02.09.2012

Tout Nouveau Tout Beau (5)



ROBERT GLASPER EXPERIMENT - BLACK RADIO

Die Puristen schreien schon, und wenn die Puristen schreien, dann ist's meistens angesagt, die Ohren zu spitzen - es kann sich nur lohnen. Als viel zu glatt und harmlos wird das neue Studioalbum des Rober Glasper Experiments in den einschlägigen Foren der Die Hard-Jazzer abgekanzelt, und ohne mir allzuviel anzumaßen, aber dann haben sie halt immer noch nicht gelernt, über den Tellerrand hinauszublicken und dann haben sie es in der Folge auch nicht besser verdient. "Black Radio" ist genau so, wie ich es nach dem auf Youtube hinterlegten Trailer erwartet habe, und das finde ich einigermaßen überraschend: ein spirituelles Zusammentreffen von vielen Gaststars (u.a. Erikah Badu, Lalah Hathaway, Ledisi, Bilal), die ihr Herz und ihre Seele in diese Produktion gelegt haben. Ein dunkles, rauchiges, verwurzeltes Hip Hop Meets Jazz meets Soul Fusion-Album mit einer sehr erfreulichen, weil unmodernen Produktion, die vor allem den Bass und das Schlagzeug alles andere als sauber, steril und aufgeräumt präsentiert. Vor der Coverversion von Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" hatte ich zwar Angst und ich komme nicht umhin, das wenigstens kritisch zu bewerten, aber ganz im Ernst: ich hätte diese Version um einiges lieber auf dem 20-Jahre-Nevermind-Tribute-Sampler gehabt, als das lahme Gewürmel der Meat Puppets. Ein tolles Album mit einem beeindruckenden Flow.




Erschienen auf Blue Note, 2012.




BVDUB - STRANGERS NO MORE

Brock Van Wey ist ein Workaholic. Der Mann scheint unablässig zu produzieren und nicht nur das: er veröffentlicht die Ergebnisse auch noch in immer kürzer werdenden Abständen. Das aktuelle Jahr 2012 nahm bereits drei Alben in Empfang, dazu gab's Samplerbeiträge, Remixe und für das Restjahr stehen außerdem nochmals drei Alben auf der Matte (besonders erwähnenswert ist "Home", das auf Echospace erscheinen wird). "Strangers No More" ist die aktuelle 12-Inch auf With Or Without You, und ich habe den Eindruck, dass seine Musik im Vergleich zu den letztjährigen Werken bis einschließlich "I Remember" etwas optimistischer, aber ganz bestimmt beatlastiger wird. Was sich auf "Resistance Is Beautiful" und "Then" bereits andeutete, findet wie bereits auf "Serenity" auch bei "Strangers No More" seine Fortsetzung. Die Arrangements sind nicht mehr allzu grau, und die Melancholie ist nun nicht mehr in tiefem schwarz auf einer Hochzeit, sondern schwebt auch mal entrückt einen halben Meter über der Tanzfläche. Zwei Tracks mit einer Spielzeit von 25 Minuten stehen auf dieser Maxi (sagt man das eigentlich noch? Maxi?) und wo ich bei den letzten Alben etwas den Faden verloren hatte, kann ich ihn hier wieder beruhigt aufnehmen. Immer noch eine ganz außergewöhnliche Musik eines außergewöhnlichen Menschen.

Erschienen auf With Or Without You, 2012.





SIMONE WHITE - SILVER SILVER


Singer/Songwriter-Folk auf Honest John's? Surely some mistake! Normalerweise, und der Satz wird umso richtiger, je öfter ich ihn wiederhole, normalerweise ist das sensible Gesäusel von unterforderten Musikern mit Akustikgitarre also nicht unbedingt mein Metier. Und ich erinnere mich auch noch daran, dass ich vor einigen Wochen in die bereitgestellten Snippets von "Silver, Silver" 'reinlauschte und an in erster Linie an meiner eigenen Erwartungshaltung scheiterte. Ein neuer Versuch vor wenigen Tagen ergab ein anderes Bild: das ist eine niedliche, sommerschwüle Urlaubsplatte - nicht nur wegen des Covers, das an einen Familienurlaub in den frühen achtziger Jahren erinnert (Riccione, Italien, Vollpension, Essen bis zum Platzen, 38°C, 25 Mark pro Nacht), sondern auch wegen der liebevoll zusammengepuzzelten Musik, die einerseits in strategisch sicherer Umlaufbahn die üblichen Spielchen spielt, andererseits auch den berühmten Schritt weitergeht und viel mit Stimmungen und Gebrizzel und Gebrazzel experimentiert. Diese Musik schmerzt freilich nicht, "Silver, Silver" läuft dennoch nicht Gefahr, in den gefälligen Kitschsektor der süßen Indiebratzen abzugleiten, die vor lauter Kalkül in ihren Köpfen keinen Platz mehr für Leidenschaft finden können. Eine manchmal subtil-verdrehte, schwummrige und trotzdem wache und aufgeräumte Platte. Die wird noch ein paar Mal auf dem Plattenteller landen.

Erschienen auf Honest John's, 2012.

26.08.2012

Danke, Rostock! Danke, FAZ!

