Platz 10:
OVERKILL - THE YEARS OF DECAY
Overkill waren einer der Hauptgründe, weshalb sich der ganze Schmarrn mit dieser Liste so lange hinzog. Sie lieferten mir den härtesten Kampf bei der Auswahl ihrer Platten. "Feel The Fire" und "The Years Of Decay" standen zur Debatte - das punkige Debut mit einem bunten Strauß früher Speed Metal Hits, oder eben "The Years Of Decay", das mit Abstand ausgereifteste und auch experimentellste Overkill-Album der achtziger Jahre. Overkill begaben sich hier erstmals auf die Reise ins Land der Songs unter 180bpm und bauten um fantastisch produzierte Großtaten vom alten Schlag wie "E.vil N.ever D.ies" und "Elimination" progressive Longtracks wie den balladesken Titelsong, das gleichfalls epische, pechschwarze "Who Tends The Fire" und vor allem die zehnminütige Lavawalze "Playing With Spiders/Skullkrusher" herum, die allesamt von Metallicas "...And Justice For All"-Werk beeinflusst erschienen, allerdings mit der so typischen und praktisch sofort zu identifizierenden, etwas kruden Punk und Hardcore-Schlagseite der US-amerikanischen Ostküstenbands. "The Years Of Decay" war außerdem die letzte Platte mit Ausnahmegitarrist Bobby Gustafson, und es mag Menschen geben, die mit dem Ausscheiden des Hauptsongwriters den beginnenden Abstieg Overkills erkannt haben wollen. Ich will soweit nicht gehen, schließlich folgten noch drei gute bis sehr gute Alben, bevor das Licht immer dunkler wurde, aber Overkill waren ohne Bobby wenigstens angeschlagen. Unabhängig davon: "The Years Of Decay" ist mein Lieblingsalbum von Overkill und es eröffnet damit auch den Reigen meiner Top 10.
Erschienen auf Atlantic, 1989.
Platz 9:
SACRAMENT - HAUNTS OF VIOLENCE
Über dieses Juwel hatte ich schon in meiner "Verstaubt & Liegengelassen"-Reihe mit einiger Überraschung referiert, und meine Begeisterung hat sich seit 2009 nicht merklich eingetrübt. Noch immer ist "Haunts Of Violence" die größte Überraschung der letzten 15 Jahre für mich und es ist glückliche Fügung des Internets, dass eine Seite wie Classicthrash.com existiert, deren Autor der Platte eine Nominierung für den Titel "the best thrash metal release that most people never heard of" ums Nietenarmband wickelte. "Haunts Of Violence" ist eine hochkomplexe, technische, staubtrockene Riffschlacht, die unter dem Kopfhörer eine beinahe hypnotisierende Wirkung entwickelt. Die Band ist praktisch durchgehend am Limit, gleichzeitig so manisch kontrolliert wie verspielt. Sacrament machten sich um das vermeintliche Hitpotential ihrer Musik keine Gedanken - die Band hatte einen ganz anderen Plan: man krallt sich die Freaks, die sich auf ein solches Monstrum einlassen können und wollen, lässt die Rolläden runter und spielt tagelanges Riff-Tetris. Und in zwanzig Jahren schreibt irgendein Quatschkopf einen Beitrag in sein Tagebuch, über eine Platte, die kein Mensch kennt. Zumindest dieser Plan ging auf. Das einzige große Ärgernis mit "Haunts Of Violence" sind die religiösen Texte. White Metal. Was für ein Missverständnis.
Erschienen auf Rex Music, 1992.
Platz 8:
NUCLEAR ASSAULT - GAME OVER
Spätestens ab dieser Platte wird die Luft hinsichtlich meiner ausgeknobelten Reihenfolge bedenklich dünn. "Game Over" ist eine der wildesten und bis heute frischesten Thrash Alben aller Zeiten. Der Drive dieser New Yorker Band ist legendär und es gibt nicht viele Platten, auf denen mir alleine die ersten vier Tracks so viel Spaß machen wie hier. Eigentlich möchte ich bei jedem Hören wegen dieser entfesselten Raserei mindestens den ganzen Stadtteil in Schutt und Asche legen, und am besten tät ich's in diesem Kostüm. Und zum gerade mal 46 Sekunden dauernden "Hang The Pope" ("Let's go to the Vatican, get him out of bed / Put the noose around his neck and hang him till he's fucking dead") wird ins Taufbecken gepinkelt - ist ja offenbar eh nix Neues. Charakteristisch für Nuclear Assault war neben der stetig durchklotzenden Doublebass zum einen der hohe Gesang von John Conelly, der das furiose, mit Hardcore-Elementen angereichterte Gedresche damit bestens unterstützte, zum anderen der nur leicht angezerrte Gitarrensound, der sich mit dem höhenlastigen Bass-Geklacker von Kiff-Schlonk Danny Lilker bestens ergänzte. "Game Over" ist vom ersten bis zum letzten Ton ein Ausbruch frischer, jugendlicher, unbekümmerter Kraft.
