Warum nicht mal die anderen die ganze schöne Arbeit machen lassen? Warum nicht einfach mal ein paar Musiknerds, die einen im und durchs Leben begleiten, nach ihren geheimsten Wünschen und wildesten Träumen fragen, welche Platten sie am liebsten in einer Vinylversion in den Händen halten wollen? Gastbeiträge sind ja eigentlich die schönsten Beiträge - und das nicht nur, weil ich selber auf der faulen Haut liegen und das literarisch-audiophile Schauspiel aus der Ferne betrachten kann. Es bedeutet auch: Umarmung, Inklusion und gleichzeitig: Öffnung - immerhin Begriffe, die mir seit geradewegs Jahrzehnten völlig fremd sind. Und gäbe es einen besseren Zeitpunkt als den aktuell so besinnlichen und außerdem besinnungslosen Jahresausklang, um also die Pforten jenes Sossenheimer Allerlei weit aufzustoßen (Veganer Rollbraten, Rotkohl, Mango Lassi)? Und gab es jemals einen Absatz auf diesem Blog, der noch mehr Suggestivfragen zu stellen vermochte?
Nun haben sich ein paar nette Menschen also nicht nur Gedanken darüber gemacht:
1. Welche Platte braucht ganz dringend eine Wiederveröffentlichung auf Vinyl?
und
2. Welche Platte sollte es ganz dringend endlich und erstmals überhaupt auf Vinyl geben?
NEIN! Sie haben sogar noch etwas dazu geschrieben. Und das kann man jetzt hier sogar nachlesen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen für die Mitarbeit bedanken. It means a lot.
(Zur besseren Lesbarkeit werden die Beiträge separiert und hier als Serie in den kommenden Tagen peu à peu veröffentlicht)
Al. Herzallerliebste. Est.1999. She Is Love.
Al hat sich für gleich zwei Vinylpremieren entschieden:
THE TEA PARTY - TRIPTYCH
Diese Band wird immer einen Platz in meinem Herzen finden, selbst wenn die letzten Releases so gar nicht mehr meinen Geschmack treffen. TRIPtych hat im Jahr 1999 in den Irrungen und Wirrungen der beginnenden Liebe zu dem unvergleichlichen Inhaber dieses Blogs einen Soundtrack geliefert, der es in sich hat. „These Living Arms“ wurde sogar als Tanzflächen-Opener auf unserer Hochzeit gespielt. Nicht dass wir nach der letzten Krebs-OP des Angetrauten dazu effektiv hätten tanzen können, aber darauf kam es wirklich nicht an. Der Weltklasse- und Weltmusik-Rock der drei Kanadischen Buben hat in Europa nie richtig Fuß fassen können. In Australien und Kanada ist das Following deutlich größer und loyaler - auch nach Auflösung und anschließender Reunion. Im kommenden Jahr wird eine ausführliche Tour durch Kanada rollen, mit kleinen Abstechern in US-amerikanische Gefilde. Im Vergleich zu den schwergewichtigen Vorgängern wirkt TRIPtych heller und leichter, weniger dicht instrumentiert. Naturverliebte, bluesige Sommerwanderungen im dramatischen Untergang der „Splendor Solis“ waren vorgestern, die mystischen „The Edges of Twilight“ sind verblasst und die drogenverseuchten, schwarzledernen Tage von „Transmission“ sind nunmehr duftigen, weißen Leinenhosen gewichen (höre: „Taking Me Away“ und „Gone“). Natürlich blitzt die schwarze Magie der alten Tage noch in einigen Tracks durch („Touch“). Mein persönlicher Favorit ist und bleibt die Intensitätswalze „The Halcyon Days“, die in meinen Augen viel von dem vereint, was The Tea Party zu bieten hat. Orientalische Instrumentierungen, detailverliebtes Songwriting und glanzvolle Poesie. Alles gepaart mit musikalischer Handwerkskunst, die ihresgleichen sucht.
Wäre doch schön, wenn wir dieses Album zu unseren Hochzeitsmemorabilien hinzufügen könnten.
IAMX – KINGDOM OF WELCOME ADDICTION
Sex, Drugs and Drama. Dieses Stückchen schwarze Glittermasse von 2009 hat genau DAS und genau so, wie ich es mag. Heiß, emotional und tanzbar. Chris Corner schwitzt kokett die dunkle Verzweiflung treffend in fließende Sounds und ich fühle mit ihm. Jedes Mal. Au. Masochismus im Audioformat. Seine Devotees lieben ihn nicht zuletzt wegen seiner unnachahmlichen Art, Realität und Traumbilder verschwimmen zu lassen. Das Verschwinden von Gendergrenzen, die Welt ist ein chaotischer Zirkus und das Leben eine obsessiv gearbeitete Kunstform. Die Sehnsucht nach Liebe, Schutz und der Erfüllung der geheimsten Wünsche schwingt immer mit und entlockt wenigstens mir schon wieder ein leises Stöhnen.
