DOUGHBOYS - CRUSH
Da muss der eigentlich geplante Aufsatz zur vielleicht wichtigsten Band im Florianschen Musikkosmos glatt um ein paar Tage verschoben werden. Grund: eine kurze Autofahrt zum Supermarkt. Die Sonne schien und im CD Player rotierte der von der Herzallerliebsten in Auftrag gegebene Autofahrsampler vor sich hin, und als sich TV On The Radios "Wolf Like Me" dem Ende entgegenlaserte und die Doughboys mit dem für alle "Feel Good"-Zusammenstellungen reservierten "Fix Me" loslegten, ging es mir nach den neuerlichen und direkt aus dem Höllenschlund herausgekotzten zwei Wochen des Wahnsinns mit schwerkrankem Hund und kranken Katzen inklusive besuchter Tierklinik und hinzugezogenem Tiernotarzt, für die kommenden knapp drei Minuten wieder besser. "Fix Me" steht auf "Crush", dem vorletzten Album dieser kanadischen Pop-Punkband aus Montreal und ist, wie die komplette Platte, ein sonnendurchfluteter Seelenschmeichler, ein musikgewordener Sonnenaufgang, ein Balsam für Ohren, Herz und Hirn.
Es war wieder mal mein Bruder, der mich Anfang der neunziger Jahre mit dem Quartett vertraut machte. Seit dem Debut "Whatever" aus dem Jahr 1987 ein beinharter Fan, der sich jede ihrer Platten aus Kanada importieren ließ, nachdem ihm sein Kumpel Martin ein zusammengestelltes Tape ins Autoradio wuchtete. "Crush" erschien, wie die kurz zuvor als Appetizer veröffentlichte EP "Blanche", auf dem Major A&M Records und zeigte die Doughboys in jeder Hinsicht gereift. Weniger Wohlgesonnene würden nun wahrscheinlich "geschliffen" sagen, und auch sie hätten Recht. Die Band lieferte auf "Crush" zwölf blitzsauber funkelnde Pop-Punk-Hymnen mit charmanter frühneunziger Indie-Schrammel-Grunge-Ästhetik("Disposable") ab, kompositorisch bis in die letzte Tonritze und Wortsilbe ausdefiniert, klanglich auf Weltklasseniveau, melodisch bis kurz vor Kitschhausen opulent ausgerollt. Kein Anwärter auf den "Flavour of the day", ganz sicher auch keiner für die wildeste Punkabfahrt aller Zeiten, dafür grundehrlich vor sich hin bratzelnd, melancholisch, mit wunderbaren Gesangs- und Gitarrenarrangements. Auf ganz vielen Ebenen also exakt mein Beuteschema.
Die offensichtlichen Hits dieser Platte heißen "Shine" (auch als Single veröffentlicht), das bereits erwähnte "Fix Me", der fulminante Ohrwurm "End Of The Hall" und "Melt", aber es sind auch die spannend arrangierten, angeschrägten "Neighbourhood Villain", "Shitty Song" und das großartige "Fall", die, wenngleich stilistisch etwas aus dem Rahmen fallend, "Crush" erst zu einer meiner Lieblingsplatten aller Zeiten machen. Auch hier gilt: solche Bands werden heute nicht mehr gemacht. Die Doughboys lösten sich nach der nächsten, leicht schwächeren und nochmal deutlich polierteren Scheibe "Turn Me On" auf. Mastermind John Kastner, vor seiner Zeit mit den Doughboys übrigens Sänger bei den Asexuals, komponiert und produziert heute Soundtracks für Filme und TV-Shows und -Serien, ist Manager der Men Without Hats (!) und veröffentlichte 2006 sogar ein Soloalbum.
Beim Stöbern auf Youtube fand ich diese Show von 1994 und wer Lust hat, der möge mal ein Auge drauf werfen. Macht Spaß. Vielleicht. Also: mir macht's Spaß.
Erschienen auf A&M, 1993.
1 Kommentar:
Wha, guter Tipp!
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