Es ist nicht weniger als eine Schande epochalen Ausmaßes, welche Absonderlichkeiten unsere Qualitätsjournalisten, beispielsweise als Ressortleiter "Innenpolitik" in Deutschlands größter Tageszeitung, in wie von selbst formidabelst benamte und also sogenannte Leitartikel hineinschreiben dürfen, wenn man dafür genausogut einen Kieselstein vom Grund des Mains (an der Biegung Aschaffenburg eingesammelt) fragen könnte, was er so generell von Integrationspolitik, Rechtsextremismus und Multikulturalismus hielte - wenn man denn bloß eine Antwort des leidlich bealgten Steinchens erhielte.

Jasper von Altenbockum ist das alles egal, der Mann hatte offensichtlich am Tag vor seiner Idee, den 1992 in Rostock-Lichtenhagen erlebten Aufstand der Schwachköpfigen an das "Ende der Utopie Multikulturalismus" zu koppeln und menschliche Fackeln als Besinnungshilfe für "Sozialromantiker" und "Sozialalchemisten" zu bewerten, eine Familienportion Kohl oder Broccoli oder Blausäurekäse gegessen und musste ordentlich durch sämtliche Körperöffnungen flatulieren, man kennt's ja und alles muss raus, was keine Miete zahlt, HÄ HÄ, jedenfalls: die offenbar nicht unterzukriegende Mär vom Niedergang der "Multikultigesellschaft" muss immer wieder aus den untersten Schubladen der geistigen Brandstifter herausgeholt werden, Seehofers Horst macht es uns auch alle paar Wochen mal wieder vor, wenn die Umfragewerte im Keller sind und sich das Hirnwasser bedrohlich der Minimalgrenze nähert, weil, wir wissen's alle: "die 68er sind an allem Schuld" (Grebe).

So markiert also der Mordversuch einiger verstrahlter und lobotomierter Gewalttäter an vietnamesischen Asylanten nicht nur das Ende einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung (von den ganzen obenrum auf Halbmast geflaggten Menschen gerne als "Utopie" bezeichnet), die de facto bis heute weder abgeschlossen, noch überhaupt mal erst vollständig begonnen hat, und des Weiteren einen Weckruf an die Politik und die Gesellschaft gleichermaßen - die Konstruktion einer solchen Argumentation geriert sich nicht nur immerwährend als eine einerseits warnende, anderserseits zum Durchhalten auffordernde Botschaft an die Wahrung der stets durch Dönerbuden, Moscheen und Kopftüchern bedrohten nationalen Identität, sie sendet auch das fatale Signal aus, dass Gewalt, gegen Minderheiten zumal, eben doch zum Erfolg führt, ja mehr noch: die Kraft hat, gesellschaftspolitische Veränderungen im Sinne der Täter zu forcieren.

Danke Rostock 1992, ohne Euch wäre Deutschland heute schon tot.

Man steht einfach nur fassungslos in der Gegend rum.

20.08.2012

No Hype!



CADENCE WEAPON - HOPE IN DIRT CITY


Und nochmal die Klangwolke, diesmal leider ohne Download, dafür gibt's ein komplettes Album. Der Kanadier Cadence Weapon hat sein neues Album "Hope In Dirt City" zum vollständigen Stream angeboten - ein sehr kurzweiliges, dunkles, offenes Werk, das sowohl zum "Golden Age Of Hip Hop", als auch zu Funk und Soul rüberschielt. Glücklicherweise legt Roland Pemberton keinen Wert auf die Erwähnung von "Bitches", "Weed", "Niggers", hier gibt's keinen Gangstaschrott und keine aufgemotzten Superschlitten, mit denen er durch Montreal cruist.

Durch das angenehm kompakte "Hope In Dirt City" zieht sich zwar ein roter Faden, trotzdem klingt jeder Song ein bisschen anders: Mal ist's im Grunde reiner, melancholischer Pop ("There We Go"), mal kommt ein postmodernes 80er Jahre Discostück ("Crash Course For The Ravers") auf den Schirm, irgendwo im Hintergrund shwoovt ein Reggaetakt herum, und die logische Single "Conditioning" macht Kopfnicken bis zum Headbangen. Ein Saxofonsolo fehlt übrigens ebenfalls nicht. Dazwischen gibt's mal lockeren Funk und immer wieder die tief verwurzelten Berührungen des Soul. Die kann Cadence Weapon vor allem deswegen ausspielen, weil er sich ansonsten um nichts kümmern muss: er kann all sein Vertrauen in seine Stimme und seine Ausstrahlung als Rapper und Sänger legen. Und er muss mir nix erzählen. Ich stehe ja auf sowas.

"Hope In Dirt City" ist ein nachdenkliches, reflektiertes, modernes Hip Hop Album. Eine richtig gute, interessante Platte.
Hört man nicht allzu oft.

Anhören!


Erschienen auf Upper Class Recordings, 2012.

