"Record companies? We tried to give Atlantic a done CD with nothing to do but throw it out there. They passed, saying they are only interested in new young bands." dUg Pinnick, 2006
Wie angedroht beende ich meinen kleinen King's X-Exkurs mit der Auflistung meiner fünf persönlichen Lieblingsalben. Es hat viel Spaß gemacht, sich knietief in die Geschichte der Band zu begeben und ganz persönlich gesprochen, meine eigene Vergangenheit mit diesen drei Typen Revue passieren zu lassen. Es ist vielleicht nicht immer erstrebenswert, sich derart in Vergangenem zu suhlen, aber diese "zweite Luft" bei einer Band zu bekommen, die man im Grunde schon immer in sein Herz geschlossen hatte, und plötzlich nochmal ganz neue Bilder und Eindrücke zu entdecken...das macht einfach großen Spaß.
Platz 5 - XV (2008)
Die aktuelle, 2008 erschienene Platte, die auch stellvertretend dafür in dieser Liste auftaucht, dass King's X immer noch existieren und nachwievor sehr gute Platten veröffentlichen. Zum zweiten Mal in Folge legte Michael Wagener Hand an die Produktion, und man hört's: "XV" klingt wie eine 1 mit Sternchen, ist aber auch poliert wie eine Bowlingkugel - das muss man abkönnen. Die Songs sind vielleicht die besten seit dem 1996er "Ear Candy"-Album und qualitativ gibt's mit "I Don't Know", "Move", "Alright" und "Go Tell Somebody" sogar ein paar Ausreißer nach oben.
Platz 4 - Out Of The Silent Planet (1988)
Aus heutiger Sicht kann man über die damaligen Versuche, die Band in ein Genre zu pressen nur den Kopf schütteln. In Ermangelung besserer Alternativen wurde ihr nicht selten das Schildchen "Heavy Rock" aufgeklebt und jetzt möge man einen kurzen Gedanken daran verschwenden und sich erinnern: Heavy Rock im Jahr 1988? Das waren Bon Jovi und Mötley Crue. Sie alle werden von dieser Platte zu nichts als einem faden Nachgeschmack zerbröselt. Die Herzallerliebste wirft an dieser Stelle übrigens ein, dass das Trio schon immer ein bisschen cheesy war, und ich kann nicht wirklich protestieren. Aber diese Songs! "What Is This", "Visions", "In The New Age", "King", "Wonder" oder das unsterbliche "Goldilox" - man versteht, warum King's X hiermit soviel Staub aufwirbelten.
Platz 3 - Faith, Hope & Love (1990)
Ein Bibelzizat auf Album Nummer drei war der endgültige Auslöser dafür, warum King's X künftig als christliche Rockband bezeichnet wurden. Als man den ganzen Christenclubs Jahre später berichtete, dass Basser und Sänger Doug homosexuell ist, wurden die Platten aus allen Läden entfernt und aus dem Verkauf genommen. Als mein erster musikalischer Berührungspunkt mit der Band hat die Platte einen Sonderstatus, aber den muss ich für die weitere Bewertung gar nicht bemühen. "Faith, Hope & Love" folgt grundlegend der Songstrategie der beiden Vorgänger, ist aber ausgereifter und einen Tick glatter. Das Ergebnis: "It's Love", die erfolgreichste Single. Die Folge: das bis heute bestverkaufte, erfolgreichste Album. Die A-Seite ist komplett und ohne weitere Diskussion anbetungswürdig.
