23.03.2019

Best Of 2018 ° Platz 5 ° Fates Warning - Live Over Europe




FATES WARNING - LIVE OVER EUROPE


Hand aufs Herz und in die Hose: wann haben Sie, werte Leserin, werter Leser, zum letzten Mal das Bedürfnis verspürt, eine Liveplatte zu hören, ärger noch: ein solches Exemplar zu kaufen? In meinem Freundeskreis ("...also ich hab' ja keinen, aber..." - H.Schmidt) sind Livealben so unpopulär geworden wie, die Übertreibung sei mir aus dramaturgischen Gründen gestattet, einem Kaffeeklatsch der AFD Eisleben - Kommando "Hirnschlag" - persönlich beizuwohnen, was angesichts der gleichzeitigen Bedeutsamkeit so mancher oller Schinken für's eig'ne Sein und Tun zunächst merkwürdig erscheinen mag. In diesem Zusammenhang: täusche ich mich, oder waren auf Plastik verewigte Liveaufnahmen früher nicht doch signifikant wertvoller, i.S.v. relevanter, sowohl für die damit möglicherweise noch idenditätssuchenden Bands, die sich nicht zuletzt mit der Performance auf den Bühnen dieser Welt einen Ruf erarbeiten und erspielen mussten, als auch für den Fan, der die im Vergleich mit den Studioalben oftmals lebhafteren, vielleicht gar rauheren Liveversionen genießen wollte - oder der wegen der Ungnade der suburbanen Geburt zur nächstgrößeren Stadt eine dreitägige Pilgerfahrt auf sich hätte nehmen müssen, um seine Lieblingsbands zu sehen? 

Kommerziell spielten Liveplatten, wenn sie nicht gerade aus dem und für den Mainstream heraus produziert wurden, meistens keine große Rolle. In meiner eher untergründlich geprägten Schwermetall-Adoleszenz wurden sie meist schnell und ohne großes Promo-Tamtam etwas lieblos als Überbrückung zwischen zwei Studioalben gequetscht und waren in erster Linie Sammlern und Fanatikern vorbehalten. Mit Liveplatten getätigte gewichtige Statements sind rar, aber für mich gibt es sie nichtsdestotrotz: Iron Maidens "Live After Death", Slayers "Decade Of Aggression", "Another Lesson In Violence" von Exodus, "Lives" meiner Lieblinge von Voivod, Spocks Beards "The Official Live Bootleg", um nur fünf zu nennen, zählen für mich gar zur musikalischen Grundversorgung und finden sich bis heute regelmäßig auf dem Plattenteller wieder. Außerdem, und damit bekommen wir die Kurve zu "Live Over Europe", tummelt sich "Still Life" von Fates Warning auf den vorderen Plätzen; das erste und bislang einzige Livedokument der von Gitarrist Jim Matheos angeführten Progressive Metal-Legende. "Still Life" erschien 1998 und beinhaltet neben Klassikern wie "The Eleventh Hour", "Point Of View" und "Monument", die bis heute fester Bestandteil des Fates'schen Livesets sind, als Kernstück das ein Jahr zuvor veröffentlichte "A Pleasant Shade Of Grey"-Epos in kompletter und livehaftiger Aufführung und war somit bis ins Jahr 2018 hinein die einzige Möglichkeit, die Band abseits der Konzertclubs und also auf der heimischen Anlage live zu erleben. 

"Live Over Europe" war daher unbedingt notwendig - nicht zuletzt durch die nach langen Jahre der Stille gelungenen und triumphalen Rückkehr des Quintetts mit den beiden Alben "Darkness In A Different Light" und ganz besonders "Theories Of Flight", das sich aus meiner unerheblichen Sicht anschickt, sich zu einem modernen Klassiker des Progressive Metal zu entwickeln. Angesichts des neuerlichen kreativen wie erfolgreichen Bandfrühlings entschloss man sich, die im Januar und Februar des vergangenen Jahres durchgeführte Europatournee für das erste Livedokument seit 20 Jahren mitzuschneiden und darüber hinaus mitzufilmen, aber abgesehen vom unten eingebetteten Video, lässt die Verfilmung eines vollständigen Konzerts weiter auf sich warten. 

Das Label Inside Out gab für das Projekt glücklicherweise grünes Licht für ein Mammuttprogramm: die Band puzzelte um einen festgelegten Setlist-Nukleus jeden Abend andere, neue Songs hinzu, ersetzte hier einen komplexen Longtrack mit einem hörerfreundlichen vier Minuten Riffrocker, tauschte da einen US-Metal-Banger aus dem Ray Alder-Pleistozän mit einer live nur selten aufgeführten Akustikballade - und hatte am Ende Aufnahmen von nicht weniger als 23 Tracks auf die Festplatte genagelt, die sich nun auch allesamt auf "Live Over Europe" finden lassen. Die einzigen beiden Wermutströpfchen sind das immer noch ärgerliche und stumpf nervende "Pieces Of Me", das seinen Weg unerklärlicherweise immer wieder in die Setlist findet, und das - von "Part XI" abgesehen - Fehlen von weiteren "A Pleasant Shade Of Grey"-Songs, auf die man vermutlich wegen der Existenz von "Still Life" und dem Wunsch, so viele unterschiedliche und bis dato live unveröffentlichte Songs wie möglich unterzubringen, verzichtet hat. 