19.08.2012

Sommer, Sauna, Sea & Cake

Eine meiner erklärten Lieblingsbands gibt wieder ein Lebenszeichen von sich. Nicht nur, dass das sehr gute Label Thrill Jockey im Rahmen seines zwanzigjährigen Jubiläums die Schatztruhe öffnet und einige längst vergriffene Titel aus der umfangreichen The Sea & Cake Diskografie auf Vinyl wiederveröffentlicht - ich freue mich ganzganzganz besonders auf "Oui" [2000] und ganzganzganzganzganz besonders auf "One Bedroom" [2003], die beide Ende August in den Läden stehen werden - auch ein neues Album wartet bereits ungeduldig auf den Startschuss.

"Runners" erscheint am 21.9.2012 auf, na klar: Thrill Jockey.

Einen Vorgeschmack liefert die erste Single "Harps", die seit einiger Zeit nicht nur via Youtube ihre Runden dreht, sondern freundlicherweise vom Label auf Soundcloud zum kostenlosen Download angeboten wird.

Ich freue mich wirklich sehr, noch in diesem Jahr ein neues Sea & Cake Album in den Händen zu halten. Es war nie besser als 2012. Ehrlich jetzt.

18.08.2012

Kuschelviagra



JOSÉ JAMES - BLACKMAGIC

Die Herzallerliebste bezeichnet "Blackmagic" als "Flachlegemusik", optional auch als "präkoitalen Soundtrack", und ich habe nun auch schon den Bademantel abgelegt und mir die Seifenblasenpfeife angeblubbert. Nun war wenigstens meine Schubalde mit Ficklala aus einer Art pubertärer Verzweiflung heraus seit Jahren mit den ersten Monster Magnet Platten verbunden und erst der Wandel in Richtung anderer musikalischer Gefilde brachte gleichfalls einen Wandel der...gut, das führt nun zu weit. Jedenfalls, und das ist jetzt sehr wichtig: der US-amerikanische Souljazzsänger Jose James, 2007 von Gilles Peterson entdeckt und flugs für dessen Label Brownswood Recordings eingefangen, bringt einen Berg tiefgefrorene, beste Joghurtbutter zum Schmelzen. In der Antarktis. Mit einem Pinguin im Arm und einem Sack Crushed Ice in der Hose. Und mir ist auch schon ganz warm.

Als ich im vergangenen Jahr auf Gideon van Gelders gutem "Perpetual"-Album herumkaute, hatte ich "Blackmagic" bereits mehr oder minder beiläufig erwähnt, schließlich spielt van Gelder nicht nur in der Tourband des "Schmusebarden" (Musikexpress), sondern war auch an der Entstehung seines zweiten Albums beteiligt. Folgerichtig lassen sich auf "Blackmagic" viele Jazz-, Hip Hop- und mit Valium heruntergedimmte Soulanleihen finden. Smooth und schwül, gleichzeitig auch sehr urban und modern, ergibt sich aus diesem kühlen Glanz und der Wärme des stoisch flackernden Kaminfeuers ein sehr stimmungsvolles und deepes, modernes Klangexperiment. Wenn dieser zärtliche Koloss im Hintergrund eines guten Gesprächs, bei einer Kanne Kaffee oder einem LSD-Trip seine Kreise ziehen darf, dann zieht er sie gemächlich und unaufgeregt. Der 10-Liter Eimer mit geschmolzener Albenmilchschokolade, die James durch die Lautsprecher direkt in die Gehörgänge fließen lässt, wird in jauchzender Regelmäßigkeit immer wieder aufgefüllt. Und dann geht der Kladderadatsch gleich wieder von vorne los. So weit so gut, bring it on!

Hellhörig wird man allerdings bei den spannenden Kollaborationen, die James mit einigen angesagten Produzenten einfädelte. Diese Tracks sind die Höhepunkte auf "Blackmagic" und haben das Zeug zum Klassiker: der Elektrobratzjazzerkönig Flying Lotus zeichnet sich beispielsweise für das rabenschwarze Titelstück, den tief pumpenden, mit leichtem Latingroove ausgestatteten Opener "Code" und außerdem für "Made For Love" verantwortlich, das als einziges der genannten Stücke entfernt und durch die Hintertür den Blick auf das Studio des kalifornischen Beatwunderkinds freigibt. Darüberhinaus gibt Detroit in Person des dort beheimateten Techno und House-Produzenten Moodyman beim angemessen betitelten "Detroit Loveletter" die Visitenkarte ab, das gleiche gilt für den japanischen DJ Mitsu, der bei "Promise In Love" mitwerkelte. Damit ist "Blackmagic" keine obskure Sammlung von aneinandergereihten Songs und Stilen, das Gegenteil ist der Fall: das Album ist beeindruckend dicht und kompakt in seiner stilistischen Ausrichtung zusammengestellt. Ebenso wenig sollte man die Zusammenarbeit mit angesagten Produzenten nicht als blankes Namedropping misinterpretieren - Jose James leiht all diesen Kompositionen seine Stimme und hat ein ausgeprägtes Gespür für die eigene Note und den eigenen Ausdruck. Es gibt also keinen Grund, sich auf die vermeintlich großen Namen zu verlassen.