Platz 2 - Gretchen Goes To Nebraska (1989)
Ihre ganz eigene Art Songs zu schreiben, behielten die Texaner nach dem Debut auch auf Album Nummer 2 bei. Und noch immer habe ich im Grunde keine Ahnung, was die hier spielen. Da ist ein bisschen Progressive Rock drin (allerdings eher Rush/King Crimson/Yes als Dream Theater), ein paar 70er Fliegenpilz-Psychedelica und bei den Gesängen tauchen unweigerlich die verdammten Beatles auf, aber dann wird die Luft schon dünn. Ihre Wechsel vom zart instrumentierten Satzgesang zu echten Keulenschwingerriffs sind schon harter Stoff - dass da ein Sänger am Mikro steht, der seine Stimmbänder in Richtung Gospelsoul vibrieren lässt, setzt aber noch einen drauf. Hinzu kommt der vielleicht seltsamste Gitarrensound der Rockgeschichte - wer interessiert ist, warum die Gitarren auf den ersten Bandalben so klingen wie sie klingen, der schaut sich diese Interviewsequenz mit Ty Tabor an:
LEGENDARY TONES. Die Songs sind etwas bunter und satter als beim noch ganz leicht spröden Debut, und auch hier findet sich eine Legion an Klassikern: "Over My Head", "Summerland", Mission", "Pleiades" und "Fall On Me" sind strahlende Besipiele von zerberstender Einzigartigkeit und völlig klischeefreier Rockmusik.
Platz 1 - Dogman (1994)
Was soll man noch zu diesem Album schreiben, außer vielleicht der Anmerkung über mein Unverständnis darüber, dass heutzutage jedem irrelevanten Scheißdreck, den schon bei der ersten Veröffentlichung kein Schwein interessiert hat, eine Wiederveröffentlichung als streng limitierte, bunt gesprenkelte, audiophile, sechsfach-Sondervinylpressung auf 800 gramm jungfräulichem Vinyl widerfährt, aber dieser Klassiker nachwievor unbeachtet bleibt
. "Dogman" ist die Sternstunde einer Band, die unbedingt an die Spitze wollte.
Krachend hart, brutal gut produziert (Der nicht unbedingt zu Superlativen neigende
Lehrer spricht diesbezüglich gar von einer Referenzplatte) und 13 unwidersprochene Hits, plus einer "Manic Depression"-Coverversion. Egal, bei welchem Song man den Laser auf die Reise schickt, man trifft immer glorreiche Sternstunden außergewöhnlich guten Songwritings. Vielleicht setze ich mich in den kommenden Wochen mal auf den Hosenboden und erstelle DIE_LISTE mit den 20 besten Platten der neunziger Jahre - spätestens da liest man sich wieder. Viel besser als "Dogman" wird's nicht mehr.
Outro
Bevor ich nun den "Absenden"-Knopf drücke, möchte ich noch einen wichtigen Hinweis loswerden. Drummer Jerry Gaskill hat im vergangenen Februar einen Herzinfarkt erlitten. Er ist mittlerweile wieder auf den Beinen und spielt sogar mit den beiden Jungs im Herbst eine Tour duch die USA im Vorprogramm von Kansas, aber da Amerika das fortschrittlichste Land dieser Erde ist, das eine Krankenversicherung für die kommunistische Gängelung aller Freiheitsliebenden hält, die direkt aus dem brennenden Schlund der roten Khmer emporzüngelt, braucht der Mann Geld, um seine Behandlungskosten zu bezahlen. Molken Music, das Label des ehemaligen Galactic Cowboys-Gitarristen Wally Farkas, hat aus diesem Grund unter dem Namen "Burning Down Boston: Live at The Channel 6.12.91" eine Liveaufnahme von King's X veröffentlicht, die man kostenlos herunterladen kann. Verbunden mit diesem Download ist ein "Geschenk" von 20 Dollar, das Jerry direkt erreichen wird. Ich hab's gemacht und es tut gar nicht weh. Hier gibt's den Link und zusätzlich ein paar Erläuterungen:
"Burning Down Boston: Live at The Channel 6.12.91" .
Es ist nun aber an der Zeit, weiterzuziehen. 2012 verspricht schon wieder das beste Musikjahr seit 2011 zu werden, wenn ich meiner bisherigen - Achtung, Nerd-Alarm! - Excel-Auswertung vertraue.
Es gibt noch viel zu Hören.