Beides ist indes locker zu verschmerzen, wenn sich der Rest in Reichweite schierer Perfektion abspielt: außergewöhnlicher Klang, einzigartige Atmosphäre, herausragende Spieltechnik, legendäre Hymnen des Progressive Metals - gesungen von einem der besten und ausdrucksstärksten Sängern aller Zeiten: Ray Alder singt 2018 besser denn je - trotz fortgeschrittenem Alter und dem anhaltendem Drang, sich mit Kippen die Lunge zu teeren, ist er auf dem sicherlich dezent bearbeiteten Material auf "Live Over Europe", aber eben auch an jenem Abend im Colos-Saal zu Aschaffenburg stets der unumstrittene Herrscher über Raum, Zeit, Ton, Ausstrahlung, Intimität, Kraft und Poesie. Die Band saust zu gleichen Teilen filigran wie kraftvoll durch die mit Ray verbrachten 30 Jahre Fates Warning (Songs aus der John Arch-Ära bleiben wie immer außen vor), und ich freue mich ganz besonders über den mit "Pale Fire" bedachten "Inside Out"-Besuch, das atmosphärisch glänzende "Wish" und den Longtrack "And Yet It Moves" vom Comebackalbum "Darkness In A Different Light", der am oben erwähnten Abend in Aschaffenburg zu ersten Mal überhaupt gespielt wurde und tatsächlich noch etwas holperte, in der nun vorliegenden Fassung aber überaus tight und schlicht umwerfend klingt. 

Erwartbarer Höhepunkt von "Live Over Europe" ist derweil die Interpretation von "The Light And Shade Of Things"; einem Song, der seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2016 wenigstens in meinem Buch zu einem der größten Metalsongs aller Zeiten heranreifte und längst auf einer Stufe mit all dem steht, ohne das das Leben zwar denkbar, aber sinnlos wäre. Ich weiß nicht, wo Jim Matheos und Ray Alder nach ihrer seit über 35 Jahren andauernden Karriere als Musiker noch diesen durch die Tiefsee rauschenden Seelenretter mit seinen fuckin' Jahrtausendharmonien hergeholt haben. Ich hoffe, ich werde nie zu alt, doof oder gar tot sein, um diesen Song zu hören, zu umarmen und zu lieben.

"Live Over Europe" ist nicht nur ein phänomenales Livealbum, es dient ebenfalls als Retrospektive auf dreißig Jahre einer sich immer wieder neu erfindenden Band, die ganz besonders seit ihrem Comeback zunächst in einen kreativen Jungbrunnen gefallen, und anschließend runderneuert, euphorisch und mit ungeahntem Energielevel aus ebenjenem herausgekrabbelt ist. 

Ich kann vor dieser Leistung gar nicht genügend Hüte ziehen.


Pressung: +++++ (Wahnsinnig gut. Umwerfender Klang ohne das klitzekleinste Störgeräusch.)
Ausstattung: +++++ (3-LP Set mit beigelegter Doppel-CD im Gatefoldcover. Gefütterte Innenhüllen.)


Das folgende Video wurde zu großen Teilen beim Konzert in Aschaffenburg aufgenommen, bei dem auch Frau und Herr Dreikommaviernull im Publikum waren. Wer unsere Hände, Arme und Gesichter entdeckt, darf sie sich via Standbild ausdrucken und sich an die Wand hängen (z.B. Gästeklo):




Erschienen auf Inside Out Music, 2018.

17.03.2019

Best Of 2018 ° Platz 6 ° John Coltrane - Both Directions At Once: The Lost Album



JOHN COLTRANE - BOTH DIRECTIONS AT ONCE - THE LOST ALBUM



Ich schreibe nicht gerne über Coltrane. In den beinahe 12 Jahren, die dieser Blog existiert, gibt es exakt keinen einzigen Artikel zu einer seiner Aufnahmen, während die Stichwortsuche immerhin gleich mehr als zwei Dutzend Beiträge ausspuckt. Ich war immer der Auffassung, sein Werk sei ohnehin in Trilliarden Aufsätzen, Rezensionen und Analysen schon bis ins letzte Detail dechiffriert worden - und meistens von Leuten, die das besser können als meinereiner. Coltrane gehört eben zum Kanon, und auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass er mit allem vorstellbaren Fug und Recht auch da reingehört, ziehe ich es vor, allzu offensichtlich erscheinende Fingerübungen über Ubiquitäres von diesem virtuellen Tagebuch fern zu halten. Außerdem, und das ist sehr wahrscheinlich der schwerwiegendere Grund für meine Entscheidung: ich konnte bis heute keine Worte für das finden, was er mir mit seiner Musik bedeutet. Beziehungsweise: ich habe mich nicht mal getraut, nach ihnen zu suchen. Nicht, dass es sich nun im März 2019 grundlegend geändert hätte, aber wir ja hier "ja aus...ääähh...Gründen".