"Blackmagic" hat genau genommen nur einen einzigen Fehler, aber der wiegt schwer, weil er auch die Songs in Mitleidenschaft zieht, die sich im letzten Drittel tummeln und die so ruhig geraten sind, dass sie an dieser Stelle schlicht verschenkt sind. "Blackmagic" ist viel zu lang geraten. Wer die Platte aufmerksam und konzentriert hört, in die Stimmung des Albums eintauchen will, wer sich also nicht damit begnügen will, dass es sich um Hintergrundrauschen handelt, um sich den Klamotten zu entledigen, muss nach spätestens 50 Minuten nach frischer Luft schnappen. Ich muss an dieser Stelle nicht schon wieder mit meiner Haltung zur beknackten "Value For Money"-Diskussion langweilen, aber warum verschenkt man seine Songs und damit auch sein Talent auf eine derart tragische Art und Weise? Bei einer Spielzeit von 40, vielleicht 45 Minuten wäre das ganz bestimmt eine der besten Platten, mindestens für das Erscheinungsjahr 2010 gewesen. So reicht es lediglich zu einer selbst zusammengestellten MP3 Playlist - die ist dann aber auch wirklich extraordinary.


Erschienen auf Brownswood Recordings, 2010.

21.07.2012

GEBURTSTAG! GEBURTSTAG!



JUBILÄUM, JUBILÄUM!

Es ist unglaublich, aber ich hab's extra für meine Leserschaft überprüft: 3,40qm wird fünf Jahre alt - am 22.7.2007 erschien das erste Posting auf diesem Blog.

Verrückt.

Ich könnte nun möglicherweise solche Sachen schreiben wie "Damals hatte ich keine Ahnung, wie sehr mir dieser Blog und seine Leser ans Herz wachsen würden. Ich hatte ja keine Ahnung, von gar nix, aber ihr, die mir seit nunmehr fünf Jahren die Stange haltet und die diesen Blog am Leben halten, habt mich gelehrt....dass man Kaffee auch noch nachts um 3 trinken kann, wenn nicht sogar muss. Ich danke außerdem all den Journalisten und Labelkollegen und den restlichen Szenefickern. Guten Abend."

Gottseidank schreibe ich das nicht. Also schon, aber praktisch nur virtuell.

Was ich nun tatsächlich schreibe: ich freue mir so dermaßen den Uranus ab, dass es nun also hier, jetzt und die nächste Woche ein Jubiläumsgewinnspiel gibt. Weil die Resonanz bei den letzten Gewinnspielen immer so überwältigend war und jeder, wirklich JEDER die tollen, TOLLEN Geschenke noch nicht mal geschenkt, GESCHENKT haben wollte, habe ich mir gedacht: mach ich's doch gleich nochmal. Scheißdochdiewandan!

Das Prozedere sieht jetzt aber ein bisschen anders aus, und wenn's schief geht, heißt: wenn ihr nicht mitmacht, dann sieht's gar nicht mal so gut aus, beziehungsweise: dann weiß wirklich jeder, dass sich hier nur dreiundkommazerquetsche Leser (und die ganzen Szeneficker, natürlich) tummeln.

Also, uffjepasst: Der ganze Krempel steht unter dem Motto "Zeigt Euch!" und weil heute die Menschen ja sogar schon ihre Mumus und Pumus (das wäre eigentlich ein angemessener Bandname für eine The Mamas & The Papas-Tributeband, non?) auf den angesagtesten Kanälen für zwanglose Erwachsenenerotik miteinander teilen, dürfte es ja nicht so schwer sein, das folgende zu tun: ihr kommentiert DIESEN Beitrag (keinen anderen und erst recht keinen auf einem anderen Blog!) und schreibt in Euren Kommentar Eure fünf (fünf, nicht drei, oder acht, oder siebzehn, elf, zwei, acht hatten wir schon, aber, Achtung, ganz wichtig, mitschreiben: fünf! FÜHÜÜÜNF!) Lieblingsplatten des laufenden Jahres hier rein. So. Zugegeben, das fühlt sich vielleicht ein bisschen wie ein extra-nerdiger Sahnesteifschwanzvergleich an, aber hey, ich steh' auf extra-nerdige Sahnesteifschwanzvergleiche.

Nach einer (nicht zwei, sieben oder neuneinhalb) Woche, werde ich aus allen richtigen (HÄ HÄ!) Einsendungen schon wieder: FÜNF (nicht einen oder einundzwanzig) Gewinner ermittelt haben und ebenso hier, also HIER und nicht im Adolf Springer Forum oder bei diezweifickendendrei.de, sondern, genau, Ficken: HIER in den Kommentaren bekanntgeben. Also: bitte die Benachrichtigungsoption wählen, sonst bekommt ihr nüscht mit, wenn ihr etwas gewonnen habt, das ihr gar nicht wollt was ihr euch schon immer gewünscht habt.


Zu gewinnen gibt's: LPs, CDs, DVDs und Downloadcodes (für die billigen Plätze). Alles weitere, wenn es soweit ist. Ne?

So, und jetzt: Clownsnase aufgesetzt, Konfettikanone gezündet und mal kräftig einen (oder zwei) fahren lassen. Da unten jetzt. Im Kommentarfeld. *tröööt*

Ich danke für die Teilnahme und für das Lesen dieses ganzen Schmodders hier.


