27.04.2024
Best of 2023 ° Platz 4: Allen Epley - Everything
22.04.2024
Best of 2023 ° Platz 5: Alex Albrecht - Coles Ridge
13.04.2024
Best of 2023 ° Platz 6: Hysterical Love Project - Lashes
07.04.2024
Best of 2023 ° Platz 7: Andrea - Due In Color
30.03.2024
Best of 2023 ° Platz 8: Element Of Crime - Morgens Um Vier
Ich weiß auch nicht, wie das gehen sollIch bin schon viel zu lang' alleinMein Mut ist klein, mein Herz ist kaltDoch mit dir zu sein ist wundervoll
Die Magnolie wird blühnUnd der Rasen wird grünUnd der Flieder die Bienen verzaubernUnd die Vögel singen im Vogelbeerbaum ihre LiederUnd dann kommst du wiederUnd gehst nie wieder fortVon hier
Wer braucht alte Sofas, wenn du nicht draufsitztWer braucht schöne Lieder, wenn du sie nicht singstEin Lächeln von dir war schon immer Gottes größtes WunderUnd den Himmel versprach schon immer die Liebe, die du bringstJetzt bin ich ganz allein und sehne mich nach dirEs ist wieder Sonntag und du fehlst mir so sehr
23.03.2024
Best of 2023 ° Platz 9: Jonny Nash - Point Of Entry
16.03.2024
Best of 2023 ° Platz 10: Max Würden - Landmark
09.03.2024
Best of 2023 ° Platz 11: Jason Collett - Head Full Of Wonder
"Zwischen sprödem Folk und Americana, erfreulich beschwingtem Singer/Songwriter Einfluss und kanadischem Pop pendeln seine Lieder, die Autofahrten auf kerzengeraden Straßen durch die weite, unberührte Natur vertonen. Sonnenuntergang, glühend-roter Horizont. Ein versunkenes Lächeln auf dem Gesicht. Fast schwerelos gleiten "We All Lose One Another" oder "I'll Bring The Sun" durch unsere Körper. Was gäbe man dafür, diese Sternstunden mal im nationalen Dudelfunk zu hören? Zwischen all dem Plastik, all dem Müll, der uns immer noch als der heiße Scheiß "aus den Achtzigern, den Neunzigern und dem größten Rotz von Heute" verkauft wird. Passen würde das ja, so oder so. Warum nicht mal ausnahmsweise einen guten Sommerhit für das Jahr 2006?"
"In absorbing the tumult of the times, there's a lot of shit to write through, and the challenge is to get to the other side with something positive to contribute. I let go of some swagger and embraced intimacy and joy and wonder. I hear this in the record and it makes me very happy to have made it.” (Jason Collett)
02.03.2024
Best of 2023 ° Platz 12: The Soulscaper - Inside Voices
Eine etwas obskurere Platte, die es erst über Umwege zunächst in meine linke Herzkammer, dann in die 2023er Bestenliste schaffte. Auf Vinyl ist "Inside Voices" lediglich mit beinahe generischem Cover erhältlich (einzig ein kleiner Aufkleber des Labels wurde oben links auf dem ansonsten weißen Karton angebracht); hier ist im Äußeren also nichts besonders fancy: schwarzes Doppelvinyl, keine Linernotes, keine Credits, nicht mal ein fucking Barcode. Eine ausgedehnte Recherche über Bandcamp tupfte das Album auf mein Radar, und ich lernte, dass der geografische Ursprung von "Inside Voices" in Australien liegt, genauer gesagt in Melbourne - und noch genauer gesagt: in einem Schlafzimmer in den nordöstlichen Vororten der Stadt, im traditionellen Land der Wurundjeri (Woiwurrung) der Kulin People. Und es hilft ja nichts, mich drum herum zu lavieren: ich bin für solche undurchsichtigen Verhältnisse mit der Aura des Unbekannten und Verborgenen sehr empfänglich, meint: es braucht dann nicht mehr so irrsinnig viele Überredungskünste, um mir die Platte als neuen Mitbewohner zu organisieren.