Mein Leben wäre ohne die Entdeckung von "A Love Supreme" im Winter 2005 sicherlich anders verlaufen, und trotzdem gibt es einen Vorläufer zu dieser Sternstunde, der für deren Entdeckung noch wichtiger war: das Debut des SF Jazz Collective, von einem Mitarbeiter des Media Markts Wiesbaden fälschlicherweise ins Electronica-Fach einsortiert und mit einem mich sehr neugierig machenden Coverartwork ausgestattet, brachte mich erstens zum Jazz und dadurch zweitens zu "A Love Supreme". Einmal eigetaucht, gab es keinen Weg zurück. Bis heute versuche ich es vor allem mir selbst zu erklären, was die Faszination ausmacht. Was bringt mich dazu, schon ab der ersten gespielten Note von "Acknowledgment" funkensprühend von diesem Klang eingenommen zu werden? Bis heute bleibe ich mir eine zufriedenstellende Erklärung schuldig. Vielleicht ist es auch schlicht zu akzeptieren, manchmal einfach keine Antworten zu haben.

Dass wir im Jahre 2018 überhaupt nochmal über Coltrane im Rahmen einer Jahresbestenliste sprechen müssen, grenzt an ein Wunder, das der Saxofonist und Weggefährte Coltranes Sonny Rollins mit dem Fund einer neuen Kammer in der Cheops-Pyramide vergleicht. Die Aufnahmen der vielleicht größten Jazzband aller Zeiten mit Elvin Jones am Schlagzeug, Jimmy Garrison am Bass und McCoy Tyner am Piano fanden im Jahr 1963 in den Studios des legendären Produzenten Rudy van Gelder statt - und verschwanden danach für 55 Jahre im Nirgendwo. Coltrane stieß 1961 zum damals neu gegründeten Impulse!-Label und es mag nun trefflich darüber spekuliert werden, warum die beiden Chefs Bob Thiele und Creed Taylor die Aufnahmen nicht veröffentlichten. Tatsächlich geschah noch weitaus Schlimmeres als nur das: nachdem die Mastertapes zunächst einige Jahre im Archiv des Labels lagerten, wurden die Bänder im Zuge von Aufräumarbeiten wegen Platzmangels zerstört. So ist es lediglich Rudy van Gelder zu verdanken, heute in die Geschichte zurück hören zu können: er überließ dem Saxofongiganten nach Abschluss der Session einen Originalabzug der Aufnahmen, der sich nun wieder im Nachlass von Coltranes verstorbener ersten Frau Naima wieder fand. Coltranes Sohn Ravi vollendete die Produktion für diese Wiederveröffentlichung.

Dabei kommt es immer wieder mal vor, dass bislang unveröffentlichte Liveaufnahmen großer Jazzmusiker gefunden werden, manchmal auch mehrere Jahrzehnte nach ihrer Entstehung. Vor wenigen Monaten schrub ich beispielsweise an dieser Stelle über ein vergessenes Livedokument des Pianisten Bill Evans. Auch für Coltrane gab Überraschungsfunde. Da ist zum einen das 1957 im Rahmen des Benefizkonzerts "Thanksgiving Jazz" aufgenommene Gipfeltreffen in der New Yorker Carnegie Hall mit Thelonious Monk, dessen Aufnahmen im September 2005 erstmals veröffentlicht wurde, nachdem die Bänder knapp 48 unentdeckt in der US-Amerikanischen Kongressbibliothek standen. Oder das ebenfalls 2005 präsentierte Livealbum "One Down, One Up" mit Radioaufnahmen aus dem Jahr 1965, das den damaligen Entwicklungsstand des großen Coltrane-Quartetts dokumentiert und gleichzeitig offenlegt, warum Tyner und Jones nur kurze Zeit später die Band verlassen sollten. Gerüchte über einen möglicherwiese zu jener Zeit einsetzenden LSD Konsums Coltranes erscheinen im Lichte der Aufnahmen nicht all zu weit hergeholt: der Titeltrack, damals bekanntes Forschungsobjekt für die Band und hier erstmals in einer wahrlich atemberaubenden knapp 28 Minuten langen Version zu hören, besteht im Grunde aus einem ebenso langen Solo Coltranes und zeigt eine sich entfesselt in den Subraum schraubende Band, die hier hörbar an der Grenze zum Wahnsinn entlang irrlichtet. Diese Aufnahmen gehören zum faszinierendsten, was mein CD und Plattenschrank hergibt und in Verbindung mit den ausführlichen Linernotes bin ich jedes Mals aufs Neue wie vor den Kopf geschlagen: Es wird berichtet, dass die Band in der Zeit ihres Residency-Engagements im Halfnote oft erst tief in der Nacht die Bühne betrat und damit die Sperrstunde verletzte. Der Inhaber des Clubs verschloss dann von innen die Eingangstüren, während die Band nicht selten bis morgens um 5 Uhr spielte. Aufnahmen solcher Nächte gab es zu jener Zeit ausschließlich im New Yorker Lokalradio. Von solchen Übertragungen existierten bis 2005 lediglich von Hörern damals mitgeschnittene Bootlegs, die unter Coltrane-Devotees schnell die Runde machten und zum Kult wurden.

