Knebel). Sei's drum. Was ich sagen wollte: wenn der Mojito gerade frisch durch das Glas schwappt, wenn es eine laue Sommernacht an einem Samstag ist, wenn Dir die Uhr in ihrer ohnmächtigen Kraft "ES IST HALB VIER MORGENS, DU PENNER!" entgegenbrüllt, dann ist das genau, aber mal sowas von GENAU die Platte, die den Abend ausknipsen und Dich ins Bett schicken wird.

Das Tolle daran: "Forever Falling Toward The Sky" funktioniert auch an winterlichen und schneeversunkenen Abenden im Dezember. In Embryonalstellung auf der Couch zusammengerollt, wenn der Wind da draußen die Leere im Innern spürbar und offensichtlich werden lässt, dann, lassen wir's gerade nochmal ernst werden, spenden diese unaufgeregten und umarmenden Kompositionen Trost und Licht.

Ist wirklich so. Ich hab's getestet.

Erschienen auf Root Strata, 2012.

16.06.2013

0,01%

Wenn einem schon am Frühstückstisch der Arsch platzt, zum einen, weil man den ganzen Mainstreamdreck aus unseren landaus, landein als Qualitätsmedien gefeierten und als Redaktionen getarnten Gehirnabsaugstationen eigentlich weit hinter sich und also unbeachtet am Rand der Klärgrube für toxische Vollverstrahlung liegen lassen wollte, und dann eben doch auf die Seite der Frankfurter Rundschau (Gott oder Timothy Leary oder sonstwer habe sie selig, bitt'schön) klickt, weil der Herr Gärtner in seinem kritischen Sonntagsfrühstück, das seit Beginn der Zeitrechnung oder wenigstens seit dem sonntäglichen Aufstehen so gegen zwölfe, zu meiner und unser aller Pflichtlektüre gehört und gehören sollte, gerade was von 1984, dem Freiheitsgauck, der Macht und dem gesamtgesellschaftlichen Murks aus Konsum, Konsum und äh, Konsum schrub und ich also der Meinung war, die Twitter'sche Ankündigung der Rundschau (bei der ich übrigens mal eine Ausbildung begann - an der Wortwahl merken Sie, dass ich nicht viel weiter kam, und angesichts dieser Bandwurmsätze ist's ja auch nur verständlich) "BND weitet Internet-Überwachung aus" passe dazu ja am End' total prima, zum anderen, weil das, was die alte Tante hier geschrieben hat, beziehungsweise sich von der symmetrisch gleichgeschalteten Presseagentur ins virtuelle Blatt hat wuchten lassen, an strahlender Doofheit kaum zu überbieten sein wird:

"2011 hatte der Bundesnachrichtendienst fast 2,9 Millionen E-Mails und SMS wegen des Verdachts auf Terrorismus, Waffen- oder Menschenhandel überprüft. Das geht aus einem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages hervor, der Anfang April bekanntwurde. Demnach stieß der Auslandsgeheimdienst bei seiner Suche aber nur in 290 Fällen auf „nachrichtendienstlich relevantes Material“."

Dieses "nur" da am Ende, es ist so klein, man sieht's fast nicht. Ich hab's schnell mal ausgrechnet: wir reden hier von 0,01% Erfolgsquote - quatsch, von Erfolg spricht ja niemand, nur von "nachrichtendienstlich relevantem Material" - ob damit jetzt der Bau einer Atombombe im Keller von Ubdallah Fischer in Greifswald-Wusterhusen gemeint ist, oder der Tipp, wo man in Berlin die beste Dönerbude mit Mittagstisch (Sauerkraut, frische Knorpel) findet, joa mei, da lassen sich die Schlapphirne nur ungern in die gezinkten Karten gucken; auch wenn man sich schon irgendwie fragt, wer die knapp 8000 Emails und SMS am Tag denn überprüft - sind's die quadratkilometergroßen Computer, die auf dem Grund der Ostsee von Spongebob Wasserkopf und dem Pflegerteam von Siegfried und Roy überwacht werden, und deren Suchalgorithmen auf jedes Bombe, Eisbombe, Uran, Ural und Urin (Tippfehler!) reagieren, oder sind's formvollendet Studenten, die früher von der Rundschau vom Uniklo ins Lektorat geschleift wurden, nachdem man feststellen musste, dass so richtig Deutsch keiner mehr sprechen, geschweige denn schreiben kann, der ursprünglich exakt dafür bezahlt werden sollte? Jedenfalls wäre es ja schon ganz lohnenswert zu erfahren, was aus diesen 290 Fällen geworden ist, und ob der Kreuzberger "BigMac-Döner" (Schramm) denn nun lecker war oder gar zur Selbstanzeige wegen unberechtigter Spesenabrechnung führte. Der gute Andrej Holm wird ein schönes Liedchen von dem ganzen Scheißdreck pfeifen können, nachdem ihm 2007 wegen Verwendung des Suchbegriffs "Gentrification" via Google mal flugs von einem Sonderkommando morgens um 7 die Tür eingetreten wurde. Von sowas spricht natürlich heute kein Mensch mehr, wie sowieso niemand mehr über irgendwas spricht, was so ein kleines bisschen zu eigenem Schmerz und Selbstdemontage führen könnte, weil wir ein Volk von starken Über-Hitlern sind, ach was, wir sind alle starke Typen, Erfolgstypen, knallhart, wir funktionieren immer, wir machen alles mit.


