17.12.2024

Uff, 2024. Doppel-Uff, 2025.




Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Allesdazwischen,

Der alljährliche Rückblick auf das abgelaufene Musikjahr fällt für 2024 ein bisschen aus dem gewohnten Rahmen. Das liegt vor allem an den Planungen für den Blog für 2025, und dafür lasse ich jetzt die Katze aus dem Sack, andernfalls sitze ich auf der Idee für die nächsten 340 Jahre. Und vermutlich noch länger.

Wenn wir also das Jahr 2024 betriebsbedingt abgehakt haben, beginnt die große Party mit dem ultimativen Listenoverkill. 

Die 200 besten Alben der 1990er Jahre.

Ich wünschte, die folgende Einlassung wäre eine Übertreibung, aber leider ist's die Wahrheit: ich arbeite an dieser Aufstellung seit nicht weniger als zwei Jahren und es war ein absoluter pain in the ass. Eigentlich ist es das noch immer. Für jemanden, der sich praktisch nie entscheiden kann und wirklich jedes noch so irrelevante Detail achthhundert Mal überdenkt, reflektiert, wieder hin-, her- und umschmeißt, für den der so oft zitierte "Mut zur Lücke" dann eben doch nur ein billiges Lippenbekenntnis ist, weil die Panik einsetzt, irgendeine Platte am Ende doch vergessen oder, schlimmer noch, nicht ausreichend gewürdigt zu haben, für den ungekrönten König der Prokrastination, ist diese Übung ein komplettes Himmelfahrtskommando. Und ich rede hier wohlgemerkt nur vom Auswahlprozess für die in Frage kommenden Platten - alleine für den Gedanken, schlussendlich noch all das für die jeweiligen Reviews in Worte zu fassen, brauche ich sehr wahrscheinlich die Unterstützung von einer starken Fliegenpilz-Stechapfelterrine (mit viel Maggi).

Jedenfalls, das ist die Planung für das Jahr 2025. Und um all das nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen (und wir alle wissen jetzt schon, wie arg das aus dem Ruder laufen wird, hurra!), kann ich nicht wie in den vorangegangenen Jahren im Mai 2025 mit meiner Lieblingsplatte des Jahres 2024 um die Ecke kommen. Also, ich kann natürlich schon, denn wen bitte interessiert der ganze Scheiß hier denn wirklich - I mean, come on?! Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben: ich will nicht. Daher werden sowohl die Kommentare als auch die Postingzyklen zu den 2024er Platten kürzer als gewohnt ausfallen, damit wir damit spätestens im Januar des nächsten Jahres damit durch sind und gemeinsam tief Luft für das holen können, was danach folgen wird: die 200 besten Platten der 1990er Jahre. 

Jetzt hab' ich es hier (unter Schmerzen!) reingeschrieben, jetzt muss es auch so (unter Schmerzen!) passieren. 

It's all fun and games.

Wir lesen uns!

11.12.2024

Infinity Machine - The Lighthouse




INFINITY MACHINE - THE LIGHTHOUSE


Ich bin damit gleich mehrere Monate zu spät, aber bevor wir uns in ein paar Tagen erwartungsfroh in die beliebte Jahresendabrechnung neuer Musik einschwingen, möchte ich noch flott auf meine zweite Band Infinity Machine zu sprechen kommen; genauer gesagt auf "The Lighthouse", unsere erste 4-Track-EP, die im Oktober 2024 offiziell erschien. 

Es erscheint angemessen, dafür ein bisschen weiter auszuholen. Verzeihung, aber da müssen wir jetzt durch. 


-Prolog-

Wer diesem Blog nicht erst seit gestern folgt, wird sich eventuell an meine Geschichte mit Soleilnoir, beziehungsweise Sun Never Sets erinnern. Im Herbst des Jahres 2000 lernte ich über eine Suchmeldung im Frankfurter Anzeigenblättchen "Das Inserat" Steffi, Wolfgang und Jörg kennen, die für ihre Band Soleilnoir einen Sänger suchten. Und schon nach der ersten Probe war klar: es hatte geklickt. Musikalisch, menschlich, konzeptionell waren wir ungewöhnlich schnell beisammen. So schnell, dass wir uns nur drei Monate später im Bazement Studio von Markus Teske wiederfanden, um unsere EP "Drown" aufzunehmen. Zu sagen, jene Zeit sei für mich "intensiv" gewesen, ist eigentlich eine Untertreibung. Ich war nicht nur immer noch frisch verliebt und zog mit der Herzallerliebsten in eine kleine 2-Zimmer-Wohnung im Frankfurter Stadtteil Rödelheim, war Auszubildender bei der Frankfurter Rundschau und lebte von Butternudeln, Instant-Eistee und Versagerkraut, sondern bekam im Sommer 2000 auch die Diagnose Hodenkrebs in die Unterhos' geschummelt. Die Welt stand auf dem Kopf - und die Euphorie darüber, mit meinen Bandkumpelinen und -kumpels derart vereint an einem Strang zu ziehen, in Musik und Kreativität so aufzublühen, sich praktisch ohne Grenzen zu verwirklichen und auszuleben, bedeutete die Welt für mich. Umso schwerer wog das zwischenzeitliche Ende meines Engagements nur ein Jahr später, denn so schnell und leidenschaftlich die Geburt Soleilnoirs verlief, so schnell und leidenschaftlich verglühten wir in einem Netz aus Missverständnissen und tragischen Fehlentscheidungen. Im Grunde könnte ich über diesen tadellosen Schwachsinn noch heute aus der Haut fahren. So unnötig, so dumm, so trostlos. Grundgütiger. Jedenfalls: Wolfgang und Jörg machten mit einem neuen Sänger und einem neuen Schlagzeuger weiter, während ich zunächst ins Krankenhaus geschoben wurde und anschließend zumindest übergangsweise die Musik an den Nagel hing. Nach einigen Jahren Pause lernte ich Simon und Marek kennen und wir gründeten Blank When Zero, eine Hardcore/Punkband, die auch 16 Jahre später immer noch existiert und über die ich zuletzt HIER ein paar Zeilen schrub. 


Im Frühjahr 2009 lagen Soleilnoir bereits seit einiger Zeit auf Eis, und vermeintlich sollte es das dieses Mal endgültig gewesen sein. Wolfgang und Jörg waren heillos zerstritten und redeten nicht mehr miteinander, aber was die beiden vielleicht damals erahnten, aber noch nicht wussten: so wenig sie miteinander klarkamen, so wenig kamen sie ohne einander klar. Im Rückblick erscheint es nicht komplett aus der Luft gegriffen zu sein, dass ich von der Anfangseuphorie über die Gründung von Blank When Zero wieder Blut geleckt hatte. Ich ergriff also entgegen meiner mentalen Konstitution die Initiative - und brachte die beiden wieder an einen Tisch. "Lasst uns weitermachen. Ich weiß, da sind Narben und vielleicht suppt hier und da noch ein bisschen blutiger Eiter aus den Wunden heraus, aber das tackern wir dicht." - Und wir tackerten. Und wir machten weiter. Und auch wenn es sich nach billigem Klischee anhören mag: eigentlich machten wir da weiter, wo wir 2001 aufhörten. Wir schrieben in nur sechs Monaten ein komplettes Album und gingen Anfang 2010 erneut ins Bazement Studio zu Markus Teske und nahmen unser erstes Album "The Absurd" auf. Weil rechte Sackgesichter mittlerweile die Deutungshoheit über die "Schwarze Sonne" (französisch: Soleil Noir) gewonnen hatten, nannten wir uns fortan Sun Never Sets. Das Album ging leider erbarmungslos unter und kann heute nur noch über meinen Soundcloud-Kanal HIER gehört werden. Ich hatte darüber schon früher ein paar Krokodilstränen verdrückt und im Prinzip tu' ich's bis heute: auch wenn die Zeit für einen solchen Sound zu Beginn der 10er Jahre völlig vorüber war, und auch wenn vielleicht nicht jede Idee ein kreatives Feuerwerk abbrannte, hat die Platte diese komplette Ignoranz wirklich nicht verdient. 