Und hier schließt sich auch der Kreis zu "Both Directions At Once": "One Down, One Up" ist hier erstmal in einer Studioversion zu hören - allerdings deutlich kürzer und mehr auf den Punkt als die ausufernden Liveaufnahmen.

"Both Directions At Once" erlaubt den Einblick in die Entwicklung und de Arbeitsweise des Coltrane Quartetts und darüber hinaus eine über 50 Jahre später möglich werdende Einordnung in das Oevre dieser vier Giganten, von welchen uns drei bereits wieder verlassen haben (Pianist McCoy Tyner ist als einziges Bandmitglied noch am Leben). Ich frage mich fortwährend, wie dieses Album wohl damals rezipiert worden wäre und ob es einen ähnlichen Klassikerstatus erreicht hätte wie beispielsweise "Coltrane" oder "Crescent". Aus meiner Sicht ist "Both Directions At Once" vor allem deswegen hochinteressant, weil es ein Zwischenstadium des Quartetts dokumentiert und wir in diesen kurzen Moment, in der Geschwindigkeit von Coltranes Entwicklung vermutlich nicht länger als ein Augenaufschlag, nun tatsächlich hineinhören können. Es ist, als hätten wir endlich eine funktionierende Zeitmaschine bauen und uns in das van Gelder Studio in Englewood Cliffs beamen können. Die Band zeigt sich gespalten, steht mit einem Bein in der Tradition und wagt sich mit dem anderen Bein in die Zukunft. Coltrane wittert Veränderung und sägt in "Slow Blues" am melodischen Ast der Hardbop-Harmonien und schwingt sich vielleicht erstmals zaghaft in jene spirituellen Höhen auf, die die Band spätestens ab "A Love Supreme" im Studio und auch in den Live-Performances besuchen sollte.

"Es war nicht Ekstase, nicht Magie, es war Läuterung, Reinigung, etwas eindeutig Religiöses, von dem wir ergriffen wurden. Viele im Publikum weinten und schämten sich nicht dafür." 
(Martin Kluger)

Interessant ist nun noch die Frage, warum die Aufnahmen überhaupt ins Archiv wanderten und nicht veröffentlicht wurden. Dafür gibt es mehrere Erklärungsversuche: Erstens nahm Coltrane mit seinem Stammproduzenten Bob Thiele so oder so schon mehr Musik auf, als Impulse überhaupt veröffentlichen konnte. Zweitens wollte Coltrane den Markt nicht mit alten Aufnahmen überschwemmen. Drittens darf vermutet werden, dass Impulse den kurz zuvor erzielten Erfolg von "My Favourite Things" nicht mit einer eher herausfordernden Session gleich wieder gefährden wollten und stattdessen eine traditionellere Ausrichtung bevorzugten. Die vierte Option ist zugleich die vielleicht waghalsigste: Jazz-Kenner streiten sich darüber, ob dieser Aufnahmetermin überhaupt zu einer neuen Platte führen sollte - und erkennen im Spiel der Band, ganz besonders bei Drummer Elvin Jones, einige Unzulänglichkeiten. Sie interpretieren jene als einen Hinweis auf eine grundsätzliche andere Ausrichtung dieser Session: am darauf folgenden Tag nimmt das Quartett mit dem Sänger Johnny Hartman (nebenbei der einzige Sänger, mit dem Coltrane jemals gearbeitet hat) ein Album auf, das aus sechs Balladen besteht. Es wird daher spekuliert, dass "Both Directions At Once" lediglich eine Warmup-Session für die Aufnahmen am nächsten Tag ist, ein bewusstes Auspowern, um für die Balladen das richtige Energie- und Dynamiklevel zu finden. Möglicherweise hat van Gelder, bekannt für seine Pedanterie in Bezug auf die Mikrofonierung, die Session auch für einen Soundcheck für die Aufnahmen mit Hartman genutzt. Ich finde auch diese Auseinandersetzung mit "Both Directions At Once" als sehr lohnenswert. Es ist wirklich ein großes Glück, diese Platte hören zu dürfen.


Pressung: +++++ (Tadellos)
Ausstattung: +++++ (Ich nenne die Deluxe-Ausgabe mein Eigen: Gatefold, die-cut sleeve, Prägedruck, bedruckte Innenhüllen und ein großes Poster nebst ausführlichen Linernotes - toll!)





Erschienen auf Impulse, 2018.