„Desire is a gift in life.”
Sollte dieses Teilchen jemals auf Vinyl veröffentlicht mein Haus erreichen, werde ich es persönlich ablecken und sorgsam auf dem Plattenteller in Form streicheln.
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Jens. Schlippo. BFF. Macht Bilder von Schallplatten.
Zum gemeinsamen Trip die memorierte Linie hinab schart Herr Dreikommaviernull handverlesene Nutzer seiner audiophilen Literaten-Heimseite um sich - und (fast) alle machen mit. Schön. Da will ich auch mitmarschieren. Denn: Geili-Eili ist der beste Mann und außerdem hält Memorieren die Murmel frisch. Sagt man. Wenn die Erinnerungsorgie für Lausch-Geronten zudem charmant als Re- bzw. Firstpress-Hörsportaufgabe kaschiert wird, herrlich. Wie man hört, soll außerdem früher alles besser gewesen sein. Das ist natürlich völliger Blödsinn, aber zumindest war ich früher Student und in dieser Funktion ein halbes Jahr in der irischen Hauptstadt Dublin stationiert. Sie ahnen es, liebe Leserin, für diesen Text (auch: Stück) möchte ich den momentan äußerst populäre Storytelling-Ansatz wählen, um Sie aufs Herrlichste zu unterhalten und - weil’s so schön ist - gleichzeitig zu informieren. Alte Schule, große Kunst. Liest noch jemand mit? Nein? Egal. Also, Folgendes: Die Wintermonate in Irland (September bis Juli) sind nass, kalt und dunkel - und manchmal auch dunkel und nasskalt. Was hilft? Musik und Alkohol. Wissen die Iren seit Jahrhunderten und ich seit 1997. Kommen wir zur Sache:
1. Firstpress 'em all
THE DEVLINS - WAITING
Mit Bandnamen ist das so eine Sache. Ich persönlich würde meine Band eher nicht „The Devlins“ nennen. Klar, mein Familienname ist nicht Devlin und außerdem habe ich keinen Bruder. Colin und Peter Devlin schon. Jetzt könnte man sagen, dann macht ja alles Sinn und besser „The Devlins“ als „The Devlin Brothers“ oder auch „The Devlin Family“ - wäre Iren alles zuzutrauen. Tut aber eigentlich nichts zur Sache, denn auf die Musik kommt’s an und die ist - bitte schnallen Sie sich an - fabulös! 1993 haben die Gebrüder Devlin zusammen mit Mark Murphy und Guy Rickarby ihr hervorragendes (von Daniel Lanois produziertes) Debütalbum „Drift“ veröffentlicht. Vier Jahre später - als ich gerade im düsteren irischen Winter saß - erschien „Waiting“. Und auch wenn mir dieses wunderbare Album nicht das Leben gerettet hat (Claas Retolius würde speien), so ist es seither doch ein treuer Begleiter. Colin Devlins Stimme ist wie eine heiße Badewanne, wenn bei anderthalb Grad Außentemperatur der Regen gegen das Badezimmerfenster peitscht. Mitbürger mit Ohren, großen Herzen und einem Sinn für feines Songwriting dürfen gerne mal reinlauschen. Es lohnt - immer noch. Inzwischen gibt es „The Devlins“ nur noch ab und an. Bevorzugt an Weihnachten, wenn Colin Devlin, der inzwischen in LA lebt, die Familie besucht und zusammen mit Peter und den Buben in einem kleinen Pub in Dublin konzertiert. Vor vier Jahren hat er zwei Solo-Konzerte in Deutschland gegeben. Aber es war kalt und nass, mein Sofa zu gemütlich und der Weg nach Karlsruhe zu weit. Ich beiße mir seither in regelmäßigen Abständen in den Hintern. Aber es gibt Hoffnung: in diesem Jahr hat Colin Devlin ein Soloalbum veröffentlicht - und mir (zumindest auf Instagram) versprochen, auch mal wieder in Deutschland vorbeizuschauen. Ach ja, „Waiting“ hätte ich gerne auf Vinyl. Gab es nie - und wird es vermutlich nie geben.
2. Nachschlag, bitte:
MORCHEEBA - WHO CAN YOU TRUST?
