JOSÉ JAMES - BLACKMAGIC
Die Herzallerliebste bezeichnet "Blackmagic" als "Flachlegemusik", optional auch als "präkoitalen Soundtrack", und ich habe nun auch schon den Bademantel abgelegt und mir die Seifenblasenpfeife angeblubbert. Nun war wenigstens meine Schubalde mit Ficklala aus einer Art pubertärer Verzweiflung heraus seit Jahren mit den ersten Monster Magnet Platten verbunden und erst der Wandel in Richtung anderer musikalischer Gefilde brachte gleichfalls einen Wandel der...gut, das führt nun zu weit. Jedenfalls, und das ist jetzt sehr wichtig: der US-amerikanische Souljazzsänger Jose James, 2007 von Gilles Peterson entdeckt und flugs für dessen Label Brownswood Recordings eingefangen, bringt einen Berg tiefgefrorene, beste Joghurtbutter zum Schmelzen. In der Antarktis. Mit einem Pinguin im Arm und einem Sack Crushed Ice in der Hose. Und mir ist auch schon ganz warm.
Als ich im vergangenen Jahr auf Gideon van Gelders gutem "Perpetual"-Album herumkaute, hatte ich "Blackmagic" bereits mehr oder minder beiläufig erwähnt, schließlich spielt van Gelder nicht nur in der Tourband des "Schmusebarden" (Musikexpress), sondern war auch an der Entstehung seines zweiten Albums beteiligt. Folgerichtig lassen sich auf "Blackmagic" viele Jazz-, Hip Hop- und mit Valium heruntergedimmte Soulanleihen finden. Smooth und schwül, gleichzeitig auch sehr urban und modern, ergibt sich aus diesem kühlen Glanz und der Wärme des stoisch flackernden Kaminfeuers ein sehr stimmungsvolles und deepes, modernes Klangexperiment. Wenn dieser zärtliche Koloss im Hintergrund eines guten Gesprächs, bei einer Kanne Kaffee oder einem LSD-Trip seine Kreise ziehen darf, dann zieht er sie gemächlich und unaufgeregt. Der 10-Liter Eimer mit geschmolzener Albenmilchschokolade, die James durch die Lautsprecher direkt in die Gehörgänge fließen lässt, wird in jauchzender Regelmäßigkeit immer wieder aufgefüllt. Und dann geht der Kladderadatsch gleich wieder von vorne los. So weit so gut, bring it on!
Hellhörig wird man allerdings bei den spannenden Kollaborationen, die James mit einigen angesagten Produzenten einfädelte. Diese Tracks sind die Höhepunkte auf "Blackmagic" und haben das Zeug zum Klassiker: der Elektrobratzjazzerkönig Flying Lotus zeichnet sich beispielsweise für das rabenschwarze Titelstück, den tief pumpenden, mit leichtem Latingroove ausgestatteten Opener "Code" und außerdem für "Made For Love" verantwortlich, das als einziges der genannten Stücke entfernt und durch die Hintertür den Blick auf das Studio des kalifornischen Beatwunderkinds freigibt. Darüberhinaus gibt Detroit in Person des dort beheimateten Techno und House-Produzenten Moodyman beim angemessen betitelten "Detroit Loveletter" die Visitenkarte ab, das gleiche gilt für den japanischen DJ Mitsu, der bei "Promise In Love" mitwerkelte. Damit ist "Blackmagic" keine obskure Sammlung von aneinandergereihten Songs und Stilen, das Gegenteil ist der Fall: das Album ist beeindruckend dicht und kompakt in seiner stilistischen Ausrichtung zusammengestellt. Ebenso wenig sollte man die Zusammenarbeit mit angesagten Produzenten nicht als blankes Namedropping misinterpretieren - Jose James leiht all diesen Kompositionen seine Stimme und hat ein ausgeprägtes Gespür für die eigene Note und den eigenen Ausdruck. Es gibt also keinen Grund, sich auf die vermeintlich großen Namen zu verlassen.
"Blackmagic" hat genau genommen nur einen einzigen Fehler, aber der wiegt schwer, weil er auch die Songs in Mitleidenschaft zieht, die sich im letzten Drittel tummeln und die so ruhig geraten sind, dass sie an dieser Stelle schlicht verschenkt sind. "Blackmagic" ist viel zu lang geraten. Wer die Platte aufmerksam und konzentriert hört, in die Stimmung des Albums eintauchen will, wer sich also nicht damit begnügen will, dass es sich um Hintergrundrauschen handelt, um sich den Klamotten zu entledigen, muss nach spätestens 50 Minuten nach frischer Luft schnappen. Ich muss an dieser Stelle nicht schon wieder mit meiner Haltung zur beknackten "Value For Money"-Diskussion langweilen, aber warum verschenkt man seine Songs und damit auch sein Talent auf eine derart tragische Art und Weise? Bei einer Spielzeit von 40, vielleicht 45 Minuten wäre das ganz bestimmt eine der besten Platten, mindestens für das Erscheinungsjahr 2010 gewesen. So reicht es lediglich zu einer selbst zusammengestellten MP3 Playlist - die ist dann aber auch wirklich extraordinary.
Erschienen auf Brownswood Recordings, 2010.
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