09.03.2019

Best Of 2018 ° Platz 7 ° Ryan Porter - The Optimist




RYAN PORTER - THE OPTIMIST


Der weniger reflektierte "Flohihaan" (Jens W.) empfände diesen Moment wohl als einigermaßen angemessen, um mit tosender Vehemenz auf den eigenen Verzicht und die dafür benötigte Stärke und Disziplin zu verweisen, die aufzubringen sind, um die immer häufiger anzutreffenden LP-Preise von 40 Euro plux X mit einem Handstreich von sämtlichen virtuellen Einkaufslisten, Warenkörben und Merkzetteln zu entfernen, oder den darbenden Besitzer eines Tonträgerfachhandels mit einem stummen Kopfschütteln die kalte Schulter zu zeigen, weil man ja dank Evolution, weißem Glibber im Bregen und Sonnenblumen in der  ehemals existenten Schambehaarung noch immerhin nicht derart abgestumpft ist und also das Niveau eines resignierten Zynikers erreicht hat, um dem Sammlerdrang einerseits und - in Anerkennung des durch Lohnarbeit zwar halbierten Lebensglücks, aber dafür verdoppeltem Kontostands - der puren Gelegenheit, vulgo: Disziplinlosigkeit andererseits nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, und sie stattdessen als Symptome der eigenen inneren Leere und emotionalen Taubheit anzuerkennen, deren Decouvrierung zwar bisweilen schmerzhaft und enttäuschend ist, aber selbst mit nur einem Hauch innerer Festigkeit und dem moralisch wünschenswerten aber orthopädisch katastrophalen aufrechten Gang in Schach gehalten werden kann.

Der aufklärerische "Floooriii" (Mama) hingegen, der zunächst sich selbst im Zentrum und also Wurzel allen Übels dieser Welt einordnet, weil Bequemlichkeit vom äußeren Ich ins innere Selbst wie Hundekacke am grobstolligen Gummistiefel ins Kaminzimmer hereingetragen wird und sich bei vollem Bewusstsein, wir sind ja immerhin nicht im Wachkoma, durch Nervenbahnen, Ganglien, Energieleitungen wie ein tödliches Geschwür in alle lebens- und fühlensnotwendige Bereiche hinein marodiert, und der sich nicht zuletzt deswegen beinahe so primagut entscheiden kann wie die deutsche Sozialdemokratie, ob sie Schröders Cohiba-Qualm lieber mit dem Arsch inhalieren oder den abgehängten Opfern ihrer Politik gleich lässig ins Gesicht blasen will, muss zerknirscht eingestehen, dass der Betäubungskonsum längst die eigenen auf immer ungezeugten Kinder aufgefressen hat. Angesichts der alleine im vergangenen Jahr heim ins Reich geholten Schallplatten "The Fragile" (55 Euro), "Splendor Solis" (45 Euro) und "Heaven And Earth" (50 Euro) ist der Zeiger für meine Disziplinsperformance schon seit langer Zeit auf dem Status "Bigotter Laberpimmel" eingerastet und -rostet. Auch "The Optimist" des US-amerikanischen Posaunisten Ryan Porter kostete mich im, natürlich: teuersten Plattenladen Kölns glatte 40 Taler, und weil ich absurde Ausflüchte so gerne leiden mag wie einen schönen Einlauf mit "bestem Olivenöl" (Alfred Biolek), wische ich die Schande einfach mit dem Verweis auf meinen an jenem Tag sich zum 41.Male jährenden Geburtstags von der Streckbank:"Ich habe heute Geburtstag, hier ist meine Kreditkarte, Sie Ficker!"

Immerhin handelt es sich bei "The Optimist" um ein 3-LP Set mit gleichfalls dreifach aufklappbaren Cover und übergroßen, schicken Fotos des Protagonisten. Und na klar: der oben erwähnte Nachfolger von "The Epic", Kamasi Washingtons leicht größenwahnsinniges "Heaven And Earth" hat sogar ganze 5 LPs. Da tänzelt man schon ein bisschen ungelenk auf dem Grat entlang, der "Ist halt so, suck it up!" und "Mache mir die Welt widdewiddewie sie mir gefällt." trennt. Und wo das gesagt ist - Achtung, Spoileralert: "Heaven And Earth" hat es nicht in meine diesjährige Top 20 geschafft. Ich versuche, die Trennschärfe zwischen der Distinktion der Ablehnung des wichtigen und mit "Spannung erwarteten" (Peter Illmann) Nachfolgers eines "modernen Klassikers" (Max Dax) und der durch die bizarre Erwartungshaltung, Washingtons neues Mammutwerk würde mich ähnlich auf Links drehen wie der Vorgänger, geformten klitzekleinen Enttäuschung sauber abzubilden. Für gewöhnlich finde ich Hypes für jene Musik, die ich schätze, eher begrüßenswert als störend - bei blanker und unerträglicher Granatenscheiße hingegen ist das ubiquitäre Tamtam Grund genug, sich zu wünschen, die Menschheit solle bitte sofort, umgehend, total und komplett elendig verrecken; und wenn es einen Unterschied zum Besseren mächte, würfe ich mich gar, frei nach Greg Graffin, als erster ins offene Messer. Daher ist weniger der Drang zur Abgrenzung im Falle von "Heaven And Earth" ein Thema, sondern eher der natürlicherweise ausbleibende Überraschungseffekt des alles überstrahlenden Vorgängers, sowie der im direkten Vergleich nochmals hochgefahrene Bombast sowie der seltsam weichgezeichnete Klang die Gründe für die sich weniger euphorisch darstellende Reaktion. Immer noch durchdrehende Jazzpuristen, die doch so gerne in ihrem elitären Streichelzoo unter sich bleiben würden, sind hingegen für mich natürlich immer noch der beste Grund, den Saxofon-Koloss bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den güldensten Himmel zu loben. 

