SON OF BAZERK FEAT. NO SELF CONTROL & THE BAND - BAZERK, BAZERK, BAZERK
Ich habe traditionell von Hip Hop soviel Ahnung wie ein CSU-Parteimitglied von logischem Denken, von Zeit zu Zeit phantasiere ich aber wenigstens eine leichte Sympathie herbei, vor allem mit dem Stoff, den ich -ironisch genug - vor 20, vielleicht 25 Jahren gerne im Abgrund der Hölle gesehen hätte. Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre stand ich auf wenig mehr als Heavy Metal und Grunge. Ich erinnere mich gut daran, dass ich durch die MTV-Berieselung KLFs "Last Train To Trancentral" faszinierend großartig fand, und bitte: wer nicht? Vielleicht lag es auch an der sich gerade im Anfangsstadium befindlichen Pubertät, die diese mit schwarzem Klebeband abgeklebten Brüste der Videodarstellerin als ausgesprochen anziehend empfand, jedenfalls: ich hörte viel unterschiedliches Zeug innerhalb des Rock-Genres, aber wenig bis gar nichts außerhalb davon. Und dass ich sozusagen live und in Farbe im "Golden Age Of Hip Hop" vor mich hin amorphelte, nahm ich in meiner verschrobenen Backfischmentalität auch nicht wahr. Ich Volleumel.
Aus heutiger Sicht könnte ich mir dafür (schon wieder) böse in den Hintern bumsen. Den heutigen Hip Hop mit seinem Sexismus und seinem affigen Machogehabe, dem Gangsterschrott und jeder/jede/alles rund um die unsagbar peinliche deutsche Szene kann mich mal, aber der Rückblick auf die Anfänge dieser Musik, die bis zum Auftauchen von nasagenwirmal N.W.A.s inhaltlich meilenweit von dem genannten Mist entfernt war und stattdessen sozial- und gesellschaftskritisch als Sprachrohr der schwarzafrikanischen Bevölkerung der USA fungierte, erscheint mir heute lohnenswerter als jemals zuvor. In diesem Zusammenhang muss ich auf eine Platte hinweisen, die mich nun bereits seit einigen Wochen begeistert. Im bereits an anderer Stelle dieses Blogs vorgestellten "Fear Of Music"-Buch von Garry Mulholland wurde "Bazerk, Bazerk, Bazerk" als das beste Hip Hop-Album aller Zeiten bezeichnet, das niemand jemals hörte. Tatsächlich überschlugen sich bei der Veröffentlichung im Mai 1991 zwar die Kritiker vor Begeisterung, aber die Scheibe blieb wie Blei in den Regalen liegen. Vielleicht lag es daran, dass "Bazerk, Bazerk, Bazerk" seiner Zeit ein paar Jahre voraus war, und ganz vielleicht war auch die Grundannahme falsch, dass man den Kids auch den abgedrehten Scheiß (lieb gemeint) vorsetzen kann. Verpackt in einer visuellen Hommage an James Brown und dessen Artwork zu seinem "Please, Please, Please"-Werk kennt diese Musik nicht mal die Idee einer Grenze. Produziert von der Public Enemy-Truppe The Bomb Squad treffen hier Soul, Funk, Rock, Reggae, Blues, und Hip Hop aufeinander und werden derart enthusiastisch und rebellisch in Szene gesetzt, dass das Stillsitzen nahezu unmöglich erscheint. Das Tempo dieses Albums ist atemberaubend, höchstens vergleichbar mit einer Familienpackung Blitzlicht-Feuerwerkskörper, die alle gleichzeitig gezündet werden und deren Explosion in der vierten Dimension des Gehirns auf eine Länge von 45 Minuten verzerrt und verlangsamt vor den Augen abgespielt werden. "Bazerk, Bazerk, Bazerk" ist überdreht, hochmusikalisch, über alle Maßen und in jeder Hinsicht smart, und klingt selbst 21 Jahre nach seiner Veröffentlichung taufrisch.
Zum Abschluss ein kleines (und wichtiges) Zitat aus "Fear Of Music", dessen erster Teil sicherlich auch für Menschen wie meinereiner mal nachdenkenswert ist:
"If the music changes every day, you can't define what you want because you're subconsciously aware that todays cutting-edge could be redundant tomorrow. But "Straight Outta Compton" had taught a lot of young rap (and rock) fans that what they really wanted was lurid tales of black men dying and black women being abused. They also wanted this over a beat that sounds roughly the same for fifty minutes. Son Of Bazerk didn't stand a chance, in hindsight. If you manage to track down this long deleted album though, you will be amazed that any record could throw so much music into a pot, and stir it with such jovial glee, until it tasted spicy and secret. Fifty million gangsta rap fans can be wrong - and usually are."
Erschienen auf S.O.U.L./MCA Records, 1991.