02.09.2012

Tout Nouveau Tout Beau (5)



ROBERT GLASPER EXPERIMENT - BLACK RADIO

Die Puristen schreien schon, und wenn die Puristen schreien, dann ist's meistens angesagt, die Ohren zu spitzen - es kann sich nur lohnen. Als viel zu glatt und harmlos wird das neue Studioalbum des Rober Glasper Experiments in den einschlägigen Foren der Die Hard-Jazzer abgekanzelt, und ohne mir allzuviel anzumaßen, aber dann haben sie halt immer noch nicht gelernt, über den Tellerrand hinauszublicken und dann haben sie es in der Folge auch nicht besser verdient. "Black Radio" ist genau so, wie ich es nach dem auf Youtube hinterlegten Trailer erwartet habe, und das finde ich einigermaßen überraschend: ein spirituelles Zusammentreffen von vielen Gaststars (u.a. Erikah Badu, Lalah Hathaway, Ledisi, Bilal), die ihr Herz und ihre Seele in diese Produktion gelegt haben. Ein dunkles, rauchiges, verwurzeltes Hip Hop Meets Jazz meets Soul Fusion-Album mit einer sehr erfreulichen, weil unmodernen Produktion, die vor allem den Bass und das Schlagzeug alles andere als sauber, steril und aufgeräumt präsentiert. Vor der Coverversion von Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" hatte ich zwar Angst und ich komme nicht umhin, das wenigstens kritisch zu bewerten, aber ganz im Ernst: ich hätte diese Version um einiges lieber auf dem 20-Jahre-Nevermind-Tribute-Sampler gehabt, als das lahme Gewürmel der Meat Puppets. Ein tolles Album mit einem beeindruckenden Flow.




Erschienen auf Blue Note, 2012.




BVDUB - STRANGERS NO MORE

Brock Van Wey ist ein Workaholic. Der Mann scheint unablässig zu produzieren und nicht nur das: er veröffentlicht die Ergebnisse auch noch in immer kürzer werdenden Abständen. Das aktuelle Jahr 2012 nahm bereits drei Alben in Empfang, dazu gab's Samplerbeiträge, Remixe und für das Restjahr stehen außerdem nochmals drei Alben auf der Matte (besonders erwähnenswert ist "Home", das auf Echospace erscheinen wird). "Strangers No More" ist die aktuelle 12-Inch auf With Or Without You, und ich habe den Eindruck, dass seine Musik im Vergleich zu den letztjährigen Werken bis einschließlich "I Remember" etwas optimistischer, aber ganz bestimmt beatlastiger wird. Was sich auf "Resistance Is Beautiful" und "Then" bereits andeutete, findet wie bereits auf "Serenity" auch bei "Strangers No More" seine Fortsetzung. Die Arrangements sind nicht mehr allzu grau, und die Melancholie ist nun nicht mehr in tiefem schwarz auf einer Hochzeit, sondern schwebt auch mal entrückt einen halben Meter über der Tanzfläche. Zwei Tracks mit einer Spielzeit von 25 Minuten stehen auf dieser Maxi (sagt man das eigentlich noch? Maxi?) und wo ich bei den letzten Alben etwas den Faden verloren hatte, kann ich ihn hier wieder beruhigt aufnehmen. Immer noch eine ganz außergewöhnliche Musik eines außergewöhnlichen Menschen.

Erschienen auf With Or Without You, 2012.





SIMONE WHITE - SILVER SILVER


Singer/Songwriter-Folk auf Honest John's? Surely some mistake! Normalerweise, und der Satz wird umso richtiger, je öfter ich ihn wiederhole, normalerweise ist das sensible Gesäusel von unterforderten Musikern mit Akustikgitarre also nicht unbedingt mein Metier. Und ich erinnere mich auch noch daran, dass ich vor einigen Wochen in die bereitgestellten Snippets von "Silver, Silver" 'reinlauschte und an in erster Linie an meiner eigenen Erwartungshaltung scheiterte. Ein neuer Versuch vor wenigen Tagen ergab ein anderes Bild: das ist eine niedliche, sommerschwüle Urlaubsplatte - nicht nur wegen des Covers, das an einen Familienurlaub in den frühen achtziger Jahren erinnert (Riccione, Italien, Vollpension, Essen bis zum Platzen, 38°C, 25 Mark pro Nacht), sondern auch wegen der liebevoll zusammengepuzzelten Musik, die einerseits in strategisch sicherer Umlaufbahn die üblichen Spielchen spielt, andererseits auch den berühmten Schritt weitergeht und viel mit Stimmungen und Gebrizzel und Gebrazzel experimentiert. Diese Musik schmerzt freilich nicht, "Silver, Silver" läuft dennoch nicht Gefahr, in den gefälligen Kitschsektor der süßen Indiebratzen abzugleiten, die vor lauter Kalkül in ihren Köpfen keinen Platz mehr für Leidenschaft finden können. Eine manchmal subtil-verdrehte, schwummrige und trotzdem wache und aufgeräumte Platte. Die wird noch ein paar Mal auf dem Plattenteller landen.

Erschienen auf Honest John's, 2012.

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