05.02.2023

Best Of 2022 ° Platz 22: Petrol Girls - Baby




PETROL GIRLS - BABY

War On Women haben sich im Jahr 2022 durch eine für mein Empfinden ziemlich unerträgliche Reaktion auf Anschuldigungen ihrer früheren Gitarristin Nancy, sie sei von Bandmitgliedern über Jahre psychisch missbraucht worden, ins Aus geschossen. Wer auf derlei konkrete Erlebnisberichte einer ehemaligen Mitstreiterin mit einem Statement reagiert, das in furchtbarstem Dummprofessionell-Gelalle nicht viel mehr sagt als "Die hatte schon früher ein paar Schrauben locker", macht sich umgehend unsympathisch und auch hinsichtlich der eigenen stets als überlebenswichtig kolportierten feministischen Message, unglaubwürdig. Ich hätte viel mehr erwartet. So ist es eine riesige Enttäuschung. Streng genommen das Ende von Täuschung.  

So müssen nun die Petrol Girls für meinen feministischen Hardcore-Punk-Rage sorgen - und sie taten es vergangenes Jahr mit einem hochinteressanten Album. Das erkannte auch Youtube-Star Anthony Fantano, der überraschenderweise nicht nur ein Videoreview zu "Baby" produzierte, sondern die Platte auch noch mit eher selten vergebenen neun Punkten adelte. 

Erstens hat die Band für meinen Geschmack im Vergleich zu früheren Platten die Komplexität nochmal erhöht, was einem lange andauernden Hörspaß sehr zugute kommt. "Baby" nutzt sich einfach nicht ab. Zweitens: Was vor allem die Gitarre und das Schlagzeug spielen, ist fast immer außergewöhnlich, virtuos, dissonant, drückend, überlegt, chaotisch - und wirkt wie komplett mühelos aus dem Ärmel geschüttelt. Ich kenne keine andere Band, die so klingt. Drittens: Diese Breaks schießen den Vogel ab. Wild, roh, brutal unerwartet - manche lösen selbst nach dem hundertsten Mal noch einen satten "wtf?"-Moment aus. Höre "Feed My Fire" und seinen Übergang von totalem Kreisch-Armageddon zu einem swingenden siebziger Tanzgala-Schalala. Oder "Fight For Our Lives" mit dem Wechsel von ölverschmiertem Industrialgedröhne zu einer wahren Chorushymne, bei der ich schlimme unkontrollierte Hitzewallungen bekomme. Oder...hier...der Samba in "Sick & Tired"! - it's fucking glorious. 

Viertens - und das ist vielleicht der wichtigste Punkt von allen: keine Kompromisse. Die Petrol Girls sind so kratzbürstig, unbequem und provokativ wie eh und je. Sängerin Ren kreischt mit ungebrochener Intensität und Wut gegen die alles einhüllende Misogynie an, gegen Unterdrückung, Rassismus, Doppelmoral, Ignoranz, Kapitalismus. Als ich die Band 2019 live in Wiesbaden sah, gerieten die Performance und vor allem die Ansagen derart kraftvoll und eindringlich, dass ich manchmal einfach zu Heulen anfangen musste. Auch auf "Baby" gibt es unzählige Momente, die mich zuerst einen Molotow-Cocktail bauen lassen und anschließend auf die nächste von den verdammten Bullen eingekesselte Demo schicken, mit meinen verfickten fists in the verfickte Air. All das natürlich mit dem Überhit der Platte auf den Lippen: "Baby, I Had An Abortion" ist der große Mittelfinger in Richtung des US-Amerikanischen Supreme Courts, der zur Jahresmitte die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht aufhob und somit ihren christlich-fundamentalistischen Terroristengruppen und all den rechten Sackgesichtern einen großen, feuchten Freiheitsfurz der Erleichterung aus dem Rektum lockten. "Baby, I Had An Abortion" ist ein ironischer, quietschfideler, moderner Tanzflächenpunker mit der Message für die nächsten Jahrzehnte. 

Wichtige Band. Tolle Platte. 

Hier schreibt Ren um englischen Kerrang! über das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen:



Vinyl: Bei dem Geschrote sind kleinere Störgeräusche so relevant wie eine "Blut, Tränen und Dosenwurst"-Kolumne von Sascha "Lobo" Lobo im Landser, Quatsch: im Spiegel! Ich höre da nix. Und ehrlich: mir ist's dann jetzt auch mal latte. Klingt gut. So. Sieht auch gut aus. Kauf' halt, Baby! (++++)


 



 Erschienen auf Hassle Records, 2022.

04.02.2023

Best Of 2022 ° Platz 23: Carlos Ferreira - Before Memories Fade



CARLOS FERREIRA - BEFORE MEMORIES FADE

Meine erste Begegnung mit dem brasilianischen Musiker Carlos Ferreira fand im Rahmen der Auseinandersetzung mit "Quiet Reminders" statt, einer gemeinsamen Arbeit mit Shuta Yasukochi, die 2020 auf dem spanischen Archives Label erschien. Ich halte das Album bis heute für einen echten Ambient-Meilenstein und meine damalige Jubelarie über die weitläufige und bildhafte Sprache der beiden Musiker flüstere ich immer noch in jedes offene Ohr. Ich fand Carlos wenig später auf Instagram und wir stellten nach einiger Zeit fest, dass unsere Biografien sowohl hinsichtlich unserer musikalischen Vergangenheit als auch Gegenwart und unsere politischen Ansichten in erstaunlich parallel verlaufenden Bahnen durchs Leben flitzen. 

Sein im Februar 2022 auf dem texanischen Label Aural Canyon veröffentlichtes "Before Memories Fade" triggerte mich aus zweierlei Gründen. Zum einen sprach mich sowohl der Albumtitel, als auch das dahinter stehende Konzept sofort an. Carlos schreibt dazu:

“One of my strongest creative vectors is about meditating on “memory”. It fascinates me to imagine that every memory corresponds to a fragment that is not static - it changes throughout life, due to our maturation and recent experiences. “Before Memories Fade” is a reflection on this fundamental element of our existence. About eternalizing moments in an organic, live and unpredictable way.”

Ich hatte in den ersten sieben Monaten des abgelaufenen Jahres erneut ein größeres Thema mit meiner Gesundheit. Mir fehlt ehrlicherweise etwas die Kraft, um weiter ins Detail zu gehen, aber ich musste leider wieder die existenziellen Fragen aus dem Koffer holen, der eigentlich seit ein paar Jahren luftdicht verschlossen hinter gleich vierzehn Schrankwänden steht. All die Ängste, Brüche, Konflikte, die Erinnerungen und Enttäuschungen, die Zuversicht, die Hoffnung und die Liebe - es tobte alles für volle sieben Monate durchs Nervengestrüpp wie ein tollwütiges Eichhörnchen auf Crack. "Before Memories Fade" als Konzept, als Ansprache, war ein Resonanzraum für derlei Gedanken. Ich hörte das Album bevorzugt in der heißen Badewanne, wo es die gewünschte Wirkung eines auralen Sedativums am besten entfalten konnte. 