Nach einigen Wochen der Eingewöhnungszeit, die offen gesagt nicht komplett frei von Zweifeln war, weil die überlangen Tracks zu Beginn nur wenig Struktur hergaben, merkte ich indes, wie oft ich immer wieder zu "Inside Voices" zurückkehrte, wenn sich Geist und Seele in einem ganz bestimmten Zustand befanden; einer Art Zwischenwelt, in der sowohl ätherischer Ambient wie auch energetisch wirksamere elektronische Musik keine Optionen waren. In diese Lücke sprang "Inside Voices", denn es platziert sich rational-stilistisch als auch emotional genau ins jene Zwielicht: schwelgerisch, melancholisch, sehr atmosphärisch, dabei sympathisch entrückt und mit allerlei Soundideen unterfüttert, die das Bild mit subtilen Maserungen vervollständigen. "City Whistle" reift beispielsweise vom Ursprung mit einsamen, milchig-transparenten Pads und einem Break verhuschter Natursounds zu einem IDM/Downtempo-Schwoofer heran, der sich in dieser Entwicklung alle Zeit der Welt lässt. "Mansion On The Hill" fuchtelt mit Ambient und Drum'n'Bass Effekten im Stile Illuvias herum und zeichnet kühle Landschaften mit wärmenden Oasen aus Lichtblitzen und nachhallenden, tiefen Basslines, während sich der Titeltrack in ein Unterwasserbett aus hypnotisch pumpenden Ambienttechno mit jazzy und funky Obertönen einwürmelt.
Je mehr Zeit ich mit "Inside Voices" verbringe, desto mehr wächst mir diese Musik als Rückzugsort für intellektuelle und emotionale Reinigung ans Herz. Viel Seele, viel Phantasie, viel Tiefe - und damit viel Futter für Reflektion und Einkehr.
Erschienen auf Cirrus, 2023.
25.02.2024
Best of 2023 ° Platz 13: Mary Yalex - Fantasy Zone
Der Auswahlprozess für die auf meinem Lieblingslabel A Strangely Isolated Place erschienenen Alben für die jährliche Bestenliste ist, um einem Blick in innere Zerwürfnisse die Ehre zu geben, dank meiner liebevoll gehegten charakterlichen Unzulänglichkeiten im beinahe sekündlichen Entscheidungskampf des Lebens: ein völliger Clusterfuck. Vor einigen Jahren hatte ich mich bewusst dazu entschlossen, mich einfach kopfüber in den Fluss zu werfen und also alles zu kaufen, was Ryan auf dem seit 2008 operierenden Label veröffentlicht. Der Name, das Design, die Ästhetik und nicht zuletzt das kuratierte Repertoire von Künstler*Innen und deren Musik entwickelte eine mächtige Anziehungskraft; hier fühle ich mich seitdem gut aufgehoben und spüre bei den allermeisten Veröffentlichungen eine tiefe Verbindung. Es gibt Ausnahmen, aber selbst in diesen seltenen Fällen gibt es immer noch einige Resonanzräumchen, die das Leben bereichern. Kurz gesagt: This is my house! Andererseits: ich möchte auch nicht ausnahmslos jede ASIP-Platte des Jahres in die Top 20 aufnehmen, auch wenn mir das den Ablauf des alljährlichen Aussiebens wenigstens etwas erleichtern würde. Aber so billig komme ich hier nicht raus.
Im Falle von "Fantasy Zone" der in Deutschland lebenden Produzentin Mary Yalex war die Entscheidung indes einfach. Der Berührungspunkt mit dieser introspektiven, sich langsam ins Innere vorantastenden Musik entstand bereits unmittelbar beim Opener "Air", einem sanften Nachtflug mit Nostalgiepanorama, der sofort Gefühle von Vertrautheit und Geborgenheit aussendet. Viel mehr offene Türen kann ich mir also gar nicht mehr einrennen lassen. Zentral scheinen mir zwei Aspekte ihrer Musik zu sein. Zunächst sind es die Melodien, die mal knapp unter dem Wahrnehmungsradar liegen und sich dort in die Weite verästeln, wo sie langsam ausrollen und sich verflüchtigen, oder mit einigem Selbstbewusstsein die Färbung einer Stimmung manipulieren. Nicht, dass sich beides notwendigerweise ausschließen müsste, aber diese kleinen Blitze von in Sepia getauchter Melancholie oder auch kindlich funkelnder Lebensgeister prägen die Reise durch die "Fantasy Zone". Mary sagt in einem Interview mit dem Label, dass jede neue Musik mit einer guten Melodie als Kern des Stücks beginnt und ich finde, das hört man.