Dass der logische "Doooorian" (Frank B.) sich in etwas, das mal als Rezension zu "The Optimist" gedacht war und sich aber in der Absenz von allem was "heilig, recht und gut" (Ratzinger) ist, seit mindestens achteinhalb Minuten puren Leseglücks durch stilistisch wenigstens fragwürdige Bandwurmsätze zeilenweise über Kamasi Washington auslässt, hat indes Gründe: ich glaube, "The Optimist" hätte die Rolle spielen können, die "The Epic" vor vier Jahren einnahm. Und selbst das hat ebenfalls Gründe: Hier spielt das West Coast Get Down Kollektiv, das später durch die Führung Washingtons und die Beteiligung an den Blockbusters von Kendrick Lamar weltweite Aufmerksamkeit erhalten sollte. Die Jazztruppe aus Jazz, Hip Hop und Funkmusikern traf sich gegen Ende der Nuller Jahre regelmäßig in Kamasis "The Shack" genannten Proberaum, einer kreativen Keimzelle des neuen US-Westküstenjazz, und nahm die Arrangements Porters in verschiedenen und über zwei Jahre verteilt stattfindenen Sessions auf. Das Probe- und spätere Aufnahmestudio war dabei nicht nur für die Anzahl der teilnehmenden Musiker signifikant unterdimensioniert, sondern liegt bizarrerweise auch noch unter der Landebahn eines Flughafens, was bedeutete, dass die Fenster und Türen geschlossen werden mussten, wenn die Mikrofone offen waren. Porter wird in den Liner Notes mit "The heat was unbearable" zitiert und verweist außerdem darauf, dass jeder Musiker mit totaler Konzentration und Angst in den Knochen spielen musste, um jeden potentiellen Spielfehler zu vermeiden und alsbald wieder Luft in den mit acht Menschen heillos überfüllten Raum zu bekommen. Unter diesen Umständen entstand mit "The Optimist" ein rohes Album, das in Bezug auf die reine Klangqualität sicherlich hier und da Verbesserungspotential offenbart, dafür aber mit etwas Mut zum verbotenen Wort, durch und durch authentisch klingt: funkiger, treibender Fusionjazz mit pulsierenden Grooves, ungeschliffener Kraft und lebendiger Virtuosität, ohne doppelten Boden, ohne unerfüllte Versprechungen und ohne Allüren. 

So ist "The Optimist" nicht nur ein fantastisches Stück Musik, es dokumentiert auch den Entwicklungsprozess des West Coast Get Down Kollektivs auf dem Weg zu "The Epic". Ähnlich meiner Faszination für alte Schallplatten und ihrer Geschichten, ihrer Besitzer, ihrer Hersteller (das älteste Exemplar meiner Sammlung, eine LP des Jazzpianisten Thelonious Monk, stammt aus dem Jahr 1955 und befand sich u.a. lange Jahre im Besitz einer nach New York ausgewanderten Stuttgarterin), die sich letzten Endes aus der Liebe für Hingabe, Leidenschaft und Kreativität speist, dient auch "The Optimist" als Geschichtenerzähler, als Zeitmaschine in eine Zeit der Unschuld und Naivität. Man hört den heute weltbekannten Kamasi Washington und seine bereits wuchernde Spiritualität, Miles Mosley's brodelndes Bassspiel (Solo-Plattentipp: "Uprising") und den allerorst gefeierten Pianisten Cameron Graves vor ihrer großen Zeit, unter Sauerstoffmangel eingesperrt in ein kleines unbelüftetes Loch in San Francisco - und wie sie alles in die Waagschale werfen, was sie bis in die hinterletzte Zelle ihres Körpers und Geistes finden konnten. 

Ich glaube ja alleine schon wegen meiner eigenen Erfahrungen nicht an Sozialkompromisse wie "Geschmäcker", auf die man sich konfliktlos einigen kann und die so gerne mit schlichter Sozialisation verwechselt werden, weil's eben immer nur in Richtung des Offensichtlichen zu gehen hat und jedes Graben nach Ursachen schon wieder kultureller Linksfaschismus ist. "Jazz ist anstrengend", "Jazz ist prätentiös", "Jazz ist mir zu hoch", "Jazz ist einfach nicht mein Ding" - Ich schlage vor, dass die Schubladen heute mal geschlossen bleiben. Aber es wäre wirklich mal an der Zeit, stattdessen das Herz zu öffnen. 