Im August 2012 spielten wir unser letztes Konzert. Wolfgangs Gesundheitszustand verschlechterte sich bereits seit einiger Zeit immer weiter. Aus der kurzen Pause, die er zu seiner Genesung verwenden wollte, wurden zunächst Monate, später Jahre. Die traurige Wahrheit ist, dass wir es nie mehr hinbekommen sollten. Die noch viel traurigere Wahrheit ist auch, dass Wolfgang im Sommer 2021 verstarb. Ich kann nicht sagen, wie oft ich es mir vorgenommen hatte, über ihn und über unsere gemeinsame Zeit auf diesem Blog zu schreiben - und wie oft ich daran scheiterte. Vielleicht ist mir in den meinen 47 Jahren auf diesem Planeten keine andere Person untergekommen, die so ambivalent war. Wolfgang konnte herzensgut sein, empathisch, vertrauensvoll, loyal, künstlerisch, kreativ, unterstützend - und manchmal in Bruchteilen von Sekunden später das genaue Gegenteil: cholerisch und zu komplett grotesken Kurzschlussreaktionen neigend, erratisch, bösartig, ignorant, oberflächlich, lethargisch, depressiv. Ich glaube, ich war (und bin) nicht in der Lage, all diese Splitter in ein vollständiges Bild von ihm zu transformieren. Und dann müsste ich anschließend schnell hinzufügen, dass es darum vermutlich auch gar nicht gehen müsste. Um was es indes gehen müsste: ich bin traurig und ich vermisse ihn. Und darüber, dass wir unseren Freunden öfter sagen müssen, dass sie wichtig sind. Weil wir das irgendwann nicht mehr sagen können. Und weil sie es irgendwann nicht mehr hören werden. 



-Corpus-

"Jetzt....warum sag ich Ihnen das, ja?! Ich meine....was soll das?" (Gerhard Polt)

Der Grund für diese extralange Rückblende: ich muss wohl gestehen, dass mir das Ende von Sun Never Sets immer ein bisschen ungemütlich im Nacken saß und vielleicht sogar immer noch sitzt. So richtig einfach war die Dynamik in dieser Band nie auszuhalten, aber das verbindende Element war immer das gemeinsame Verständnis über die Musik, das Auftreten, die Ästhetik, den Kontext. Und daraus entspann sich die Freundschaft mit diesen Menschen, die andererseits alle in ihren eigenen Erlebniswelten und Realitäten lebten. Ähnlich wie bei Blank When Zero gab es sowas wie den definierenden Rahmen, in dem man sich bewegte, eine gemeinsame Interpretation, ein Selbstverständnis, auf das man sich über die Jahre einigen konnte. Und das auch immer wieder neu verhandelbar war, wenn es denn angebracht war. Ich hatte ähnliches in einem früheren Text über Blank When Zero schonmal geschrieben - zu Beginn der Band sagten wir einmal, dass wir uns umgehend auflösen werden, wenn wir mal einen 4/4 Punk-Schunkler schreiben und damit zufrieden sind. Und dabei geht es gar nicht darum, ob wir das denn tatsächlich jemals tun würden, und ob das nur halbjugendliches Getöse war, über das wir alle auch mal lachen konnten, aber damit war eine symbolische Grenze in den Boden gehauen, auf die wir uns einigen konnten. So intensiv soll es sein, so intensiv wird's gemacht. So verstehen wir das, was wir hier mit dieser Band machen möchten. Bei Sun Never Sets war das ähnlich, wenn auch weitgehend unausgesprochen. Aber das wichtige Element war: so fühlten wir die Musik, so fühlten wir uns. 

Im Grunde ist das ein kleines Wunder, solche Mitstreiter zu finden. Zumal, musikalisch ergänzten sich Blank When Zero und Sun Never Sets in meiner Lebensrealität und mehr noch: es gab Schnittmengen. Erstere stehen für die rohe Kraft, die Geschwindigkeit, das Entfesselte, das Politische, das Kompromisslose, während ich bei Sun Never Sets die Gelegenheit hatte, dem emotionalen Überhangmandat Zucker zu geben, der Melancholie, der Dunkelheit, dem Künstlerischen, vielleicht auch der Abgrenzung. Hier kam das Kind der 1990er Jahre zum Zug, nicht zuletzt aus musikalischer Perspektive. Als hätte man die Essenz aus meiner allerliebsten Metalband Voivod mit der ungeheuren Wucht der Kompromisslosigkeit von Bands wie Soundgarden, Nirvana oder Pearl Jam in meiner Adoleszenz verbunden. Das ist mein Haus. 

Und nachdem das Licht bei Sun Never Sets ausgeknipst wurde, stand zumindest dieses Haus einsam und verlassen auf dem weiten Feld herum. Und wenn mir das allzu triviale Bild nun erlaubt ist: über die Jahre zerfiel es in eine Ruine. Das Fundament bekam Risse. Es bröckelte. Die Fensterscheiben gingen zu Bruch, das Dach wurde undicht. Es wurde kalt. Vielleicht ein bisschen schimmlig. Drum herum holte sich der Alltag aus verzehrender Lohnarbeit und Überforderung alles zurück. Das Unkraut wucherte. Und irgendwann war von dem Haus fast nichts mehr zu sehen. Ich konnte es noch fühlen, aber eigentlich war das nicht mehr als ein Phantomschmerz. 

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Ich lernte Christoph zu Beginn der 1990er Jahre über gemeinsame Freunde kennen und wir waren über die kommenden Jahre trotz einiger nennen wir es mal: zwischenmenschlicher Stromschnellen beinahe unzertrennlich. Und wie es dann gar nicht so selten passiert, verlor man sich später bis auf wenige Situationen, die ich an einer Hand abzählen könnte, fast vollständig aus den Augen. Bis mich in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 plötzlich eine WhatsApp Nachricht erreichte. Seine Band Demon Cleaner suche nach einem neuen Sänger und vielleicht hätte ich ja Lust, mir das mal anzuhören. 

Natürlich hatte ich Lust.

Aber ich hatte fast noch mehr Zweifel. Denn mein Haus war - siehe oben - alt, rostig und durchlöchert, die Lohnarbeit wurde praktisch mit jedem Tag gefräßiger, energieraubender, unaushaltbarer und nahm mich locker 10 bis 11 Stunden täglich in Beschlag, ich hatte außerdem Blank When Zero als Band am Laufen, und es ging hier niemals um ein "oder", sondern immer um ein "und". Darüber hinaus gibt es da auch noch die Herzallerliebste, die so oder so schon unter meinen bizarren Arbeitszeiten litt, unseren Hund, den Blog, die Schallplatten - und irgendwann muss ja auch nochmal das reale Haus saubergemacht werden. Kann ich mich wirklich darauf einlassen? Es gibt da doch sicher Erwartungshaltungen, und zwar von allen Seiten. Was ist, wenn ich da irgendwen enttäusche, weil ich das alles nicht schaffe? Ich muss singen, texten, proben, reden, vermitteln. Uff. UFF!