Erschienen auf Combat, 1986.
Platz 7:
SACRED REICH - THE AMERICAN WAY
Nach diesem Speedmonster von Nuclear Assault hat es "The American Way" tatsächlich ein bisschen schwer, aber das liegt nicht an dieser Platte. Sacred Reich killen hier mit Style und nicht nur mein ehemaliger Deutschpauker Gert "Get" Beck hätte mich für diesen Ausdruck mindestens gepfählt. Inhaltlich ist's aber völlig richtig, es wird sogar richtiger, desto öfter ich die Platte höre. Nach dem sehr flotten Debut "Ignorance" nahmen Sacred Reich für "The American Way" zwar ordentlich den Fuß vom Gaspedal, haben dafür in Sachen kompakte, groovende Songs mit minimalistischem, aber hypereffizientem Riffing alles in den Ring geworfen, was sie hatten. Das Ergebnis waren acht künftige Klassiker, die musikalisch einen hohen Wiedererkennungswert hatten und textlich ganze Universen von dem üblichen "Blut & Gedärm"-Krempel entfernt waren. Ihre Beobachtungen über Umweltverschmutzung in "Crimes Against Humanity", den Abstieg der US-amerikanischen Gesellschaft im Titelsong, den Gerichtsverfahren gegen Metalbands, weil sie Jugendliche in den Selbstmord getrieben haben sollen in "Who's To Blame", oder natürlich die Funk-Hymne "31 Flavors", die all den jungen Metalheads "Open your mind!" in die Muschel trompetete und bis heute die Beschränkten auf die Palme bringt - Sacred Reich waren schon damals einfach eine hochsympatische Band mit Typen, die man gerne als Kumpels gehabt hätte, und "The American Way" ist in ihrer Erhabenheit und Eleganz zweifellos ihre beste Platte.
Erschienen auf Roadrunner, 1990.
Platz 6:
EXHORDER - SLAUGHTER IN THE VATICAN
Und wo wir gerade die intelligente Thrash Metal-Version hatten, geht es mit dem Debut dieser vier Kaputten ziemlich tief in den Asi-Keller. Der Text zum Song "Anal Lust" stieß die Druckerei, die das Textblatt fertigestellen sollte, angeblich derart ab, dass sie ihn schlicht nicht druckte...was daran Wahrheit, Mythos oder ein Promotionschiss der Plattenfirma war, werden wir nicht erfahren - aber "Anal Lust" ist selbst mit der größten ironie- und humoraffinen Brille eine höchst diskussionswürdige Angelegenheit. Davon abgesehen ist das Debut dieser Kapelle aus New Orleans auch musikalisch eines der unbarmherzigsten Werke aller Zeiten, sofern das wirklich ein Qualitätsmerkmal sein kann. Riesenüberraschung: es kann! Es gibt Momente auf "Slaughter In The Vatican", die so heavy sind, dass man sich wirklich freiwillig den Kopf zwischen Stahltür und -rahmen einklemmen will und der eigenen Mutti befiehlt, mal kräftig zuzuschlagen. Die Tür, wohlgemerkt. Mit 'nem Unimog. Und das meine ich selbstverständlich ausnahmslos positiv. Scott Burns mauerte seine gefürchtete und berüchtigte Morrissound-Soundwand (die die Band übrigens nach eigener Aussage aus tiefstem Herzen hasst), deren musikalisches und lyrisches Fundament aus blanker Niederträchtigkeit und außer Kontrolle geratenem Rowdytum besteht. Ich bin jetzt 36 Jahre alt und sollte mich vielleicht eher mit Beyonce oder Joe Cocker beschäftigen, aber dieses unvergleichlich primitive Gehacke verdreht mir jedes Mal aufs Neue den Kopf. Was ich ausnahmsweise mal nicht nur bildlich verstanden haben möchte.
Erschienen auf Roadrunner, 1990.