Das bringt uns um zweiten Trigger: der Musik. Vom ätherischen und illuminierenden Beginn mit "Liminal" über das sternenfunkelnde "Dandelion", das aufwühlende "Nostalgia" und dem ausgegrauten Vintagehappen "Cloudy Morning" bis zum meinem persönlichen Highlight "Accepting Transience" - so durchlässig, friedlich, tröstend; es mag makaber sein, aber vielleicht möchte ich genau das als letztes Musikstück hören, bevor das Licht final ausgeknipst wird - es ist deutlich, wie sehr das Konzept über Erinnerungen und die Sicht auf das eigene Erleben jede Minute dieses Albums trägt. Introspektiv, melancholisch, nostalgisch - und mit jedem weiteren Gedanken ein bisschen näher dran am wahren Selbst. 


Für Haptikfreunde gibt es zwar leider kein Vinyl, aber immerhin ein Tape, das über die Bandcamp-Seite des Labels bestellt werden kann. Ansonsten tut's der Bandcamp-Download:


 



Erschienen auf Aural Canyon, 2022.


28.01.2023

Best Of 2022 ° Platz 24: Mundos Sutis - Quintessence




MUNDOS SUTIS - QUINTESSENCE


Das an der Nordküste Spaniens, genauer gesagt in Kantabrien, beheimatete Label Seven Villas Music mausert sich immer mehr zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für die Bandcamp-Subscription. Labelbetreiber und Produzent Pablo Bolivar veröffentlicht mindestens zwei EPs/Alben im Monat und für schlappe 6 Euro bekommt man sie über das Abo leicht und locker in die Download-Queue gespült. 

Für "Quintessence" des mexikanischen Produzenten-Duos von Mundos Sutis war kein Abo notwendig. Gute acht Monate nach dem digitalen Release war endlich die Vinylfassung fertig gebacken und das war ein echter No-Brainer, wie man heute eben so sagt, wenn der Schlaganfall nicht fern ist. Schon ihr Seven Villas-Debut mit der EP "Aquamarine" aus dem Jahr 2021 sorgte für aurale Kuschelorgien, was sollte also auf Albumdistanz schiefgehen?

Natürlich gar nichts. Quod erat demonstrandum. Und das liegt nicht nur daran, dass sich drei Tracks der exzellenten EP nochmal auf "Quintessence" finden lassen. 

Julia Arguello und Matias Delpiano haben im Prinzip ein nächtliches Dampfbad am Strand von Balandra vertont, nachdem man im Hotelzimmer von der als Potpourri getarnten Pilzmischung genascht hat; ein kleiner Gruß aus der Küche. Es ist feucht und heiß da draußen, das Kleinhirn so mellow durchgedampft, dass man's mit einem Strohhalm aus den Ohren rausschlürfen könnte. Die Palmen atmen in der Meeresbrise. Das Wasser weiß wie Schnee. Notbeleuchtung. Durch die Luft schweben Moleküle von buntem Gras, Endorphinen und getragenen Unterhosen. "Quintessence" läuft in Endlosschleife. 

Man möchte eintauchen und nie wieder zurück an die Oberfläche kommen. 


Vinyl: Die Doppel-LP (kein Gatefold) ist in der farblichen Gestaltung des Vinyls mit gold und blau etwas gewagt, die Pressung ist hingegen absolut fehlerlos, der Klang warm und füllig. Das Coversleeve wirkt ein bisschen labberig. Ein Bandcamp-Downloadcode ist beigelegt. Man muss froh sein, dass sich das Label sowas traut. Zeugt von Vertrauen. (++++)


 



Erschienen auf Seven Villas, 2022.

22.01.2023

Best Of 2022 ° Platz 25: Deepchord - Functional Designs




DEEPCHORD - FUNCTIONAL DESIGNS

Das letzte Jahresdrittel 2022 war dunkel. Sehr dunkel. Unser Hund Fabbi, mit fast 19 Jahren geradezu ein Methusalem, hatte sich einen fiesen Magen-Darm-Virus eingefangen und stand mehrmals am Rande der Aufgabe. Über zwei Monate befanden sich Frau und Herr Dreikommaviernull im absoluten Ausnahmezustand, emotional durchlöchert und durch eklatanten Schlafmangel auch physisch in der tiefroten Zombiezone herumtaumelnd. Ich hörte in jener Zeit praktisch keine Musik - und nur wenn die Ruhe wirklich komplett unaushaltbar war, und ich doch den Plattenspieler bemühte, musste Musik sich doch wenigstens so anfühlen wie Ruhe. Deepchords "Auratones" Album aus dem Jahr 2017 (in wunderbarer Re-Release Aufmachung auf sandfarbenem Vinyl) war für solche Momente perfekt, weil es so tief und so emotionslos stoisch vor sich hin pumpt, dass alles was vom Klang übrig bleibt, pun intended, Aura wird. 

Die Ankündigung Rod Modells, fünf Jahre nach "Auratones" mit einem neuen Album zu Soma Quality Recordings zurückzukehren, begleitet von zwei EPs "Functional Extraits 1" und "Functional Extraits 2", brachte zusammen mit einer sehr langsam voranschreitenden Verbesserung von Fabbis Zustand ein paar extra hoffnungsvolle Sonnenstrahlen in den mit +20°C so oder so knöcheltief im Sommer stehenden November 2022. Das gesamte "Functional Designs"-Paket fällt wieder etwas urbaner, dunkler, mystischer aus als das beinahe spirituelle Material auf "Auratones". Modell ist und bleibt der Herrscher der dystopischen Großstadt. Zwischen schwarz verspiegelten Häuserfassaden, verkokeltem Asphalt, hohlem Hochglanz und menschlicher Abgründigkeit inszeniert er seine Tracks mit unwiderstehlichem Drive auf brennendem Eis. Ein Alleskönner, der selbst bei minimaler Lautstärke die Atmosphäre im Raum verändert. Du kannst über die stilistische Perspektivlosigkeit des Dub Techno sagen, was Du willst, aber zeig mir einen, der über eine lebensfeindliche Nacht in Downtown die suchenden Blitze eines Pulsars so herabregnen lassen kann wie Modell in "Strangers". Es ist vielleicht nicht neu, aber es ist eben immer noch beeindruckend. 

Vinyl: Schwarzes Doppelvinyl, kein Gatefold. Stimmungsvolles Cover in leichter Übergröße und einwandfreie Pressung. Kein Downloadcode. Die CD- und Digitalversionen haben drei Tracks zusätzlich. (++++)


 


Erschienen auf Soma Quality Recordings, 2022.


07.01.2023

2021 Revisited: Cynic - Ascension Codes



CYNIC - ASCENSION CODES

Ein Blick auf meine Musiksammlungsdatenbank aus Giga-Nerdhausen, vulgo: Discogs, verrät, dass ich im Jahr 2021 tatsächlich nur drei Platten gekauft habe, für die der Stempel "Rockmusik" passt. Neben Cassius Kings "Field Trip" (prima) und Quicksands "Distant Populations" (naja), war insbesondere die Anschaffung von Cynics "Ascension Codes" eine echte Herzensangelegenheit. 