Zumal: Demon Cleaner waren musikalisch durchaus speziell. War die Musik ein tiefergelegter, in Teilen recht stoisch groovender Stonersound, wurde die Gesangsabteilung sehr unüblich mit einem Death Metal-Sänger besetzt. Das war ohne Frage originell, aber nicht wirklich meine Tasse Tee. Und: sie hatten sich über die Jahre ein kleines Following erspielt, das vor allem live die Extrovertiertheit und Unbekümmertheit in ihrer Musik zu schätzen wusste. Davon konnte ich mir selbst ein Bild machen, als ich sie mal auf der Bühne sah, denn die Stimmung war bombig. Und obwohl ich keinen Bezug zu ihrer Musik aufbauen konnte, fühlte ich mich bestens unterhalten, nicht zuletzt, weil im Duden neben dem Rubrum "Rampensau" ein Bild von Sänger Olli eingeklebt ist. But here's the thing: ich bin nichts von all dem. Nicht mal annährend Death Metal, nicht extrovertiert, nicht unbekümmert, meine Stimmung ist praktisch nie bombig und unterhalten kann ich mich am besten mit mir selbst. Die schmeißen doch alle mit in Pisse getränkten Klopapierrollen, wenn ich mich da als Nachfolger hinstelle?! 


Um zumindest jenes Fazit vorwegzunehmen, wurde ich bislang von derlei Ferkeleien seitens der alten Fangemeinde verschont. In diesem Zusammenhang ist damit auch klar, dass wir - long story short - alle weiter oben ausgerollten Zweifel zur Seite wischten und es also miteinander versuchten. Ein kurzer Faktencheck im WhatsApp-Chat nach dem ersten Aufeinandertreffen erinnert mich daran, die Atmosphäre als "sehr herzlich" empfunden zu haben und tatsächlich bin ich bis heute davon überrascht, wie Christoph, Basti und Christian praktisch ungefragt sämtliche Türen sperrangelweit öffneten, um mir den Raum zu geben, den ich benötigte, um mich gut zu fühlen. Um offen zu sprechen: ich bin mir nicht sicher, ob ich jederzeit so großzügig gewesen wäre. Denn Sängerwechsel sind immer kritisch für jede Band (huch, ein seltener Fall von Endgültigkeit auf diesem Blog, aber hier erscheint sie angemessen), selbst dann, wenn die stilistischen Unterschiede kleiner ausfallen, als es in unserer konkreten Situation der Fall war. Sänger*innen sind stets die Achillesverse einer jeden Band. Sie stehen im unmittelbaren Fokus, sie prägen im besten wie im schlimmsten Fall das interne und externe Stilgefühl der Gruppe, und ihre "Instrumente" sind grundsätzlich viel anfälliger dafür, an den traditionell eher volatil ausgerichteten Rezeptoren der Hörerschaft stumpf abzuprallen. Wenn die Stimme keine Verbindung mit dem Hörer aufbauen kann, aus welchen Gründen auch immer, ist der Ofen meistens ziemlich schnell aus. Niemand wird jemals sagen "Das ist eine tolle Band, ein tolles Album und ein alles überragender Song, aber wie der Bassist dieses Cis spielt/der Gitarrist die Saiten aufzieht/der Schlagzeuger die HiHat anschlägt ist unerträglich für mich, ich werde das nie wieder hören, bah!" - Im Gegensatz dazu ist die Zahl jener Bands, die ich wegen der Stimme schlicht unhörbar finde, geradezu Legion. Und niemanden trifft dafür irgendeine Schuld. Es ist bisweilen ein bisschen furchteinflößend, wie zufällig die Grenze zwischen Anziehung und Abstoßung gezogen werden kann. 


Jedenfalls: die drei Herren mussten sich nicht übergeben, als sie meine Stimme hören mussten - was umso überraschender ist, wenn man in Betracht zieht, wie eingerostet meine Stimmbänder im ersten Jahr waren. Das eigentliche Geschenk daran ist indes: sie waren offen. Und ich kann nicht genug dankbar dafür sein. Das ist alles andere als selbstverständlich. 



-Epilog-

Denn was am Ende dabei herauskam, und jetzt biege ich endlich allmählich in die Zielgerade ein, ist erstens: ein Wechsel des Bandnames zu Infinity Machine und zweitens: eine ganz wunderbare 4-Track EP namens "The Lighthouse". Im Mai 2024 rollten wir unseren Krempel - und hier schließt sich der erste Kreis - in das Bazement Studio von Markus Teske. Wolfgang sagte mal, ihm sei völlig egal, ob er in einem anderen Studio mit einem anderen Produzenten vielleicht irgendwas Besseres bekommen könnte, weil er IMMER zu Markus gehen würde. Es sei ihm auch "scheißegal, wie viel das kostet. Ich bezahl das. Markus ist der Beste." Und je älter ich werde, desto mehr liebe ich diesen Typen: zu jeder Zeit Chef im Ring mit klarer Vision, schreiend komisch, empathisch, unterstützend, warm. Es ist einfach unglaublich angenehm und unkompliziert, mit Markus zu arbeiten. Die Platte wurde in vier Tagen aufgenommen und an zwei Tagen gemischt und gemastert und was soll ich Dir sagen?! Sie klingt toll. 

Der zweite Kreis schließt sich ganz persönlich mit der Renovierung meines Hauses. Ich bin wieder eingezogen und habe ein bisschen Ordnung gemacht: meine Stimme ist besser als jemals zuvor. Zugegeben, das hat lange gedauert und es war harte Arbeit, die so schnell auch nicht enden wird, aber ich finde fast keine Worte dafür, wie sehr sich die Antrengungen gelohnt haben. In diesem Zusammenhang: shout out an Judy Fine, eine Gesangslehrerin aus den USA, deren Trainingsprogramm einen großen Anteil daran hatte, überhaupt zu verstehen, was notwendig ist. Das klingt sehr grundsätzlich, aber da kann man mal sehen, aus welcher Grundsätzlichkeit ich kam. 

Hinzu kommt, dass ich selten zufriedener mit meinen Texten war. Es fällt mir schwerer als früher, die richtigen Worte zu finden, aber wenn sie mal da sind, habe ich den Eindruck, sie sind so nahe bei mir wie nie zuvor. Ich muss weiterhin anerkennen, dass sie sich mehrheitlich noch immer sehr kryptisch lesen mögen, aber es ist ähnlich wie mit den Texten auf diesem Blog: ich werde niemanden zur tieferen Auseinandersetzung zwingen. Ich glaube allerdings auch, dass sie auf mehreren Ebenen funktionieren - und sei es "nur" im Transport einer Stimmung, einer Atmosphäre, einer Idee. Das kann und muss manchmal völlig ausreichen. 


Zuletzt noch der Hinweis, dass wir "The Lighthouse" auf Bandcamp zum Download hochgeladen und mittlerweile sogar ein sehr limitiertes Angebot von ausnehmend hübschen DIY-Tapes haben. Enjoy!






Vielen Dank fürs Zuhören, fürs Lesen, fürs Beiseitestehen, für die Begeisterung, für die Möglichkeiten. 


It's all quite a ride, isn't it?!



17.11.2024

"Da lässt sich noch einer Zeit für Bilder."




FLOATING POINTS, PHAROAH SANDERS 
& THE LONDON SYMPHONY ORCHESTRA - PROMISES


"You have to protect people from incompetent people" (Robert Sapolsky)


DAS Hipsteralbum des Jahres 2021. und zugleich: DAS vereinende Musikalbum des Jahres 2021. 