Dieser Artikel wurde nackt auf Zaubertinte geschrieben und verflüchtigt sich nach dem Genuss von einem Kilo Gorgonzola (pikant), erschienen 2012.

18.07.2012

Propagandhi - Failed States

Eines der wichtigsten Alben des laufenden Jahres wird am 4.September via Epitaph erscheinen und das ist der Titeltrack (oder ein Teil davon, ich weiß es noch nicht):

PROPAGANDHI - FAILED STATES



Das wird ein geiler Herbst. Fuck Yeah!


16.07.2012

Afraid Of Sunlight

Es ist geradeheraus ein Skandal epochalen Ausmaßes, dass dieser doofe Blödblogger von dreipunktkommavierstrich.blogspot.com bisher noch nicht ein einziges Wort über "Afraid Of Sunlight" verloren hat - vielleicht das endgültig beste Werk, das die fünf Briten von MARILLION bis zum heutigen Tag veröffentlichten. Dabei ist die Geschichte, die wenigstens meinereiner mit dieser Platte erlebt hat, eine einerseits reichlich tragische, andererseits eine, die es sich gerade deshalb zu erzählen lohnt - immerhin findet sie ihren Abschluss in einem acht Jahre später stattfindenden Happy End in der badischen Provinz. Ich erzähle die Geschichte in einem der nächsten Blogeinträge; bis es indes soweit ist, muss ich meinen Lesern das unten eingebettete Video unter die müde Mütze schummeln.

Aufgenommen bei der Marillion Convention im April 2009 im kanadischen Montreal, beinhaltet dieser Mitschnitt die überragendste Version, die ich bislang von dem naturgeil alles wegstrahlenden Titeltrack hören durfte, und ich gebe hiermit zu Protokoll, dass ich mittlerweile ein recht sattelfestes Fundament habe, auf dem sich diese forsche Behauptung aufbauen lässt. Ich weiß nicht, ob die Burschen im Nachgang noch etwas im Studio herumspielten, und einige Vergleichvideos vom selben Konzert mittels Handkamera lassen keine solchen Rückschlüsse zu, weshalb schlussendlich davon ausgegegangen werden muss, dass sie es exakt so spielten. Und vor allem: dass Steve Hogarth es exakt so sang. Und weil ich dafür dann wirklich keinerlei Worte mehr finde, versinke ich nun wieder in diese Sternstunde einer fantastischen, einer wirklich großen Band, genieße dieses Meisterwerk zum vielleicht fünfzigsten Mal (in den letzten drei Tagen) und wische mir ebenfalls zum vielleicht fünfzigsten Mal (in den letzten drei Minuten) die Tränchen weg, wenn das Publikum die letzten zweieinhalb Minuten des Videos damit verbringt, einfach komplett auszurasten.

Meine Damen, meine Herren - "Afraid Of Sunlight":

14.07.2012

The Day After The The Last Crime



THE DAY AFTER THE LAST CRIME

Vor einigen Wochen flatterte die Anfrage einer Münchener Postrock-Band in meine Mailbox, ob ich mich denn in der Lage sehe, kurz und flott auf ihr Demo zu verweisen, das das Quartett zum kostenlosen Download auf seiner Bandcamp-Seite anbietet. Ich darf offen schreiben: ich will diesen Blog nicht zum Seifenaufheber für den ganzen professionellen Quatsch werden lassen, der sich mittlerweile auch ganz gerne in meinem Postfach tummelt - in erster Linie schreibe ich hier für mich selbst und vor allem über die Musik, die ich höre und liebe. Deshalb gibt's hier auch fast keinen Verriss zu lesen. Und "externe" Inhalte findet ihr hier nur in Ausnahmefällen.

Ein solcher Ausnahmefall sind THE DAY AFTER THE LAST CRIME, deren Anfrage ich wenigstens so sympathisch fand, dass ich mir vorgenommen habe, in ihr drei Stücke umfassendes Album reinzuhören. Die Band hat ebenfalls erkannt, dass es in erster Linie zählt, das verbliebene Häufchen von Musikbegeisterten dazu zu bringen, sich ihre Musik überhaupt anzuhören; im Underground geht's schon lange nicht mehr um Plattenverträge und Plattenverkäufe - die Szene der Unentdeckten hat sich zurückgezogen und legt mittlerweile wieder mehr Wert auf so furchtbar unwichtige Komponenten wie "Spaß" oder "Kreativität". Vielleicht ist dieser ganze Wahnsinn ja am Ende doch für etwas gut. Na, jetzt wird's doch wieder moralisch.

Jedenfalls: ich finde, ein solcher Ansatz gehört unterstützt. Und deshalb gibt es hier und jetzt auch den "officially approved"-Stempel für die Bayern. Ihr Postrock (eher Kanada, nicht Chicago!) klingt bisweilen zwar noch nicht so, als stünde er bereits in voller Blüte, andererseits verströmt genau dieser rauhe und manchmal naive Duktus einen gleichfalls sympatischen Charme; es ist praktisch der Gegenentwurf zu all dem überproduzierten Kitsch, der schlussendlich als Grabträger des Postrock fungieren musste. Und das ist durchaus erfrischend.