Zum einen bin ich seit fast dreißig Jahren Fan und finde ihre Musik selbst, oder besser: besonders nach den stilistischen Anpassungen über die letzten 15 Jahre einfach hoffnungslos attraktiv. Zum anderen bewundere ich Paul Masvidal, einen der kreativsten und eigenständigsten Musiker der Metal-Szene. Mutig und unerschrocken, offen, spirituell - und durch den unerwarteten Tod seiner beiden Freunde und ehemaligen Bandmitglieder Sean Reinert (Schlagzeug; Januar 2020) und Sean Malone (Bass, Dezember 2020) voller Trauer und Verzweiflung. Masvidals Beiträge auf seinem Instagram-Account geben Zeugnis von dem Schmerz, den er durch die kurz hintereinander erfolgten Verluste erleiden musste. Ebenfalls, und das soll nicht unerwähnt bleiben, ist Masvidal in meiner Wahrnehmung einer der verkanntesten Songschreiber des Heavy Metal. Warum ihm angesichts des Meisterwerks "Ascension Codes" nicht die halbe Metal-Welt die Tür einrennt, ist angesichts der sich zunächst zeigenden Sperrigkeit des Albums vielleicht nicht die allergrößte Überraschung - auch wenn sich die Komplexität mit ein bisschen Zeit und Eingewöhnung naturgemäß auflösen kann und wird. Aber ich habe durchaus Verständnisschwierigkeiten damit, warum nicht wenigstens die Anhänger des Progressive Rocks/Metals auf Knien angerutscht kommen, und zwar in Scharen. 

Denn das hier sollte eigentlich exakt ihr Sound sein: verspielt, komplex, ultrakomprimiert und dennoch leichtfüßig und mühelos - im Prinzip die musikalische Entsprechung zum Spruch meines Vaters über den ehemaligen Eintracht-Stürmer Anthony Yeboah: "Der spielt dich in einer Telefonzelle schwindelig!". Spektakuläre technische Fähigkeiten, ein atemberaubendes Coverartwork und eine spirituelle Story über das Leben, das Universum, das Unsichtbare, das Mystische, das Außerweltliche - "Ascension Codes" ist die beste Cynic-Platte aller Zeiten und in ihrer emotionalen Ausrichtung und ihrer offen dargestellten Zerbrechlichkeit das Progressive Metal-Album, das ich mir im Jahr 2020 von Fates Warnings "Long Day Good Night" erhoffte, aber nicht bekam. 

Ich möchte über Jahre in diesen Sounds versinken und mich verlieren. Masvidals Gitarre weist mir den Weg und mir ist im Grunde egal, wohin er mich führen wird. 

Chuck Schuldiner prägte den Satz "Let the metal flow!" - Paul Masvidal hat nun die passenden Songs dafür geschrieben. 


Vinyl: Das Mastering meiner Version auf türkisem Vinyl scheint die sowieso schon wahrnehmbare Kompression im Sounddesign noch weiter in den Vordergrund zu stellen; man merkt, dass es der Musik etwas schwer fällt, die Luft zum Atmen zu finden. Ich gehe davon aus, dass es sich hier um eine aktive Entscheidung im Entstehungsprozess des Albums handelt. Cynic Platten klingen nicht zum ersten Mal so. Die Pressung ist komplett fehlerfrei. Das wirklich atemberaubende und wertige Triple-Gatefold auf mattem, sich seidig anfühlendem Karton in Verbindung mit dem grandiosen Cover-Design von Künstlerin Martina Hoffmann ist nichts weniger als imposant.


   


Erschienen auf Seasons Of Mist, 2021. 

04.09.2022

OVERKILL - THE ATLANTIC YEARS 1986 - 1994 (Vinyl Boxset Review)


Ich hatte es im letzten Videoreview zu Voivods "Forgotten In Space"-Boxset bereits mehrfach angedroht, hier ist es nun: der zweite Beweis dafür, dass ich es mit vollmundigen Einlassungen wie "Ich mag keine Boxsets" oder despiktierlichen Fragen wie "Wer soll denn den ganzen Scheiß kaufen?" besser sein lassen sollte. 

Ich habe mir also Overkills "The Atlantic Years 1986 - 1994"-Rückschau vorgenommen und dabei versucht, es wenigstens ein kleines bisschen weniger zäh werden zu lassen als mein Review-Debut, und was immerhin den Blick auf die Uhr betrifft, ist mir das auch ausnahmsweise gelungen. Inhaltlich gibt es immer noch konfus abschweifendes Gelalle - aber das sind meine werten Leser über die letzten 15 Jahre schließlich auch gewohnt. Und ein wenig Kontinuität erlaube ich mir durchaus in diesen so chaotischen Zeiten. Weil ihr es mir wert seid. 

Enjoy!


 


26.08.2022

Die Top 10 Der Besten Voivod-Songs



Schon wieder Voivod? 

Schon wieder Voivod!

Ende des vergangenen Jahres erhielt ich die Möglichkeit, für die 160. Ausgabe des legendären Ox-Magazins über meine Lieblingsband zu schreiben (Vielen Dank, Simon!). Genauer gesagt, ich erhielt die Möglichkeit, über die zehn besten Songs meiner Lieblingsband zu schreiben. Das war eine Ehre für mich, einerseits wegen des Ox, andererseits wegen Voivod - ich durfte das also auf keinen Fall zersägen. 

Und obwohl ich sofort Feuer und Flamme war, mich in ihre Platten einzugraben und umgehend loszulegen, wusste ich um die große Herausforderung - und wurde gleich mal für die nächsten Tage ausgebremst. Nicht nur wegen der umfangreichen und qualitativ so konstant hochklassigen Diskografie der Band, was eine Auswahl so oder so schwierig machen würde, sondern auch wegen ihres so diversen Repertoires. Wie soll ich diese enorme Bandbreite abdecken, von dem räudigen, chaotischen Thrash Metal zu Beginn ihrer Karriere über eine Heavy Metal-Version von Pink Floyd oder King Crimson bis hin zu einem verwehten Progressive-Industrial-Golem? Oder diesen Wagemut? 

Ihre einzelnen Entwicklungsphasen, und jetzt, wo ich's schreibe, weiß ich gar nicht mehr, was ich mit einer "Entwicklungsphase" eigentlich meine, oder ob sowas in ihrer Realität überhaupt existierte, haben schließlich gleich mehrere Eigenleben entwickelt. Und je weiter ich mich in ihre Welt über die letzten 25 Jahre eingegraben habe, desto mehr wucherte das Selbstverständnis dieser Band, ihr Anspruch und ihre Progressivität über die Brüche in ihrer Musik. Und all das soll ich in nur zehn Songs abdecken? 

Ich brütete über zwei, drei Wochen jeden Tag über dieser Liste. Dezent obsessiv. 

Als die Songs für die Top 10 endlich ausgeknobelt waren, ging es endlich ans Schreiben - und damit begann das eigentliche Martyrium: Zeichenlimit. 

Ein Zeichenlimit. Ich! Ein Zeichenlimit! Ha! Hahaha! 

Es war eine verdammte Pest. Aber ich liebte jede Sekunde der Auseinandersetzung mit den Songs dieser einzigartigen Band.

Enjoy!