Des Weiteren finde ich den Hinweis aus dem selben Interview bemerkenswert, dass die Musikerin seit ihrer Kindheit malt:
"I used to paint in my childhood when I lived in Austria. I only really started producing electronic music more recently. I want to give the whole thing a picture - something that is more than just a photograph."
Mir wird das vermutlich niemand glauben, und ich kann auch nicht ausschließen, das Interview zum Release des Albums im August 2023 bereits mal gelesen zu haben, aber bei der tiefergehenden Beschäftigung mit "Fantasy Zone" fiel mir die Weichheit auf, mit der diese Sounds gestaltet sind, wie nuanciert und mehrschichtig sie miteinander interagieren, sich anziehen und sich verbinden. Das ist in seiner feinfühligen Machart ein herausragendes Merkmal dieser Platte. Als ich auf der Suche nach einem passenden sprachlichen Bild dafür war, kamen mir als erstes die Pinselstriche auf einer Leinwand in den Sinn, um die eleganten und subtilen Schwingungen in der Musik zu beschreiben. Als mich die Recherche schlussendlich zum Interview führte, schloss sich dieser Kreis - und ich staunte nicht schlecht. Nun ist die Argumentation nicht so irre weit hergeholt, im Gegenteil ist es ja sogar recht naheliegend. Aber dafür, dass selbst meine Wenigkeit mit eher teilmöbliertem Dachboden in der Lage ist, ein Gespür für diese Verbindung aus Malerei und elektronischer Musikproduktion zu entdecken, klopfe ich mir mal verblüfft selbst auf die Schulter.
"Fantasy Zone" ist ein Refugium. Ein Schutzschirm gegen Schwachsinn, Lautheit, Krawall. Es zählte in den vergangenen Monaten zu meinen meistgehörten Platten.
Erschienen auf A Strangely Isolated Place, 2023.
P.S.: An jene Vinylfreunde, die den ganzen Krempel nicht nur kaufen und anschließend verschweißt ins Regal stellen, sondern die Platten tatsächlich auflegen - sowas soll's ja tatsächlich noch geben: ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass einige Exemplare offenbar Probleme mit einkanaligem (ist das überhaupt ein Wort?!) Knistern haben, vor allem auf der A-Seite. Also: Augen und Ohren offenhalten.
18.02.2024
Best of 2023 ° Platz 14: Vril - Animist
Wollte ich's ganz dicke auftragen, könnte ich schreiben, dass "Animist" ein Fenster zur Zukunft öffnet. Das geht überraschend leicht von der Hand, weil Vril hier gleichfalls dicke aufträgt: die Breite des Sounddesign, die Dimensionen der Arrangements, die multiversen Vibes, die brodelnden Emotionen - alle Regler sind nach oben geschoben. Und doch ist das alles so subtil miteinander verbunden, dass ich es erst entdeckt habe, als ich mich in dieses Netz fallen ließ und im Grunde eins mit ihm wurde. Into the abyss.
Eigentlich ist die Sache zwischen Technoalben und mir oft nicht ganz unheikel. Ich habe in den letzten zehn Jahren mehr als nur eine Platte wieder veräußert, weil sie zu anschmiegsam erschienen, weil ich keine Risse, keine Kanten, keine Reibung fand. Weil der Drive in irgendeiner kritischen Abrundung plötzlich nur noch ein sanftes, zärtliches Wippen war. Der schwerwiegendste Kollateralschaden ist in solchen Fällen der Verlust von Ebenen und Flächen, auf denen sich Bilder entwickeln, sich eine Innerlichkeit ausbreitet. Ich kann der Musik dann oftmals instinktiv nicht nachspüren und versande stattdessen im reinen Schönklang. Nicht, dass ich Erlösung einzig dadurch erfahre, stets nackt und kopfüber in die Kreissäge springen zu müssen, zumal es ja nur wenig Schöneres gibt, als sich stundenlang in weichfusseligen Ambientteppichen zu wälzen. Wenn das Leben allerdings nach etwas Vitalerem verlangt, dann verheddere ich mich nur ungern in rosa Zuckerwatte.