In Zeiten, in denen vornehmlich die Boomergeneration nur zu oft und - Distinktionsgewinn olé: zu gerne - den Abgesang auf die wahre, echte, schöne alte Musikwelt anstimmt, also die wahre, echte, schöne Auseinandersetzung mit wahrer, echter, schöner Musik in endlosen Kopfhörersessions im wahren, echten, schönen Ohrensessel, bei einer guten Flasche Eigenurin und einem guten Stück Haifischknorpel, weil die nachfolgenden Generationen alles, aber auch wirklich ALLES anders und damit, logo: schlechter machen als es die alten "Furzknoten" (Lagerfeld) es vor circa einer Billion Jahren taten, und das fragile Ego damit nun wirklich überhaupt nicht umgehen kann, produziert die Elektronik-Zaubermaus Sam Shepherd aka Floating Points mit dem Saxofonisten Pharoah Sanders wie es scheint mit links eine Jazz-, Ambient- und Klassik-Platte, deren Ankunft von Menschen jeder Altersgruppe wie der neue Heiland gefeiert wurde - und weiterhin wird. Selbst wenn jene Menschen mit Jazz, Ambient und Klassik zuvor soviel an der Frisur hatten wie H.P.Baxxter mit Atomphysik, Körperhygiene und Frauenrechten.

Über insgesamt neun sogenannte Movements spannt das Duo im Grunde ein einziges Motiv; das ist die Lebensader von "Promises". Und sowohl Sanders, als auch im weiteren Verlauf das London Symphony Orchestra, bleiben über die gesamte Spielzeit in ihrer Nähe, oszillieren, treiben, schweben, drehen und winden sich mit dieser kleinen, so unscheinbar wirkenden Welle aus gerade mal acht Tönen in ein minutenlang aufgeschichtetes Crescendo und sacken gemeinsam wieder ins nächste Diminuendo ab, bis die Intensität schnurstracks auf die Kernschmelze zukriecht. 

Und wenn der Mythos tatsächlich stimmen sollte, dass heute also wirklich niemand mehr so richtig zuhört oder zuhören kann, weil die Aufmerksamkeitsspanne so gering und der Druck so mächtig sind, dann ist's vermutlich genau das: ein Mythos. Denn - Achtung, der Ohrensessel naht - im Prinzip kommt hier nur so richtig dahinter, wer sich auf "Promises" mit Haut und Haaren einlässt. Den Bewegungen folgt. Sich treiben lässt. Die Kontrolle verliert. Und langsam....ganz langsam...in Richtung Ausgang schwebt. 

Angesichts des Erfolgs dieses Projekts, schweben vielleicht mehr im ergiebig-positiven Kontrollverlust umher, als das Narrativ der im Ausnahmezustand delirierenden Generation uns Glauben machen will. 

Was ich sagen will: Hoffnung für Alle. 

     

Vinyl: Die Erstpressung war sehr schnell ausverkauft, und weil davon irgendwie so ziemlich alle überrascht waren, dauerte es fast ein halbes Jahr, bis die nächste Edition in die Läden kam. Hübsches die-cut Cover, 12"-Inlay, schwarzes Vinyl. Es gibt viele gemischte Reaktionen zur Pressqualität, von "totalem Schrott" bis hin zur "bestklingenden Platte aller Zeiten" ist alles dabei, und ich möchte mich mit meinem Exemplar etwa in der Mitte platzieren. Ich bereue den Kauf natürlich nicht, aber "spektakulär" geht eventuell ein bisschen anders.


            


Erschienen auf Luaka Bop, 2021. 

20.10.2024

My 20 Favourite Thrash Metal Albums Ever (Part Two)

"Schon" drei Monate nach dem ersten Teil der überaus beliebten Listenscheiße zu den besten Thrash Metal Platten aller Zeiten, folgt hier und heute Teil 2 - mit den Plätzen 10 bis 1. 

Dieses Mal wird alles noch viel schlimmer, denn ich langweile die Welt mit einem sage und schreibe 38-minütigen Snoozefest. Und Achtung, jetzt kommt's: ich hätte auch drei Stunden über diese Sternstunden harter Musik reden können. Wer mich kennt weiß: das ist leider die Wahrheit. 

Without further ado:

 


11.08.2024

Keno & Tristan De Liege - Transatlantyk




KENO & TRISTAN DE LIEGE - TRANSATLANTYK


"I have one question and then I have to go." (Larry David)



Fucking hell, wie oft wollte ich schon etwas über diese Platte schreiben? I'm the overlord of the procrastination army. 

Ich lernte die Musik von David Hanke's Downbeat-Flagschiff Keno bereits im Jahr 2018 kennen, damals mit dem Debut "Around The Corner". In meinem damaligen Post auf Instagram schrieb ich:



"Instrumental downbeat and lush electronica from David Hanke. Somewhere between Thievery Corporation, De-Phazz and Bonobo. Beautiful pressing made by Pallas on 140g vinyl. Alina says it makes you yearn for summer - but it also works well at the very beginning of spring with your first cup of coffee on a Sunday morning"


Mittlerweile ist es August 2024, wir stehen knietief im Sommer - und seit einigen Wochen trägt mich "Transatlantyk", bereits im Oktober 2020 veröffentlicht, wie bestellt durch den sonntäglichen Kladderadatsch aus Hausarbeit, gechilltem Durchatmen und der kleinen Angststörung in unserer Straße. Nach "Around The Corner" - immer noch eine wirklich tolle Platte - verlor ich David aber aus den Augen und den Ohren. Erst Anfang 2023 stieß ich über einige bizarre Umwege und wahrscheinlich auch mit einer großen Portion Zufall auf einen Kommentar auf Discogs, dem Epizentrum der prätentiösen Pissnelken aus Schallplattenhausen. User TobiTobsucht schreibt:

"If you like early 2000s relaxed downtempo tracks like from Bonobo or Blockhead, then you have to listen to this little secret."

Und ich erinnerte mich. An Keno, an "Around The Corner" und an den Frühling. "Transatlantyk" musste also mein neuer Mitbewohner werden. Ich werde ja auch stets magisch von Platten angezogen, die niemand auf dem Schirm hat. Die unter aller Radar existieren, die keine Aufmerksamkeit bekamen, die schlicht in dem schier endlosen Meer aus Musik und Geräusch untergingen. Die dem ubiquitären Geplärre von untalentierten, von Marketingagenturen durchgestylten und von Businessmanagern hochgejazzten, von wirtschaftlich abhängigen und dem Großkapital hoffnungslos ergebenen "Redaktionen" auf Spotify, Deezer, Apple Music und wie der ganze verschissene Haufen aus den Arschritzen von Daniel Ek und Steve Jobs noch so heißen mag, hochgepushten Schreihälsen nichts entgegenzusetzen hatten - und die das nicht verdienten. Ich möchte offen sprechen: Wir suchen doch alle diese Platten. Wir suchen doch nach all dem, was nicht sowieso schon überall an jeder Straßenecke rumliegt. Wir suchen nach den Underdogs. Etwas, das außerhalb der Money-Bubble einen Wert hat, eine Verbindung aufbaut, was uns berührt. Was zu uns gehört. "Transatlantyk" ist eine dieser Platten. Die muss gehört werden.

Auf das Gerüst aus eleganten Downbeat-, Future Jazz-, und Hip Hop-Elementen, die den unwiderstehlichen Groove im Layer 1 ausrollen, ihn so leichtfüßig, so erfinderisch, so durchlässig machen, setzen David Hanke (Lübeck) und Tristan De Liege (Los Angeles) melodische Leuchtfeuer in die Architektur, die Melancholie, Sehnsucht, Fernweh und Introspektion an die Wände tapezieren. Emotionale Verdichtung im Sepiafilter seinerseits, andererseits der schwungvolle, klare Verve im Beat- und Groove-Unterholz. Vor allem die C-Seite mit dem leidenschaftlichen "Nikosi" und dem durch alle Aggregatzustände gleitenden Titeltrack, der mir zusätzlich und wie von Geisterhand Nuancen ins dritte Auge hämmert, die ich als "maritim" beschreiben könnte, wenn nicht müsste. Ich weiß nicht, wo's herkommt - aber es ist da. 