 


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Für eine möglicherweise verbesserte Lesbarkeit gibt es hier auch noch die Textversion:



„Tribal Convictions“ 
"Tribal convictions" vom Sci-Fi-Thrash Meilenstein "Dimension Hatröss" ist einer der großen Klassiker der Bandgeschichte und bedeutete 1988 den Durchbruch für VOIVOD – auch dank des Videos, das MTV in sein Programm aufnahm und damit den Bekanntheitsgrad der Kanadier signifikant vergrößerte. Schneller waren fünf Minuten seither nie wieder vorüber. Ein durchgeknalltes Arrangement, das auf eine bizarre Weise trotzdem catchy war, gekrönt von einem umwerfenden Solo von Riffmeister Piggy. Öffnet Türen in Deinem Kopf, die vorher verschlossen waren. 

„Tornado“ 
Für das dritte Album „Killing Technology“ schluckte die Band erstmals ihre Supervitamine. Die Energie dieser Aufnahmen ist legendär und „Tornado“ macht seinem Namen alle Ehre: ein unbarmherziges und außer Kontrolle geratenes Getöse, das vor allem wegen Piggys dissonanten Gitarrenriffs und Aways geradewegs durch Panzerglas marschierenden Schlagzeugs den Vagusnerv mit Juckpulver traktiert. Dazwischen gibt’s nervöse Breaks und manisches Geschrei, die das Chaos nur noch mehr anheizen. Blutdrucksenker, olé!

„Forlorn“ 
Das zweite und letzte Album der Triobesetzung mit dem Bassisten und Sänger E-Force über einen der beiden Monde des Planeten Mars ist eine apokalyptische Tour de Force mit „Forlorn“ als glühend-intensivem Höhepunkt. Die brachiale Mixtur aus verwehtem Industrial Metal und kauzigem Progressive Rock vertont Einsamkeit und Verzweiflung im Zeichen des Untergangs und geht dabei stets über jede physische und emotionale Schmerzgrenze hinaus. „Forlorn“ ist übrigens der einzige Song dieser Ära, der auch nach der Reunion mit Sänger Snake ab und an den Weg in die Live-Setlist fand. Gewaltig. 

„Post Society“ 
Nach dem Tod ihres Riffmeisters Piggy im Jahr 2005 versackte der VOIVOD auf manch neuem Album im stilistischen Verwaltungsmodus; statt irrwitziger Reisen durch die Galaxis bog man lieber an der Autobahnraststätte Ennepetal ab. Mit „Post society“ und den neuen Crewmitgliedern Chewie (Gitarre) und Rocky (Bass) nahmen unsere Helden wieder direkten Kurs auf Centaurus A: der erfreulich angepunkte Titeltrack fächert Psycho-Breaks wie in allerbesten Zeiten auf und zeigt die Band in funkensprühender Spiellaune mit erstaunlichem Drive. Eine Wiedergeburt. 

„Clouds In My House“ 
„Angel Rat“ war nach Aussage von Schlagzeuger Away das Album, bei dem der Band der Wille zu „härter, lauter, schneller“ fehlte. Stattdessen zeigten sich VOIVOD melancholisch und introvertiert – und stießen die nach dem erfolgreichen Vorgänger „Nothingface“ angefütterte Fangemeinde vor den Kopf. Stilistisch steht „Clouds in my house“ zwischen Wave-Geflacker, sprödem Prog und dem „Anything Goes“-Vibe der frühen 1990er Jahre selbst für ihre Verhältnisse auf sehr ambivalentem Terrain. Warum der Song auf MTV’s „120 Minutes“ nicht durch die Decke ging, versteht kein Mensch.

„Into My Hypercube“ 
Völlig gleich, was uns in den letzten dreißig Jahren an neuen Trends und Extremen aufgetischt wurde, das Durchgeknallte, Knallbunte, Exzentrische, das Emotionale und Verletzliche, das Progressive und das Reaktionäre, ein zweites „Nothingface“ war nicht dabei. „Into my hypercube“ steht etwas im Schatten der Klassiker „The unknown knows“ und dem PINK FLOYD-Cover „Astronomy domine“, aber wer könnte dieses unvergleichliche Amalgam aus subtiler Punk-Aura und softer Fliegenpilz-Psychedelik je wieder vergessen, wenn es nur einmal die Blut-Hirn-Schranke passiert hat? 

„Jack Luminous“ 
Der Versuch, den VOIVOD-Sound über wildes Namedropping zu decodieren, wird spätestens nach den 17 Minuten von „Jack luminous“ zu einem traurigen Häufchen Asche zerbröselt. Jeder Vergleich wirkt trivial, jedes Bemühen, den Code dieser Wahnsinnigen zu knacken, endet zwangsweise am Boden existenzieller Unzulänglichkeit. „Jack luminous“ ist in der Bündelung aller Wahrzeichen dieser Band der Urknall ihres Universums, die Stunde Null des VOIVOD. Wer den endgültigen Beweis dafür haben möchte, dass die Oberstübchen dieser Typen einfach anders verdrahtet sind, wird ihn hier finden. 

„Cosmic Conspiracy“ 
Der Alternative-Industrial-Tanzflächenfeger „Nanoman“ vom selben Album „Negatron“ wäre die offensichtlichere Wahl gewesen, aber wir müssen über „Cosmic conspiracy“ sprechen - vor allem über die auf dem 2000er Livealbum „Lives“ veröffentlichte Version. Intensiver hat sich der VOIVOD trotz des etwas besseren Bootlegsounds nie wieder in den Orbit geschossen. Vor allem das Break zur Songmitte und das folgende so simple wie alles zersägende Mega-Riff zeigen, welche Energie diese Besetzung auf der Bühne entfesseln konnte. Die drei Typen machten Krach für zehn. Eine Naturgewalt.

„Nuclear War“ 
Wo wir gerade bei „Lives“ waren, bleiben wir für „Nuclear war“ gleich hier. Ursprünglich auf dem 1984er Debut „War And Pain“ erschienen, bekommt das holpernde Stakkato-Geprügel des Erstlings in der Liverversion mit Sänger/Bassist E-Forst seine definitive (wenn auch leicht gekürzte) Ausbaustufe. Das militärisch stampfende Monster klingt mit der gurgelnden Stimme des neuen Frontmanns bedrohlicher und beklemmender als je zuvor, während Piggy Töne aus seiner Gitarre herausholt, die er ganz offensichtlich per Standleitung von einem anderen Planeten herübergebeamt hat. 

„Fix My Heart“ 
Der Opener des 1993 erschienenen Wunderwerks „The Outer Limits“ steht stellvertretend für einen weiteren Entwicklungsschritt der Band, die selbst nach den energieraubenden Metamorphosen der vorangegangenen drei Alben immer noch nicht müde wurde, nochmal einen draufzusetzen. VOIVOD zeigten sich insgesamt rockiger, ihr Sound schien durchlässiger für einen optimistischen Swing zu sein, die Grooves saßen lockerer, ohne dabei ihren legendären Drive einzubüßen. Ein besserer Beleg als das atemberaubend perlende Hauptriff von „Fix my heart“ wird sich nicht finden lassen.  

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(Mit freundlicher Genehmigung der Ox-Redaktion)

07.08.2022

VOIVOD - FORGOTTEN IN SPACE (Vinyl Box Set Video Review)

Beinahe fünf Monate Blog-Pause sind selbst für meine Wenigkeit ein starkes Stück. Es gibt Gründe - aber um offen zu sein: ich bin zu müde, um sie zunächst in Gedanken und anschließend Schrift nochmal Revue passieren zu lassen. Kommt Zeit, kommt irgendwas. Vielleicht aber auch nicht. 