Und zuletzt tut man dann noch das, was man grundsätzlich niemals tun sollte, und liest die Kommentare. Der übersichtlich talentierte Leser, Dichter und Denker Tom A. schreibt:

"Unsre deutschen Sicherheitsbehöreden sind erbärmlich ausgestattet. Dieser schritt kann nur der erste sein . von mir aus können die alle meine Mails kontrolieren na und. Es gibt auch bei uns tausende ( Hunderttausende Greisteskranke die z.b den Mord an Lee Rigby gutheisen ohne diese Masnamen wird es solche vorfälle in 10 Jahren täglich geben in Europa. Das Us überwachungsprogramm hat tausende Menschenleben gerettet ( im Westen ) und tausende Terroristen in Pakistan Jemen usw haben eine Hellfiere Rakete im Arsch Weiter so."

Mal ganz abgesehen davon, dass der ins Lektorat der Rundschau fugenlos reinpassen würde - inhaltlich ist das eigentlich auch sehr fein beobachtet.

"Weit hammer's g'bracht. Gell?!" (G.Polt)

Ich brauche jetzt einen verflixt starken Kaffee. Ich hab' Kopf.

La-Di-Da-Du-Dödel-Di



DREAMSCAPE - LA-DI-DA RECORDINGS

Wenn das wie in den vergangenen Wochen so weitergeht, mit dieser Arbeit, diesem Geld verdienen, diesem Irrsinn, zugepackten Wochenenden und dem ganzen wabbeligen Rest, an den ich mich bezeichnenderweise auch gar nicht mal mehr erinnern kann, ist's mit meinem Ziel, auch in diesem Jahr die Postingzahlen über jenen des Vorjahres liegen zu lassen, irgendwie Essig. Es ist aber auch....glaubt mir das eigentlich jemand, wenn ich sage, dass ich im Grunde keine Erinnerung an den Mai habe? Und wenn ich nicht blogge und somit nicht wenigstens ein bisschen Struktur in das hereinbringe, was früher und irgendwann mal mein Privatleben war, dann ist der Ofen endgültig aus.

Ich entschied mich heute dazu, über eine Platte zu sprechen, wenn nicht gar zu schreiben, die ich schon länger auf dem langen Zettel mit potentiellen Blog-Gästen stehen hatte, und die mein romantisch-sensibles Pussyherz im Sturm genommen hat.

Es handelt sich um "La-Di-Da Recordings" von Dreamscape. Das Trio aus Bristol existierte zwischen 1989 und etwa 1993 und nahm in dieser Zeit zwei EPs auf, von denen allerdings nur eine auch tatsächlich veröffentlicht wurde. Die drei Songs ebenjener "Cradle EP" lassen sich auf diesem von Kranky gehobenen und zusammengestellten Schatz genauso finden wie die vier Tracks, die eigentlich auf dem 1993er Album mit dem Arbeitstitel "Greater Than God" hätten stehen sollen. Das Album wurde jedoch nie veröffentlicht, und die Band fiel kurze Zeit später auseinander. Als Bonus gibt es außerdem noch eine Aufnahme eines einzelnen Songs, der den Startschuss zu neuen Songwriting Sessions geben sollte, aber auch gleichzeitig der Sargnagel für die Truppe war. "No More But Thought" weist einige Unzulänglichkeiten im Sound auf, da man sich im Hause Kranky dazu entschied, die Aufnahmen im ursprünglichen Zustand zu belassen. Das Tape, von dem der Track gezogen wurde, war offensichtlich bereits etwas ramponiert.