Auch Morcheeba sind eine Badewanne. Und was für eine. Whirlpool, mindestens. Auf der Tour zu ihrem famosen Debütalbum „Who can you trust?“ machten sie in einer der schönsten Konzert-Locations dieser Erde halt: dem Olympia Theater in Dublin. Ein altes, plüschiges Theater - viele Balkone, überschaubar groß, wie gemacht für den lasziven Trip-Hop von Morcheeba. Die Band war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Ich ließ mich von der Schwester einer Mitbewohnerin mitschleppen. Dafür gebührt ihr noch heute großer Dank. Auch wenn ich in den 20 Jahren seither einige Bands live gesehen habe, so beeindruckend schön war kaum ein Konzert. „Who can you trust?“ habe ich mir am nächsten Tag bei Tower Records geholt. Natürlich (und aus heutiger Sicht: leider) auf CD. In kleiner Stückzahl wurde damals eine Vinyl-Auflage gepresst, bei der allerdings das Cover-Foto der CD (huch, eine Cannabis-Blüte) entfernt und durch ein schmuckloses schwarzes Cover ersetzt wurde. Heute zahlt man für diese - bislang einzige - Vinyl-Version des Albums auf Discogs um die 70€. Morcheeba haben seither noch einige tolle Platten veröffentlicht. Vor allem „Big Calm“ und „Charango“ kann ich wärmstens empfehlen. So schön wie damals wurde es allerdings nie wieder. Früher war eben alles besser.
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Tobi, Blogger und Betreiber der Thekenumschau. Zwitschert.
Kategorie: Sollte endlich mal wieder auf Vinyl kommen:
TOOL - LATERALUS
In dem Fall hatte ich ziemlich schnell, quasi sofort, eine Assoziation, und bei der ist es dann auch geblieben: „Lateralus“ von TOOL. Zum Album an sich muss man sicher nicht mehr allzu viel schreiben. Für mich fest steht, dass es ist nach wie vor eines der besten fünf Alben ist, die in diesem Jahrtausend erschienen sind. Vor X Jahren hat es hier mal eine Vinyl-Veröffentlichung gegeben, im fancy Hologramm-Cover in Hochglanz-Optik, die schon vom bloßen Angucken Fingerabdrücke bekommt. Und vor allem: Als Picture Disc. Das mag bei dem Artwork zwar Sinn ergeben, geht aber wohl dermaßen zu Lasten des Klangs, dass diese an sich ja perfekt produzierte Platte auf LP zahlreichen Reviews zufolge eher klingt wie ein Venom-Demo aus dem Proberaum von Bathory. Braucht also niemand, zumindest niemand der Platten auch hört und nicht nur angucken möchte. Dementsprechend (halbwegs) erschwinglich ist diese Version sogar noch gebraucht erhältlich – allein, wem nützt es? Mir jedenfalls nicht. Hocherfreut wäre ich daher, wenn „Lateralus“ (oder die Alben der Band mal ganz allgemein, for that matter) in einer vernünftigen Vinylversion veröffentlicht würde. 2019 kommt ja das neue Album (Hahaha, als ob…) - vielleicht wacht in diesem Zuge ja irgendein findiger Mensch mal auf.
Kategorie: Hier wäre eine Vinylversion überhaupt mal schön:
ARCHIVE - CONTROLLING CROWDS
Hier habe ich zwar etwas länger überlegt (also so 10 Minuten) und dabei festgestellt, dass das ein oder andere Album, das mir in den Sinn kam, inzwischen längst (wieder) auf Vinyl veröffentlicht wurde – letztlich lege ich mich hier aber fest auf „Controlling Crowds“ von ARCHIVE (2009). Eigentlich verwunderlich, dass es das offenbar wirklich nicht zu geben scheint, denn die späteren Alben der Band wurden ganz selbstverständlich sowohl auf CD als auch LP veröffentlicht. Dieses aber nicht. Eigentlich ist „Controlling Crowds“ kein ‚typisches‘ Vinyl-Album. Es ist ultralang, es verfügt über eine sehr unterkühlte, distanzierte und irgendwie modern-urbane Atmosphäre. Und dennoch wäre es für mich ein perfekter Kandidat für eine richtig schicke Doppel-LP, oder meinetwegen auch im Dreier-Verbund mit dem Nachfolger „Controlling Crowds Part IV“, den ich zwar auch mag, aber den ich trotzdem irgendwie eher als das Anhängsel wahrnehme, das er vermutlich auch ist. „Controlling Crowds“ hat Einflüsse aus Trip Hop, Art Rock, Pop, Progressive Rock, Hip Hop und was weiß ich noch allem, und es ist komplett großartig. Wie gesagt ist es ein sehr kühles und oft fast maschinell wirkendes Album – aber es hat eben auch eine menschliche Seite, die besonders durch die Performances der verschiedenen Sänger und Sängerinnen erzeugt wird und die einen wunderbaren Kontrast zur Musik bildet. Der Gesänge von Pollard Berrier, Dave Pen oder Maria Q sorgen oft für eine sehr persönliche, fast heimelige Atmosphäre und bringen die Emotionen in dieses Album. Denn wenn man hinhört, ist es eben dann doch nicht der glattkalte Monolith, der es auf den ersten Blick zu sein scheint, sondern es ist introvertiert, in sich gekehrt und wirkt teilweise sehr persönlich. Auch das schöne Artwork verdient endlich mal ein größeres Format als die lumpigen 12x12cm. Und darum wähle ich in dieser Kategorie das Meisterstück von ARCHIVE. Aber bitte nicht als fuckin‘ Picture Disc, zur Hölle!
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