Ich habe indes nach reiflicher Überlegung, und wer mich kennt, weiß, dass "reiflich" die Untertreibung des Jahrhunderts ist, ein Video aufgenommen, in dem ich über das neue Vinyl-Boxset meiner allerliebsten Metalband VOIVOD referiere. Alles, was ich dazu benötigte, waren zwei Liter schwarzen Kaffees, drei frische Unterhosen und ein kleiner Spritzer LSD. 

Ja, es ist viel zu lang. Niemand, wirklich niemand wird diese 32 Minuten durchhalten, ohne vorher sanft und friedlich wegzudämmern. Aber im Prinzip ist das nicht mein Problem. 

Ja, es ist im Hochformat aufgenommen (was subbi dämlich ist). Das ist definitiv mein Problem.

Ja, ich bekomme Selbstschamattacken. Und es wäre furchtbar, wenn ich sie nicht bekäme. 

Und dennoch: all das hält mich trotzdem nicht davon ab, derart full of myself zu sein, es hier zu posten. 

Enjoy!

   



21.03.2022

A Walk in My Atomic Garden - Platz 1: Bad Religion - Generator




BAD RELIGION - GENERATOR


Werte Leserschaft, es ist soweit - das Martyrium ist beendet! 

"Generator" ist die Nummer 1. Und das ist es zurecht, na klar. Dennoch...

...bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich mein Leben drauf verwetten tät', und so genau kann ich mich auch wirklich nicht mehr erinnern, es ist schließlich ziemlich exakte 30 Jahre her, aber ich glaube, dass der Titeltrack des im März 1992 erschienenen sechsten Albums für mich tatsächlich das erste gehörte Musikstück der sehr guten Gruppe Bad Religion war. Mein Bruder hatte sich die CD gekauft und es ist vollkommen im Bereich des Möglichen, dass ich, angefixt von meiner Klassenkameradin Nathalie und ihrer auf dem Schulhof herumgezeigten Kopie von "Against The Grain", Dirk anbettelte, mir die CD doch mal bitte auszuleihen. WENN es denn so war, DANN überrascht einen ja gar nichts mehr. "Generator" ist bis heute einer der allerhellsten Songwritingmomente von Gitarrist Brett Gurewitz; und dass da einer, der mit seinen vierzehn Jahren im Frankfurter Westen zwischen Pubertät (Iron Maiden) und Rebellion (Nirvana) auf diese aberwitzige, abgefahrene, alles abholzende und mit äußerst attraktiven Harmonien jonglierende kalifornische Wunderwaffe trifft, die den Hypothalamus mit einem vulkanisch-eruptiven Endorphinblitzkrieg ("Darf man das in diesen Zeiten überhaupt noch sagen?" - Schmidt) traktiert, sofort und ohne Umschweife lichterloh in Flammen steht, ist so überraschend nicht. Will sagen: sollte das wirklich mein Einstieg in ihre Welt gewesen sein, bon - keine weiteren Fragen euer Ehren. Und dennoch...

...kam "Generator" zur Nummer 1 wie "Die Linke" (Poschardt) zum Durchwinken des imperialistischen Kapitalismus oder des kapitalistischen Imperialismus, oder auch: wie kommt Kuhscheiße aufs Dach? Denn strenggenommen hatte ich nie so richtig darüber nachgedacht, was denn nun mein allerliebstes Bad Religion Album ist. Freilich erstelle ich seit nun drei Jahrzehnten geradezu unentwegt, ja geradzu manisch, Bestenlisten in meinem Kopf, und mit der Zeit kommt für jede DIE_LISTE auch immer eine Art Manifestation ins Spiel; wenn sich also die Reihenfolge und damit auch die Nummer 1 mal etabliert haben, dann bete ich ein paar Jahre später dreizehn Rosenkränze und mach' den Deckel drauf - und warte anschließend bräsig-dampfend auf die Gelegenheit, all das so schön über mehrere Schlaganfälle hindurch ausgeknobelte wieder aufzubrechen, umzuschmeißen, neu zu ordnen. Im Falle unserer Helden aus Kalifornien erschien mir das nie als so recht lohnenswert (schreibt's hin wie Oma Meume und macht dann einen halbjährigen Superscheißcountdown auf seinem Blog, völlig klar), was wohl in erster Linie dem bereits mehrfach herbeigeschriebenen Gedanken geschuldet ist, aus dem, was gemeinhin als Klassikerkanon ihrer Diskografie gilt, schlicht keine Reihenfolge stricken zu können (schreibt's hin wie Doofie Doofmann und macht dann einen halbjährigen Superschei...hmnja). Und dennoch...

...steht, liegt und tänzelt "Generator" nun am Platz an der Sonne, und die Frage, ob ich denn mit dem Küren des Erstkontakts nur wieder einmal die einfachste, anschmiegsamste und offensichtlichste Option wählte, hängt mal wieder quer im Raum herum. Die absolut endgültige Antwort lautet: vielleicht! Auf "Generator" stehen andererseits mit seinen insgesamt gerade mal elf Tracks (Trivialwissen von mir für mich: auf keinem anderen ihrer Alben stehen weniger) die meisten Lieblingssongs, allen voran "Only Entertainment": sowohl textlich als auch musikalisch vielleicht das Beste, was die Band jemals geschrieben hat. Es gab über Jahre, ach was: Jahrzehnte kein Mixtape, auf dem sich nicht irgendwo "Only Entertainment" tummeln sollte. Auf der Bad Religion-Nerdseite thebrpages.net findet sich folgende (mögliche) Interpretation des Texts, die mir sehr passend zu sein scheint:

Forms of media that inform us of worldly events such as 'The News', newspapers and now the electronic form of news; 'e-papers' are what this song is based upon. The organizations that produce these forms of media pick and choose what they feel is what people want to see. They create a window of our world where we see what they want us to see. Thus, this is not reality but only what the media chooses to show, that will draw the most ratings and therefore make them the most income. Two important lines that show this are 'a medium upon which you build reality' and 'they've planted the seed, that sprouts into your picture of the world.' Furthermore, this 'news' we see everyday becomes less about the real world and the important issues at hand but more of a form of entertainment. This is why people are intrigued to see the pain and suffering of third world countries or the deaths of war then to actually be educated on the causes of this pain and suffering or war. Another important point made in this song is seen in the line 'they control two worlds, power and disease, and you cannot suppress your curiosity.' This line shows that it is only power (major corporations, US government, war updates) and disease (hunger, famine, outbreaks of disease) that the media portray of our world as thus control what we can see and interpret of that specific situation, but this is what we are curious to see because all this is only entertainment."

Und wo wir gerade bei Lieblingssongs sind: mit "Fertile Crescent" steht mein liebster "vergessener/untergegangener/unterbewerteter" Bad Religion Song ebenfalls auf "Generator", neben "Chimaera" der einzige Track des Albums, der tatsächlich noch nie live gespielt wurde. Und was ich beim leicht verschnarcht wirkenden "Chimaera" noch so ein kleines bisschen verstehen kann, ist das vermutlich unter den Eindrücken des zweiten Golfkriegs von Papa Bush entstandene "Fertile Crescent" mit seiner genialen Gitarren-Hookline und klassischem Drive eine echte Sternstunde, die es endlich einmal auf die Bühne schaffen sollte. 