Heute stehen wir zwanzig Jahre später da, liegen hier oder sitzen rum, und hören einen hypnotischen Indie-Shoegaze-Pop, genuin britisch, zu gleichen Teilen naiv und hymnisch. Deutlich flüssiger und vielschichtiger als die skelettierten Young Marble Giants, auch insgesamt musikalischer und lebendiger - wenngleich bei beiden Bands ein Schlagzeuger aus Fleisch und Blut fehlt, wofür stattdessen ein Drumcomputer durch den Sound tackert. Rebecca Rawlings singt distanzierte, wie in Watte und Schlaftabletten-Marinade eingelegte Melodien, die ähnlich außerweltlich wie die Ansätze einer Julia Holter erscheinen, während die beiden Multiinstrumentalisten Scott Purnell und Jamie Gingell die Songs im Hintergrund durch eine Art barocker Erhabenheit schweben lassen. So mancher jubiliert darüber, dass die Songs kaum etwas von ihrer Frische eingebüßt hätten, was stimmen mag - aber trotzdem ist diesen Werken durchaus deutlich anzuhören, wann sie entstanden sind. Was andererseits total super ist, denn damit wird man an die kurze Lebensdauer dieser Musik erinnert. Im Prinzip wardas Genre ab Mitte der neunziger Jahre erledigt, und heute ist's praktischerweise gleich ganz verschwunden. Es sei denn, man lüftet zu einer neuen My Bloody Valentine noch wirklich die Unterhose, aber wer macht das schon? So manches Elementarteilchen des Trios hallt in den unzähligen aktuellen Dream-Pop und Ambient-Alben dezent nach...diese leise Ahnung, wie das mal war, damals. Was indes bleibt ist der Gedanke, dass der Weg zurück keine Option ist.

Wenn ich "La-Di-Da Recordings" höre - was ich in den letzten Monaten sehr ausgiebig und überraschend regelmäßig tat - werde ich hier und da durchaus ein bisschen wehmütig. Der Sound ist beinahe vergessen, die Bands sind es eh und man fragt sich, was eigentlich passiert ist, dass wir uns heute durch das zahnlos maßgeschneiderte und aalglatt angepasste Indie- und Folk-Geschwerrl kämpfen müssen. It could have been so beautiful.

Erschienen auf Kranky, 2012.

07.06.2013

Bizarre Tribe - Access Denied

Vor etwa neun Monaten war es mir ein inneres Bedürfnis, auf eine wunderbare Platte aus dem Gummy Soul-Labelstall hinzuweisen: "Bizarre Tribe", ein Mashup aus Samples von A Tribe Called Quest und The Pharcyde, war und ist umwerfend oldschool und positiv, und es ist deshalb auch keine Überraschung, dass die Platte bis heute sehr regelmäßig auf meinen Kopfhörern landet. Viel überraschender ist's indes, dass mir "Bizzare Tribe" mittlerweile viel mehr ans Herz gewachen ist, als es zu erwarten gewesen wäre - meine Beziehung mit Hip Hop ist schließlich nach wie vor mit "ambivalent" (G.Polt) recht wohlwollend beschrieben.

Nun haben die Jungs von der mehr oder weniger One-Man-Independent-Show von Gummy Soul eine schöne Abmahnung von den Major-Arschgeigen von Sony unter der Tür durchgeschoben bekommen, woraufhin sich das Label gezwungen sah, den kostenlosen Download des Albums via Bandcamp zunächst zu stoppen. Die Betonung liegt auf "zunächst", denn der offene Brief Gummy Souls an die sechs (!) Anwälte des auf goliathischen Schwachsinn spezialisierten Unterhaltungsgiganten lässt darauf hoffen, dass die Sache ohne größere Verletzungen für den David ablaufen wird. Der Hintergrund des Major-Gewimmers liegt freilich irgendwo im Dickicht des Urheberrechts vergraben, weil auf "Bizarre Tribe" nach Aussage von Sony urheberrechtlich geschützte Samples verwendet werden, die dem Katalog der ehemaligen Schützlinge von A Tribe Called Quest zugeteilt sind. Dass die Wahrheit ganz anders aussieht, könnt ihr im unten stehenden Statement lesen.

Ich möchte den offenen Brief an Sony im Folgenden posten.