Dazu öffnet die französische Sängerin Élodie Rama bei drei Songs zusätzliche Ebenen der Ansprache. Auf "Speak The Language", "Dancing In The Dark" und "To Find A Way" schummelt sie einen verführerischen Pop-Appeal in den Sound, der an die großen Namen des Geschäfts (sic!), wie Morcheeba oder Bonobo denken lässt. 

"Transatlantyk" ist ein vielschichtig und elegant inszeniertes Album, das viel, viel mehr Zuhörer verdient hat. Am besten zu genießen, wenn sich das "unvergessene" (Schmidt) Motto des "unvergessenen" (Schmidt) Harald Juhnke über einen ruhigen, gemächlich vor sich hin dampfenden Sonntag legt:

"Keine Termine und leicht einen sitzen." 

Light em up!





P.S.1: Keno heißt mittlerweile Lehto. Hier geht's zur Bandcamp-Seite.

P.S.2: Auf Bandcamp gibt es das "Transatlantyk"-Doppelvinyl im Bundle mit der Vinylfassung der ebenfalls prächtigen Remix-Sammlung "Out Past The Current" (ebenfalls eine Doppel-LP) für gerade mal 45 Euro direkt vom Scheff persönlich



Erschienen auf Bathurst, 2020. 


29.07.2024

My 20 Favourite Thrash Metal Albums Ever (Part One)

Vor elf Jahren habe ich meine Leserinnen und Leser mit einem Thrash Metal-Countdown gelangweilt, und weil mir seitdem auffiel, dass ich in der damaligen Auflistung mindestens drei schwere Fehler begangen hatte, die nach einer Klarstellung und Korrektur schreien, gibt's die jetzt einfach. Als Video, damit's auch richtig cringe wird. Immer Alles geben. Meine Devise. 

Wir starten mit den Plätzen 20 bis 11. 

"Enjoy!"

 



28.07.2024

Sonst noch was, 2023?! - Gesammelte Werke




"Nobody's mad at you
Nobody's mad at you
You're having a private experience
Nobody's mad at you
Nobody's mad at you
Nobody really gives a fuck"
(Neal Brennan)


Ich schwör': ein allerletztes Mal gibt's den Blick zurück ins Jahr 2023. 

Danach...ohjehmine und spoiler alert: geht er sogar noch ein paar Jahre weiter zurück. 


Machen wir also jetzt final den Deckel auf 2023, is' ja auch schon bald August. Grundgütiger.


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EARTH HOUSE HOLD - HOW DEEP IS YOUR DEVOTION


Eigentlich war diese Werkschau von Brock van Wey's Earth House Hold-Projekt für lange Zeit meine Nummer 1 des Jahres 2023, bis ich mich schlussendlich dagegen entschied, eine Compilation in die Bestenliste zu wuchten, noch dazu auf die Spitzenposition. Dann ist es allerdings heute umso wichtiger, über "How Deep Is Your Devotion" zu sprechen. Während ich diese Zeilen schreibe, ist es 10 Uhr an einem Sonntag im Juli 2024. Es ist sonnig, aber glücklicherweise nicht zu warm. Das Fenster ist sperrangelweit offen und in Sossenheim herrscht eine Ruhe, wie ich sie als Kind von den sommerlichen Besuchen bei meinen Großeltern im pfälzischen Nirgendwo kenne. Man spürt das Nichts mehr, als dass man es hört. Es duftet nach schwarzem Kaffee mit einem Hauch Bergamotte. "How Deep Is Your Devotion" läuft, und ich wünsche mir, dass die Zeit stehenbleibt. Die Entwicklung zu verfolgen, die Brock über die vier EHH-Alben auf die muskalische Leinwand gezaubert hat, das Abdriften eines so oder so schon sehr speziellen Deep House-Ansatzes in eine immer weiter gedehnte, dekonstruierte, eigentlich sich in Auflösung befindliche Version mit solch skurriler Schönheit und mehr versteckten, vergrabenen, vernebelten Zwischentönen, als ich jemals hören könnte, ist das Eine. Das andere ist, dass man sich wünscht, diese Musik würde nie enden. Dieser Moment würde nie enden. 


 



Erschienen auf A Strangely Isolated Place, 2023.



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FILM SCHOOL - FIELD


Shoegazing in LA. Das kalifornische Sextett um Bandgründer und Chef im Ring Greg Bertens fiel mir erstmals mit ihrem zweiten Album "Film School" im Jahr 2006 positiv auf, und ich bin hocherfreut, dass die Truppe über die ganzen Jahre durchgehalten hat - das gilt umso mehr, wenn noch so starke Platten wie "Field" in ihren Herzen und Köpfen schlummern. Wer vom aktuellen Slowdive-Album auch so enttäuscht wurde, darf schon mal entspannt das nächste Tütchen drehen: "Field" ist ultrakompakt komponiert, hat einen guten Drive und trotzdem soviel Tiefe, dass einem Songs wie "Up Spacecraft" oder "Don't You Ever" (mit einem 1995er Monster Magnet-Gedächtnisriff) sofort unter die Haut kriechen.


 



Erschienen auf Felte, 2023.



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RAY ALDER - II


Soloalben sind immer so eine Sache. Eigentlich stehen sie schon ab dem Moment der Ankündigung ein paar Stufen unter dem Output der Hauptband. Das Solodebut von Fates Warning-Wundersänger Ray Alder "What The Water Wants" aus dem Jahr 2019 war im Rückblick und abgesehen von Alders gewohnt brillantem Gesang eine Enttäuschung. Zu zahm, zu oberflächlich, und irgendwie auch zu egal. Folglich waren meine an "II" geknüpften Erwartungen von leichter Unterkühlung geprägt, aber siehe da - "II" ist um Welten besser als das Debut, ist zu gleichen Teilen emotionaler als auch heavier. Insgesamt inszeniert Alder seine Musik natürlich gradliniger als im Kontext von Fates Warning, und sein immer noch vollkommen intaktes Gespür für einnehmende Gesangsmelodien im Zusammenspiel mit bisweilen satt tiefergelegtem Unterwasser-Riffing, erzeugen ein ums andere Mal echte Überraschungsmomente. Das gilt mittlerweile nicht mehr für Alders Gesangsleistung: man erwartet Übermenschliches - und das bekommt man dann auch. Weiß Gott keine Selbstverständlichkeit, aber das hat er nun davon, so fucking gut zu sein. SO FUCKING GUT!


 



Erschienen auf Inside Out, 2023. 



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DANNY PAUL GRODY - ARC OF DAY


Und nochmal Kalifornien, dieses Mal San Francisco. Sein Album "In Search Of Light" aus dem Jahr 2011 hatte ich seinerzeit als "Sorgenbrecher" bezeichnet, und seine Musik ist auch 13 Jahre später noch immer genau das. Ich hatte es leider versäumt, über sein 2021er Werk "Furniture Music II" zu berichten, das mir in der Pandemie Hoffnung und Licht ins Sossenheimer Outback brachte, aber das passiert mir nicht nochmal. Die Ruhe und die Kontemplation, die vom inneren Kern von "Arc Of Day" ausstrahlt, macht mein Leben besser. Ich schmecke die Luft an der US-amerikanischen Nordwestküste, spüre den Sand zwischen den Zehen, die Sonne auf der Haut. Eigentlich ist das Psychotherapie, nur ohne Reden. Zuhören sollte man aber. 





Erschienen auf Three Lobed Recordings, 2023.