Und sonst? Nur Hits. Übermenschliche Hits. Es lohnt nicht, die Songs alle aufzählen, das ist im Prinzip eh alles 11/10. Aber hier, komm  einer noch: "Heaven Is Falling", ebenfalls aus Gurewitz' spitzer Feder, hat diesen Kniff, unter das Highspeed-Getrümmer dieses feine, akzentuierte Riff zu schummeln, mit all seiner offenen Dissonanz und funkelnden Zwischen-, Ober- und Untertönen. Und wenn man es erkannt hat, schreit man hysterisch. Vor Freude. Und Pardon, aber: das kann so kein anderer. 

Und all das kann auch keine andere Band. Selbst wenn ich in den letzten Einträgen manches Mal den Eindruck erweckt haben könnte, nicht so irre glücklich mit dieser "Worst To Best"-Serie zu sein, 's is' ja eh alles Koketterie und Drama, Chérie! - Dieser (unendlich lange und sich unfassbar ziehende) Streifzug durch ihre Diskografie war ganz entgegen früherer Einlassungen äußerst gewinnbringend. Wie bei jeder besonderen Serie über ganz besondere Bands auf diesem Blog, wie damals bei King's X, Warrior Soul, Skyclad oder auch Tribe After Tribe, schließe ich nach der detaillierten Auseinandersetzung und innigen Umarmung das Kapitel jedes Mal mit der Gewissheit, diese eine spezielle Saite angeschlagen zu haben, die mein Herz zunächst vibrieren und erzittern und anschließend schmelzen lässt. Ich bin hinterher immer schlauer und auch irgendwie noch verliebter als vorher. 

Mehr kann ich ich mir nicht wünschen. 

"They're one of the best. They're still one of the best." (Noel Gallagher, Zitat ähnlich)


 


Erschienen auf Epitaph, 1992.

13.03.2022

A Walk in My Atomic Garden - Platz 2: Bad Religion - Recipe For Hate




BAD RELIGION - RECIPE FOR HATE


Grundgütiger, das muss die ödeste und zäheste Serie aller Zeiten auf diesem Blog sein. Und es ist ja auch nicht so, als hätte ich das nicht alles schon gewusst. In meiner vor knapp 13 Jahren erschienenen Rezension von "Recipe For Hate" - und ja, damit kommt's wirklich noch dicker, denn jetzt wird's zu allem eh schon existierenden Übel auch noch redundant - eröffnete ich den Text mit dem Satz:

"Über Bad Religion Platten zu schreiben, mag auf den ersten Blick weder sonderlich originell noch anderweitig gewinnbringend sein."

...und hier sind wir dann jetzt - und ich darf hinzufügen, dass selbst der zweite und dritte Blick daran nichts Wesentliches ändern. Der jüngere Flohihaan hatte ganz offensichtlich noch ein paar brennende Kerzen auf der Torte, heute schwimmt der Kompass für Stil und Relevanz in abgesenkten und brackigen Hirnwasser der Verzweiflung herum. Pi-Pa-Peinlich. 

An meinen Ansichten zu "Recipe For Hate" hat sich seitdem indes wenig geändert; im Grunde ist jedes Wort aus dem Jahr 2009 auch heute noch richtig, sieht man mal von der Verwendung des Deppenworts "massiv" ab. Das gibt Abzüge in der B-Note. 

""Recipe For Hate" ist ein Kind seiner Zeit, was man der Platte mit etwas Abstand geradewegs beeindruckend schnell anhören kann. Vor allem hinsichtlich der Produktion fällt eine zeitliche Zuordnung gar nicht so schwer: die Gitarren dick wie Sirup und verschwommen vor sich hin blubbernd, mit einem Weichzeichner in die Breite gedrückt und mit Feedback in Bob Mould-Sphären schwebend, eine extrem räumlich klingende, massiv im Vordergrund stehende Stimme Greg Graffins und insgesamt eine Soundästhetik, die zur Krönung in 1992er Alternative Rock-Gold getaucht wurde. So klangen Bad Religion nie wieder. Für meine Begriffe ist das klangliche Experiment geglückt und zu meiner großen Überraschung ist "Recipe For Hate" bei Weitem nicht so schlecht gealtert, wie es vielen anderen Alben aus den neunziger Jahren passiert ist. 

Auch das Songwriting stellt eine Zäsur zwischen den früheren Klassikern und dem Spätwerk dar. Zum einen gaben sich Bad Religion experimentierfreudig wie nie, öffneten ihren Sound passend zur Hochzeit Seattles für Grunge-Elemente ("Struck A Nerve"), ließen fast schon progressive Strukturen erkennen ("All Good Soldiers") und wagten sich für "Man With A Mission" gar auf Folk und Country-Terrain. Zum anderen klangen selbst die eher klassischen Uptempobrecher wie "Skyscraper" oder der fantastische Titelsong zwar immer noch klar nach Bad Religion, präsentierten sich aber viel durchdachter, gereifter, vielleicht auch abgeklärter. Es war plötzlich nahezu unmöglich, dass einer dieser Tracks auf einem der Vorgängeralben hätte stehen können, allerhöchstens "My Poor Friend Me" erweckt den gefühlten Anschein, ein Überbleibsel der "Generator"-Sessions zu sein. So positioniert sich "Recipe For Hate" rückblickend als (experimentelles) Bindeglied zwischen dem schnellen, unbekümmerten Punkrock eines "Against The Grain" und den späteren, kontrollierteren Alben wie "Stranger Than Fiction" oder "The Gray Race" und ist dennoch viel mehr als das."

Dass ich zwar einerseits die "Hochzeit Seattles" und "Grunge" erwähnte, andererseits aber ausließ, die Beteiligung von Pearl Jams Eddie Vedder an "Recipe For Hate" herauszustellen, dessen Beitrag zur Strophe von "Watch It Die" nebst Backingvocals für den Hit "American Jesus" ja durchaus meine Alternative-These noch weiter hätte stützen können, erscheint einigermaßen balla-balla. Ich reiche das hiermit mit einer nur winzig kleinen Verzögerung von beinahe eineinhalb Dekaden nach. 

Am Ende ist meine tief empfundene Liebe zu "Recipe For Hate" keine Überraschung mehr. Ich bin erstens ein Kind des Grunge und des Alternative Rocks und ich spüre zweitens seit über dreißig Jahren eine große Verbundenheit mit Bad Religion. "Recipe For Hate" verbindet diese beiden DNA-Stränge miteinander. Zudem sah ich die Band im Sommer 1993 erstmals live in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg, und auch wenn ich mir darüber im Klaren bin, dieses Erlebnis schon mehrfach auf meinen dreikommaviernull Quadratmetern verwertet zu haben, tu ich's schon wieder: es war eines der beeindruckendsten Konzerterlebnisse meines Lebens. Ich habe seitdem nie wieder so viele Menschen auf einem Haufen derart ausrasten sehen und es ist _WIRKLICH_ keine Übertreibung, wenn ich sage, dass es im gesamten Zuschauerraum kein einziges Fleckchen gab, auf dem keine Körperteile durch die Luft wirbelten. 