Pressung: +++ (Platten waren zwar trotz Originalverpackung verschmutzt, ließen sich aber mit einer OkkiNokki-Wäsche auf Hochglanz polieren. Alle drei Platten liegen flach auf dem Teller, keine Non-Fills, sehr selten kleinere Unannehmlichkeiten. Das Gefühl einer nicht ganz optimalen Pressqualität existiert, aber es gibt eigentlich keinen nachvollziehbaren Grund dafür)
Ausstattung: +++ (Ungefütterte und -bedruckte Standard-Inlays, dafür aber ein schönes Artwork, dreifach aufklappbares Gatefold, ästehetische Fotos, Linernotes, insgesamt stimmiges Design. Pappe etwas dünn. Wirkt alles etwas Low-Key, ist dafür aber vermutlich so ehrlich, wie es nur sein kann)





Erschienen auf World Galaxy Records/Alpha Pup Records, 2018.

04.03.2019

Best Of 2018 ° Platz 8 ° Tocotronic - Die Unendlichkeit




TOCOTRONIC - DIE UNENDLICHKEIT


Auf Dreikommaviernull.de ist exakt ein Beitrag zu Tocotronic zu finden, zu mehr hat es in knapp 12 Jahren nicht gereicht - und das hat Gründe. Meine Haltung gegenüber der Hamburger Indie-Institution war bisher in allerhöchstem Ausmaß mit indifferent noch sehr höflich beschrieben, und mit Ausnahme des hier rezensierten "Kapitulation"-Albums aus dem Jahr 2007 zuckte ich im besten Fall mit den Schultern. Das hat sich 2018 gründlich geändert. Die Zeit war gekommen. 

Ich weilte im Dezember 2017 berufsbedingt für zwei Tage in Hamburg und lag nach dem obligtorischen Besuch bei Michelle Records und der Einnahme eines vegetarischen Burgers im Hotelbett und konnte nicht schlafen. Es folgte ein über Stunden andauerndes zielloses Herumtapsen auf dem Telefon, bis mir plötzlich die Youtube-App das neue Video von Tocotronic vorschlug. Es war der Titeltrack und damit der erste Teaser des im Januar erscheinenden neuen Albums.

Und es traf mich wie ein Blitz.

Es gibt Momente in meinem Leben, die ich mir nicht erklären kann. Momente, in denen Zeit und Raum ausgehebelt erscheinen, in denen oben plötzlich unten und unten plötzlich oben ist. Wenn alles vorher gelernte, geglaubte, fantasierte und manipulierte keinen Sinn mehr macht, das Herz schneller pocht, die Augen weit aufgerissen sind, eine Euphoriewelle nach der anderen durch den Hypothalamus schwappt und das innere Brodeln sich mit Licht und Liebe verbindet. Wenn klar ist, dass solche Momente noch in 50 Jahren glasklar vor einem liegen werden, in der strahlendsten und unauslöschbarsten Erinnerung. So wie ich mich bis heute an den Sprung von der elterlichen Couch auf die Auslegeware vor dem Röhrenfernseher erinnere, als ich zum ersten Mal "Smells Like Teen Spirit" hörte. Dieses Gefühl wieder zu erkennen, wieder zu entdecken, dass dank Lohnarbeit, Schlafmangel, Bluthochdruck und innerem Bleigießen noch nicht alles erstarrt ist - ein Seelenöffner. 

"Die Unendlichkeit" war mir ab der ersten Sekunde ganz nah. Es wurde mehr als nur Musik, es wurde zur Begleitung, mehr noch: zum Lebensgefühl. Wie bereits zur "Kapitulation" wurde ihre Musik mehr als nur Klang und Worte, sie wurde zum Leitmotiv, zur Stütze, zum Ratgeber. Und ich erkannte, dass es vermutlich keine andere Band gibt, die mit ihren Texten eine derart tiefe Verbindung zu mir herstellen kann. Ich verstand sie endlich. 

Ihr Intellekt, ihr Mut, ihre Verletzlichkeit und auch ihre Freundschaft untereinander waren im letzten Jahr eine große Quelle der Inspiration. 


Pressung: +++++ (Tadellos)
Ausstattung: +++++ (Glow In The Dark-Coverartwork, Gatefold, bedruckte Innenhüllen)





Erschienen auf Vertigo, 2018.

02.03.2019

Best Of 2018 ° Platz 9 ° Christian Kleine - Electronic Music From The Lost World 1998-2001




CHRISTIAN KLEINE - ELECTRONIC MUSIC FROM THE LOST WORLD 1998 - 2001

It's all about inspiration, innit?