Und wenn mir noch eine persönliche Anmerkung erlaubt ist: geh' endlich sterben, Musikindustrie.

@ Gummy Soul: Keep It Up!


Dear Sony Music,

Thanks for reaching out. The fact that our small independent label warranted the resources of your legal team speaks to our work ethic and we appreciate the validation.

In response to your copyright infringement claim over Gummy Soul’s Bizarre Tribe; A Quest To The Pharcyde by Amerigo Gazaway (“Bizarre Tribe”), understand the vast majority of the samples used to create Bizarre Tribe were not taken from the catalog of A Tribe Called Quest (“ATCQ”). What your diligence failed to uncover is that Gummy Soul is not in the business of merging one artist’s instrumentals with vocals of another. Had one of the six Sony attorneys copied in your email deemed it necessary to listen to Bizarre Tribe before pursuing legal action, you would know that our projects are much more nuanced.

To be clear, the re-orchestrated instrumentals on Bizarre Tribe were sourced from the original jazz, soul, and funk recordings SAMPLED by ATCQ, allowing Amerigo to create his own, distinct production within a similar framework. Given the brief and limited use of ATCQ material on Bizarre Tribe (around 2 minutes of material out of a 55 minute album), and the method by which our reinterpretations are created, it is clear that Amerigo’s effort is protected under the fair use exception of copyright infringement.

We would further add that the presence of documentary style sound-bites, interviews, and news clips included on Bizarre Tribe to provide a narrative of the group’s history and commentary on their work only further protects us under the fair use exception, undermines your claim against us, and provides a clearer distinction as to the uniqueness of what we do at Gummy Soul. As you know, Sony is no stranger to the fair use exception as you have relied on it many times yourselves. Most recently when Sony Pictures was accused of copyright infringement by the Estate of William Faulkner, a member of the Sony legal team stated:

“This is a frivolous lawsuit and we are confident we will prevail in defending it. There is no question this brief reference (10 words) to a quote from a public speech Faulkner gave constitutes fair use and any claim to the contrary is without merit.” *The quote in question is actually a passage from Faulkner’s book, Requiem for a Nun.*

With the defense presented in your statement, either Gummy Soul and Sony Music are both protected under our shared interpretation of fair use, or you believe the law should apply differently to small, independent record labels than it does to giant, mega conglomerates like Sony Music.

As to your charge of offering this product for sale, we do not, and have never, sold the album in any capacity be it physical or digital. We bear no responsibility for the vinyl bootlegging of Bizarre Tribe, nor do we receive any monetary benefits from their sales. The majority of our digital products, including Bizarre Tribe, are offered free of cost and is stated as such on any platform for which we control and have made Bizarre Tribe available.

In that regard, it is worth noting that our tiny label, with limited budget and resources, has clearly demonstrated the existence of a market for our unique brand of deconstructed reinterpretations. As such, instead of repeating the industry’s history of perpetual catch-up while forward thinking start-ups like Gummy Soul find new and innovative ways to create art and leverage digital media to our advantage, take this opportunity to stop the war on artists like Amerigo and their pursuit of creative fulfillment by encouraging creative expression and alternative revenue streams for your artists.

If a shoestring label with no employees other than a label manager, the two artist co-founders and a part-time contributor were able to build a 60,000 person email list, earn over 100,000 in downloads, garner your attention and that of countless mainstream publications and marque music outlets with our unique projects, why not leverage our success to your benefit while helping to push a reasonable dialogue for copyright reform?

Gummy Soul would welcome the opportunity to work with Sony in a mutually beneficial capacity. In an effort to be proactive, we offer the following “everyone wins” model as a helpful starting place for you and the other industry powerhouses who repeatedly go after those that are shaping this industry’s future. Rather than wasting your resources on an expensive lawsuit, apply those resources to purchase the rights to Bizarre Tribe to distribute and promote the project yourselves. In doing so, you would effectively provide a solution where all parties, including Sony, the original sampled artist, and emerging artists like Amerigo would benefit.

While we have taken Bizarre Tribe down to avoid a merit-less and costly lawsuit, you should know that we have placed a copy of the album in the archives of the Center for Popular Music at Middle Tennessee State University. It will now be available indefinitely for research under “fair use” provisions, fully keeping with the Center’s mission “to promote research and scholarship on American vernacular music and to foster an understanding of the nation’s diverse musical culture and its global reach.”

- Gummy Soul


Wer Spenden will, kann das übrigens hier (unter "4.Contribute") tun.