PSYCHOTIC WALTZ - BLEEDING
Zwei Jahre nach dem wenig erfolgreichen "Mosquito" erschien mit "Bleeding" ein Werk, das zwar grundsätzlich den stilistischen Faden des Vorgängers aufnahm, daraus allerdings einen im Detail deutlich veränderten Klangteppich knüpfte.
"Bleeding" zeigt eine Band, die schließlich in ihrem Sound angekommen war, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass danach zunächst mal das Licht ausging. Scott Burns, der das vierte Studioalbum ebenso wie "Mosquito" produzierte und sich zu jener Zeit eigentlich nur noch für enge Freunde hinter ein Mischpult setzte, hat zwar immer noch den für ihn nicht untypischen "Don't worry, it'll sound as heavy as fuck!" Sound zusammengepuzzelt, legte aber den Schwerpunkt auf ein offeneres, transparenteres Klangbild, das die Songs trotz aller Kompaktheit entzerrte und sie atmen ließ. Apropos Kompakt: wenn ich schon zu "Mosquito" das Quatschwort "ultrakompakt" auspacken musste, bleiben mir für "Bleeding" leider nicht mehr viele Steigerungen übrig, aber notwendig wär's dann doch schon. Die elf Songs, von denen nur zwei die Marke von vier Minuten überschreiten, sind sowohl hochkonzentrierte, als auch vielschichtige und monumentale Kompositionen, die bis in den letzten Winkel verdichtet ein perfekt abgeschlossenes System aus Groove, Melodie und Emotion formen und am Leben erhalten. Ich sprach schon zu "Into The Everflow" von der Kunst, solche Songs zu schreiben - angesichts der Raffinesse von "Bleeding" könnte man nochmal einen draufsetzen, wenn man denn wollte. Und ich will. Denn "Bleeding" besteht aus nicht weniger als elf Kunstwerken, destilliert aus dem besten, was dreißig Jahre Rockmusik hervorgebracht haben, formvollendet mit der Präzision eines Diamantbohrers in Position gebracht, mit Sternenstaub geschmückt und mit dem strahlenden Schein zarter Melancholie und brennender Intensität beschenkt.
"Bleeding" ist ein zeitloser, genuiner und untergegangener Klassiker der neunziger Jahre und bis heute das letzte Lebenszeichen einer Band, die offensichtlich genau weiß, an welchem Werk die Reunion gemessen werden wird: von dem seit über zwei Jahren angekündigten neuen Album ist weit und breit nichts zu sehen. Vielleicht schlottern auch diesen Göttern mal die Knie.(*)
Erschienen auf Bullet Proof, 1996.
(*): was natürlich Schrott im Quadrat ist, am Ende liegt's an irgendeinem Vertragsgeschnarze, oder sie können sich (mal wieder) nicht riechen, oder das Gras ist aus. Vielleicht haben sie aber auch ganz banal: einfach keine Lust mehr.