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AYAAVAAKI & PURL - ANCIENT SKIES


Purl sagte kürzlich über "Ancient Skies", es sei eine der einzigartigsten Platten, die er je aufgenommen hat - und wer sich darüber im Klaren ist, wie viele Alben dieser Kosmopolit schon veröffentlichte und wie bescheiden er für gewöhnlich auftritt, mag erahnen, wie wichtig ihm ausgerechnet dieses Werk ist. Gleichzeitig kann der Eindruck entstehen, "Ancient Skies" sei ein wenig vom Radar der Ambientfans gerutscht und damit also unterschätzt und/oder übersehen - und das muss ich für meine Wenigkeit leider bestätigen. Es gibt einfach viel zu viel Musik und das Leben raubt mir viel zu viel Zeit - und dann legt Purl eben noch immer ein atemberaubendes Veröffentlichungstempo vor. Hinzu kommt: "Ancient Skies" ist in der (digitalen) Orginalfassung fast zweieinhalb Stunden lang, und einfach zu hören ist das nicht unbedingt. "Ancient Skies" ist einerseits dramatisch und opulent, andererseits spielt sich so viel unter den hörbaren Schwingungen dieser Musik ab, ist subtil, manchmal mystisch. Wenn der halbe westliche Planet damit beschäftigt zu sein scheint, das durchs Social Media-Dauerfeuer schön herangezüchtete ADHS zu füttern, erscheint es lohnenswerter denn je, sich einfach mal für zwei Stunden auszuklinken. 

Hinweis: die Doppel-LP hat lediglich acht (statt vierzehn) Songs in zum Vergleich zur digitalen Version editierten Fassungen.


  



Erschienen auf LILA लीला, 2023 




06.07.2024

Sonst noch was, 2023?! - Beach Fossils - Bunny




BEACH FOSSILS - BUNNY


"Wenn man Hannelore Kohl, die Sharon Stone aus Oggersheim zu Gast hat, dann ist es schon sinnlich, wenn man mit der flachen Hand auf einen ausgestopften Saumagen klopft." (Oliver Kalkofe)


Sechs Jahre nach ihrem letzten Album "Somersault", das ich seinerzeit mit der Einschätzung in meine Top 30 des Jahres 2017 rollte, es klänge, als hätten  "Paul McCartney, Robert Smith, Sam Prekop und Johnny Marr am Strand von Kalifornien gehascht und wegen des gemeinsam bestaunten Sonnenuntergangs vor Ergriffenheit das Heulen angefangen", versüßte das Quartett aus Brooklyn mit dem Comeback "Bunny" meinen letzten Sommer - und das in Zeiten, die von tiefer Trauer über den Tod unseres Hunds Fabbi geprägt waren. Eigentlich eine unlösbare Aufgabe, aber ähnlich wie Element Of Crimes "Morgens Um Vier" traf "Bunny" einen ganz besonderen Nerv. 

Dass es ausgerechnet diese Musik schafft, mich so weichzuklopfen, ist mittlerweile eigentlich keine Erwähnung mehr wert. Wie oft habe ich schließlich schon in niemals enden wollenden und unverständlichen Satzungetümen darüber referiert, welche Anziehungskraft bisweilen von Projekten wie Tropics, Absolute Boys, Dreamscape, Slow Magic oder den leider sehr unrühmlich verglühten HOOPS ausgeht. 

Dieser unwiderstehlichen Mischung aus Lo-Fi Indie Pop (fürs Understatement), Shoegaze (fürs Schwüle, Warme, Feuchte) und einer Prise Postpunk (für die Zehenamputation wegen Unterkühlung), die den Schaltplan für Romantik, Nostalgie und Tagträume erstellt. Nach dem Zauber und dem Glanz in der Tristesse zu suchen war ein nobles Hobby in meiner Adoleszenz, nicht notwendigerweise aus Selbstmitleid, sondern weil die Vertiefung so verführerisch war. Insofern schließt sich hier der Kreis zum vergangenen Sommer: "Bunny" war gleichermaßen Trost und Heilung, weil es den Blick über die Trauer erhob und die Gefühlspalette erweiterte. Wir sahen ein paar Lichtstrahlen, ein paar Reflektionen. Spürten Sonne auf der Haut. Und wir erinnerten uns. 

Der immer noch so behutsam verhuschte Sound der Beach Fossils ist einerseits verknüpft mit einem außergewöhnlichen Gespür für Melodien - beispielhaft der zum Sterben schöne Harmoniewechsel im Refrain von "(Just Like The) Setting Sun" mit seinem im Zwielicht orchestrierten Streicherarrangement oder das Gitarrengeflacker in "Anything Is Anything", in dem jeder noch so schüchtern gespielte Anschlag eine melodische Dringlichkeit entwickelt - andererseits ist er der Mutterboden für die Ästhetik des melancholischen Großstadtslackers. 

Für immer 25, für immer emotionales Chaos, für immer verliebt, für immer Hoffnungslosigkeit. 

What year is it today?
It's funny how time slips away
Living in Nеw York, it can grind you down
I tell you, it will grind you down


Es ist zu gleichen Teilen imponierend wie beängstigend, wie mich die Beach Fossils zwanzig, dreißig Jahre in mein früheres Leben zurückschleudern - und wie fucking wehrlos ich dagegen bin. Ich spüre, wie sehr ich mich hier fallen lassen kann. Wie sehr ich hier verschwinden will. Und wie sehr ich für immer dort bleiben will.


 



Erschienen auf Bayonet Records, 2023.

23.06.2024

Sonst noch was, 2023?! - Pablo Bolivar & Nacho Sanchez - Distances




PABLO BOLIVAR & NACHO SANCHEZ - DISTANCES


"Don't let the voices in your head stop you from feeling free." (Rick Rubin)


Achtung, Achtung! Unkontrollierte, unreflektierte Lobhudelei incoming - und ich schäme mich nicht mal. Einfach nur ganz viel Liebe für ein umwerfendes Album. Es gibt im Prinzip auch nichts anderes zu berichten.

Aber so manches geht eben übers Prinzip hinaus und wenn ich jedes Mal nach dreieinhalb holzig formulierten Sätzen den Reviewladen wieder verrammeln würde, hätten wir zwar alle gemeinsam mehr Gehirnzellen übrig, aber ich kann darauf keine Rücksicht nehmen, man mag's mir bittschön nachsehen. Ich bin außerdem der Auffassung, dass "Distances" viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält und erhielt und das muss sich ändern. Musikrezensionen sind nun wirklich nicht mehr en vogue, und in Zeiten, in denen die meisten Mailorder schlicht den mitgelieferten Promotext copy/pasten und es irgendwie als redaktionellen Inhalt aussehen lassen, ist es ja auch viel zu anstrengend, die eigenen Gedanken mal Gassi gehen und sie an die nächste Straßenlaterne strullen zu lassen. Und wer soll's denn in Gottes Namen auch lesen, "jetzt bleiben se mal ernst!" (Pispers)

Wo es doch vor allem gehört werden muss. 

