"Awareness is bad for the meat business. Conscience is bad for the meat business. Sensitivity to life is bad for the meat business. DENIAL, however, the meat business finds indispensable."
-John Robbins
Wir unterbrechen unsere Jahresbestenliste für eine kleine Sonderbeilage der Deutschen Bahn: in deren ICE Zügen (ÖKOSTROM, ÖKOSTROM, ÖKOSTRglglglglgl) liegt, hängt und gammelt seit zwei knapp zwei Wochen dieser obszöne Scheißdreck aus, beziehungsweise herum:
Das "Meat Magazin". Auf dem Cover zwei Steaks von irgendeinem armen Rindvieh mit Pfefferkörnern und einem Kräuterquatsch draufgepackt, damit den Damen und Herren Zuginsassen heiter der Geilheitssabber in die Galoschen rinnt, dazu bereits jetzt schon legendär zu nennende Quatschnuss-Schlagzeilen wie "Gut, gesund, nachhaltig - Fleisch gehört dazu" und - mein Favorit - "Reportage: Schwein haben, jeden Tag". Jetzt kann man sich natürlich eins Grinsen, den Kopf schütteln oder den Müll einfach ins ICE-Klo werfen, man kann auch erstaunt die Augenbraue hochziehen und sich darüber wundern, ob die Fleischmafia angesichts von milliardenschweren Exportüberschüssen und 30 Meter langen Fleisch-und Wursttheken in jedem verkackten Supermarkt in Hinterbumshausen tatsächlich schon derart am Hungertuch nagt, dass sie uns nun also derlei Propaganda ins Hirn drillen muss. Andererseits empfinde ich dieses peinliche "Hallo, wir sind übrigens auch noch da, mmhhmmm, lecker Wurst und Fleisch, so lecker, und so gesund - hört nicht auf die ganzen Umweltstalinisten und Gutmenschennazis, Fleisch ist lecker, gesund und wir hätten jetzt wieder ganz gerne, dass Du Dir 18 Mal pro Tag tote Tiere in den Ranzen ballerst, Du Homo!"-Abgestrampel als eine schöne Bestätigung dafür, dass sich der Wind dreht - langsam zwar, aber er dreht sich.
Wie ich nun mal so bin, es geht sich halt partout nicht aus, habe ich weder gegrinst, noch den Kopf geschüttelt, stattdessen tobte das Adrenalin in mir. Und was macht der Florian, wenn er sich noch ein bisschen mehr in blindem Zorn suhlen mag? Richtig: er recherchiert, aus welchen Knallköpfen dieser Fleisch-Unrat herausgefallen ist. Das Ergebnis finde ich gerade so super, dass ich es posten muss - morgen früh, wenn ich ausgeschlafen bin, fällt das Urteil wohl weniger euphorisch aus, aber es geht ja immer um echte Gefühle und Spontanität und um Klobrillen mit Stacheldraht. Und ums Bumsen. Klar.
Auf der Seite
www.susonline.de, dem hochglanzpolierten Webauftritt von "Schweinezucht und Schweinemast", einem Titel aus dem Repertoire des Landwirtschaftsverlags und damit Bestandteil des vielteiligen Bauernlobby-Mosaiks, kann man außer Rechtschreibfehlern und einem Kurzfilm zum Thema "Einblicke in den Transport von Nutztieren", wie ein heißes Messer durch Butter sausend vom Deutschen Raiffeisenverband (DRV) produziert, zu "Meat" folgendes lesen:
"In diesen Tagen ist das Magazin „Meat“ erschienen, das der Deutsche Bauernverband (DBV) für die Internationale Grünen [sic] Woche entwickelt hat. Hiermit werde die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Tierhaltung und Fleischgenuss gestärkt, erklärt DBV-Pressesprecher Dr. Michael Lohse"
vermutlich bevor er sich selbst vollgekotzt hat, weil ihn schlicht der Selbsthass und die Scham überkam.
"Neben Berichten über Landwirte, die Schweine beziehungsweise Rinder halten, bietet „Meat“ unter anderem Tipps zum Wintergrillen, zur Lagerung und zum Einfrieren von Fleisch. Geboten werden dem Leser außerdem ein Steak-ABC sowie diverse Feinschmeckergerichte."
Und wenn der liebe Leser brav ist, findet er vielleicht auch noch ein paar Tipps zum fachgerechten Abknallen von Regenwürmern, Tontauben und Wählern der Grünen.
Soweit hätten wir's dann mitbekommen: es geht um geiles Fleisch und die geilen Stecher, die geiles Fleisch fressen, damit einen die prächtige Bomberpriemel in der Unterhose irgendwann mal am Morgen mit einem kräftigen "MUUUUH!" wecken kann.
Richtig amüsant, jedenfalls für meinen durch Otto Waalkes und Didi Hallervorden geprägten "Humor", wird es indes, wenn man den zweiten auffindbaren Link anklickt und auf die Seite des
Zentralverbands der Deutschen Schweineproduktion e.V. (alleine dieses Wort - "Schweineproduktion", es glitscht einem ja wie Seide über die belegte Zunge) stolpert und sich verwundert die Klüsen reibt:
"Kochsendungen sind IN und Ernährungsthemen En-Vogue. Hiervon profitiert ein Zeitschriftenmarkt, der allzu oft jedoch zur Verbreitung von Diätmythen und Ernährungsregeln missbraucht wird. Einen neuen Weg geht das neue Magazin „Meat“ bei dem die ausgewogene Ernährung im Vordergrund steht. In der aktuellen Ausgabe erhält der interessierte Leser Informationen zu seinem Rohstofflieferanten und Tipps und Tricks zur Zubereitung ausgewogener Mahlzeiten. Mit Mythen wird auch aufgeräumt. Eine Zeitschrift für den interessierten und aufgeklärten Konsumenten."
Der aufgeklärte Konsument also. Das scheue Reh, das jeder kennt, aber noch nie gesichtet wurde, es ist praktisch ein Einhorn, ein scheues noch dazu, ein Wesen aus der Fabelwelt, Märchenonkelhausen, ja schießt mir doch einer einen Bolzen ins Gehänge: der klassische Mythenaufklärer, jedenfalls: wie sich die Redakteure des Zentralverbands der Deutschen Schweineproduktion e.V. "ausgewogene Ernährung" vorstellen, wissen wir dann jetzt auch endlich mal: Fleischtomaten, Wurstsalat, Blutorangen und "ein gutes Steak" (vgl. auch: "Die gute Flasche Wein" oder "Ein gutes Buch"). Ausgewogene Ernährung und ausgewogene Mahlzeiten - ausgewogen ist DAS "En-Vogue"-Wort der Gegenwart. Gegen die Gutmenschen-Bourgeoisie, gegen Mythen und Regeln, gegen den ganzen esoterisch verquasten Klappermist mit Pflanzen, Popeln und Paprika, denn die, Hoppla!, Ernährungsregel im Falle "Meat" heißt ja ganz offenkundig: sei aufgeklärt, friss Tiere.
Wie eine mächtige Lobby wahnhaft versucht, im Kampf um Information, konzeptionelle Déformation und der Neueroberung des Common Sense die Oberhand zu behalten.
Zum Abschluss der großartige Jon Stewart. Ab 12:00. "Look at it."
Nachtrag: Das Video wurde mittlerweile gelöscht und ist auch an anderen Stellen leider nicht mehr auffindbar. Meh.