Wir bleiben nochmal für fünf Minuten bei der härteren Gangart. Zwei Plattenläden meiner Wahl kauften in den letzten Wochen große Sammlungen alter Metalalben der achtziger und neunziger Jahre an, und in einem solchen Fall lasse ich bekanntermaßen gerne alle Hüllen fallen. Es gibt immer noch so irrsinnig viele unentdeckte Perlen - oder eben längst Vergessenes, das somit wieder auf den Schirm kommt, dass es einfach einen Riesenspaß macht, durch die scheinbar unendliche Flut neuer alter Musik zu tauchen.
Deswegen in der heutigen Ausgabe der "Neue Besen kehren gut"-Reihe: schweres Metall im Zeichen der Schaufel.
BURNT OFFERING - BURNT OFFERING
Eigentlich eine Unfassbarkeit, diese Platte überhaupt in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Speziellen zu finden, aber irgendein verrückter Thrashfreak muss sie sich Ende der achtziger Jahre als Import aus den USA besorgt und gut 24 Jahre später in der Second Hand Abteilung eines schwäbischen Plattenladens geparkt haben. Burnt Offering spielten sich aus der Underground Thrashszene Chicagos in einen Plattenvertrag mit Walkthrufyre Records und veröffentlichten dort 1989 ihr selbstbetiteltes Debutalbum. Logischerweise fernab von Majorproduktionen der damaligen Zeit, rumpelt sich das Quintett durch elf furiose und naive Thrashsongs, kaum einer länger als dreieinhalb Minuten, und es ist in erster Linie der Drummer, der mit völlig abstrusen Breaks und der ein oder anderen Timingschwankung für einen Hauch von Komik sorgt. Ich habe ja eine Vorliebe für diesen seltsamen Undergroundkram, sofern er das Feeling der Akteure widerspiegelt - dann sehe ich auch gerne über spielerische oder klangliche Unzulänglichkeiten hinweg. Streicht den letzten Halbsatz, im Prinzip ist's mir dann schlicht scheißegal. Wer auf rauhen, unpolierten Undergroundthrash abfährt, macht sich am besten auf in Richtung
http://burntofferingmetalband.com/CD.shtml
- dort lässt sich übrigens auch der knapp 10 Jahre später erschienene Nachfolger "Walk Of The Dead" für einen Fünfer runterladen.
Erschienen auf Walkthrufyre Records, 1989.
INCUBUS - BEYOND THE UNKNOWN
Die einzig wahren Incubus kommen aus Louisiana und waren bei einigen Typen, die Anfang der neunziger Jahre mit mir die Schulbank drückten, der heiße Scheiß schlechthin, was sich besonders an der Anzahl derer ablesen ließ, die mit entsprechend ausgiebig getragenen und spätestens nach drei Wochen sehr geruchsintensiven Bandshirts herumprovozierten. "Beyond The Unknown" ist das zweite Album des Trios und aufgrund des Gesangs strenggenommen eher dem Death Metal zuzuordnen, dabei waren Incubus ursprünglich eine lupenreine Thrashband. Ihr Debut "Serpent Temptation", möglicherweise auch ein Kandidat für meine Alltime Top 20 Liste des Thrash, ist eine tollwütige Thrashkeule, die in Blitzgeschwindigkeit alles zum Einsturz bringt und nur Staub und Asche hinterlässt. Aber auch auf "Beyond The Unknown" lassen sich die Wurzeln der Combo noch nachverfolgen: der Drive ihres Gehackes ist legendär, die Riffs sind gnadenlos exakt auf den Punkt gespielt, die Geschwindigkeit immer noch extrem hoch. Es ist lediglich die tiefe Röchelstimme, die "Beyond The Unknown" im Vergleich zum Debut ein bisschen an die Leine legt. Für die nun Interessierten ein Warnhinweis: die Band hat auf einem späteren Reissue von "Beyond The Unknown" auch das Debut mit auf die CD gepresst, allerdings mit neu aufgenommenen Vocals, die sich stilistisch eindeutig am Nachfolger orientieren. Das kann eine herbe Enttäuschung werden - sofern man das Original kennt. Und kennt man es nicht, ist das der eigentliche Fehler. Mit drei Klicks wird man auf Google fündig, aber das wisst ihr nicht von mir.
Erschienen auf Nuclear Blast, 1990.
DEMOLITION HAMMER - TIME BOMB
Ist die Rede von Demolition Hammer, kommt man nicht an der Erwähnung ihrer beiden Großtaten "Tortured Existence" (1990) und vor allem "Epidemic Of Violence" (1992) vorbei, die beide längst im Thrash Metal Kanon verankert sind. Die Band aus New York fiel jedoch nach dem 1992er Album zur Hälfte auseinander: Gitarrist James Reilly und Drummer Vinnie Daze verließen die Band, weil sie den angedachten musikalischen Kurswechsel der beiden verbliebenen Mitglieder Steve Reynolds und Derek Sykes nicht mitgehen wollten. Reynolds und Sykes wurden am Schlagzeug künftig von Drumtier Alex Marquez unterstützt, der folgerichtig auch "Time Bomb" aufnahm.
Tatsächlich ist vom ehemaligen Hochgeschwindigkeitsgebretter der Band nicht mehr viel übrig geblieben. Das Album, das der Aussage Reynolds zufolge unter einem neuen Bandnamen hätte veröffentlicht werden sollen und nur auf Initiative des Labels unter Demolition Hammer erschien, fiel bei der Anhängerschaft folgerichtig gnadenlos durch. Zum einen wäre zu diskutieren, ob es 1994 überhaupt noch ausreichend Thrash-Fans gab, zum anderen weicht "Time Bomb" signifikant von der wahren Thrashlehre ab - und Metalfans können in einem solchen Fall traditionell sehr ungemütlich werden. Die elf Tracks bewegen sich weitgehend im groovigen Midtempobereich, sind ultrakompakt, beschränken sich in der Hauptsache auf das Ausspielen von simplen, treibenden, fast schon hardcorigen Riffs und kommen bis auf eine zehnsekündige Ausnahme bei "Blowtorch" komplett ohne Gitarrensoli aus. Herausragend ist dafür nach wie vor die wahnsinnige Stimme von Frontmann Reynolds, der nicht für eine Nanosekunde daran denkt, stimmlich etwas auf die Bremse zu treten - und damit den Sound des Albums nachhaltig prägt: "Time Bomb" ist geradezu unanständig heavy. "Time Bomb" ist angepisst. "Time Bomb" ist räudig. Und damit steht es den beiden Vorgängern praktisch in Nichts nach.
Erschienen auf Century Media, 1994.