Mir ist das alles egal, es muss einfach raus. Dabei wäre mir "Distances" beinahe wieder durch die Lappen gegangen. Pablo und sein großartiges "Seven Villas" Label waren schon einige Male zu Gast in meinem literarisch gefluteten Kellerverlies der ästhetischen Absonderlichkeiten, unvergessen beispielsweise "Details Am Rande" mit seinem Buddy Sensual Physics aka Jörg Schuster - aber obwohl ich in Fällen, in welchen ich aufgrund vorangegangener Verdienste bereits den prunkvollen Loyalitätstempel gebaut und sogar mal feucht durchgewischt habe und also ganz besonders aufmerksam bin, erfuhr ich von "Distances" gar so spät, dass die auf nur 300 Stück limitierte Vinylausgabe in den einschlägigen Mailordern entweder bereits ausverkauft oder aber so unfassbar fucking teuer war. Nun habe ich grundlegend nur eine schwach ausgeprägte Impulskontrolle hinsichtlich neuer Schallplatten - Geld muss weg und das letzte Hemd hat keine Taschen, es stimmt, stop your internal dialogue - aber bei 50 Euro pro Exemplar bekomme ich einen Schlaganfall (Jochbeinbruch,  Nasenbluten). Erst vor wenigen Wochen bekam ich endlich die Gelegenheit, "Distances" mit seinem wunderbaren Coverartwork und dem violett-weiß-marmorierten Doppelvinyl für einen Preis zu ergattern, bei dem ich mich nicht selbst vollkotzen muss. Und damit wir uns richtig verstehen: für die volle Experience braucht's einfach die Schallplatte. 

Verliebt hatte ich mich in diese so introspektive und doch so leb- und bildhafte Musik jedoch schon sehr früh nach dem Erstkontakt über die Nullen und Einsen der digitalen Welt. Der Verbindungsaufbau in den Emo-Maschinenraum erfolgt unmittelbar, weil da so viel Vertrauen aus dieser Musik entspringt. Zumindest dieser Teil funktioniert also auch ohne den ganzen prätentiösen "Vinyl hier, Vinyl da"-Scheißdreck. Kann man mal sehen! 

In Spannungsdreieck von Deep House, Ambient und Dubtechno setzt "Distances" ein ganzes Rudel bekiffter Ausrufezeichen, und es hätten viel, viel mehr Menschen mitbekommen sollen. Die beiden Produzenten Pablo Bolivar und Nacho Sanchez zollen auf ihrer ersten gemeinsam gestalteten LP den beiden großen Fixpunkten Detroit und Berlin Respekt und haben einen expansiven Ballungsraum für die entsprechenden Spielarten erschaffen, der zu gleichen Teilen den bereits erlebten wie auch den kommenden Zeiten Beachtung und Anerkennung schenkt. Ein sich ständig neu konfiguriendes Kaleidoskop aus Klang, Bedeutung, Farben und Emotionen. 

"Distances" liefert mystische Science Fiction-Vibes, zaubert Vernebelung im Deep Space, schleudert Kältedruckwellen und purpur-glühende Lichtfäden in den freien Raum, die sich unter Langzeitbelichtung in der Atmosphäre einbrennen und dort Wegweiser und Monument sind. Ein majestätisch und bedächtig durch die Zeit treibendes Generationenschiff mit Bewusstheit und -sein für den Kontext der frühen Meisterinnen und Meister, und verstandenem Auftrag für das Übermorgen. 

Immer daran erinnern: Akustische Levitation ist möglich.


 


Erschienen auf Seven Villas, 2023. 

16.06.2024

Sonst noch was, 2023?! - Overkill - Scorched




OVERKILL - SCORCHED


"Heavy Metal is the most conservative of all loud music. Let's face it, not even a gym teacher could get as many people to dress alike." (Jello Biafra)



Über meine besondere Liebesbeziehung zu Overkill habe ich zuletzt vor zwei Jahren im Rahmen meines Reviews zum ihrem "The Atlantic Years"-Boxset referiert, und wer sich diesen unfassbar langen und -weiligen, gut fünfzehnminütigen Monolog noch nicht angeschaut/angehört haben sollte, well: "Enjoy!"





Nun ist es aber auch so, dass ich mit meiner Abneigung sowohl gegen zeitgenössichen Metal als auch gegen jene Bande von abgehalfterten Geronten, die vor vierzig Jahren mal eine Handvoll Songs auf die Reihe bekommen haben, nun am Nasenring durch die kapitalistischen Endverwerterfestivals des "Häffi Meddl" (Loddar) geschleift werden, um sich mit ein paar Euro den knittrigen Rentensack aufbügeln zu lassen und praktisch nur für die Stagetime aus dem Krankenhausbett und/oder Nachttopf geschweißt werden, nicht unbedingt hinterm Berg halte und sie damit also auch nicht zum ersten Mal äußere - was mir stets nur die allerfeierlichsten Liebesbriefe von den Kuttenadolfs mit bioelektrischem Gewitter in der Großhirnrinde beschert. Und auch wenn Overkill weder in die eine, noch in die andere Kategorie so richtig hineinpassen - (1) zeitgenössichen Metal machte die Band zuletzt circa 1991 und (2) trotz ihrer nur schwer aushaltbaren Schwächephase in den nuller Jahren waren sie einfach IMMER da und spielten konsequent ihren Stiefel - so lassen sich dennoch Elemente davon ihrer Musik und ihrem Auftreten finden; es scheint ihnen allerdings in meiner Welt weniger als anderen Metalboomern etwas anzuhaben. Daher gilt das eiserne Gesetz im Hause Dreikommaviernull: in jede neue Overkill-Platte wird wenigstens reingehört. Ihr ureigener, hochspezialierter Thrash Metal-Stil mit den typischen Punk- und Hardcorevibes der US-amerikanischen Ostküste, ihre kaum glattpolierte Räudigkeit mit seltsamerweise immer noch authentischer "Fuck You!"-Attitüde, ihr immer noch sehr hohes Energielevel - mein vierzehnjähriges Reptiliengehirn findet vieles davon auch heute noch sehr, sehr anziehend. 

Und so höre ich seit dem 1999er Album "Necroshine" in jedes neue Album rein, schätze fast immer den Drive und die Frische, finde ebenfalls fast immer ein paar Höhepunkte und ein paar solide Overkill-Generika, wundere mich darüber, wie gut die Stimme von Blitz immer noch klingt, und sinniere darüber, wie sie ihn wohl fürs Studio immer wieder so gut hingebogen bekommen (die Antwort: reiner Sauerstoff!), ärgere mich über den heutzutage leider typischen, lauten, undynamischen, phantasielosen Plastiksound, ärgere mich noch mehr über die seit vielen Jahren ubiquitären Einflüsse klassischen Metals mit eingängigen, kitschigen, hypermelodischen Refrains und Soli, wirklich der allerschlimmste Offenbarungseid eines ganzen Genres gegenüber des mental tiefergelegten ADHS-Publikums, und freue mich dennoch schlussendlich, dass sie immer noch da sind. Denn eine Metalszene ohne Overkill ist zwar möglich, aber sinnlos. Ich entschuldige mich für das absolut frische und unverbrauchte Zitat aus dem Loriot-Pleistozän. 

Seit 1999 und also "Necroshine" hat es allerdings kein einziges neues Album des New Yorker-Quintetts mehr in die Sammlung geschafft - und wie anhand dieses Reviews zu erkennen ist, änderte sich dieser Zustand mit "Scorched". Wer hätte das gedacht?

Ich jedenfalls nicht, aber sei's drum: mindestens die Hälfte der Songs auf dieser Platte sind so gut wie seit des 1994 erschienenen Albums "W.F.O." nicht mehr. Der Titeltrack, "The Surgeon", "Wicked Place", "Fever" und "Bag O' Bones" sind knallharte, funkensprühende, energiegeladene Granaten, die jeden Thrashfreak in den Wahnsinn treiben können. Dazu gibt es einige Experimente, die zwar im Kontext Ihres Lebenswerks nicht umwerfend revolutionär erscheinen - die Band hatte vor allem in der Frühphase ihrer Karriere sowohl den Mut wie auch die Fähigkeiten, ihrer Liebe zu Black Sabbath mittels einiger sehr doomigen, schleppenden Songs wie zum Beispiel "Playing With Spiders/Skullkrusher" Ausdruck zu verleihen  - die aber vor dem Hintergrund des Zustands aktuellen Metals fast schon wie ein "Aufstand der Anständigen" (Gerhard "Acker" Schröder) wirken. "Fever" ist beispielsweise eine harzige Huldigung an Ozzy/Sabbath, die angesichts der stimmlichen Ähnlichkeit zum Oppa of Darkness beinahe meinem bislang erfolgreich verlaufenden Unterfangen, einen Ozzy-freien Haushalt zu führen, gefährlich wird. Und obwohl "Fever" hier und da einen ganzen Gang runterschaltet, verursacht es keine Schäden an der wuchtigen Gesamtwirkung des Albums. Toll! "Wicked Place" bringt uns im Chorus ebenfalls einen doomigen Touch mit viel Macht, viel Druck, viel Neunziger. Viel Gut!