Hier geht's zu Bandcamp

Hier geht's zum direkten Download

12.07.2012

A Lazarus Taxon



TORTOISE - A LAZARUS TAXON

Nein, "A Lazarus Taxon" ist keine Best-of-Zusammenstellung und doch "vielleicht das beste Album, dass Tortoise nie veröffentlichten", wie es Jess Harvell im Jahr 2006 bei pitchforkmedia.com auf den Punkt brachte. Die Postrock-Legende aus Chicago wühlte tief in ihren Archiven und fand längst vergriffene 7"-Singles, rare B-Seiten, Japan-Bonustracks, Remixes, Beiträge für Compilations und auch ihre bereits kurz nach dem Erscheinen ausverkaufte Remix-EP "Rhythms, Resolutions And Clusters" aus dem Jahre 1994. Wem hier nicht bereits alles (!) steil nach oben steht, der bekommt noch als Nachschlag eine DVD mit Videos und Liveperformances mit dazu gepackt. Spätestens jetzt dürfte bei vielen alles zu spät sein.

Und mit was? Mit Recht! Tortoise ist mit diesem Boxset eine beeindruckende Werkschau gelungen, die, auch ohne regulär veröffentlichte Tracks ihrer mittlerweile fünf Studioalben, einen sehr genauen Blick in das Innere dieser hochkomplexen und immer noch Fragen aufwerfenden Band gibt, selbst wenn das letzte Studioalbum "Beacons Of Ancestorship" etwas arg eklektisch ausfiel. Hier kommt all das zusammen, was Tortoise nach dem Erscheinen ihrer zweiten LP "Millions Now Living Will Never Die" zu Mitbegründern eines ganzen Genres machte: Offene und verwirbelte Arrangements, diffuse Elektronik, zaudernder, zurückgedrängter Rock, dürrer Minimalismus und ein Herz für den Jazz als verkopftes Element, als Sinnbild für den Mut zur Fortbewegung und Weiterentwicklung. Selbst in den Remixes ihrer Songs spiegelt sich diese Einstellung wider, allen voran in den Arbeiten der schottischen Elektrofummler Autechre, die mit gleich zwei fantastischen Versionen ihres Remixes zu "Ten Day Interval" vertreten sind. Dekonstruktion spielte schon immer eine große Rolle in der Musik Tortoises, vielleicht ist sie der Schlüssel zu dieser Band. Wie Feinmechaniker zerteilen sie den Song, erkennen seine Fragmente. Fügen Risse hinzu, die widersinnigerweise die Struktur bilden. Nobukazu Takemura nimmt in seinem "TNT"-Remix die Steilvorlage dankbar auf. Auch er hat einen außergewöhnlichen, ruhigen und jazzigen Song geformt, eines der Highlights auf "A Lazarus Taxon".

Genausowenig kommt man an dem betörenden Wahnsinn von "Gamera" vorbei, einem zwölfminütigen Brecher zum nackt durch den Regen laufen von der 1995er "Duophonic"-EP. Oder der 7"-Single "Whitewater". Yo La Tengos atemberaubender Remix von "Autumn Sweater". Dem zermürbenden vierzehnminüter "Cliff Dweller Society" (ebenfalls von der "Duophonic"-EP), das aus vielen kleinen Songteilen besteht, die man, bis auf das Herzstück im Mittelteil, alle innerhalb eines Abends frei improvisierte und währenddessen aufnahm. Die kunstvollen Videos von Songs wie "Salt The Skies", "Glass Museum" oder auch "Seneca" vom 2001er "Standards"-Album. Atemberaubende Livemitschnitte von "Monica" oder "Ten Day Interval" - Tortoises Herangehensweise an ihre Kunst macht sie so einzigartig. Ja, ihre Musik ist geprägt von einer enormen Disziplin, sie ist verkopft, sie ist schwierig zu durchschauen. Für den Hörer ist sie aber ein nie versiegendes Meer aus Möglichkeiten, ein Spiel mit immer neuen Gedanken, Situationen und Standpunkten.

"A Lazarus Taxon" ist auch knapp sechs Jahre nach Erscheinen immer noch ein Meilenstein.

Erschienen auf Thrill Jockey, 2006.


11.07.2012

Revolutionnaire



MARION BROWN - WHY NOT?


Zwei Dinge fallen mir sofort ins Ohr, sobald sich die Nadel auf "Why Not?" absenkt. Erstens: der Beginn des Openers "La Sorrella" mit Browns langgezogenen Tönen, die die majestätische Melodie entwickeln, wecken umgehend Erinnerungen an die stark sprituell geprägten Mittsechzigerwerke von John Coltrane - was nur wenig verwundert, wenn man weiß, dass Brown mit Coltrane an dessen Meilenstein "Acension" mitarbeitete. Zweitens: Pianist Stanley Cowell. Sein Spiel begeistert mich ab der ersten Sekunde. Er lässt sich tief in seine Töne fallen, reiht sie auf, schwingt mit, schlägt überraschende Melodieschneisen durch das Schlagzeuggewimmel Rashied Alis und harmoniert blendend mit dem Flirren von Bassist Norris Jones. Cowell thront über dieser Aufnahme.

