EVAN CAMINITI - DREAMLESS SLEEP
Falls sich noch jemand an meine mehr als nur lobenden Worte über und für Caminits "Night Dust" Album vom vergangenen Jahr erinnert, wird sich ein, zwei Gedankenfunken später möglicherweise gefragt haben, wo denn die zwangsläufige und damit konsequente Huldigung zum kurz darauf erschienenen "Dreamless Sleep" Album zu finden sei. Bis vor sechs Wochen hätte ich noch rotzfrech geantwortet, dass ich für so dicht aufeinanderfolgende Platten qualitativ keine Hand ins Feuer legen würde, und ich mir von einer Solotyp-streichelt-die-Gitarre-Musik jetzt auch nicht endgültig jede Veröffentlichung neben das Bio-Basilikum ins Regal stellen muss. Was natürlich alleine ob meiner BVDUB-Verehrung und dem damit verbundenem Konsumrausch hinsichtlich seiner mindestens drölf Trilliarden Platten pro Quartal wenigstens diskussionswürdig, wenn nicht gleich komplett plem-plem ist, aber das müssen wir jetzt nicht brutalstmöglich aufklären, am End' weint wieder jemand und dann haben wir den Salat. Außerdem hatte ich an "Night Dust" derart helle Freude, dass es einfach nicht mehr benötigte. Ich bin's selten genug, aber ich war halt mal total glücklich und zufrieden.
Ich wusste also, dass "Dreamless Sleep" existiert, aber ich ließ es links liegen - bis ich das Werk für schlappe 12 Euro beim guten Herrn Ratzer, besser gesagt in dessen Stuttgarter Plattencafé herumliegen sah. Und für 12 Euro, dazu ein gutes Jahr nach "Night Dust", würde ich mir selbst eine Maxisingle von Marianne & Michael andrehen lassen. Fast. Meine Reaktion nach alleine dem ersten Hördurchgang mag sich jetzt jeder selbst denken können; der freudetrunkene Gesichtsausdruck in Richtung der nebenan sitzenden Herzallerliebsten, verbunden mit einer prachtvollen Erektion, Quatsch: Endorphinquote im Hypothalamus (ich bin kein Wirbeltier, aber es passt halt dramaturgisch ganz gut rein, in den Text...Apropos: Schleimaale sind auch Wirbeltiere!) brachte mich auf Badeschaumwolke Sieben. Zunächst gilt es festzustellen: "Dreamless Sleep" ist weniger architektonisch als sein Vorgänger. Die räumliche Struktur von "Night Dust" hat sich an feinstofflichen Schwebeteilchen geheftklammert und sich somit zu tatsächlich nokturnen Zwischenwelten hinwegamorphelt, die Dich und die Deinen durch das tragen, was "zumindestens"(Tom Angelripper) in meinem Buch unter dem Rubrum "Leben" abgebildet ist: auf dem Musiksessel sitzen, die Kopfhörer auf den Ohren, die Lautstärke in einem Bereich gepegelt, der gesundheitlich sicherlich nicht so völlig astrein ist - aber wenn er dann kommt, dieser Erweckungsmoment, dieses Durchschlüpfen zu der Erkenntnis, gerade einem ziemlich Großen zuzuhören, wie er uns da mit perfekt ausbalancierter Ästhetik die Nacht erklärt, er uns wie Copperfield in der Schwebe hält, im Nebel, der Gischt, spürt man trotz des einen umgebenenden irdischen Irrsinns plötzlich die Erleichterung darüber, dass es die andere Seite eben auch noch gibt. Die lebendige, die aufgewachte und bewusste Seite. Mehr kann Musik nicht für Dich tun.
Erschienen auf Thrill Jockey, 2012.
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