08.02.2016

Roger Willemsen, 1955 - 2016

Fernsehen in den frühen neunziger Jahren bestand für mich zu einem großen Teil aus dem unverschlüsselt gesendeten Programm des damaligen Bezahlsenders Premiere. Der Night Talk mit Bettina Rust, Showbiz und Acht mit Susan Atwell, Oliver Kalkofes Mattscheibe und natürlich Roger Willemsens Talkshow 0137. Willemsen gefiel mir vor allem aufgrund seiner und der für einen pubertierenden völlig absurd erscheinenden zwei Gesichter: er war schlau, smart, vielleicht ein bisschen kokett, baute seine Fragen und Geschichten aus formvollendet formulierten, druckreifen Monologen und war andererseits erfrischend respektlos und unprätentiös; ein Schlacks, der zweifellos aus gutem Hause kam, aber der es verstand auf dieser dünnen Linie entschlangzuschlendern, die Autorität von Anarchie trennt, und der außerdem Krawall für vornehm hielt, wenn er absolut wahrhaftig und sowieso unumgänglich erschien. Ein Helmut Markwort wüsste selbst nach den nächsten 1000 kalten Wintern ganz bestimmt noch sofort, was ich damit meine.

Roger Willemsen ist am gestrigen Sonntagabend in Hamburg an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben, und ich bin wirklich getroffen von dieser Nachricht. Er war mir besonders in den letzten Jahren ans Herz gewachsen, sein strahlender Intellekt, sein Ausdruck, sein Humor, seine Begeisterung, seine Wahrhaftigkeit und die Nachricht, die ebenjene aussandte: Folge Deiner Leidenschaft, folge dem, was Dir Freude bringt - aber auch ganz besonders beeindruckend seine zweifellos vorhandene Albernheit, das kindlich naive und der Mut, seine intime und emotionale Seite zu zeigen und sie mit einem Trommelfeuer an Formulierungen zu vertreten; Formulierungen zumal, die mir in ihrer Brillianz ein ums andere Mal ins selbstverschuldete Subtext-Exil zuriefen, die Schreiberei, und sei sie noch so trivial und privat und wirklich völlig egal, an den Nagel zu hängen, weil so gut und so frei ich wohl niemals schreiben könnte.... - Dabei spornten sie mich aber eigentlich an, jeden Text gleich besser zehn oder wenn nötig gar zwanzig Mal zu redigieren, Formulierungen zu überprüfen, mich selbst die ganze Zeit zu hinterfragen: "Für diesen Satzbau hätte er mich doch ausgelacht, Mann!"

Egal, welches Videointerview man auf Youtube auch auswählt, sein Auftritt und seine Worte werden immer inspirierend sein. Ich lege mir heute Abend noch sein mit dem gleichfalls mittlerweile verstorbenen Dieter Hildebrandt entwickeltes und aufgeführtes Bühnenprogramm "Ich gebe ihnen mein Ehrenwort - Die Weltgeschichte der Lüge" in den CD Player und erinnere mich an einen großen, wichtigen, schreiend komischen und schrecklich schlauen Menschen.

Tschüss Roger. Du fehlst.






P.S.: Man verzeiht mir bitte die Unterbrechung der musikalischen Dauerwerbesendung, aber das war mir wichtig. 

Keine Kommentare: