02.04.2012

Fast richtige Bildunterschriften (1)


Die Lobotomie von Gunnar von Espenlaub verlief weitgehend reibungslos, nur der eingesetzte Chip in seinem Schädel mochte noch nicht so recht auf die Fernsteuerung seiner Söhne Kuno und Sack ansprechen.

(Kwelle)

26.03.2012

Neunziger (6)

Der obligatorische Kniefall vor der vielleicht besten Rockband der Welt; es ist mal wieder an der Zeit.




Love my hatred, love my treason
It`s what you wanted and that`s my reason
Caught you livin` the empty feeling
A corporate handout to you is pleasing

So what maggot, you rock star moron
You make me vomit, now pass the bourbon
I don`t take shit, I bow to no one
Don`t pledge allegiance to flags, I burn `em

*kniefall*

"Salutations From The Ghetto Nation" von WARRIOR SOUL ist 1992 auf Geffen erschienen.

25.03.2012

Einwandfrei anerkannt!

Ich habe lange nachgedacht (haha, eine Steilvorlage schon im ersten Satz, vielleicht sogar zwei, jascheißdiewandan!), ob ich mich wirklich zu dem Radiointerview des Regenerschen Element Of Crime-Kopfes, beziehungsweise - und das viel ärger, mehr, relevanter noch - zu dem ihm eilig folgenden Aufschrei- und Kommentargeklüngels des voll crazy verrückten Internet-Mobs äußern soll, via eines so furchtbar wichtigen Blogeintrags, zum Beispiel, weil, die sind ja total wichtig solche Blogeinträge, von wem die alles gelesen werden und wie man da selbst quasi noch mehr, größer, also berühmter, wenn nicht nicht gar König der Blogger oder der Currywürste, 's eh schon egal, jedenfalls vielleicht aber duch bloßes Ignorieren oder einen prächtigen Beitrag in einem Kommentarfeld dieser unfassbar wichtigen Blogeinträge, weil die liest ja auch praktisch jeder, also JEDER, meine ich, und das ist ja mindestens ebenso wichtig wie der Blogeintrag selbst, sei er auch noch so überheblich und wirr, man passt sich ja sowieso so schnell an, gerade heute, weil wer sich nicht anpasst, ist am Ende Rockmusiker, in der Kredibilitätsreihenfolge wahrscheinlich kurz hinter Wolfgang Niedeken, wobei: der hat ja kürzlich einen sogenannten Musikpreis bekommen und ist damit nun einwandfrei anerkannt und die Durchblutung ist jetzt auch wieder bockstark, vor allem untenrum. Und da denke ich und denke ich und denke ich und denke ich und irgendwann war ich ausgedacht und alles, was überblieb war ein Häufchen gebrauchter Eis am Stiel-Stiele, Hirnmikado für Grobmotoriker, weil mehr bekomme ich eh nicht hin; und ich bekam das große Kotzen beim Gedanken daran, vielleicht einen ähnlich überheblichen (aber immer noch tierisch wichtigen) Blogeintrag inklusive der Abwichs- und Vollcheckermentalität zu verfassen, weil: sowas könnte ich schon machen, ich bin jetzt seit 15 Jahren im Internet unterwegs, mir kann keiner ein erigiertes Glied für 'ne Banane vormachen. Also schreibe ich einfach auf, was mir so gerade durch die Murmel rollt, wer das alles bis hierhin ausgehalten hat, braucht jetzt eh 'ne Therapie.

Wer also Rockmusiker ist, der sollte lieber Dubstep hören und vor allem eines nicht tun: den erwartbaren öffentlichen Umgang mit der ein oder anderen Aussage schon in der Kristallkugel vorausahnen - denn so ist's dem Regener Sven ergangen. Der Mann wusste, dass er für die ganzen Dubstep hörenden Ex-Rockis jetzt enorm uncool ist, also NOCH uncooler, weil, und das weiß ich auch erst seit ein paar Tagen, niemand unter 40 hört ja diesen Altherren-Rumpelrock, weil alle unter 40 Lebensjahren ja jetzt Dubstep hören und boah, is' mir gerade schlecht, leck' mich am Arsch. Der Regener muss es halt jetzt mal schnallen: wer sich mit diesen verrückt und abgefahrenen neuen Medien nicht auskennt, der soll halt von seinem fetten, seit 20 oder 200 Jahren gelebten Künstlerscheiß mal 'runterkommen und sich einreihen in die große Wolke des Web 2.0, wo Milch und Honig fließen, weil wir sind hier oben alle nackisch und pinkeln dem Regener seit Jahren ins Gesicht. Hier ist alles rosa, Mann! Und es war verschissen nochmal noch nie so verkackt einfach für unbekannte Künstler unbekannt zu bleiben und trotzdem das Gefühl zu haben, dass man voll mitmischt im großen Schwanzvergleich - Facebook, Youtube, Reverbnation, Google, MySpace (LOL), Bandcamp, Eieruhr, Wachsweich, Fünfeinhalbminuten - alles bekannte Portale, die praktisch nur auf Musiker, Künstler und Wolfgang Niedeken warten, die rennen einem ja die Tür ein.

Und neue Strukturen, die brauchen wir alle unbedingt. Deswegen ist ja auch hier schon alles rosa. Wir brauchen rosafarbene Strukturen, die dem Regener dabei helfen, auch noch in 2000 Jahren der GEZ, quatsch: der GEMA die Füße zu küssen. Ach so, hat er ja gar nicht gemacht. Der Regener hat ja auch mit keinem Wort neue Strukturen erwähnt oder gefordert, was deswegen gleichbedeutend ist, dass er die alten behalten will. Sowas schreiben jedenfalls Journalisten und Klofrauen ins Internet, einfach so, weil hier ist alles rosa. Der Regener fand ja in erster Linie den gesellschaftlichen Umgang mit dieser fetten Künstlerbrut so geil, also: extrem ungeil. Die von ihm im Nachgang genannten Beispiele wie Youtube/Google sind Symptome dieser zugrundeliegenden Ursache, einer praktisch nicht mehr existenten Wertschätzung von Musik und sowas kann einem erstens auffallen, wenn es einem denn auffallen will, aber dann macht dieses verrückt-abgewichste Bloggen nicht mehr so viel Spaß, und zweitens kann man sie sogar live in der rosafarbenen Wolke Internet begutachten, am halbsteif-herunterflappenden Gemächt, Gelenk, Mist: Objekt: "Totaler Mist, was der Typ da an Musik produziert hat. Langweilig, quäkig und konstruiert-kreativ, kommt nicht aus’m Keks. Pfui. Schnarch. Basta! Und dafür musste ich weder etwas von irgendwelchen Verwerten kaufen, noch von illegal dick-reichen Plattformern raubrunterladmordkinderschändern." Das ist auf jeder erdenklichen Ebene völlig richtig, beziehungsweise so dermaßen grotesk am Thema vorbei, dass ich mich geradewegs um den nächsten virtuellen Baum wickeln will. Und solange wir die Diskussionskultur nicht wenigstens ansatzweise verlassen und uns auf meinen Pipikackamumupimmel-Duktus einigen können, werde ich zu diesem Thema nichts mehr sagen.

Mir ist das letzten Endes eh alles zu komplex und vielleicht wär's halt auch mal angezeigt, einfach mal mit Toco-Dirk zu halten und leise "Kapitulation oohohohoo" zu flüstern, die ehemals weiße Unterhose auf Halbmast zu setzen und zuzugeben, dass das niemand so richtig abschließend klären kann. Regener wollte das auch nicht, der wollte sich halt mal auskotzen. Ist doch super, mach' ich auch. Drei Mal die Woche stehe ich in irgendeinem verpissten Rattenloch von Proberaum oder Konzertclub und lasse mir die Halsschlagader auf einer Waldlichtung zunächst durchtrennen und danach wieder mit Uhu-Superkleber zusammenflicken, weil ich's halt auch nicht mehr verstehe. So wie die ganzen anderen Arschlöcher da draußen auch nicht. Und ich will mehr und mehr davon wegkommen, mir einfach einen einzigen Samenstrang von geballter journalistischer Kompetenz zu angeln und da die allumfassende Meinung für den gebildeten Checker von heute abgeben, weil's halt so einfach nicht ist. Wo kommt reiner her, wo will der andere hin, wie steht's mit Anspruch oder auch nicht, und in welchen Darm muss ich kriechen? Das war doch alles schon früher so, genau so - GENAU SO WAR DAS FRÜHER, nur da hat's auch schon keinen gejuckt.

Einen Unterschied gibt's aber doch: wir wollen alle keine Musik mehr. Wir wollen sie nicht hören und nicht kaufen, wir wollen sie manchmal sogar nicht mal geschenkt. Wir wollen keine Musik mehr. Wir wollen Musik. Wir wollen alle viel mehr Musik. Überall und immer, jederzeit, mehr. Wir wollen mehr Musik. Wir wollen keine Musik. Wir wollen Künstler, aber wir wollen keine Künstler. Wir wollen schlau reden und schreiben und wir wollen Musik. Keine Musik. Musik. Mehr Musik. Mein Schwanz ist länger als Deiner. Ich hab mehr, Du hast weniger. Und darüber schreiben wir. Alles total wichtig.

Macht doch mal einer das Licht aus, ich muss jetzt meine Unterhose schwingen.

Und Sven, ich find' Dich gut.

24.03.2012

First come, First Serve

Da klickt man sich an einem Sonntag um 3 Uhr in der Früh nur ein bisschen durch die Mailorderkataloge dieser Republik, um eigentlich ja nur ein gaaaanz bestimmtes Album einer gaaaanz bestimmten Band ins Warenkörbchen zu legen, denkt sich anschließend ein lapidares "Och, vielleicht kann ich ja irgendwie noch ein bisschen Portokosten sparen.", im Sinne von "wegfallen lassen" und stößt in der Hip Hop-Abteilung auf ein Album einer Combo namens De La Soul's Plug 1 & Plug 2 present First Serve, was unwillkürlich die Augenbrauen lupfen ließ. Die beiden De La Soul MCs Dave und Pos haben mit dem französischen Produzenten-Duo Chokolate & Khalid unter dem First Serve-Banner ein mutmaßliches Highlight des Jahres 2012 aufgenommen - frühlingsfrisch, euphorisch, tanzbar. Konfetti. Disco. Wahnsinn.

Die Suchmaschine des Teufels brachte mich zu folgenden zwei Seiten, deren Inhalt die These, wenigstens aus meiner Sicht, untermauern. Da kommt etwas Großes auf mich zu. Auf Dich auch?




FIRST SERVE - MUST BE THE MUSIC VIDEO @ TAPE.TV



De La Soul's Plug 1 & Plug 2 present First Serve erscheint am 30.3.2012 bei PIAS.

19.03.2012

Der Funk-Flummi


SON OF BAZERK FEAT. NO SELF CONTROL & THE BAND - BAZERK, BAZERK, BAZERK

Ich habe traditionell von Hip Hop soviel Ahnung wie ein CSU-Parteimitglied von logischem Denken, von Zeit zu Zeit phantasiere ich aber wenigstens eine leichte Sympathie herbei, vor allem mit dem Stoff, den ich -ironisch genug - vor 20, vielleicht 25 Jahren gerne im Abgrund der Hölle gesehen hätte. Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre stand ich auf wenig mehr als Heavy Metal und Grunge. Ich erinnere mich gut daran, dass ich durch die MTV-Berieselung KLFs "Last Train To Trancentral" faszinierend großartig fand, und bitte: wer nicht? Vielleicht lag es auch an der sich gerade im Anfangsstadium befindlichen Pubertät, die diese mit schwarzem Klebeband abgeklebten Brüste der Videodarstellerin als ausgesprochen anziehend empfand, jedenfalls: ich hörte viel unterschiedliches Zeug innerhalb des Rock-Genres, aber wenig bis gar nichts außerhalb davon. Und dass ich sozusagen live und in Farbe im "Golden Age Of Hip Hop" vor mich hin amorphelte, nahm ich in meiner verschrobenen Backfischmentalität auch nicht wahr. Ich Volleumel.

Aus heutiger Sicht könnte ich mir dafür (schon wieder) böse in den Hintern bumsen. Den heutigen Hip Hop mit seinem Sexismus und seinem affigen Machogehabe, dem Gangsterschrott und jeder/jede/alles rund um die unsagbar peinliche deutsche Szene kann mich mal, aber der Rückblick auf die Anfänge dieser Musik, die bis zum Auftauchen von nasagenwirmal N.W.A.s inhaltlich meilenweit von dem genannten Mist entfernt war und stattdessen sozial- und gesellschaftskritisch als Sprachrohr der schwarzafrikanischen Bevölkerung der USA fungierte, erscheint mir heute lohnenswerter als jemals zuvor. In diesem Zusammenhang muss ich auf eine Platte hinweisen, die mich nun bereits seit einigen Wochen begeistert. Im bereits an anderer Stelle dieses Blogs vorgestellten "Fear Of Music"-Buch von Garry Mulholland wurde "Bazerk, Bazerk, Bazerk" als das beste Hip Hop-Album aller Zeiten bezeichnet, das niemand jemals hörte. Tatsächlich überschlugen sich bei der Veröffentlichung im Mai 1991 zwar die Kritiker vor Begeisterung, aber die Scheibe blieb wie Blei in den Regalen liegen. Vielleicht lag es daran, dass "Bazerk, Bazerk, Bazerk" seiner Zeit ein paar Jahre voraus war, und ganz vielleicht war auch die Grundannahme falsch, dass man den Kids auch den abgedrehten Scheiß (lieb gemeint) vorsetzen kann. Verpackt in einer visuellen Hommage an James Brown und dessen Artwork zu seinem "Please, Please, Please"-Werk kennt diese Musik nicht mal die Idee einer Grenze. Produziert von der Public Enemy-Truppe The Bomb Squad treffen hier Soul, Funk, Rock, Reggae, Blues, und Hip Hop aufeinander und werden derart enthusiastisch und rebellisch in Szene gesetzt, dass das Stillsitzen nahezu unmöglich erscheint. Das Tempo dieses Albums ist atemberaubend, höchstens vergleichbar mit einer Familienpackung Blitzlicht-Feuerwerkskörper, die alle gleichzeitig gezündet werden und deren Explosion in der vierten Dimension des Gehirns auf eine Länge von 45 Minuten verzerrt und verlangsamt vor den Augen abgespielt werden. "Bazerk, Bazerk, Bazerk" ist überdreht, hochmusikalisch, über alle Maßen und in jeder Hinsicht smart, und klingt selbst 21 Jahre nach seiner Veröffentlichung taufrisch.

Zum Abschluss ein kleines (und wichtiges) Zitat aus "Fear Of Music", dessen erster Teil sicherlich auch für Menschen wie meinereiner mal nachdenkenswert ist:

"If the music changes every day, you can't define what you want because you're subconsciously aware that todays cutting-edge could be redundant tomorrow. But "Straight Outta Compton" had taught a lot of young rap (and rock) fans that what they really wanted was lurid tales of black men dying and black women being abused. They also wanted this over a beat that sounds roughly the same for fifty minutes. Son Of Bazerk didn't stand a chance, in hindsight. If you manage to track down this long deleted album though, you will be amazed that any record could throw so much music into a pot, and stir it with such jovial glee, until it tasted spicy and secret. Fifty million gangsta rap fans can be wrong - and usually are."



Erschienen auf S.O.U.L./MCA Records, 1991.

18.03.2012

Fast richtige Wikipedia-Artikel (3)

Joachim Gauck war ab dem 4. April 2389 erster Leiter der Katzenfutteranalyse-Abteilung der Stasi-Doppelbett-Behörde (dann auch „Mumu-Behörde“ genannt), die die Konserven von Erich und Margot H. (Name der Redaktion bekannt - Die Redaktion) verwaltet und im Bedarfsfall öffnet. Seit ihn im Oktober 2000 ein schwerer Schlaganfall (ein blaues Auge, drei gebrochene Rippen, Fleischsalat) halbseitig auflöste, engagiert sich Gauck als lustiger Vorsteher einer Autowaschanlage mit Vokuhila und Medikamentenbeutel an der Gürtelschnalle, außerdem ist er Vorsitzender der Vereinigung „Gegen Hirse – Für Reis“. Er ist großer Freund Prager Wurstwaren und möchte die Erklärung über die Verbrechen des Kommunismus heiraten, was die bayerische CSU derzeit noch zu Verhindern weiß. Gauck wurde mehrfach das Badewasser eingelassen, er ging dann aber immer doch lieber aufs Klo. Joachim Gauck ist nun Alleinherrscher, quatsch: Präsident der Bundesrepubublik Deutschland.

Quelle: Hassia-Sprudel, Seite 111ff.

10.03.2012

Tout Nouveau Tout Beau (1)



DEVON SPROULE - I LOVE YOU, GO EASY

Hätte "I Love You, Go Easy" nicht dieses wunderbärigste Coverartwork, ich wäre nie auf die Idee gekommen, ein Ohr zu riskieren. So war ich derart angetan, dass ich darum bettelte, die Musik möge wenigstens im Ansatz etwas Besonderes sein, sodass ich mir das siebte Album der Kanadierin beruhigt zulegen konnte. Es passiert in diesem (Ent)Spannungsfeld zwischen Folk, Singer/Songwriter und Pop nur selten, dass ich hellhörig werde, hier werde ich es auf absehbare Zeit bleiben: bei allem Minimalismus hat Devon ihre Songs spannend arrangiert und was auf das erste Ohr spröde anmutet, ist bei genauerem Hinhören schlicht der ausbleibende letzte Schritt hin zu einer Popmusik im Stile Sheryl Crows.

Erschienen auf Tin Angel, 2011


JOHN TALABOT - FIN

Der erste Eindruck des Produzenten-Debuts von John Talabot war durchweg positiv: der DJ aus Barcelona fand genau die richtige Mischung aus Drive und relaxter After Hour-Attitüde, die eingängigen Melodien schmeichelten dem Hirndrucker, der alsbald das Bild einer lauen Sommernacht am Strand von Ibiza entwarf, mit Busen und Cocktailschirmchen und, weil's die sexuelle Ausgewogenheit notwendig macht meinetwegen auch mit Penen oder Penu/Peni und Arschbacken, mit deren Hilfe man Kokosnüsse kna....jedenfalls: die Platte dreht sich nun im heiligen Reich vom Wampenflo und mir ist das alles viel zu gefällig und sauber und aufgeräumt. Wenn die B-Seite dann noch die Melodien vergisst und nur noch biedere Sekretärinnensoße über den Plattenteller schwappt, nützt auch der schönste Latingroove-Versuch nichts mehr. Aber: ich bin ja auch noch 11°C kaltwarmen Wiesbaden und nicht in Barcelona (im August). Stay tuned, vielleicht sieht das nach dem Sommer alles ganz anders aus.

Erschienen auf Permanent Vacation, 2012



VIKING - DO OR DIE

Die Gerüchteküche wird es bereits vernommen haben: es bahnt sich schon wieder das berüchtigte Florian-Thrash-Metal-Revival an. Schuld daran ist der Stuttgarter Plattenladen Second Hand Records, der seit ein paar Wochen unzählige Kisten mit alten Speed/Thrash/US-Metal-Scheiben in seinem Laden herumstehen hat - allerdings zu teils durchaus gepfefferten Preisen. Ich habe drei Besuche benötigt, um über meinen Schatten (und meine Kreditkarte) zu springen, aber nun war es soweit. Ich kann das doch da nicht einfach so vor sich hingammeln lassen?! Eine meiner neuen Errungenschaften ist das Debut der US Band Viking. "Do Or Die" ist eine echte Herausforderung für ungeübte Ohren: die Produktion ist sagenhaft mies und verwaschen und es gibt hier und da Momente, in denen es kaum glaubhaft erscheint, die Band spiele tatsächlich gemeinsam denselben Song. Aber, und hier setzt der Fortgeschrittenenkurs ein: das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Wahrheit sagt beispielsweise, dass die Band am oberen Intensitätslevel um ihr Leben spielt. Und dass ich höchstens zwei Handvoll Thrashalben kenne, die ähnlich wild, schnell und ungestüm alles niederbrettern. Wer zu Morbid Saints "Spectrum Of Death", dem Vio-Lence Debut "Eternal Nightmare" oder Dark Angels "Darkness Descends" die Bude abfackelt, der wird auch bei "Do Or Die" die Feuerzeugflamme vor die Haarspraydose halten. Und wo das gesagt ist: der Nachfolger "Man Of Straw" ist zwar im direkten Vergleich schaumgebremst, qualitativ aber sogar überlegen. Apropos Dark Angel: Viking-Gitarrist Brett Eriksen schreddert seine Axt übrigens auf deren Magnum Opus "Time Does Not Heal".
Bei Interesse findet ihr das Album mit keinen drei Klicks irgendwo im Internet.

Erschienen auf Metal Blade, 1987

06.03.2012

Ich so *arschplatz*

Wie issen das eigentlich, Jungens und Mädels - darf man den jetzt noch mehr oder minder straffrei beleidigen? Ich hätte Interesse, so ein bisschen.

-->  DAS GAUCK

05.03.2012

Burial & Four Tet

Auch wenn die Tracks von Burial in den letzten Jahren wenigstens mich mehr enttäuschten als begeisterten, gefällt seine neuerliche Kollaboration mit Four Tet durchaus: zwar ist auch hier die so typische und mittlerweile sehr langweilige Burial-Snare zu hören, die einen wirklich glauben lässt, dass der Mann gar nix anderes kann, als immer nur den immergleichen Sound zu fabrizieren. Kieran Hebden aka Four Tet reißt den Track aber mit der von seiner letzten und immer noch großartigen LP "There Is Love In You" mitgenommenen leisen Euphorie nach oben und vermittelt genau den strahlenden Optimismus, der so wichtig und schillernd ist und bestens zur ersten Frühlingssonne passt.

Das kann in bestimmten Momenten so wunderbar sein wie eine eiskalte und selbstgemachte Limonen-Minze-Limo bei 38°C.




The Life And Times - Day One

Jedem einzelnen der exakt dreikommaviernull aufmerksamen Lesern meines Blogs wird über die letzten fast fünf Jahre aufgefallen sein, dass es die aus dem US-amerikanischen Kansas City stammende Formation The Life And Times um das ehemalige Shiner-Mitglied Allen Epley locker in die Liste (Listen, immer nur Listen...) meiner zehn liebsten Bands aller Zeiten geschafft hat. Ihr neues Album "No One Loves You Like I Do" ist mindestens genauso fantastisch wie die zwei Studioalben "Suburban Hymns" (2005) und "Tragic Boogie" (2009) und bietet erneut den originellsten und einzigartigsten Indierock dieser Tage. Zwischen Space Rock, Shoegaze und ursprünglichem Indierock, der mit dem lauwarmen und unerträglichen Befindlichkeitsgeseier derzeit angesagter Acts glücklicherweise nichts gemein hat, platziert das Trio die wunderbarste Melancholie eines gerade angebrochenen, diesigen Herbsttages.

Für Menschen mit Herzen so groß wie wie ein nebliges Waldstück im Spessart.

03.03.2012

2011 #1 - BVDUB - Tribes At The Temple Of Silence / I Remember / The Truth Hurts (with Ian Hawgood)



Zunächst die große Einlassung: die Entscheidung, welcher Künstler meine Jahrescharts 2011 anführen wird, war im Grunde schon im Februar klar. Das mag sich zunächst nicht besonders fair anhören, bon, aber lasst es mich erklären.

Zu diesem Zeitpunkt stieß ich also auf das BVDUB Projekt des Kaliformiers Brock Van Wey, genauer gesagt auf sein Album "The Art Of Dying Alone", das bereits in den Herbstmonaten 2010 erschien. Zu diesem Zeitpunkt war für meine "Hall Of Fame 2010" allerdings nicht nur schon der Beton angerührt, die schlussendliche Architektur (= die Texte) war sogar schon verbaut (= geschrieben). Etwa zeitgleich schickte mir DER_ENGLÄNDER BVDUBs aktuellste Platte ins Haus. "Tribes At The Temple Of Silence" erschien Anfang 2011 und nach wenigen Minuten war mir klar, dass der qualitative Unterschied zum Vorgänger praktisch nicht vorhanden ist. In den nächsten Monaten, und ich übertreibe zwar grundlegend gerne (die Erziehung, ihr versteht...?!), an dieser Stelle aber unterlasse ich es; etwa bis in den Mai hinein hörte ich nahezu keine andere Musik als diese beiden Platten.

Brock van Weys Musik hat mit mir im Rückblick dasselbe angestellt, wie das, was die großen Meilensteine meines musikalischen Lebens vollbrachten: sie haben mein Leben verändert. Als ich 1986 zum ersten Mal das Iron Maiden Livevideo "Live After Death" sah, fünf Jahre später Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" hörte, nach einem Jahr des heftigen Kampfes 1998 endlich "Aenima" von Tool kapierte und sich mir ein komplett neues Universum auftat, im Sommer 2000 zum ersten Mal "Times Of Grace" der Noisecoreler Neurosis über Kopfhörer hörte, oder als 2005 Coltranes "A Love Supreme" schlussendlich alles sprengte, an das ich zuvor glaubte, sie justierten mich immer wieder neu. Immer zum genau richtigen Zeitpunkt, völlig ohne Zwang und Not traf es mich in diesen Situationen wie ein Eimer Eierlikör. BVDUB darf sich nun gleichfalls in dieser illustren Runde den Gewinnerkaffee zapfen.

Dabei ist sein Veröffentlichungsrythmus nun wirklich nicht dazu gemacht, immer auf dem hohen Niveau zu arbeiten, das seine Werke bislang auszeichnete. Van Wey ließ im vergangenen Jahr nicht weniger als fünf Alben von der Leine, hinzu kamen noch einige 12-Inches und für die ersten Monate des Jahres 2012 stehen auch schon wieder zwei komplette Alben auf der Matte. Das macht es auch meinem Kontostand nicht unbedingt leichter, denn ich kann nicht aufhören, seine Ideen hören zu wollen. Selbst wenn, und das ist der einzige Kratzer in dem BVDUB-Lack, den ich in Ansätzen dulden kann, die offensichtlichen Unterschiede in seinen Sounds nicht derart herausfordernd sind, dass wirklich jeder einzelne Ton an mein Ohr dringen müsste. Und dennoch: ich könnte es mir nicht leisten, eines seiner Alben zu verpassen.

Aus diesem Gedanken ist auch die Entscheidung erwachsen, sich hier und heute nicht nur auf ein Album, aber auf ganze drei zu konzentrieren. Drei Werke, die mich über das ganze Jahr begleiteten, die immer in meiner Nähe waren und die ich so oft hörte wie keine andere Musik in den letzten zwölf Monaten. Ich schrub es bereits in meiner unsäglich unreflektierten Lobhudelei zu "The Art Of Dying Alone", und es wird mit jedem Tag auch für die Nachfolger richtiger: "Ich selbst bin ehrlich gesagt auch noch nicht zum Kern dieser einhüllenden und umarmenden Musik gelangt, die Fixpunkte sind Repetition, Hall und Delay, Feedback-Drones und ohne Scheiß jetzt: ein helles Licht, dass direkt aus dem Lautsprecher in Dein Herz einschlägt." Und es schlägt jedes Mal aufs Neue ein, "das ist ja der Wahnsinn" (Loriot).

Der heftigste Rüttler schüttelte mich im Spätsommer mit "The Truth Hurts" durch, einer Kollaboration mit dem Multiinstrumentalisten Ian Hawgood. Ich saß leicht angetüddelt (dieser verdammte Cuba Libre!) im ICE in Richtung meines Wiesbadener Hauptquartiers. Traditionell sitze ich ab dem letzten Halt am Mainzer Hauptbahnhof für die restlichen 15 Minuten Fahrzeit alleine im Abteil. Es war schon spät und ich verbrachte die letzten eineinhalb Stunden in dieser seltsamen Zwischenwelt, die man nicht mehr bewusst wahrnimmt, sich aber nicht so recht traut, den letzten Schritt in Richtung des Tiefschlafs zu vollziehen. Auf den Ohren lag seit einer guten halben Stunde der Schleier von "The Truth Hurts" und als zu Beginn des dritten Tracks "Lie In Lone" überraschenderweise eine leise Gitarre schrapnellte, und außerdem eine verzerrte, verfremdete Stimme eine kleine Melodie sang, war ich so wach, wie man es in einer solchen Situation eben sein kann. "Lie In Lone" benötigt einige Minuten, um den Aufbau so zu strukturieren, dass sich plötzlich der Kern des Stücks offenbart - das Wort ist mit Bedacht gewählt, denn es macht tatsächlich den Eindruck, als werde die letzte Wahrheit des Klangs, meinetwegen auch eine göttliche Wahrheit, 's is' eh schon alles egal, enthüllt. Und dann schwappt sie da einfach mir nix dir nix über mich; für zwölf, dreizehn Minuten bade ich in den heilenden Farben des Klangs (Danke, Neal!) und mit jeder Welle, die mich trifft, werde ich demütiger und dankbarer. Mein Oberstübchen bekommt außer einem "Oh Gott...oh Gott..." eh nichts mehr auf die Reihe und warum fange ich jetzt eigentlich in diesem modernen Beförderungsmittel des sehr guten Unternehmens Deutsche Bahn plötzlich das Heulen an?


Es ist der Nebel und der Dunst, das Mystische und die Melancholie.

Die Sehnsucht, und das Licht.

Dieses unfassbar schöne Licht.

Es ist die Trauer und die Freude.

Und die Liebe.

Ja, am Ende ist's die Liebe.



Erschienen auf Home Normal, Glacial Movements und Nomadic Kids Republic, alle 2011.

19.02.2012

2011 #2 - Stephan Mathieu °° A Static Place



Zugegeben, ich kann auch fast drei Jahre nach meinem etwas unwirsch und leicht verspult wirkenden Textlein über Stephan Mathieus "Radioland" noch nicht genau sagen, was da genau in mich gefahren ist. Was indes unbestritten ist: ein solcher Ausbruch kommt einem ja selbst auf diesem meinem gammligen Blogquatsch ja nicht so oft unter - und am Ende sollte es vielleicht genau das vermitteln. "Radioland" war und ist etwas ganz Besonderes, ein immer noch funkelndes Juwel des Ambient. Ich bin noch nicht hinter das Geheimnis des Mannes aus Saarbrücken gekommen, aber, und das ist das gleichfalls Tolle an seiner Musik, sie ist auch ohne technische oder gar philosophische Illuminierung hell genug, um mein Herz in Brand zu setzen.

Was für "Radioland" gilt, ist auch für "A Static Place" wahr und haftig. Es ist eine bereits ab der ersten Sekunde erstaunliche und ganz und gar einzigartige Musik. Man kann sie tatsächlich hören, diese Einzigartigkeit, schon ab dem ersten wahrnehmbaren Ton. Es mag sich albern oder gar prätentiös anhören, aber die Erfahrung, die ich mit der ersten Berührung von und mit "A Static Place" hatte, gleicht bis auf meinen Gesichtsausdruck jener bei "Radioland". Letztere hörte ich zum ersten Mal über Kopfhörer, und während der Wechsler noch das richtige CD-Fach suchte, kramte ich mit bereits aufgesetzten Kopfhörern noch im Stapel der ungehörten CD herum und sortierte, was ich als nächstes wohl gerne hören würde. Als das erste Signal von "Radioland" dann in meinen Ohren landete, ließ ich alles stehen und liegen und hielt inne. Meine Augenbrauen zogen sich nach oben. Und dann setzte ich mich in meinen berüchtigten Musiksessel und hörte nur noch zu. Für "A Static Place" ersetzen wir Kopfhörer und Sessel mit Lautsprecherboxen und Couch, den CD Stapel mit der Geißel "Internet". Der Rest bleibt gleich. Ich hörte und spätestens beim schneidenden, alles überstrahlenden Ende von "Minuet" kamen auch noch körperliche Reaktionen (Schweißausbruch) hinzu. Wenn Musik selbst über meine 15 Euro-das-Stück "teuren" Standboxen der Marke AEG (!) körperlich erfahrbar wird, weiß man, dass hier etwas ganz Besonderes passiert. Und dennoch geht es nicht ausschließlich um den Ton als solchen, es ist der Fluss und die Interaktion der übereinanderliegenden Schichten und den sich daraus emporstreckenden Harmonien, die die Auseinandersetzung mit der Musik Mathieus so wertvoll machen. Seine Kompositionen sind trotz ihrer Komplexität und ihrer zeitlichen Länge immer überschaubar; der Schritt zurück, der den Blick auf das ganze Bild zulässt, ist jederzeit eine Option. Und selbst hier ist mehr als nur ein einziger Farbauftrag zu entdecken: es ist, als nehme man selbst die feinstofflichen Anteile des Klangs und des sich daraus zum Leben entwickelnden Lichts in sich auf.

Erschienen auf 12k, 2011.