Damit gilt es nicht, die Leistung und Präsenz der anderen Musiker zu unterschätzen. Ich bewundere den Altsaxofonisten Marion Brown schon seit einigen Jahren, tatsächlich gehörte er zu meiner ganz persönlichen Speerspitze, als ich mich, noch etwas grün hinter den Ohren, langsam in das Jazz-Spektakel vorstolpern ließ. Sein Album "Porto Novo" hat mir seinerzeit böse den Kopf verdreht; zugegebenermaßen geschah das zu einer Zeit, in der es mir nicht laut und frei und wild genug zugehen konnte. Aber Brown war selbst dann, wenn er dem Affen ordentlich Zucker gab, eben nicht nur laut und frei und wild, er hatte stets einen hymnenhaften Auftritt in der Hinterhand. Es ist nicht nur das Zusammenspiel der vier Herren auf der Ballade "Fortunato", das die Komposition zu einer Landschaft aus Samt und Seide werden lässt; ein Blick auf sanft zerklüftete Melancholie formt Brown mit der großen "on the top of the mountain"-Geste zu einem einheitlichen, runden Ganzen ab, ohne ihr die subtil brummende Dissonanz zu nehmen.

Der Titeltrack läutet die lebhaftere B-Seite ein. Das Quartett agiert nun deutlich freier, hier gibt es praktisch nichts, was sich außer den rasenden Arpeggios Browns im Kopf festsetzt. Furios walzen sich insbesondere Ali und Jones gemeinsam durch den Sturm, den sie selbst entfachen. Trotzdem ist ihre Feinabstimmung sensationell - wenn ich den beiden durch die ersten zwei Drittel des Stücks folge und erlebe, wie sich ihre Kommunikation im Schlagzeugsolo Alis auflöst, wie Ali die Toms einsetzt, und wie ich im Anschluss daran bemerke, dass da vorher Jones nanometergenau den Bass drüberwischte, dann bin ich zunächst mal ordentlich baff. "Homecoming" zum Abschluss ist dann eine Mischung aus Browns Talent für die große, sakrale Hymne und einer Menge von freiem Humor. Die überraschenden Breaks und Stopps lassen meine Mundwinkel ganz natürlich nach oben schießen, und es ist gut vorstellbar, wieviel Spaß das Quartett bei den Aufnahmen hatte. Dabei ist es nun Cowell, der von der Leine gelassen wird und mit Metriken, Melodien und Rhythmen allerhand Schabernack treibt. Browns Ton erinnert hier bisweilen an die Mittsechzigerarbeiten von Jackie McLean: er hat viel seiner Schärfe in seinem Saxofon, vielleicht an den Ecken etwas abgerundet, aber gleichfalls eine markante mehrdeutige Ansprache. Seine Attacken wurden bei "Homecoming" in den Vordergrund gemischt, so scheint es mir, und genau dort sind die Parallelen gut zu erkennen. Es schwingen einige melancholische Bluesfetzen unter dem vordergründigen Noise mit, und plötzlich entfaltet sich dieser Ton in viel mehr als das, was auf einer flachen Wahrnehmung präsentiert wird, er explodiert regelrecht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Album Marion Browns aufmerksam machen: das 1970 beim Münchener Label ECM erschienene "Afternoon of a Georgia Faun", einer Collage aus Kraft, Vision und Klang. Vielleicht schreibe ich auch über diesen Meilenstein in Browns Oevre demnächst ein paar Zeilen, verdient hätte er es ohne jede Diskussion.

Erschienen bei ESP, 1966.

07.07.2012

Tout Nouveau Tout Beau (4)


DOLPHINS INTO THE FUTURE - CANTO ARQUIPELAGO

Vogelgezwitscher. Mönchschoräle. Tribals. Jazz. Das Meer. Saftiges Gras. Posaune. Lavageblubber. Alice Coltrane. Bäume. Die Kuh macht muh. Kosmische Strahlen. Wasser. Hypnose. Tangerine Dream. Leben. Geburtskanal. Aluminium. Kikeriki. Holz. Rettet die Wale, bumst die Menschen. Dein Stevie Wonder.

Erschienen auf Underwater Peoples Records, 2012.



JULIA HOLTER - EKSTASIS  

Da hatte mir meine Intuition einen Streich gespielt. Ich verortete Julia Holter in der Ecke der notorischen und jugendlichen Rauscher; ein Doppelalbum voller ätherischer Vollverschwebung sah nach genau dem passenden Puzzleteil aus, mit dem ich meinen Sommer vervollständigen konnte. Falsch gedacht: zwar ist "Ekstasis" nun kein schmissiges Eurodance-Werk geworden, aber die Kalifornierin arbeitet außer mit Nebelwänden und entfernt hallenden Glitzersounds auch mit poppigem Gesang und manchmal fast kindlicher Naivität - und vielleicht ist es gerade ebenjene, die ich mit Holters eigentlichem Entwurf der minimalen Opulenz nicht in Einklang bringen kann. Ihre Musik ist massiv und "höggschd" (J.Löw) komplex, die Soundgeister, die sich scheinbar ziellos durch "Ekstasis" wallen, sind in Bezug auf die unterschiedlichen Ebenen, auf denen sie sich bewegen, Legion. Und doch ist Holters Musik zerbrechlich und fragil, unwirklich, wie hinter einer dürren Nebelwand künstlich inszeniert, und gar nicht so selten schlittert sie haarscharf am Kitsch entlang. Das ist für den Moment und darüber hinaus durchaus überwältigend (i.S.v. irritierend), es ist aber auch sehr inspirierend. Noch bin ich völlig unentschlossen, was ich damit anzufangen habe, aber wenn ich noch einen Artikel mit prätentiösem Quadratquatsch, wie er, na sagen wir mal: in der Spex herumsteht, zu "Ekstasis" "lesen" "muss", "breche" "ich" "mir" "genau" "jetzt" auf die "Füße". 'zefix!