Die übrigen Songs sind im besten Fall solide wie "Harder They Fall" oder "Twist Of The Wick", im weniger guten Fall unnötig bis ärgerlich: "Going Home" startet eigentlich als guter, straighter Thrasher mit Reminiszenzen an die "W.F.O."-Ära, bevor er vom melodischen Chorus und den ultrapeinlichen Kosackenchor-Shouts gekidnappt und mit Handschellen gefesselt ins niederste Bierzelt gezerrt wird, wo sich schon Jürgen und Annika das Prosit zur Gemütlichkeit gegenseitig ins Genital singen. Einziger echter Tiefpunkt ist für mich "Won't Be Coming Back" und ich fürchte, ich muss es dabei schon belassen - das ist für Overkill-Verhältnisse schlicht ein unwürdiges Nichts von einem Song. Mir fällt dazu nicht viel ein. 

Insgesamt aber, und abgesehen von zwei, drei heiklen oder gar unterwältigenden Momenten, ist "Scorched" eine echte Überraschung. Ein hartes und gewaltiges, in einigen Passagen sogar intensives Thrashalbum und ziemlich sicher das beste Genrewerk seit Toxik's "Dis Morta" aus dem Jahr 2022. In Hinblick auf den Backkatalog der Band lasse ich mich mittlerweile sogar dazu hinreißen, "Scorched" als bestes Overkill-Album seit 1994 ins Karteikästchen einzusortieren. 

In voller Anerkennung dessen, dass meine Wenigkeit nicht dafür bekannt ist, solche Sätze allzu leichtfertig ins Weltnetz zu häkeln: ich empfehle Ihnen dringend, "Scorched" auf Urknall-Lautstärke zu hören. 

Herzlichst, 
Ihre Ilona Christen 




Erschienen auf Nuclear Blast, 2023.

10.06.2024

Der große Blank When Zero - Stagna - Pressespiegel




DAS SAGEN DIE ANDEREN...


Die Redaktion von 3,40qm unterbricht die 2023er Rückschau für einen klitzekleinen Augenblick, um eine Runde durch den medialen Blätterwald zu schlendern: Hier ist die Presseschau zur immer noch aktuellen 7"-EP von Black When Zero. 

"Stagna" wurde überwiegend mit viel Lob überschüttet - und ich finde, es ist lohnenswert, eine Zusammenfassung der bisher erschienenen Rezensionen zu liefern.


DAS OX:

"Da diese 7“ noch im Dezember erschienen ist, muss ich sie noch zu meinem Jahrespoll der besten 7“s von 2023 hinzufügen. Gut, dass diese Band trotz aller Widrigkeiten durchgehalten hat."




REVIEW




AWAY FROM LIFE

"Es ist wie immer keine leichte Kost, die einem Blank When Zero hier präsentieren, und auch nicht unbedingt für den Mainstream geeignet aber es ist ein richtiger Grower."








BIERSCHINKEN

"Melodisch, viel zu erzählen in den Texten, jederzeit gut hörbar, ohne mit Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Refrains zu arbeiten."







UNDERDOG

"Rasend vor Wut, aber mit Gespür für formbrechende Wellen und Kamikaze-Rhythmik zwischen Melodramatik und Melancholie."








PLASTIC BOMB

"Die beste Hardcore-Punk 7" seit langer Zeit." 





RUEBENMUS

"HC-Geprügel mit sehr harmonischem Gesang. Geil. Wer HC à la IGNITE oder so abfeiert, kommt hier auch nur ganz schwer vorbei."




"Stagna" ist erhältlich als 7"-EP und digital auf Bandcamp:


 


Blank When Zero auf Instagram: https://www.instagram.com/blankwhenzero/



Vielen Dank an die Redaktionen von: Away From Life, Bierschinken, Das Ox, Plastic Bomb, Ruebenmus und Underdog. 

Wir bedanken uns außerdem bei Basti, Fred, Helge, Kiki, Ladegerät und Steven für die Unterstützung. 


01.06.2024

Sonst noch was, 2023?! - Radio Citizen - Lost & Found




RADIO CITIZEN - LOST & FOUND


„Ich habe nicht einen einzigen Sklaven in Katar g‘sehn. Die laufen alle frei ‘rum.“ (Franz Beckenbauer)


Fast aus dem Nichts erschien im Frühjahr 2023 diese Zusammenstellung von Niko Schabel's Radio Citizen Projekt, das von Mitte der nuller bis in die zehner Jahre hinein einigen Staub aufwirbeln konnte. Vor allem das umwerfende Debut "Radio Serengeti" aus dem Jahr 2006 (erschienen auf Ubiquity Records) mit den Hits "The Hop" und "Birds" versüßte mir so einige Tage und Nächte in meiner Wiesbadener Hood, und auch der Nachfolger "Hope And Despair"null war nach der sich aufgrund leicht angezogener Komplexität zeigenden Eingewöhnungszeit ein totales Highlight. Danach verlor ich Radio Citizen unerklärlicherweise aus den Augen, vielleicht einhergehend mit meinem sich immer stärker zeigenden Hang in Richtung Ambient und Dubtechno. Irgendwas rutscht ja immer vom Radar und hinterher hat man dann den Salat. 

Auf "Lost & Found" stehen zehn bislang unveröffentlichte Tracks, die sich an genau jenem Sound der ersten beide Alben orientieren: eine betörende, unwiderstehlich groovende Mischung aus krautigem Soul und Funk mit jazzigen Nuancen und einem freien, urbanen Electronica-Vibe. Wie schon auf den früheren Alben setzt Sängerin Bajka die prominentesten Akzente in diesem so breitbandig inszenierten, an allen Ecken und Enden brodelnden Sound: ihre an Jazzgrößen wie Nina Simone erinnernde Stimme hat soviel Tiefe und Charisma, ihre Phrasierung soviel Einzigartigkeit, dass sich damit praktisch jede gespielte Note in jene Sphären schrauben lässt, die üblicherweise nur von echten Legenden bewohnt werden. Auch die instrumentalen Songs wie beispielsweise "Mountains" lassen mich mit smarten Arrangements und den akzentuierten Dynamiken für verdiente Standing Ovations auf den Wohnzimmertisch klettern. "Lost & Found" ist eine der schönsten Überraschungen des letzten Jahres. Ich weiß nicht, ob man diesen Sound im Kontext der musikalischen Entwicklungen der letzten Jahre mittlerweile schon anachronistisch nennen darf, aber in meinem Buch klingen diese Songs - auch wenn sie einige Jahre auf dem Buckel haben dürften - immer noch frisch und sind mit ihrer funkensprühenden Lebendigkeit absolut zeitlos. 

Eigentlich bin ich geneigt zu sagen: wir brauchen heute mehr denn je genau diese Vibes. Herr Schabel, bitte übernehmen Sie. Ich bin bereit für mehr. 





Erschienen auf Rauschen Records, 2023.