Das im obigen Foto herumhängende T-Shirt stammt von jenem Montagabend, dem 5.Juli 1993. Es kostete 10 Mark. Und es wird mich für immer an diesen so besonderen Moment in meinem Leben erinnern.


   


Erschienen auf Epitaph, 1993.



27.02.2022

A Walk in My Atomic Garden - Platz 3: Bad Religion - No Control




BAD RELIGION - NO CONTROL

Ich kaufte die CD von "No Control" im Spätsommer 1993 in einem kleinen Plattenladen in Weil am Rhein, zwischen einem Rollkunstlaufwettbewerb, just einsetzender Pubertät und in Davidoff "Zino" getauchten Karohemden, zusammen mit der CD-Single von Nirvanas "Heart-Shaped Box" (mit dem fantastischen "Marigold" auf der B-Seite und außerdem einen großen "In Utero"-Aufkleber; Trivia von mir für Dich, bitte, danke.). Es war damit auch die letzte Platte der fünf bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Alben zwischen "Suffer" und "Recipe For Hate", die ich mir nach ihrem Re-Start im Jahr 1988 als Tonträger kaufte. "No Control" war also ein Spätzünder im Hause Dreikommaviernull - aber das lag an meinem sehr, sehr kleinen Schüler-Portemonnaie und nicht etwa daran, dass mir mein von meinem Bruder aufgenommenes und mittlerweile recht ausgemergeltes Tape von einer Auseinandersetzung mit dem Album abriet. Tatsächlich besuchte ich ein paar Monate vorher mein erstes Bad Religion-Konzert in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg und das geriet wie an anderer Stelle bereits erwähnt derart eindrücklich, dass ich in den kommenden Jahren den Autopiloten einschalten sollte und also alles kaufte, was ich in die Finger bekam. Sogar völlig beschissen klingende Bootleg-CDs waren nicht mehr vor mir sicher. Ich stand förmlich in Flammen. 

"No Control" konnte den Brand nicht löschen. Auch wenn ich anerkenne, dass sowohl die stilistischen als auch qualitativen Unterschiede zwischen "Suffer", "Against The Grain" und "No Control" verschwindend gering ausfallen, trifft das 1989 erschienene Album den so oft zitierten Sweet Spot.

"Suffer" lebte vielleicht nicht in erster Linie, aber zu einem guten Stück von der Sensation des Neuen und hatte bei aller juveniler Energie noch ein paar Bremsklötzer zwischen die Songs gelegt, "Against The Grain" zeichnete dagegen erste zaghafte Linien in Richtung Souveränität und - zugegeben: Redundanz. "No Control" platziert sich exakt dazwischen: ihr berüchtigter Drive zeigt sich hier in voller, wilder Blüte, das Songwriting ist flüssiger und sicherer als noch auf "Suffer", die ganze Band schien selbstbewusster und konnte so das Tempo und zugleich die melodischen Elemente nochmals nach oben schrauben; ganz besonders offensichtlich wird das in den mehrstimmigen Gesangsarrangements. Im Ergebnis präsentiert sich "No Control" mit großer Lockerheit und mühelosem Swing und wirkt dabei gleichzeitig schärfer und eindringlicher als der Vorgänger und Nachfolger. 

Wer alleine nach dem furiosen Einstiegstrio mit "Change Of Ideas", "Big Bang" und dem Titelsong noch ohne Blutdrucksenker auskommt, lässt sich auch bei OBI die Haare schneiden.


   


Erschienen auf Epitaph, 1989.

19.02.2022

A Walk in My Atomic Garden - Platz 4: Bad Religion - Stranger Than Fiction


BAD RELIGION - STRANGER THAN FICTION


"Stranger Than Fiction" ist der Soundtrack meiner Adoleszenz, die (Spät)Sommerplatte des Jahres 1994 und mit den im gleichen Jahr erschienenen Alben Fates Warnings ("Inside Out"), Vicious Rumors' ("Word Of Mouth") und natürlich "Superunknown" von Soundgarden einer der absoluten Meilensteine meiner musikalischen Laufbahn. Für immer in meinem Herzen. Und sowas ist auf Platz 4, lol.

Dabei habe ich immer noch das Geflenne der wahren, echten Punkrocker im Ohr: Ausverkauf! Verrat! Kapitalistenschweine! "Stranger Than Fiction" war das erste Album Bad Religions auf einem Major Label, und die Basis schäumte vor Wut. Und sie musste ja sowieso schon einiges aushalten, die Basis: "Dookie" und "Smash" spülten den Punkrock im Sommer 94 mit harmlosem Tralala- und Schalala in den Mainstream und in der Folge tat der Kapitalismus eben das, was der Kapitalismus eben so tut - er saugt noch den absolut letzten Tropfen Idealismus aus einer Jugendbewegung, korrumpiert und schießt damit eine gesamte Szene über den ganzen verfickten Haufen. Ein paar Jahre später spielen Punkbands auf von Megakonzernen gesponserten Megafestivals mit all ihrem strukturellen Megarassismus, all ihrer strukturellen Megamisogynie, all ihrem strukturellen Kniefall vor dem Kapital und lassen sich für Werbung für Energydrinks und Rucksäcken einspannen. Inhalte, Schmihalte - Mund auf, hier kommt die nächste Ladung Bullshit. Und immer schön schlucken. 

Auch Bad Religion haben dieses Spiel mitgemacht und es wäre heuchlerisch, hier nur auf den ach so verdammten Mainstream einzuprügeln und die vermeintliche integre Heldencombo um den feinen Herrn Professor und den Label-Millionär im schön verklärten Weichzeichner den Freifahrtschein auszustellen. Es wäre aber auch so verdammt leicht. Und leicht haben sie's einem schon auch gemacht, beispielsweise als die Band 2010 auf irgendeiner Werbescheiße der Deutschen Telekom oder T-Mobile oder - ach, scheißrein, 's eh schon alles egal: gleich mehrfach bei den Rock Am Ring- und Rock Im Park-Shitshows spielten; da war das von Gitarrist Brian Baker aufgetragene Burzum-Shirt ja wohl mal die voll geile Provokation, Alter! Punkrock!     

Propagandhi sangen über "sowas" in ihrem Song "Rock For Sustainable Capitalism" auf dem 2005 erschienenen Wunderwerk "Potemkin City Limits":

I fuckin’ love that one rock video where that fucking jack-ass mohawked millionaire prances around by far the worst sausage party on earth, where by mere chance he’s caught on film shaking hands with an incredibly diverse collection of patriotic skins. I like the message it sends: With a Rebel™ yell, Just Do Exactly What You’re Told. One million douche bags can’t be wrong? “When did punk rock become so safe?” You’ll excuse me if I laugh in your face as I itemize your receipts and PowerPoint your balance sheets. I hear this year’s Vans Warped Tour is “going green!” I guess they heard that money grows on trees. Hope they ship all those shitty bands overseas like they did the factories. Music’s power to describe, compel, renew … It’s all a distant second to the offers you can’t refuse. Anyone remember when we used to believe that music was a sacred place and not some fucking bank machine? Not something you just bought and sold? How could we have been so naïve? Well, I think when all is said and done, just cuz we were young doesn’t mean we were wrong. And I’ll rock back and forth on this two-bit hobbyhorse ’til she splinters and gives way. I’ll tend the flowers by her grave. And whisper her name. If anyone out there understands can I please see a show of hands just so I know I’m not insane? Ever get the feeling you been played? Well, that’s rock for sustainable capitalism and you know, we may face a scorched and lifeless earth, but they’re accountable to their shareholders first. That’s how the world works.