Erschienen auf RVNG INTL, 2012.



GREAT WHITE - HOOKED  

Ich hab's ja nicht so irrsinnig mit Blues. Da ich es aber im Gegenzug sehr wohl mit Great White habe, ist die erste Aussage dummerweise *schwupps* irrelevant. Great White sind Blues, und das war nie deutlicher als auf diesem Album von 1991. "Hooked" ist in der Karriere des US-amerikanischen Quintetts mit der bewegten Geschichte durchaus aus Ausreißer, denn obwohl die ehemaligen Millionseller schon immer sehr entspannt und lässig unterwegs waren, sind sie hier endgültig auf einem schockgefrosteten Lässigkeitsfaktor angekommen. Das muss nicht zwangsläufig den Heiligenschein herausfordern, und ihr Songwriting hat schon deutlich bessere Tage gesehen: "Call It Rock'n'Roll" und "Can't Shake It" sind beispielsweise nicht mehr als banale Rocker von der Stange mit Dünnbrettbohrer-Refrains und -Texten. Ehrlich gesagt weiß ich auch nach 21 Jahren nicht, wo die Band mit "Hooked" hinwollte. 1991 ging als "The year Grunge broke" in die Musikgeschichte ein (wovon sie übrigens erst mit dem großartigen Nachfolger "Psycho City", dann aber mit voller Wucht, getroffen wurden), und die fünf Jungs setzten dieser Veränderung ein Album entgegen, das nicht weiter von der sich gerade neu zusammensetzenden Musikszene entfernt sein konnte. "Hooked" ist chilled. Tiefenentspannt. Blurry. Volltrunken auf der Veranda, 85°C, und die Sonne bratzt Dir gerade die Hirnganglien zu einem Vanillepudding von Dr.Oetker zusammen. Ich kann mich ja nicht ausschließlich im autonomen Jugendzentrum bei Kaffee und Adorno aufhalten. Man sieht's mir nach, bitt'schön.

Erschienen auf Capitol Records, 1991.  

02.07.2012

Plankton Wat - Spirits



PLANKTON WAT - SPIRITS


Es ist ein außerordentlich gutes Jahr für wirklich hochklassige Musik im Spannungsfeld zwischen Noise, Folk, Ambient und Elektronik. Die neuen Alben von Mirroring, Jon Porras, Evan Caminiti, France Jobin, Stephan Mathieu und Portraits sind allesamt großartig und "Spirits" des unter dem Plankton Wat-Banners operierenden US-Amerikaners Dewey Mahood (u.a. auch als Eternal Tapestry und Jackie-O Motherfucker aktiv) reiht sich fugenlos in die lange Liste ein.

Komponiert als Meditationsmusik für die Auseinandersetzung mit der Natur, genauer gesagt mit dem Pazifischen Nordwesten der USA, mit seinem rauhen Klima, seinen nie enden wollenden Regentagen und seinen riesigen, weitgehend unberührten Waldgebieten. Es ist eine Verneigung vor der Kraft und Schönheit der Natur, aber auch ein respektvolles Zögern und Innehalten vor ihrer Melancholie und ihrer Vergänglichkeit. Ein Schauspiel in Klang. Spannend ist insbesondere der Unterschied zu hören, wie Mahood die verschiedenen Facetten seiner Muse einerseits im Detail verarbeitet hat, beispielsweise das Licht und die Reinheit im unten verlinkten "Fabric Of Life", in dem ein beinahe manisch funkelnder Entwurf einer Folkgitarre über die tief surrende Basis aus dunklen Hölzern springt, und wie er andererseits die universellen Geistwesen schwingen lässt. So puzzelte er "Spirits" zu einem tatsächlich spirituellen Trip zusammen und steht dennoch im ständigen Austausch mit der konkreten Idee, um die seine Kompositionen grundlegend als variablen Fixpunkt kreisen. Mit diese Erdung ist er damit durchaus in der Tradition der spirituellen Jazz-Community zum Ende der sechziger, Beginn der siebziger Jahre gut aufgehoben. "Spirits" ist somit nicht nur in musikalischer Hinsicht abenteurlustig, es ist auch auf dem doppelten Boden ein offenes, reflektiertes, hingebungsvolles Album mit einer großen, alles zusammenhaltenden Vision.

"Fabric Of Life" zum Anhören & Downloaden:



Erschienen auf Thrill Jockey, 2012.