Ich bin zweifellos ein Kind der 1990er Jahre. Das wurde auf diesem Blog schon so oft geschrieben, dass ich beim erneuten Hinweis darauf beinahe selbst in bräsigen Dämmerschlaf falle. Thrash und Power Metal, Grunge und Alternative Rock, Loriots "Pappa Ante Portas" und Harald Schmidt, Rot-Grün, Tschüss Birne, MTV, Parker Lewis, Atomausstieg, Frasier, De La Souls Ring Ring Ring, das Café Wunderbar in Frankfurt-Höchst, ein Abitur mit sattem Notenschnitt von 3,4, Wayne's World, die alte Frankfurt Batschkapp.

Für elektronische Musik fehlte es sowohl am sozialen Umfeld als auch an mentaler Kapazität, außerdem ist meine in der Kindheit konfigurierte und bis in die Gegenwart hinein immer noch aktive Programmierung, sich wirklich erst dann in Bewegung zu setzen, wenn die geistige und körperliche Unversehrtheit in Gefahr ist, vulgo: ich es mit mir selbst nur noch unter groben Schmerzen aushalten kann, keine große Hilfe beim Loslassen und Erforschen neuer Welten - und sei es nur die Abteilung für Elektronische Musik im Plattenladen. Die Neunziger in a fucking nutshell: Kaufen wir lieber das neue Album von Stratovarius. Gitarren, Langhaarige, peinliches Airbrush-Coverartwork, die Hoden des Sängers kann man dank exzellenter Ausleuchtung auf dem Bandfoto sehen - kenn' ich alles, wird schon so gut und gemütlich sein wie die seit sechs Tagen ununterbrochen getragene Unterhose. Hier stört das niemanden, hier bin ich zu Hause. 

Mittlerweile habe ich immerhin dieses erwähnte "Zuhause" seit einigen Jahren verlassen - und was im Chaos des immerhin teilmöblierten mentalen Dachbodens zurückblieb sind Fragen zu der einerseits durch ausgiebige Reflektion zusammengeschnitzte Erkenntnis, als auch andererseits zu der Erinnerung an ein früheres Leben: was habe ich erlebt, was war das für ein Lebensgefühl, und warum ist es heute noch so präsent? Es gab im letzten Jahr kein anderes Album, das diese Gedanken mit soviel Verve durcheinanderwirbelte wie Christian Kleines "Electronic Music From The Lost World 1998-2001". 

Es stellte mir darüber hinaus weitere Fragen: warum fühlt sich diese Zusammenstellung von unveröffentlichten Tracks, die Kleine nach seinem Umzug von Lindau nach Berlin Ende der neunziger Jahre unter dem Eindruck einer gerade zusammenwachsenden und zwischen neuem Leben und alter Melancholie umhertaumelnden Großstadt produzierte, so an, als würde ich nicht nur nach Hause kommen, sondern auch noch die Geschichte um dieses Zuhause verändern? Ich hörte zu der damaligen Zeit noch keine elektronische Musik, ich kann daher auch nicht, wie es mir mit Rockmusik am laufenden Band passiert, an sie erinnert werden. Ich war auch nicht in Szenen unterwegs, in denen diese Musik gespielt wurde. Ich war ja noch nicht mal in Berlin. Eigentlich müsste diese Erinnerung aus nichts als einem weißen Blatt Papier bestehen, es sollte nichts auslösen, nichts pieksen, keine Bilder produzieren, keine Emotionen provozieren. 

It's all about inspiration, innit?

Und doch drücken diese 11 Songs sämtliche Knöpfe meines Emotionszentrums, sie beamen mich in genau jene Zeit zurück, in der sie entstanden sind. Die Bilder sind wahrhaftig und plastisch; es ist, als würden vergessene oder unterdrückte Bereiche meiner Erinnerung wachgeküsst werden - Erinnerungen, von deren Existenz ich nicht mal wusste. Die sanfte und zugleich reine Melancholie in seiner Musik, die wegen ihrer Klarheit einen Begriff wie Kitsch nicht mal im bizarrsten Gedankengerumpel triggern könnte, verbunden mit einer zaghaft-euphorischen Aufbruchstimmung, die ihren Ursprung im blanken Sein und dem sich daraus entwickelnden künstlerischen und kreativen Freiheitsgedanken hat, modellieren ganz offensichtlich meine nunmehr 20 Jahre in der Vergangenheit liegende Realität nach. Und es zeigt sich, dass meine Beteiligung an jener Realität kein notwendiger Faktor im Erleben und Entdecken derselben zu sein scheint. 

Ich habe keine Antworten zu all dem, endgültige gleich gar nicht. It's work in progress. 

But it's all about inspiration.



Pressung: +++++ (Wie immer bei A Strangely Isolated Place: flawless)
Ausstattung: +++++ (Wie immer bei A Strangely Isolated Place: ein ästhetischer Hochgenuss, man will gar nicht aufhören, die Platte immer wieder anzuschauen. Gatefold, konsequentes, umwerfendes Art Design, Coke Bottle-Doppelvinyl)










Erschienen auf A Strangely Isolated Place, 2018.