Platz 12 - THOMAS DYBDAHL - THE GREAT PLAINS
Monsieur Etten nannte den in seinem Heimatland Norwegen hart am Superstar-Status kratzenden Thomas Dybdahl mal im Rahmen seiner ersten beiden Alben "That Great October Sound" und "Stray Cats" den "Styler unter den Singer/Songwritern" und traf damit den Nagel auf den Kopf. Mittlerweile hat sich ländliche Idylle und eine Art von Kammermusik stärker als zuletzt in seine Songs eingewebt, allerdings nicht ohne eine bisweilen durchaus bemerkenswerte Portion Psychedelica-Pop einzubauen. Die von seiner Musik geschaffenen Bilder erscheinen dadurch oft verschwommen, träumerisch und apart. "The Great Plains" überrascht darüber hinaus mit einigen sehr offenen und luftigen Pop-Arrangements mit erstaunlichem Tiefgang, die nicht selten, wie im Falle von "No Turning Back", mit einem herzhaften Biss ins Fliegenpilzbaguette gebrochen werden. Zu gleichen Teilen einfühlsam und kraftvoll bewegen sich Dybdahl nebst seiner Begleitmusiker durch eine purpur schimmernde und intime Platte, die man am besten zu Kerzenschein in den Nachtstunden genießt.
Erschienen auf V2, 2017.
Platz 11 - PROPAGANDHI - VICTORY LAP
Über den Stellenwert dieser legendären Band für meine Welt zu sprechen, hieße Nazis in die AFD zu tragen, und weil man es ja trotzdem nie oft genug betonen kann, hier nochmal in Kurzform: sie veränderten mein Leben. Erstmals mit der neuen Gitarristin Sulynn Hago an Bord, war ich sehr gespannt auf "Victory Lap" und wurde nicht enttäuscht. Beginnt das Album mit dem Titeltrack noch überraschend eingängig, gerät die Denkvorrichtung schon mit dem folgenden "Comply/Resist" (einem ihrer besten Songs aller Zeiten) ein bisschen außer Balance und baumelt spätestens im dritten Albumviertel mit seinem sperrigen Thrashpunkmetal am seidenen Faden. Wer hier vorgibt, schon nach den ersten drei Durchgängen alles gerafft zu haben, nimmt es mit der Wahrheit wohl auch sonst nicht so supergenau. Qualitativ bewegt man sich auf "Victory Lap" in etwa auf "Failed States"-Niveau, hat mit "Letter To A Young Anus" und "Failed Imagineer" Hits bekannter Güte (und Machart) im Köcher und lässt wie üblich mit dem Rausschmeißer "Adventures In Zoochosis" alle Sicherungen durchkokeln, dieses Mal ganz besonders wegen eines persönlichen und emotionalen Textes, der mir die Augen jedes Mal aufs Neue unter Wasser setzt. "Potemkin City Limits" und vor allem "Supporting Caste" bleiben derweil unerreicht, weil mir an der ein oder anderen Stelle die alles zerberstende Durchschlagskraft etwas fehlt (was vermutlich den in Teilen heruntergestimmten Gitarren geschuldet ist), dass "Victory Lap" im herausragenden Post-2000 Oevre dieser einzigartigen Band seinen Platz finden wird, steht freilich nicht zur Debatte.
Erschienen auf Epitaph Records, 2017.
Platz 10 - CIGARETTES AFTER SEX - CIGARETTES AFTER SEX
Größtes Aha-Erlebnis des Jahres mit extraweiter Augenbrauenlüftung, nachdem sich die Nadel des Plattenspielers zum ersten Mal absenkte und ich die ersten 30 Sekunden des Openers "K" hörte. Schwer zu glauben, dass hier tatsächlich ein Geschlechtsgenosse singt, ein bärtiger zumal - daher habe ich mir auch für volle zwei Wochen eine Chanteuse am Mikrofon imaginiert, die ihre Selbstbeschreibung auf Twitter lediglich auf den alten Hot Shots-Spruch "In meinen Händen wird nichts zu Wachs" beschränkt hat. Mit anderen und weniger bedachten Worten: Angesichts des wie ein heißes Messer durch gefrorene Butter gleitenden Gesangs bin ich auf dem besten Weg, meine Heterosexualität nochmal neu zu bewerten. Auf dem Debutalbum der New Yorker stehen zehn Slomo-Slowdance-Blues-Smoothie-Hymnen, die Cigarettes After Sex im Handumdrehen zur Band der Stunde machten und die melancholisch zu nennen eine glatte Untertreibung ist. Sentimental, romantisch, erotisch, kurz: "ein tiefes Rot" (Dirk von Lowtzow). Wer diese Platte hört, befindet sich für knappe 50 Minuten im Paradies und blinzelt verträumt in einen meinetwegen auch herbei halluzinierten Sonnenuntergang im Hochsommer ohne Klimaanlage auf einer durchgelegenen und versifften Matratze in einem heruntergerockten 11qm Rattenloch mitten in New York, im Arm die Liebe des Lebens, in der Hand die Post-Vögel-Kippe. Wir starren an: die Decke.
Erschienen auf Partisan Records, 2017.
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