 


Und ich habe jetzt schon wieder einen Riesenhals, das "Worst To Best" Feature nicht mit den ganzen tollen Propagandhi-Platten gemacht zu haben, anstelle des so offensichtlichen Bad Religion-Katalogs. Capitalism fooled my once again. Fucking Hell. 


Und wenn ich jetzt noch schreiben tät, dass "Stranger Than Fiction" trotz dieses ganzen Irrsinns eines der allerbesten Bad Religion-Alben ist, säße ich wohl noch tiefer in der angerichteten Scheiße. Als dann, mit dem Kopf voraus, 's kann eh nicht viel kaputtgehen: "Stranger Than Fiction" ist eines der allerbesten Bad Religion-Alben. 

Selbst wenn die Band leider darauf verzichtete, die auf dem Vorgänger "Recipe For Hate" sehr zaghaft installierten Experimente weiterzuführen (wahrscheinlich als Statement, um DIE_BASIS ein wenig zu besänftigen; very punkrock, huh?!) und stattdessen mit furios perlendem Punk direkt ins Fegefeuer der Majorlabels zu pinkeln, lassen sich auf "Stranger Than Fiction" mit maximal zwei Ausnahmen nur Hochkaräter finden. Polierte Hochkaräter, meinetwegen. Aber eben doch herausragende Songs wie den philosophischen Titelsong, dem zornigen "Leave Mine To Me", dem rasenden "Marked" oder "Inner Logic", für den der an der Schwelle zur Volljährigkeit stehende Flori den CD-Player für einige Wochen auf Endlosschleife programmierte. Vor allem das zum Ende gesungene Mantra mit der Textzeile "no equality, no opportunity, no tolerance for the progressive alternative" in Verbindung mit dem Refrain "there is an inner logic, and we're taught to stay far from it. It is simple and elegant, but it's cruel and antithetic. And there's no effort to reveal it" war ein echter Augenöffner in Bezug auf Engstirnigkeit und ritualisierter Reflexe von Politik, Medien und der eigenen Umwelt. 

Zum Schluss noch das Offensichtliche: natürlich sind Bad Religion nicht Green Day. Natürlich singen sie nicht über Masturbation und Liebesbeziehungen (zumindest nicht auf _dieser_ Platte). Natürlich sind die beiden Texter Graffin und Gurewitz viel zu schlau, um nicht zu verstehen, welchen Anteil ihre eigenen Aktionen am Zustand der Welt haben. Wenn sich in den 40 Jahren Bandkarriere eines aus ihren Texten immer und immer wieder herauslesen lässt, dann ist es der eigene Kampf mit jener Ambivalenz, diesem Spannungsgefühl aus eigener Verantwortung und dem drohenden Untergang. Einerseits Autoritäten in Frage zu stellen und gleichzeitig die alleinige Autorität für das eigene Handeln und Leben zu sein. Einerseits Selbstbestimmung, andererseits systemischer Zwang. 

Der Kabarettist Georg Schramm sagte in seiner Paraderolle des Lothar Dombrowski in Bezug auf die Irrungen des Kapitalismus einmal folgende Worte, die mir in diesem Zusammenhang als sehr passend erscheinen:

"Und glauben Sie ja nicht, da ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Im Gegenteil. Das Schiff ist auf Kurs. Es ist aber nicht unser Kurs. Es ist ja auch nicht unser Schiff."


 


Erschienen auf Atlantic Records, 1994.



29.01.2022

A Walk in My Atomic Garden - Platz 5: Bad Religion - The Gray Race




BAD RELIGION - THE GRAY RACE


Ich kenne all das Gerede. Der mit dem Vorgänger "Stranger Than Fiction" begonnene Majorlabel-Ausverkauf geht mit "The Gray Race" in die zweite Runde, noch mehr Kommerz, noch mehr Bigotterie, und von wem jetzt eigentlich GENAU weiß ja kein Mensch, noch mehr Pop. Dazu: alles zu langsam, alles zu gewöhnlich, alles zu melodisch. UND ALLES NUR WEGEN DEM SCHEISS GELD! DAS GELD, DAS GELD, DAS GELD! DIESE SCHWEINE! 

Bevor nun der kleine Schlaganfall an die Tür klopft, ich kann den Schwachsinn einfach nicht mehr hören, wechseln wir schnell das Thema: "The Gray Race" war in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre so manches Mal ein Lebensretter. Es ist vielleicht das melancholischste Werk Bad Religions - und ich war melancholisch im Winter/Frühjahr 1996. Keine Dramaqueen, ich trug das nicht unbedingt ins Außen - aber die innere Ziellosigkeit, das Gefühl alleine zu sein und nirgends so richtig dazuzugehören, dieses graue Grundrauschen, die Angst vor schulischem Versagen und die sich daraus entwickelnde Enttäuschung trafen zeitgleich auf Musik und Texte, die sich selbst ein paar Jahre nach Grunge und Alternative Rock-Hype und im Weichzeichner der neunziger Jahre noch immer nach dem Aufbruch in eine neue Ära anfühlten. Es gab tatsächlich Euphorie in all dem Gefühlschaos eines viel zu spät pubertierenden Idioten aus Frankfurt. Und Bad Religion waren Identifikationsfiguren; ihre Musik half mir bei der Selbstfindung und der Orientierung, ihre Texte weckten den intellektuellen Geist, das Interesse am Politischen, die Lust am Philosophischen, die Begeisterung, Zusammenhänge zu erkennen und einzuordnen. Sie halfen mir dabei, mich selbst und die Welt um mich herum zu verstehen. 

Natürlich lässt es sich nicht leugnen, dass die Musik auf "The Gray Race" im Gesamtbild nochmal ein paar Ecken und Kanten verloren hat. Das liegt in erster Linie an einer sensationell ausgewogenen Produktion, die es darüber hinaus aber gleichfalls schafft, die Songs in gräulich schimmernder Melancholie einzukapseln. Greg Graffins leicht abgedunkelt wirkende und angeraute Stimme klang noch nie so gut wie hier, und seine Texte wie in "Parallel" (auch musikalisch eines der herausragenden Stücke ihrer Diskografie, fight me!), die einerseits vom bevorstehenden Untergang, andererseits von Gemeinschaft und Verbindung erzählten, prägen mich bis heute. Wie sollten sie auch nicht - die Themen sind heute aktueller denn je. 

Was ich aber eigentlich sagen wollte: wenn es eine Band schafft, derart makellose, zu gleichen Teilen mitreißende wie nachdenkliche Songs zu schreiben, können sie es meinethalben bis zur totalen Durchsichtigkeit polieren. Diese Songs sind unkaputtbar.


   



Erschienen auf Sony Music, 1996.