Die Tektonik von "Animist" ist komplex. Seine Bewegungen sind subkutan und expandieren ins Äußere der Wahrnehmung, lagern sich ein in tiefere Schichten und bauen dort Stück für Stück eine Brücke zurück in die Realität, organisch und selbstbestimmt. Und sie bauen diese Verbindung mit beinahe beänstigender Unerbittlichkeit. Es gibt praktisch keine Auflösung, weder als artikulierter Klimax, noch als entlastende Deeskalation. Es ist jene aus dieser Spannung heraus um sich greifende Intensität, die das Unterbewusstsein piekst, ins Innere kriecht und die Wahrnehmung demoliert. In den weichen Sternenbild-Pads des Openers und Titeltracks finde ich beispielsweise eine der Zukunft zugewandten Euphorie, eine Neugier und Abenteuerlust mit fiebriger Aufbruchstimmung - als stünde ich persönlich auf der Kommandobrücke der Enterprise im Jahre 2894, auf dem Weg in unerforschtes Terrain, mit Warp 12. In "Mortem Cellula" hingegen hält mich die schwarz-staubige Industrialästhetik im Tunnellabyrinth eines im Sterbeprozess befindlichen Universums gefangen, in Staub und Schmutz gehüllt, isoliert und auf mich alleine zurückgeworfen, die inneren Dämonen bekämpfend, bis aufs Messer.
"Animist", um den Faden zum Einleitungssatz wieder aufzunehmen, fühlt sich an, als hinterließe es seine Spuren ein paar Jahre vor unserer Zeit. Ich kann das nicht genau erklären, und die Zeit ist so oder so ein bad motherfucker, der mir schlaflose Nächte bereitet - and not in a good way. Aber manchmal scheint es mir, als wäre "Animist" aus der Nachwelt gekommen und versucht, uns die bevorstehende Verschmelzung der Utopie mit der Dystopie zu zeigen. Nicht als Gegensatz, sondern als eine Entität.
Das Leben wird hart. Aber es wäre um ein Vielfaches härter, wenn wir uns nicht mehr haben.
Erschienen auf Delsin, 2023.
10.02.2024
Best of 2023 ° Platz 15: SPELLLING - Spellling & The Mystery School
04.02.2024
Best of 2023 ° Platz 16: Hollie Kenniff - We All Have Places That We Miss
HOLLIE KENNIFF - WE ALL HAVE PLACES THAT WE MISS
"Die häufig beobachteten Phantasiezusammenstellungen müssen in Fortfall geraten." (Krawinkel)
Ein Album für die frühen Morgenstunden des Tages. Für die Zwischenwelten, in denen sich die Welt noch nicht entscheiden kann, ob sie das Licht anknipsen soll oder nicht. Für die Einkehr, das Zurückgeworfen-Sein auf die eigene Geschichte. Für die Kontemplation, für das Erspüren der Intuition. Für den Nachhall der Erinnerungen. Für den Versuch das Vergängliche zu umarmen, und sei es nur für den Moment des Augenblicks. Für das Unbegreifbare.
Die Musik von "We All Have Places That We Miss" legt sich wie ein sanfter, heller Schleier über das Leben. Sie glitzert, funkelt, geht bis in die feinstofflichen Ebenen der Wahrnehmung. Sie breitet sich aus, wird weit, füllt auf, ist schwärmerisch, weich, sentimental.
Mir fiel im letzten Drittel des vergangenen Jahres auf, wie oft sich mein Leben immer wieder auf dieses Album einlassen wollte. Immer war es in greifbarer Nähe, als Antidot gegen den Lärm, aber auch als tröstendes Wärmepflaster gegen den Schmerz des Verlusts unseres Hundes Fabbi, den wir im Juni 2023 nach langer Krankheit auf die andere Seite des Regenbogens ziehen lassen mussten. Die Auseinandersetzung mit dem Loslassen fällt mir traditionell sehr schwer und die Anerkennung des Rationalen scheint in solchen Momenten unmöglich. Und egal, wie oft nach einem Ausweg gesucht wird - der Einschlag kommt, und er ist immer unbarmherzig. Es gibt nichts Radikaleres als die Wahrheit.
"We All Have Places That We Miss" ist auch aus dieser Perspektive betrachtet zwischenweltlich, weil es nichts ausspart und nichts bagatellisiert. Das monumental Tragische, die Furcht und die Trauer stehen in direktem Einklang mit der tief empfundenen Dankbarkeit und Liebe für das Leben. Es gibt jene flüchtigen Momente, in denen mir das klar ist.
Erschienen auf Western Vinyl, 2023.